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Verweigerer

Ryan kam kurz nach Hakoon beim Rudelsitz an. Das Haus am Rand von Brandon war hell erleuchtet, als er die erste Pfote in den Vorgarten vom Haupthaus setzte. Neben diesem Gebäude gab es noch zwei weitere, in denen Mitglieder des Rudels lebten.

Das Haupthaus gehörte der Alphafamilie, ein zweites den Spähern und Ausbildern und das dritte den normalen Mitgliedern. Als dritt ältestem Sohn des Alphas stand Ryan ein Zimmer im Haupthaus zu. Er hatte allerdings auch eines im Mitgliederhaus. Das nutzte er meist dann, wenn seine eigentliche Familie ihm mal wieder auf die Nerven ging.

„Ryan!“ Das war Tavis, sein Vater. Binnen eines Moments hatte er die Menschengestalt wieder und lief gemächlich auf zwei Beinen zur Veranda. Seine Mutter, Charlotte, murrte hörbar und kam mit einer Decke auf ihn zu.

„Wie oft sollen wir dir noch sagen, dass du das nicht im Vorgarten tun sollst?!“, knurrte sie und die Alpha schwang überdeutlich mit.

„Anscheinend habt ihr es noch nicht oft genug getan“, witzelte er und nahm den missbilligenden Blick seiner Mutter gelassen hin. Es bestand nicht im Ansatz die Gefahr entdeckt zu werden, denn der Vorgarten selbst war von einer so hohen Steinmauer umgeben, dass man schon eine Leiter bräuchte, um von der Straße aus etwas erkennen zu können. Einzig das Mitgliederhaus stand relativ nah zu einem Nachbargrundstück. Doch selbst dort konnte man im Dunkeln nichts ausmachen. Der Hauptsitz war mit Bedacht gewählt worden und bot nun schon in siebter Generation dem Rudel der Thalans Schutz.

Die Hand seiner Mutter im Rücken betrat er das Haus und ging ohne Umwege in die große Wohnküche, um sich etwas zu trinken zu holen. Die Flasche Cola in der Hand gab er seiner Mum ein Zeichen und machte sich dann auf in sein Zimmer. Für das wöchentliche Treffen sollte er sich lieber etwas anziehen.

Zurück im Wohnzimmer stellte Ryan sofort fest, dass nicht alle anwesend waren. Neben seinen Eltern waren seine Brüder Evan und Xander hier, ihr Späher Hakoon und von den Mitgliedern Otis, Gero und Rahel. Sein Blick musste seine Verwirrtheit zeigen, denn sein Vater erklärte die Abwesenheit des Rests.

„Emily und Miles sind unterwegs. Sie haben die anderen mitgenommen, um ihnen zu zeigen, wie wir vorgehen, wenn fremde Wölfe in unser Gebiet kommen“, sagte er tonlos und wedelte mit der Hand, das Zeichen für Ryan sich zu setzen. Er tat wie befohlen und ließ sich neben Hakoon auf einem von drei großen Sofas nieder. Sein Vater blieb stehen und erklärte weiter. „Emily hat die Witterung von einigen Fremden aufgenommen. Sie und Miles sind dabei rauszufinden, wer die anderen sind und ob sie eine Gefahr für uns darstellen.“

„Wo kommen sie her?“, wollte Ryan wissen und zog die Stirn kraus. Sie hatten schon seit einer Ewigkeit keine Probleme mehr mit anderen Rudeln gehabt. In weitem Umkreis gab es nur zwei weitere, mit denen sie aber im Bündnis lebten.

Überhaupt gab es selten Zwist zwischen den Rudeln. Nicht mal mehr Revierkämpfe gab es, denn die moderne Zeit hatte mit Land- und Besitzurkunden, sowie Miet- und Pachtverträgen die Kämpfe um Territorien abgelöst. Lediglich wenn ein Jungwolf sich behaupten und den aktuellen Alpha stürzen wollte, gab es noch Kämpfe. Aber auch hier selten zwischen den Rudeln. Intern ging der Titel aber über die Geburtenreihenfolge weiter. Meistens jedenfalls.

„Sie kommen aus dem Norden. Wir wissen auch noch nicht mehr. Emily hat vorhin erst angerufen. Wir werden ihre Rückkehr abwarten müssen“, erklärte Tavis.

Ryan nickte, dass er verstanden hatte und fragte dann: „Glaubt ihr die wollen was von uns?“

Sein Vater schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Und falls doch hoffe ich, dass sie uns erst mal kontaktieren, bevor sie handgreiflich werden.“ Sein Blick wurde argwöhnisch. „Ich frage mich, was sie zu uns verschlagen hat?“

„Hier gibt es die hübscheren Frauen“, witzelte Hakoon und hob die Hand, damit Ryan einschlagen konnte. Der grinste breit und tat seinem Freund den Gefallen.

Sein Vater schüttelte den Kopf erneut, hatte aber ein Lächeln in den Mundwinkeln. „Zum nächsten Punkt also“, sprach er weiter. „Ryan, wenn du es nicht unterlässt, dich im Vorgarten zu verwandeln, werden wir über Konsequenzen nachdenken müssen.“ Er warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Wie oft sollen wir dir erzählen, dass es kein Weg zu weit ist, die paar Schritte ins Haus oder auch dahinter zu tun? Kommt das noch ein Mal vor, werde ich Mittel und Wege finden, es dir ein für alle Mal einzubläuen, haben wir uns verstanden?!“

„Ja.“

„Gut. Dann möchte ich euch einweihen, dass sich zwei Jungwölfe unserem Rudel anschließen möchten. Sie kommen von den Cathcards und sind Bruder und Schwester. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich entscheiden soll. Was meint ihr dazu?“

„Liebling“, meldete sich Charlotte nun zu Wort. „Die beiden sind noch sehr jung. Willst du das wirklich riskieren?“

„Wir haben darüber gesprochen, Charlotte. Sie haben das Recht, zu wählen.“

„Ich weiß. Aber was, wenn es nur eine Phase ist? Jugendlicher Unmut, verstehst du?“

„Ich kenne deine Bedenken, Liebste. Lass uns hören was unsere Kinder dazu sagen.“ Tavis richtete den Blick auf die Anwesenden und zog fragend die Augenbrauen hoch. „Also?“

Hakoon meldete sich als Erster zu Wort. Zwar war er nicht ihr leiblicher Sohn, doch die Thalans zählten alle ihre Mitglieder als ihre Kinder. „Was haben sie für einen Grund ihr derzeitiges Rudel zu verlassen?“

Tavis zuckte mit den Schultern. „Yannick meinte, er und seine Schwester sind unzufrieden mit dem Führungsstil ihrer Eltern.“

„Sie sind keine leiblichen Kinder, oder?“, wollte Evan wissen.

„J-ein. Yannick ist nicht Carters leiblicher Sohn. Cathrine hat ihn mitgebracht. Willow hingegen ist die Tochter von beiden.“

„Wissen Carter und Cathrine davon?“

„Ja. Sie haben schon um ein Gespräch gebeten. Bevor ich dem zustimme, möchte ich aber eure Meinung hören.“

„Am Ende entscheidest doch eh du“, warf Ryan ein.

„Mag sein. Dennoch ist mir eure Meinung wichtig. Und wenn ihr alle darauf beharrt, dass es eine schlechte Idee ist, werde ich zweimal überlegen.“

Xander meinte: „Die Cathcards sind gute Freunde. Wir sollten es uns nicht verderben.“

„Das sagst du nur, weil du es mit Emma treibst“, feixte Hakoon und schlug mit einem der Sofakissen nach ihm.

„Stimmt doch gar nicht. Also ja wir haben was am laufen, aber sie sind trotzdem alle nett.“

„Hat jemand Vorschläge, was wir tun könnten?“, holte Tavis sie zurück zum Thema, bevor es ausartete.

Rahel schlug vor: „Wir könnten sie vorübergehend aufnehmen.“ Sie war mit Abstand die Ruhigste von allen und Ryans Sandkastenfreundin.

„Wie stellst du dir das vor?“, hakte Tavis nach.

Sie zuckte mit den Schultern und meinte: „Wir geben ihnen beiden eine Auszeit von ihrem Rudel. Sie sollen sehen was sie an ihnen haben und ob es ihnen bei uns wirklich besser gefällt. Wenn Cathrine und Carter ihre Kinder lieben, geben sie ihnen diese Möglichkeit. Wir wollen die beiden ja nicht abwerben, sie kommen freiwillig zu uns. Und wenn sie nach der Testphase bleiben wollen, können die Cathcards uns keine Vorwürfe machen. Vielleicht raufen sie sich auch wieder zusammen, wenn sie merken, wie sehr sie einander brauchen.“

Tavis nickte nachdenklich. „Das ist eine gute Idee.“

„Sie ist wunderbar, Schatz“, strahlte Charlotte und griff nach der Hand ihres Mannes. „So gehen wir kein Risiko ein. Lass uns einem Treffen zustimmen und ihnen diese Idee vorbringen. Ich bin sicher, sie stimmen zu.“

Evan verzog das Gesicht. „Ist euch mal aufgefallen, dass die Cathcards kein Rudel zusammenhalten können?“, stellte er in den Raum.

„Wie meinst du das?“, wollte Otis wissen.

„Es ist nicht das erste Mal, dass sie Mitglieder verlieren. Wisst ihr noch damals, als ihr ältester Sohn verschwunden ist?“

Gero klärte auf: „Er war nicht ihr gemeinsamen Sohn. Er war Carters Sohn und soweit ich weiß, ging er, weil er mit Cathrine nicht klarkam und überhaupt das Leben in einem Rudel satthatte.“

„Woher weißt du das?“, fragte Ryan.

„Ich kenne ihn.“

„Woher? Wer ist er und wo?“, hakte Hakoon nach.

Gero stieß unecht amüsiert die Luft aus. „Sein Name ist Zane. Wir kennen uns von früher. Ich war damals schon auf der Suche nach einem Rudel und traf auf die Cathcards. Er meinte, ich sollte es mir gut überlegen, ob ich zu ihnen gehören wolle. Wenig später stieg er selbst aus. Er hatte die Schnauze voll. Im wahrsten Sinne. Soweit ich weiß, lebt er seit seinem Ausstieg in der Wolfsgestalt im Süden Englands.“

„Er verweigert die Menschengestalt?“, fragte Tavis ungläubig nach.

Gero nickte nur.

Der Alpha zog die Brauen hoch und eine Schnute, dann meinte er: „Ich wusste, dass Carter einen Sohn hatte. Allerdings dachte ich, er sei gestorben. Als er nicht mehr auftauchte, hatte ich Carter auf den Jungen angesprochen. Er wirkte so geknickt, dass meine Vermutung in diese Richtung ging. Ich wollte allerdings auch nicht weiter nachfragen.“

„Wo wir bei Verweigerern sind“, wechselte Hakoon das Thema. „Wir haben heute eine gesehen. Ryan hat sie gefunden. Am Club.“

„Wirklich?“ Charlotte klang überrascht.

„Ja. Sie hat offensichtlich gegen die Wandlung angekämpft. Ihr solltet Bescheid wissen, falls Emily was sagt.“

„Die Sache mit dem Verweigern werde ich nie verstehen“, meinte Rahel und schaute auf. „Wieso verweigern sie ihre Gabe? Ich meine, dieser Zane lebt als Wolf. Wirklich nur als Wolf?“, hakte sie noch mal nach und Gero bejahte es. „Warum? Lebt er im Wald? Ganz ohne Zuhause? Und dieses Mädchen. Sie verweigert den Wolf. Dabei ist es das schönste Gefühl, die Freiheit zu spüren, die er mit sich bringt.“ Sie hob die Schultern und atmete tief ein, dann stieß sie die Luft wieder aus und schüttelte den Kopf. „Wir haben dieses wunderbare Geschenk bekommen und sie treten es mit Füßen.“

„Es steht uns frei, zu wählen“, erklärte Tavis. „Wir sollten die Entscheidungen anderer respektieren.“

„Das tue ich ja. Ich verstehe es nur nicht. Bei diesem Zane mag es noch gehen. Er hat wenigsten den Wolf gewählt. Aber sie?“

„Frag sie doch“, schlug Hakoon vor und sah Rahel direkt an. „Sie läuft sicher noch durch die Stadt. Morgen ist Vollmond. Wer weiß, wo sie grad liegt.“

„Es sah nach Schmerzen aus“, meinte Ryan leise. „Tut es wirklich so weh, wenn man die Wandlung unterdrückt?“ Sein Blick richtete sich auf seinen Vater.

„Das kommt ganz drauf an. Wenn sie die Initiationswandlung durch hat, sollte es nicht zu sehr wehtun. Dann ist es eher wie leichte Krämpfe und ein unbändiges Jucken.“

„Sie roch noch nach Mensch. Ich glaube nicht, dass sie je Wolf war“, meinte Koon.

„Wenn das so ist, wird es wohl ziemliche Schmerzen verursachen. Der Wolf will nach draußen und sie lässt ihn nicht. Ich kann mir keine vergleichbaren Schmerzen vorstellen.“

„Es ist schrecklich“, sagte Otis mit erstickter Stimme. Alle Augen richteten sich auf ihn. Sein Blick huschte über sie alle, dann senkte er ihn. „Ich hab meine erste Verwandlung auch verweigert. Ich wusste nicht, was mit mir passiert, also habe ich gegen den Wolf gekämpft. Natürlich wusste ich auch nichts von dem Tier in mir. Ich dachte einfach, ich wäre krank. Beim nächsten Vollmond passierte es wieder und die Schmerzen waren sogar noch schlimmer. Ich habe es nicht ausgehalten und dann brach der Wolf durch. Die Erleichterung war unbeschreiblich.“

Ryan zog die Brauen zusammen. „Heißt das, wenn sie das nun schon ein paar Jahre macht, dass ihre Schmerzen auch immer schlimmer werden?“

Otis nickte. „Ich denke schon. Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.“

„Vielleicht weiß sie nicht, dass sie ein Werwolf ist“, meinte Rahel.

„Doch doch. Sie hat uns erkannt“, erklärte Koon. „Sie hat uns weggeschickt.“

„Sie wollte uns nicht in der Nähe haben. Das heißt noch lange nicht, dass sie was weiß“, hielt Ryan fest.

„Sie hat gesagt, sie will nicht. Offensichtlich meinte sie die Wandlung.“

„Oder unsere Gesellschaft. Immerhin ging es ihr nicht gut.“

Hakoon winkte ab. „Was immer du meinst, Prinzchen.“

Die Tür ging auf und Miles kam herein, gefolgt von Emily, Kaya, Zoe und Noel. Alle sahen aus, als wären sie meilenweit gerannt und sie rochen nach Wald und Tier, also hatten sie es in Wolfsgestalt getan.

Wolfswege 1 -Amber

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