Читать книгу Wolfswege 4 - Stefanie Worbs - Страница 6

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Wer ist schwächer

Das Rudel lief und jagte gemeinsam, wie schon lange nicht mehr. Man merkte jedem die Freude an und der Vollmond brachte ihre Wölfe zu Höchstleistungen. Jeder testete aus und probierte, zu was sein Wolf nun fähig war. Gero und Noel allen voran. Zwar waren sie alle schon beim letzten Vollmond Royale gewesen, doch da hatten sie sich kaum ausleben können, denn es war bei den Azur gewesen.

Heute brauchten sie sich nicht zurückhalten und konnten tun, was ihnen gefiel. Selbst die Alphas hatten sichtlich einen riesigen Spaß. Sie spielten und tollten herum wie Jungwölfe und animierten ihre Kinder immer wieder zu neuen Späßen und Herausforderungen.

Auch wenn Ryan noch immer nicht bester Laune war, ließ er sich mitreißen. Da das Jahr sich immer stärker der kalten Saison zuwandte, war das Wasser im See eisig, doch es gab keinen, der nicht hinein ging. Xander schaffte es sogar, einen Fisch als Beute zu machen, den Ryan ihm wegschnappte, als sein Bruder sich gerade trocken schüttelte.

Eine wilde Verfolgungsjagd später gab Ryan schließlich auf, denn Xander hatte ihn mehrfach umgeworfen und schmerzhaft gegen Bäume oder Felsen gedrückt, um seine Beute wiederzubekommen. Ganz der nette große Bruder, hatte er Ryans Versuch jedoch gewürdigt und ihm die Hälfte vom Fisch abgegeben.

So verging die Nacht langsam, während das Rudel sich immer mehr im Wald zerstreute. Tavis und Charlotte hatten sich als erste abgeseilte und auch Otis und Rahel hatte die Zweisamkeit gesucht. Zoe hielt sich an Miles und Emily, die ihr einige Dinge zeigten, die die jüngste Thalan noch lernen musste und wo die Perkun-Brüder waren, wusste Ryan nicht. Was Evan und Amber taten, wollte er gar nicht wissen.

Er selbst spürte, wie er langsam die Kontrolle der Wandlung zurückbekam und entschied, den Abend zu beenden. Er registrierte zwar die Anwesenheit der anderen Wölfe im Wald, doch es war keiner mehr in der Nähe, der ihm Gesellschaft leisten konnte. Mit Kaya zusammen wäre er noch länger Wolf geblieben und hätte sicher auch noch weiterhin Spaß gehabt. Aber so?

Er trottete gedankenverloren zurück Richtung Haus, als Xander aus dem Gebüsch gesprungen kam und ihn umwarf. Sein Bruder wollte ihn zum Kampf animieren und Ryan ließ sich nicht zweimal bitten. Sie überschlugen sich und rollten über den Boden, immer wenn der eine den anderen angriff. Ohne wirklich zuzubeißen, schnappten sie nach dem jeweils anderen und testeten aus, wie sich ihre Beweglichkeit verbessert hatte.

Auf diese Weise erreichten sie schließlich den Garten des Hauses und bemerkten nicht, wie sie sich dem Pool näherten. Ryan sah ihn im letzten Moment im Augenwinkel, wich zur Seite aus, als Xander angesprungen kam und folgte seinem Bruder mit dem Blick, wie er platschend im Wasser landete. Ryan wandelte und krümmte sich vor Lachen, während Xander im Wasser auftauchte, Mensch wurde und zum Rand geschwommen kam. Zu spät bemerkte Ryan, dass er greifbar nah hockte, schon packte Xander ihn und Ryan tauchte ebenfalls kopfüber im Wasser ein.

Prustend kam er an die Oberfläche zurück und zitterte unkontrolliert. „Scheiße ist das kalt!“, stieß er aus und stemmte sich auf den Poolrand und aus dem Wasser. Seine Zähne klapperten hörbar, denn als Mensch fehlte ihm natürlich das Wolfsfell, das ihn vor Kälte schützte. „Arsch“, bibberte er zurecht, während diesmal Xander lachte, aber ebenso zitterte.

„Ich geh zuerst duschen“, ließ dieser ihn wissen, stand unsicher auf und rannte, so schnell seine steifen Beine ihn trugen, zum Haus.

„Nicht, wenn ich schneller bin!“, rief Ryan ihm nach, wusste aber, dass er keine Chance hatte. Xanders Vorsprung war zu groß. Er selbst würde im Mitgliederhaus duschen. Er stand auf und lief in dessen Richtung, als ein Wolf am Waldrand auftauchte. Ihre Augen funkelten im Mondlicht und waren auf ihn gerichtet.

Ohne Amber weiter Beachtung zu schenken, lief Ryan weiter und fiel beinahe über sie, als sie plötzlich vor ihm zum Stehen kam. Er seufzte genervt und wollte sie umrunden, doch sie schlängelte sich an seinen Beinen entlang wie eine Katze. Es erinnerte ihn an Maise und automatisch schärfte er seine Sinne. Amber roch intensiver als sonst, viel wilder und ungestümer. Der Geruch nach frisch gemähtem Gras wurde von einer Note untermalt, die Hitze in ihm aufsteigen ließ.

„Verflucht!“, stieß er aus und nahm Abstand zu dem Azurmädchen. Sie war in ihre Ranzzeit gekommen und markierte ihn mit ihrem Duft. „Lass das!“

Ihr Blick ruhte auf seinem und wieder kam sie näher.

„Verschwinde, Amber! Was soll das? Wo ist Evan?!“

Ihre blauen Wolfsaugen gaben ihm keine Antwort. Einzig Verlangen stand darin, dann wandelte sie sich und stand in ihrer vollkommenen, nackten Schönheit vor ihm.

„Gib mir diese Nacht, Ryan“, bat sie leise und trat auf ihn zu.

„Was? Nein! Lass mich in Ruhe!“

„Aber du willst es doch auch. Kämpfe nicht dagegen an! Hier kann uns nichts passieren und keiner hat ein Problem damit.“

„Doch! Ich! Lass mich einfach in Frieden!“ Er machte jeden Schritt, den sie auf ihn zu trat, zurück. „Amber, lass es einfach!“

„Wir sind füreinander bestimmt. Lass es doch zu, Ryan.“

„Nein! Geh weg!“ Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. „Du gehörst zu Evan. Wir haben einen Plan. Du machst das alles kaputt! Hör endlich auf damit!“

„Aber niemand sieht uns. Hier ist keiner, der uns anklagen kann.“

„Selbst wenn das so ist, will ich es nicht! Ich will dich nicht!“

Sie blieb stehen und funkelte ihn nun grimmig an. „Du willst! Du bist nur zu schwach, um es zuzulassen!“

„Ich bin stärker als du, weil ich dagegen ankämpfe! Ich weiß, dass es falsch ist, es zuzulassen! Begreif das doch auch endlich!“

„Hier ist gar nichts falsch!“, warf sie ihm entgegen. „Es ist unser Wesen, unser Erbe! Wir sind Wölfe!“

„Trotzdem werde ich diesen Fehler nicht wiederholen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hätte gedacht, du bist mehr.“

„Es ist mir egal, was du über mich denkst. Lass mich einfach in Ruhe!“

Blitzartig bewegte sie sich auf ihn zu, packte seinen Nacken mit beiden Händen, zog sich hoch und presste ihre Lippen auf seine. Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er sie wegschieben, doch ihre Hüften drückten sich ebenfalls gegen ihn und da beide nackt waren, spürte er alles von ihr. Sein Körper reagierte, ohne dass er es wollte, und ihr Griff wurde fester.

Ich darf nicht. Ich darf nicht!, ging es ihm durch den Kopf und zeitgleich wurde das Verlangen nach ihr immer größer. Er hob die Hände, um sie wegzuschieben, doch stattdessen packte er ihre Mitte und zog sie enger zu sich. Ambers Küsse wurden wilder und drängender, ihre Hüften begannen sich sinnlich zu bewegen.

Nein, nein, nein!, schrie sein Kopf, doch sein Wolf heulte vor Freude, Sehnsucht und Leidenschaft in ihm. „Nein, bitte“, kam es ihm ein letztes, verzweifeltes Mal über die Lippen, als sie sich kurz löste und ihn ansah. Ohne ein Wort zog sie sich erneut hoch und wieder lagen ihre Lippen auf seinen.

Dann wurde sie von ihm weggerissen und Xander stand, den Rücken zu Ryan, vor ihm. „Du solltest gehen“, sagte sein Bruder grimmig Richtung Amber und knurrte vernehmlich.

Sie starrte ihn erst an und verschränkte dann die Arme vor der Brust. „Warum denn?“

„Geh einfach!“

Sie ließ die Arme fallen und ging arrogant einen Schritt auf Xander zu. „Nein.“

Xander bebte und wurde Wolf. Das große anthrazitfarbene Tier vor Ryan stellte das Nackenfell auf und knurrte wütend.

Amber sah ihn nur missbilligend an. „Und jetzt? Willst du mich fressen?“, fragte sie und klang weiterhin überheblich.

Xander beugte den Oberkörper sprungbereit nach unten. Ryan hätte ihn aufgehalten, doch er war noch immer total durcheinander. Gerade hatte doch noch Amber vor ihm gestanden und sie hätte es beinahe erneut geschafft, ihn zu brechen. Jetzt verteidigte Xander ihn, doch Amber ließ sich nicht einschüchtern.

„Amber, geh. Bitte“, hörte er sich sagen und wusste gar nicht, warum er es sagte. Er wollte nicht, dass sie ging. Er wollte sie in seinen Armen haben und sie ganz und gar einnehmen, wie am See im Norden.

„Willst du das wirklich?“, fragte sie, schien seine Antwort aber zu kennen.

Ryan schüttelte den Kopf, ohne zu wissen, dass er es tat. Xander knurrte lauter und holte Ryans Aufmerksamkeit auf sich. Sein Bruder sah ihn nun direkt an und sein Blick flehte förmlich darum, dass er klar im Kopf wurde.

Ryan schüttelte ihn erneut und kniff die Augen zusammen, dann schaute er auf und Amber an. „Geh, Amber!“

„Nein.“

„Geh!“, knurrte er und wurde wütend. Sie kam ihm nicht einen winzigen Schritt entgegen, mit dem was sie tat.

„Du willst es auch. Du musst es nur zulassen“, sagte sie vollkommen überzeugt, ihn bekehren zu können.

„Ich will es nicht! Ich will nichts zulassen! Geh weg von mir!“ Sein Wolf kämpfte um Freiheit und jaulte bitterlich in ihm. Er wollte zu der Fähe und sie beanspruchen. Xander knurrte grollend, doch Amber rührte sich nicht. Dann wurde es zu viel und Ryan ließ seinen Wolf durch. Mit einem Satz sprang er an seinem Bruder vorbei und warf Amber um.

Eine Pfote links eine rechts neben ihren Armen, knurrte er animalisch und stinksauer. Ihre Augen waren groß vor Schreck und ihr Atem ging schwer, dann wechselte ihr Ausdruck von erschrocken zu überlegen. Sie hob die Arme und wollte ihm ins Fell greifen, doch Ryan sprang zur Seite und weg von ihr. Fiepend, als hätte sie ihm einen Schlag verpasst, nahm er Abstand.

Xander schob sich zwischen sie und wurde Mensch. „Amber, hör auf, verdammt!“

Sie rollte sich auf die Seite und stand auf. „Du hast keine Ahnung, Xander! Wenn du wärst, was wir sind, würdest du es verstehen und uns nicht in die Quere kommen! Wir sind füreinander bestimmt! Ryan ist mein Wolf und ich seiner!“

„Ihr seid gar nichts! Lass ihn in Ruhe!“

„Niemals!“, knurrte sie und ihre Gestalt bebte nun ebenfalls.

Ryan sah es und wusste, wenn sie Wolf war, würde er ihr gleich gar nicht mehr entkommen können. Er sprang vor und wieder an Xander vorbei. Er traf sie mit der Schulter und sie fiel erneut. Hart landete er auf ihr, rollte aber sofort wieder von ihr weg.

„Ryan! Schluss damit! Bist du verrückt geworden?“ Das war Charlotte. Sie kam vom Waldrand gelaufen, hinter ihr erschien Tavis als schwarzbrauer Wolf, wurde aber im Laufen ebenfalls Mensch.

„Was geht hier vor?“, hörte Ryan ihn fragen, als er selbst sich aufrappelte. Auch Amber setzte sich auf und Bedauern stieg in Ryan hoch. Er hatte sie mit einer Kralle am Unterarm erwischt und der Schmerz stand ihr als Tränen in den Augen. Seine Eltern kamen bei ihr an und Charlotte half ihr hoch.

Tavis’ Blick flog zwischen ihnen allen hin und her und blieb dann bei Ryan. „Erklärt mir das! Warum greifst du sie an, Ryan?“

„Er hat sie nicht angegriffen“, verteidigte Xander ihn sofort.

„Mit dir hat keiner gesprochen!“, fuhr Tavis seinen mittleren Sohn an. „Ryan! Wandele dich, auf der Stelle!“ Ryan tat es und erhob sich. Noch bevor er etwas sagen konnte, war sein Vater bei ihm und verpasste ihm eine saftige Ohrfeige. „Hast du den Verstand verloren, Junge?! Wie kannst du sie angreifen, wenn du Wolf bist? Du hättest sie umbringen können!“

„Ich habe nicht ...“

„Sei still! Ich will nichts hören! Deine Ausreden und dein Gejammere gehen mir auf die Nerven! Ich habe versucht, dich zu einer starken Persönlichkeit zu erziehen! Ich habe mir alle Mühe gegeben, dir Respekt und Verstand einzubläuen! Was habe ich falsch gemacht?!“ Er wandte sich ab und Ryan wollte etwas sagen, doch sein Vater sprach schon weiter.

„Ich verstehe nicht, wieso du so aufsässig geworden bist. Deine Brüder waren in deinem Alter schon so viel erwachsener.“ Tavis schüttelte den Kopf und drehte sich wieder zu Ryan um. „Warum kannst nicht einfach gut sein lassen, wie es ist? Warum kannst du dich nicht einfach zusammenreißen?!“

Da war es wieder. Ryan sollte sich zusammenreißen. Er sollte erwachsen werden. Er war es, der Fehler machte. Eine Mischung aus Wut, Trauer und Verzweiflung stieg in ihm auf. Wut, weil sein Vater ihm die alleinige Schuld an allem gab. Trauer, weil Tavis ihn nicht verstand und Verzweiflung, weil es jetzt wirklich nur noch einen einzigen Ausweg für Ryan gab.

„Es tut mir leid“, sagte er, statt sich zu rechtfertigen, wie sonst immer.

„Was? Dass du eine Enttäuschung bist?“ Tavis’ Worte trafen ihn wie ein Hammerschlag in den Magen.

Er schaute seinem Dad in die Augen und antwortete: „Ja.“ Dann wandelte er sich wieder, drehte ab und lief davon.

Wolfswege 4

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