Читать книгу Das Gefühl ist der Auslöser - Steffen Rothammel - Страница 7
Vorwort
ОглавлениеIch sitze hier neben meiner Kamera und schreibe an einem Vorwort, welches Sie aufmuntern soll, sich ein wenig Zeit zu nehmen. Wir alle haben zu wenig Zeit oder nehmen uns diese kaum noch, um etwas in Ruhe anzuhören oder zu lesen. Auf unsere heutige Lebensart bezogen wäre es am besten, Sachbücher nicht mehr auszuformulieren, sondern den Inhalt in Stichpunkten oder in #hashtags zu schreiben. Für ein reines Kamerahandbuch könnte das auch funktionieren. Aber im Schreiben bzw. im Lesen steckt viel mehr als nur die reine Information: Hier treffen sich das Wesen des Autors und des Lesers, hier überschneiden sich ihre Gedanken und Gefühle. Sich auszudrücken ist so individuell wie ein Fingerabdruck. Daher erkennen wir auch in den meisten Fällen unsere Lieblingsschriftsteller an ihrem Schreibstil wieder.
Das Internet hat uns dazu erzogen, Informationen schnell und am besten in Listenform aufzunehmen. Wir haben uns so an diese Art der Informationsaufnahme gewöhnt, dass wir fälschlicherweise glauben, auf diese Art auch unsere künstlerischen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können. Doch die Art, wie man einen Pinsel hält, die Saiten einer Gitarre greift oder eine Kamera bedient, erschafft nicht das Ölgemälde, den Song oder die Fotografie. Sie können auf diese Weise die Grundlagen einer Sprache lernen, aber keine Rede schreiben. Die Umsetzung einer gelernten Technik in ein Artefakt bedarf einer Idee. Ideen entstehen aus Erfahrungen und Informationen. Erfahrung können Sie nicht stichpunktartig erwerben, sondern durch das immer wiederkehrende Ausführen einer bestimmten Tätigkeit.
Ich selbst würde mich als einen eher ungeduldigen Menschen bezeichnen. Als ich angefangen habe, bewusst zu fotografieren (mehr dazu später), war ich bei jedem neuen, aus damaliger Sicht gelungenen Bild davon überzeugt, dass ich jetzt angekommen wäre und meine Arbeiten doch der ganzen Welt gefallen müssten. Ich denke, Sie kennen dieses Gefühl. Kunst ist keine Wissenschaft, die wir lernen können oder die zu einem Ergebnis führt. Ein Künstler drückt zu jeder Zeit das aus, was ihn zu diesem Zeitpunkt bewegt. Natürlich spielt es eine Rolle, ob er dazu einen Pinsel oder eine Kamera einsetzt, aber ziehen wir den technischen Anteil ab, bleibt immer der Künstler übrig. Und somit entspricht auch jedes Gemälde oder eine Fotografie zu diesem Zeitpunkt genau dem Künstler und seiner Idee. Je nach Talent kommen Sie in unterschiedlichem Tempo mit Ihrer Kunst zurecht, aber nur ihre Ausübung und die Erfahrung damit werden Kunstwerke entstehen lassen.
Ich selbst bin erst vor ein paar Jahren an einem Punkt angekommen, den ich als Schwelle bezeichnen würde. Ich fühlte, dass ich in vielen Fällen umsetzen kann, was mir vorschwebt, und dass ich die dazu nötigen Softskills immer öfter abrufen kann. Diese persönlichen und sozialen Kompetenzen sind es, die meine Fotografie maßgeblich erweitert haben. Ich behaupte: Nicht der Umgang mit der Kamera macht den Unterschied, sondern vor allem der Umgang mit der Situation, in der Sie sich befinden. Daher werden Sie in diesem Buch (fast) keine technischen Informationen finden. Dass Sie Ihre Ausrüstung kennen, setze ich voraus (ich gehe trotzdem kurz auf die wichtigsten Themen ein, weil das weitere Buch auf diesen aufbaut). Ich bin allerdings der Ansicht, dass das wichtigste Werkzeug jeder Fotografin und jedes Fotografen ihr bzw. sein Einfühlungsvermögen ist. Nur damit entstehen wirklich gute Bilder. Seien Sie emphatisch und finden Sie Zugang zu Menschen. Interpretieren Sie Situationen richtig und fühlen Sie den richtigen Blickwinkel.
Sich selbst wahrnehmen und immer wieder reflektieren zu können, ist ein zentraler Aspekt in dieser Entwicklung. Wie wirken Sie (diesem Thema widme ich ein eigenes Kapitel), in welche Rollen können Sie schlüpfen, um so in verschiedene Situationen einzutauchen? Wie bleiben Sie dabei immer authentisch? Sie werden feststellen, dass Sie bei diesen Verwandlungen immer Sie selbst bleiben, allerdings stets aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Hier werden Sie dann auch Ihre Art zu fotografieren finden und somit Ihren Stil.
Eine weitere hilfreiche Kompetenz ist, ein Gefühl zu entwickeln für das, was in ihrer Umgebung passiert. Sie sollten ein wenig in die Zukunft sehen und erahnen können, wie sich die Situation in der Sie umgebenden Straßen- oder Naturszenerie verändert, um früh genug reagieren zu können.
Es gibt viele weitere Aspekte, die einen guten Fotografen ausmachen. Versuchen Sie, Ihre Stärken zu finden, und verbessern Sie diese. Die Summe aus Ihren Stärken verbunden mit der Beherrschung Ihrer Kamera wird Sie deutlich bessere Bilder machen lassen.
Ich möchte Ihnen mit diesem Buch Anregungen geben, wie Sie in diesen Situationen letztlich die richtigen fotografischen Entscheidungen treffen und somit die Basis dafür schaffen, Ihren eigenen Stil zu entwickeln.