Читать книгу Das Gefühl ist der Auslöser - Steffen Rothammel - Страница 11

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Eine Kamera ist wie ein Werkzeug

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob dieses Kapitel überhaupt ins Buch soll. Aber weil ich selbst eine kleine Odyssee durch die Welt der Kameratechnik hinter mir habe, möchte ich meine Erfahrungen mit Ihnen teilen. Wenn Sie bereits die richtige Kamera und die richtigen Objektive für sich gefunden haben, überspringen Sie dieses Kapitel einfach.

Nehmen wir dafür an, dass wir mit unserer Fotografie Kunst schaffen. Was trägt das Werkzeug nun zur Kunst bei? Mein Onkel ist Holzbildhauer. Als ich ein Kind war, stellte ich ihm einmal die Frage: »Warum kaufst du dir kein neues Eisen? Das sieht schon so alt aus.« Ich kann mich noch gut erinnern, wie er lächelte und sagte: »Das muss nicht neu sein, es muss zu mir passen und gut in der Hand liegen.« Mag sein, dass der Vergleich seit der Digitalfotografie ein wenig hinkt, denn anders als das Stecheisen meines Onkels hat sich das Werkzeug »Digitalkamera« über die Jahre rasend schnell und in großen Schritten weiterentwickelt. Aber im Prinzip kann die Aussage meines Onkels übernommen werden: Ihre Kamera (samt Objektiv) muss gut in Ihrer Hand liegen, auch im übertragenen Sinne – sie muss zu Ihnen passen.

Was bedeutet das? Heute sind die meisten Kameras im Amateur- oder Profibereich mehr als ausreichend für 90 % aller Arbeiten. Gehen Sie im Zeitalter des Online-Shoppings mal wieder in den Einzelhandel. Probieren Sie verschiedene Gehäuse aus: Wie leicht können Sie zwischen der Blenden- und Zeitvorwahl wechseln, wie schnell können Sie eine Belichtungskorrektur einstellen? Für mich haben sich dazu Einstellräder für Blende, Belichtungszeit und ISO bewährt. Treffen Sie eine Vorauswahl. Denken Sie auch über den häufigsten Einsatzzweck der Kamera nach und nehmen Sie dann Größe und Gewicht mit auf Ihre Liste der Entscheidungskriterien. Fotografien entstehen nur, wenn Sie Ihr Werkzeug dabeihaben und es nicht aufgrund seiner Unhandlichkeit oder seines Gewichts zu Hause liegen lassen. Und da Sie ein visueller Mensch sind, sollte Ihre Kamera Ihnen auch gefallen. Mit etwas Schönem werden Sie sich viel lieber beschäftigen.

Ihre Motive bestimmen Ihre Ausrüstung

Was Sie fotografieren möchten, bestimmt die Wahl vor allem Ihrer Objektive. Wenn Sie Tiere in freier Wildbahn fotografieren, werden Sie um ein lichtstarkes Teleobjektiv (f/2.8 oder stärker) mit langer Brennweite nicht herumkommen. Sie werden oft aus großer Entfernung und nicht immer unter optimalen Lichtbedingungen arbeiten müssen. Zusätzlich erlaubt Ihnen die hohe Lichtstärke, schnelle Bewegungen mit kurzen Belichtungszeiten einzufrieren (was auch gegen Verwacklungsunschärfe hilft). In der Streetfotografie werden Sie eher mit Weitwinkel- oder leichten Teleobjektiven arbeiten wollen. Ein geringes Gewicht und eine gewisse Unauffälligkeit spielen hier auch eine Rolle. Lichtstärke ist – wie eigentlich immer – wichtig, da die Straßen der Innenstädte oder die Gassen alter Dörfer nicht immer ausreichend ausgeleuchtet sind. Außerdem wollen Sie ohne Stativ auskommen und vom Freistellungspotenzial hoher Lichtstärken profitieren Ihre Kompositionen auch hier, vor allem bei Porträts. Für die Landschaftsfotografie werden Sie schließlich eher mit (teils starken) Weitwinkelobjektiven arbeiten. Und wenn Sie mich nach der Wahl zwischen Zoom oder Festbrennweite fragen – Letztere sind für mich in der Streetfotografie schon sehr lange die besten Freunde. Aber beim Fotografieren ausgedehnter Landschaften mit Festbrennweiten kann es durchaus anstrengend sein, wenn Sie den Bildausschnitt »mit den Füßen zoomen« wollen.

Für die Wahl der Kamera selbst möchte ich mich mit Tipps ein wenig zurückhalten. Wie beschrieben, müssen Sie mit der Art der Bedienung zurechtkommen. Aufnahmegeschwindigkeit bei Bilderserien, Rauschverhalten bei höheren ISO-Zahlen und ein präziser Autofokus sind wichtig. Wenn Sie Naturfotografie betreiben, sollten Sie auf allgemeine Robustheit sowie Wasser- und Staubdichtigkeit achten.

»Benötigte« und angemessene Ausrüstung

Wenn Sie hauptsächlich Auftragsarbeiten annehmen, spielt die Größe Ihrer Ausrüstung eine nicht allzu tragende Rolle. Bei Aufträgen werden Ihre Motive ja im Vorfeld informiert, bevor sie von Ihnen mit einer 400-mm-Festbrennweite anvisiert werden. Auch werden Sie meistens kein Problem haben, dorthin zu gelangen, wo Hochzeitspaare oder Models sich in Pose bringen. Ebenso können Sie in der Sportfotografie Ihre komplette Ausrüstung mit allen Objektiven, Filtern und Stativen an den Spielfeldrand oder neben die Skipiste stellen.

Wenn Sie allerdings auf den Straßen oder in unwegsamem Gelände unterwegs sind, sind Größe und Gewicht entscheidend. Als Bergsteiger habe ich mich schon des Öfteren geärgert, meine Spiegelreflexkamera mit den beiden lichtstarken Objektiven nicht dabei gehabt zu haben. Aber wenn Sie aus einem eher sportlichen Grund morgens für eine schwere Tour Ihren Rucksack packen, wollen die mindestens sechs Kilogramm Zusatzgewicht einfach nicht in den Rucksack. Vor allem dann, wenn Sie keine besonderen Motive erwarten (leider tauchen diese Topmotive genau an solchen Tagen auf, so will es das Gesetz). Auch wenn Sie in Ihrem Urlaub früh am Morgen für eine zwölfstündige Citytour Ihr Hotel verlassen, machen sechs Kilogramm zusätzliches Gepäck keinen Spaß. Darüber hinaus sind Ihnen, wie im Kapitel Ihr Zugang zu den Menschen ab Seite 47 noch zu lesen sein wird, diese sechs Kilogramm gewaltig im Weg. Zum einen wegen des Gewichts, vor allem aber, weil der eine oder andere Einheimische, abgeschreckt vom »schweren Geschütz« in Ihren Händen, seinen authentischen Ausdruck verlieren wird.

Wenn Sie all dies nun hinter sich haben, folgt der wichtigste Teil, was das Thema »Werkzeug« betrifft: Werden Sie eins mit Ihrer Kamera. Lernen Sie, auf ihr zu spielen wie auf einem Instrument.



Die Männer Kubas treffen sich traditionell auf den Straßen zum Domino- oder Schachspielen. Nach einem Gespräch ließen sich die Herren von mir nicht mehr ablenken und es war Raum für besondere Nähe und Blickwinkel.

Das Gefühl ist der Auslöser

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