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1 Energie ist gequantelt

Von der PLANCKschen Strahlungsformel, dem PLANCKschen Wirkungsquantum und dem EINSTEINschen Photoelektrischen Effekt

»Also mir würde es jetzt passen!«

Willi blickte kurz von seinem Handy hoch in Richtung Elfie und konnte gut die Fragezeichen erkennen, die seine Aussage auf ihrer Stirn erzeugte. Elfie war bei ihren Freunden Wilma und Willi zum Abendessen eingeladen, als kurz nach dem Essen der Strom ausfiel. Wilma hatte schnell zwei Kerzen auf den Küchentisch gestellt und nun saßen sie alle am Tisch bei Kerzenschein.

»Du sprichst in Rätseln«, antwortete Elfie, die ein wenig abrupt aus ihren Gedanken gerissen wurde und offensichtlich keine Ahnung hatte, was Willi von ihr wollte. Auch Wilma blickte Willi fragend an.

»Naja, wir sitzen jetzt wohl hier für einige Stunden ohne Strom, so steht es zumindest in der Nachricht, die ich gerade gelesen habe. Zu Abend gegessen haben wir schon, draußen ist es ungemütlich kalt und es regnet – da spricht doch eigentlich nichts dagegen, dass du uns endlich einmal alles erzählst. So mit EINSTEIN und Konsorten und so, du weißt schon.«

»Stimmt – da war doch was«, erinnerte sich Elfie, die nun plötzlich putzmunter und offensichtlich voller Tatendrang Wilma und Willi anstrahlte, »aber was wolltet ihr denn eigentlich genau wissen?«

»Na, mehr so die spannenden Sachen oder die, bei denen Dinge passieren, mit denen man nicht rechnet«, wirkte Willi nun auch wie elektrisiert und er überlegte, mit welchem Beispiel er Elfie klar machen konnte, von was er sprach.

»Also vielleicht hat ja jemand herausgefunden, dass links eigentlich rechts ist, und alle biegen immer falschrum ab, oder so«, sprang Wilma ihm zur Seite und fand, dass sie ein besonders gutes Beispiel gefunden hatte, um deutlich zu machen, worum es ihnen ging.

Elfie musste kurz überlegen, ob sie über vergleichbar dramatische Erkenntnisse zu berichten wusste. Sie entschied sich dann für die alte Elektriker-Weisheit!

»Also, Wilma und Willi, nehmt zum Warmdenken einmal folgende Grundregel zur Kenntnis, die ihr euch beim Arbeiten mit elektrischem Strom merken solltet. Sie lautet: Blau ist Braun und Plus ist Minus!«

Einen Moment lang war es ganz still. Willi schaute sehr neutral einfach geradeaus, etwa so wie auf seinem neuen Passbild, während Wilma den Eindruck erweckte, sie hätte ihr gesamtes Grübelkontingent außer Haus gegeben und gerade festgestellt, dass sie so eigentlich gar nichts feststellen kann. Elfie blickte von einem zum anderen und kam zu der Überzeugung, dass man in einer vergleichbaren Situation bei einem Computer einen Restart vornehmen würde. In der Hoffnung, es hätte den gleichen Effekt, nahm sie das Gespräch einfach wieder auf.

»Kleiner Scherz am Rande, entschuldigt, ich habe das nicht ernst gemeint, ich habe einfach nur alles verdreht.«

»Aber irgendwie war der gut«, erwiderte Willi nach einer kurzen Denkpause, und in dem Tempo, in dem er begriff, was Elfie mit dem Satz angestellt hatte, eilte auch wieder Leben in seine Gesichtszüge.

»Den muss man sich merken«, ergänzte Wilma, offensichtlich erleichtert, dieser kleinen Denkfalle schnell wieder entkommen zu sein.

»Ok, jetzt will ich aber nicht weiter vom Thema ablenken«, legte Elfie los, »ich muss kurz überlegen … ja, ok! Wir beginnen mit einem kleinen Überblick. Achtung, festhalten, es geht los!

Quantenmechanik und Relativitätstheorie haben als große Säulen der Physik für die Gesellschaft umwälzende Veränderungen gebracht. Damit einher geht die Erkenntnis, dass unsere tägliche Erfahrung die tatsächliche Natur nur dann korrekt widerspiegelt, wenn der betrachtete Bereich nicht zu klein wird und wir uns nicht zu schnell bewegen.«

»Aha, das fängt ja super an«, murmelte Willi, »hab' kein Wort verstanden!«

»Nicht so schnell, Willi, lass mich doch erst einmal weiter erklären«, beeilte sich Elfie zu erwidern, lächelte beide an und ergänzte, »ich brauche noch zwei, drei Sätze, um zu umreißen, was auf uns wartet. Denkt euch einfach, es sei ein Aperitif, der den Appetit anregen soll.«

Elfie wartete kurz, die Mienen der beiden verrieten aber immer noch gute Laune.

»Wo war ich?« Elfie stellte für einen kurzen Moment die Entfernung auf unendlich. »Ach ja«, wieder an Wilma und Willi gewandt, »ich wollte nur noch schnell etwas zu dem nicht zu klein und dem nicht zu schnell sagen.

Also …, nähert man sich zum Beispiel der Welt des Allerkleinsten, dann sind Teilchen plötzlich nicht mehr nur an einem Ort, sondern sie sind als Welle an vielen Orten gleichzeitig. Erst unsere Beobachtung zwingt die vorher aus Wahrscheinlichkeiten bestehende Natur, sich zu entscheiden, wodurch der Übergang von der Materiewelle zu einem konkreten Teilchen erzwungen wird.

Wird man andererseits sehr schnell und nähert sich der Lichtgeschwindigkeit, dann wird man unheimlich schwer, der Raum ist nicht mehr gerade, und – vor allem – die Zeit läuft nicht mehr wie gewohnt ab.«

Schweigen im Raum.

»Du hast Recht, Elfie«, sagte Wilma schließlich, »man muss nur etwas abwarten und es auf sich wirken lassen, dann wird alles klar.« Sie blickte dabei verschmitzt zu Willi hinüber, legte eine kurze Pause ein und sagte dann: »Nein, also ehrlich, Elfie, bis zu deinem zu klein und zu schnell ging es ja noch, aber dann…! Also ich nehme dich jetzt beim Wort und sage: Der Aperitif zur Einstimmung war gut, dann fehlt jetzt nur noch der Rotwein zum Hauptgang, was meint ihr?«

Schnell war man sich einig, dass geistige Getränke gut zum Thema passen, und schon war eine Flasche Rotwein auf dem Tisch, die Gläser wurden gefüllt und mit den ersten Schlucken wurden auch die letzten Bedenken hinuntergespült.

1.1 Das PLANCKsche Strahlungsgesetz und das PLANCKsche Wirkungsquantum

»Jetzt kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen«, verkündete Elfie gut gelaunt, »und bevor die Stimmung zu gut wird, starte ich gleich mit einem Nobelpreis! Den hat ein gewisser MAX PLANCK erhalten, und zwar für seine Untersuchungen zur Wärmestrahlung aus den Jahren 1899 und 1900. Die Idee, die dahintersteckt, lässt sich aber zum Glück ganz einfach erklären.«

Elfie machte eine kleine Pause, schaute von Willi zu Wilma und wieder zurück und sagte dann an beide gerichtet: »Wir müssen dazu kurz über den Begriff Energie sprechen: Die Energie ist die Mutter aller physikalischen Größen, sie ist der Sheriff. Was sie sagt, wird gemacht, und wenn sie etwas tut, dann folgen ihr alle. Und wir haben es jetzt mit dieser fundamentalen Größe zu tun.

Dazu folgendes Gedankenexperiment:

Ich habe eine super-hochauflösende Wärmekamera an eine Herdplatte gestellt und filme jetzt, wie sich die Herdplatte erwärmt.«

»Mann, das klingt ja spannend«, wurde Elfie von Willi unterbrochen, »dagegen ist Der Exorzist ja der reinste Hosenpuper.«

»Also, ich hab' auch ein Experiment dazu«, warf Wilma gut gelaunt ein, »und zwar habe ich herausgefunden, dass der Aua-Faktor umso höher ausfällt, je heißer die Herdplatte ist.«

»Aber für so etwas hat doch der olle PLANCK wohl keinen Nobelpreis bekommen, oder?«, flutschte es aus Willi heraus. »Und außerdem klingt das ja sowieso mehr nach Medizin als nach Physik.«

»Na, ein wenig mehr hatte PLANCK schon auf dem Kasten«, gab Elfie zu bedenken, »denn als er den Nobelpreis erhielt, war er immerhin schon ein Professor Doktor.«

»Wie, doch ein Doktor?«, fragte Willi ungläubig.

»Ein Doktor der Physik«, korrigierte Elfie.

»Ach so, also kein richtiger Doktor«, gab Willi etwas enttäuscht zurück.

»Lassen wir das«, antwortete Elfie, die nun Angst hatte, das Gespräch verliere seine eigentliche Kursrichtung.

»Also, ich merke schon«, versuchte sie nun dem Ganzen einen positiven Anstrich zu geben, »mit euch kann man Wissenschaft auf höchstem Niveau betreiben. Und in punkto Gedankenexperiment seid ihr ganz weit vorn! Also, zurück zum Thema. Wir schauen uns mit dieser Wärmekamera an, wie die Platte wärmer und wärmer wird, aber irgendetwas ist eigenartig, denn wenn man genau hinschaut, also ganz genau, dann erkennt man: Die Platte wird nicht kontinuierlich wärmer, sondern in Sprüngen!«

Stille. Elfie sagte nichts, und Wilma und Willi schauten sie erwartungsvoll an.

»Und?«, fragte Wilma ungeduldig.

»Also hör mal«, sagte Willi, der jetzt ahnte, worauf Elfie hinauswollte, und langsam Morgenluft witterte, »das ist ja schon komisch. Warum sollten da Sprünge sein? Wer sagt der Natur, dass der nächstwärmere Wert bitte ausgelassen wird und erst der danach folgende wieder angenommen wird? Und woher weiß die Natur eigentlich, wie groß dieser Abstand ist?«

»Exakt! Und genau das haben sich damals auch alle gefragt«, führte Elfie weiter aus, »und es hat ja auch keiner geglaubt – vor allem PLANCK selbst nicht. Ok, das Ganze mit der Kamera, das gab es ja damals noch nicht, und um ehrlich zu sein, hatte PLANCK auch keine Herdplatte beobachtet. Das alles war schon etwas komplizierter. Er hat die Wärmestrahlung eines sogenannten idealen schwarzen Körpers vermessen. Und die Temperatursprünge, von denen ich sprach, die waren den Messkurven auch nicht anzusehen, dazu waren die Kurven zu ungenau, oder besser gesagt, die Sprünge sind so winzig, dass man sie eigentlich nur rechnerisch nachweisen kann. Aber genau DAS hat er getan. PLANCK hat rechnerisch nachgewiesen, dass die Wärmeenergie und damit auch jede andere Form von Energie – ihr wisst noch, die Chefin im Haus – nicht beliebige Werte annehmen kann. Man sagt: Die Energie ist gequantelt.«

»Aha, also ehrlich, was ist denn das für ein behämmerter Begriff«, fuhr es aus Wilma heraus, »das mit der Herdplatte konnte ich mir ja noch vorstellen, aber bei dem komischen Quanten-Begriff fällt mir eigentlich nur ein: Mein Name ist Blöd, James Blöd, und mein Film heißt Ein Quantum Trost, was immer das auch heißen mag!«

»Das ist sehr gut …«, antwortete Elfie, »…, wenn du dir das mit der Herdplatte merkst. Dass also die Erwärmung nur in ganz kleinen Stufen erfolgt, weil es für die Energie einfach nicht jeden Wert gibt. Wenn du dir das merkst, dann hast du schon ganz viel Wichtiges verstanden. Was will man mehr? An der eigenartigen Bezeichnung können wir nichts ändern. Wir wissen aber jetzt: Die Energie gibt es nur in kleinen Paketen, den Quanten, und ein Energiequant ist die kleinste Energiemenge, die es gibt.

Übrigens ist damit der viel zitierte Quantensprung eigentlich etwas ganz, ganz Kleines. Da dieser Begriff in der Alltagssprache aber eher für einen signifikant großen Fortschritt verwendet wird, also eher zum Gegenteil mutiert ist, fällt er unter die Rubrik Januswort – dies nur einmal für die Germanisten unter uns. Kommen wir aber zurück zur Energie. Den eingangs erwähnten Nobelpreis gab es nämlich genau für diese Erkenntnis, dass die Energie gequantelt ist – und natürlich hat PLANCK auch ermittelt, wie groß diese Stufe ist, um welche die Energiewerte springen: Die Zahl beginnt mit einer 0, dann ein Komma, und dann kommen 33 Nullen, bevor die erste Ziffer erscheint – so klein ist der Wert! Sei's drum. Und einen schönen Namen hat diese Zahl auch bekommen: Es ist das PLANCKsche Wirkungs quantum!

So, damit hätten wir die erste Hürde schon fast genommen, aber so ein klein wenig mehr möchte ich euch schon zum PLANCKschen Nobelpreis sagen. Dafür brauche ich aber bitte einen Zettel und einen Stift.«

»Wird jetzt gerechnet?«, fragte Willi ängstlich.

»Für jede Formel gibt es einen Schnaps«, ergänzte Wilma, die in der Zwischenzeit die Schreibutensilien auf den Tisch gelegt hatte, und mit einem Augenzwinkern an Elfie gerichtet: »Damit hast du es selbst in der Hand, wie der heutige Abend so verläuft.«

»Also wenn das mal keine Schnapsidee ist«, warf Willi vergnügt ein, »und jetzt weiß ich endlich, woher dieser Begriff kommt. Auf diese Weise wäre ich sogar bereit, meine Einstellung gegenüber Formeln neu zu überdenken.«

»Wieso habt ihr eigentlich so viel Angst vor Formeln?«, fragte Elfie und schüttelte leicht den Kopf. »Wenn du einen Kuchen backst, Wilma, dann hast du doch die Zutaten und Mengen nicht komplett im Kopf, sondern du nimmst dir ein Backrezept. Genauso ist es auch bei einer Formel. Die Formel gibt auch nur vor, was man tun muss, um am Ende etwas Bestimmtes herauszubekommen. Formeln sind nicht schlimm, Formeln sind unsere Freunde! Gut, ich mache euch einen Vorschlag: Einen Schnaps gibt es nur für die Formel, die auch nach entsprechender Erklärung absolut unverständlich bleibt – ok?«

Wilma und Willi schauten sich kurz an.

»Ok!«, wagte sich Wilma vor. »Wir sagen erst einmal zu, sofern wir uns darüber einig sind, dass die einfache Mehrheit darüber entscheidet, ab wann wir wieder zur ursprünglichen Regel zurückkehren.«

Elfie legte kurz den Kopf zur Seite, überlegte, überlegte noch einmal und sagte dann: »Ok, so machen wir das«.

»Also …«, begann Elfie, nachdem sie die wichtigsten Stichpunkte ihrer bisherigen Unterhaltung notiert hatte, »man suchte damals einen Leuchtkörper, der möglichst viel Licht erzeugen sollte bei möglichst niedrigem Energiebedarf.«

»Manches scheint sich ja nie zu ändern«, kommentierte Willi, »damit könnte man auch heute noch punkten.«

»Auch PLANCK beschäftigte sich mit dieser Frage, allerdings stieg er gleich etwas tiefer in das Thema ein«, fuhr Elfie unbeirrt fort, »denn damals wusste man zwar schon, wie das Strahlungsspektrum eines heißen, glühenden Körpers aussah, man konnte die gemessenen Verläufe aber nicht vollständig erklären.«

»Gibt's eigentlich auch 'nen Schnaps, wenn es auch ohne Formeln komisch wird?«, unterbrach Willi.

»Jetzt lass mich doch erst einmal erklären«, erwiderte Elfie und griff nach Zettel und Stift. »Um den Begriff Strahlungsspektrum überhaupt verstehen zu können, müssen wir uns kurz mit einer spannenden Frage auseinandersetzen. Diese Frage lautet: Wie seht ihr die Welt?«

Wilma und Willi schauten sich gegenseitig unsicher an, dann zuckte Willi kurz mit den Schultern und sagte:

»Blöde Frage, so wie sie ist!«

Während beide noch über die Frage sinnierten, zeichnete Elfie etwas auf einen der Zettel.

»Ich komme gleich auf die Frage zurück«, fuhr sie fort, »aber zunächst müssen wir erst einmal etwas anderes klären. Ich denke, ihr wisst, dass das Licht eine elektromagnetische Welle ist! Oder zumindest habt ihr schon einmal davon gehört, meistens im Zusammenhang mit einem Regenbogen. Bei einem Regenbogen sorgen ja die Wassertropfen in der Luft dafür, dass die Lichtstrahlen von der Sonne, welche als Wellen daherkommen, von diesen Wassertropfen gebrochen werden, und dann, tataataaataaaa, kommen plötzlich unterschiedliche Farben zum Vorschein. Die Erklärung ist dann, dass das weiße Licht der Sonne aus verschiedenen Farben besteht und jede Farbe von den Regentropfen unterschiedlich stark gebrochen wird, und schon ist er da – der Regenbogen. Das ist ja auch alles richtig!«

»Ich hätte es zwar so nicht mehr zusammengebracht«, unterbrach Wilma, »aber jetzt, wo du es sagst, ich glaube, so hat man mir das auch erklärt.«

Willi nickte.

»Prima«, fuhr Elfie fort, »man muss jetzt eigentlich nur noch wissen, dass man sich das Licht tatsächlich als eine Welle vorstellen kann, und die unterschiedlichen Farben sind nichts anderes als unterschiedliche Lichtwellenlängen. Schaut einmal her. Ich habe hier zwei verschiedene Lichtwellen dargestellt und die Wellenlänge jeweils darunter notiert.« Sie zeigte mit dem Stift auf das, was sie auf ihrem Zettel gezeichnet hatte. »Ich schreibe an alle meine Graphiken eine Nummer, dann haben wir es später leichter, wenn wir auf die eine oder andere noch einmal Bezug nehmen. Diese Graphik hier bezeichne ich mit Bild 1.1.


Den eingezeichneten Begriff Amplitude brauchen wir jetzt noch nicht, den besprechen wir später. Kommen wir zum Begriff der Wellenlänge. Wichtig ist, dass mit der Wellenlänge nur ein Teil des gezeigten Kurvenzugs gemeint ist, und zwar vom Nulldurchgang – die durchgezogene Linie – über das Maximum weiter zum Minimum und wieder zurück bis zum Nulldurchgang, so wie dies in Bild 1.1 gezeigt ist. Die Wellenlänge hat als Abkürzung den griechischen Buchstaben λ, den man Lambda ausspricht. Die Längeneinheit nm bedeutet Nanometer, dabei ist 1 Nanometer genau 1 Milliardstel Meter oder auch 1 Millionstel Millimeter, jedenfalls ist das ziemlich klein! In Bild 1.1 habe ich zwei Wellenlängen skizziert, dabei wird die kürzere Wellenlänge von etwa 400 nm vom Auge als Blau wahrgenommen, die längere mit etwa 700 nm sieht das Auge als Rot. Dieser Bereich von 400 bis 700 nm ist der Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts, also das, was das Auge sehen kann. Dazwischen liegen alle anderen Farben.«

Elfie machte eine kurze Pause und schaute prüfend zuerst zu Wilma und dann zu Willi, um zu sehen, ob alle noch an Bord waren.

»Ok, das ist zwar ziemlich viel auf einmal, aber das habe ich so weit kapiert«, sagte Willi.

»Also, ein Millionstel Millimeter, Moment … lass mich denken«, überlegte Wilma laut, »wenn ich einen Millimeter in 1.000 gleichgroße Teile zerlege, dann habe ich einen Mikrometer, richtig? Das geht gerade noch von der Vorstellung. Da es aber hier um den MILLIONSTEN Teil eines Millimeters geht, muss ich diesen Mikrometer ja noch einmal in 1.000 gleichgroße Teile zerlegen, und erst dann erhalte ich diesen Nanodings, äh, Nanometer, oder?«

Elfie kam nur zu einem kurzen Nicken, denn Wilma legte gleich wieder los.

»Also, ehrlich, so richtig vorstellen kann ich mir das nicht mehr. Aber wenn das nun einmal so ist, … ok! Mach mal weiter, Elfie, aber lass den Zettel so liegen, dass ich da zwischendurch noch einmal draufschauen kann.

Und eine Wellenlänge ist die Länge«, fragte Wilma sicherheitshalber noch einmal nach, »von der ab sich alles wiederholt, oder?«

»Alles richtig, Wilma, sehr gut«, nickte Elfie und skizzierte schon wieder etwas Neues auf einem zweiten Zettel.

»Ok, boys and girls«, hob Elfie ihre Stimme, und jetzt klang es wichtig, »aber das ist ja noch nicht alles. Unser Sonnenlicht ist also eine elektromagnetische Welle, das halten wir schon einmal fest. Es besteht aus unterschiedlichen Farben, was bedeutet, dass Licht aus Wellen mit unterschiedlichen Wellenlängen besteht – dies halten wir auch fest.

Und Achtung, das ist neu: Unser Sonnenlicht ist aber nur ein kleiner Teil des sogenannten Elektromagnetischen Spektrums, welches ich euch hier skizziert habe.«


Elfie deutete mit ihrem Stift auf das, was sie auf dem zweiten Zettel skizziert hatte und erklärte weiter: »Hier in Bild 1.2 habe ich nach rechts die Wellenlänge λ aufgetragen und hier in der Mitte – das Farbige – entspricht dem Wellenlängenbereich von 400 nm bis 700 nm, also genau dem Bereich, den das Auge erkennen kann. Wie ihr seht, gibt es aber noch jede Menge weitere Vertreter der elektromagnetischen Strahlung, also zum Beispiel ganz links die Gammastrahlung, die sehr kurzwellig ist, oder ganz rechts die Radiowellen mit einer sehr, sehr langen Wellenlänge.«

»Und was bedeuten die komischen Zahlen über den Bereichen?«, fragte Wilma etwas hilflos.

»Schnaps!«, tönte Willi dazwischen, der inzwischen die Übersicht verloren hatte.

»Gebt mir noch eine Chance«, sagte Elfie ruhig, »zu den Zahlen muss ich natürlich noch etwas sagen. Dies ist eine sehr clevere Darstellung, ganz große und ganz kleine Zahlen sehr übersichtlich schreiben zu können. Das Einzige, was man dazu wissen muss, ist, dass die hochgestellte kleine Zahl, also der Exponent, angibt, um wie viele Stellen man das Komma verschieben muss, und zwar bei einem Minuszeichen nach links, und wenn kein Vorzeichen auftaucht, dann ist ein Plus gemeint und man muss nach rechts verschieben. Ok, und noch etwas muss man wissen, und zwar: Jede Zahl hat ein Komma, man schreibt es nur nicht immer hin! Hmm, wo finde ich jetzt schnell ein Beispiel …?«

Elfie schaute sich im Raum um und nahm plötzlich die beiden vor ihnen stehenden Kerzen ins Visier.

»Nehmen wir die Kerzen auf dem Tisch: Es stehen 2,0 Kerzen auf dem Tisch! Diese Aussage ist mathematisch und inhaltlich absolut korrekt. Aber kein Mensch würde das so sagen. Und warum nicht? Weil es keinen Sinn macht, die Anzahl von Kerzen durch eine Kommazahl anzugeben, denn … halbe Kerzen sind sehr, sehr selten«, fügte sie etwas schelmisch hinzu.

»Und vor allem fallen die immer um«, warf Willi plötzlich hellwach ein, »und, da wir gerade dabei sind, wo bekommen die Grillbudenbesitzer eigentlich immer diese halben Hähnchen her? Das ist doch bestimmt eine sehr seltene Spezies, die, wenn ich mir das jetzt genau überlege, doch sehr leicht einzufangen sein müssten. Entweder sie stehen angelehnt an irgendwelchen Hauswänden rum, oder, falls sie dies nicht tun – Bumm, umgefallen – und dann kann man sie einfach auflesen.«

Ein leichtes Stöhnen kam aus der Ecke von Wilma. »Willi, Mensch, …«

»Ok, ich sehe schon«, erwiderte Elfie ungerührt, »wir müssen bald mal eine Pause machen. Ich wollte euch aber noch schnell den Trick mit den großen und kleinen Zahlen zu Ende erklären. Ich erinnere kurz daran: Jede Zahl hat ein Komma, ich kann mir also zum Beispiel eine 1 auch als 1,0 vorstellen, und damit existiert immer – zumindest in Gedanken – ein Komma, was ich dann verschieben kann.

Nehmen wir als erstes Beispiel 1 · 104. Die +4 im Exponenten bedeutet, dass das – gedachte – Komma um 4 Stellen nach rechts verschoben wird. Also gilt: 1 · 104 = 10.000; eigentlich sogar 10.000,0, aber auch hier würde man das Komma einfach weglassen.

Nehmen wir als zweites Beispiel 2 · 10-3. Die -3 im Exponenten bedeutet, dass das – gedachte – Komma um 3 Stellen nach links verschoben wird. Also gilt: 2 · 10-3 = 0,002.

Noch einfacher ist es, wenn schon ein Komma existiert, also zum Beispiel 1.234,56 · 10-5. Achtung, der Dezimalpunkt nach der 1 hat nichts mit einem Komma zu tun, er hilft nur, größere Zahlen besser lesen zu können. Also, die -5 im Exponenten bedeutet, dass das Komma um 5 Stellen nach links verschoben wird. Also gilt: 1.234,56 · 10-5 = 0,0123456.

Wichtig ist, dass die Ziffernfolge stets bestehen bleibt, es wird lediglich das Komma nach links oder nach rechts verschoben.«

»Ok, dann schauen wir mal, ob ich es kapiert habe«, ergriff Wilma die Initiative – und einen Zettel, »nehmen wir mal aus deinem Bild 1.2 die Mikrowellen. Von denen weiß ich, dass ihre Wellenlänge im Bereich von Millimetern liegt. Schauen wir doch mal, ob ich das auch ausrechnen kann. In deinem Bild beginnen die bei 1 · 10-3 m.«

Wilma schrieb die Zahl auf den Zettel.

»Also eine 1,0 hinschreiben und dann das Komma um drei Stellen nach links verschieben, das sind dann 0,001 m, und das sind, warte, lass mich denken, … genau 1 mm! Super, ich hab's kapiert. Ist ja gar nicht so schwer!«

Willi nickte und sein Lächeln dokumentierte, dass auch bei ihm der Aha-Effekt zu Besuch war.

»Klasse, Wilma!«, befand Elfie. »So, und jetzt zurück zu meiner Ausgangsfrage: Wie seht ihr die Welt? Ich hoffe, man kann jetzt erkennen, worauf ich hinauswollte, und das ist jetzt eigentlich wirklich spannend! Das Gehirn von uns Menschen interpretiert diesen kleinen Wellenlängenbereich von rund 400 nm bis 700 nm als Farben. Es ist aber keineswegs zwingend, dass die Gehirne anderer Individuen dies genauso handhaben. Zum Beispiel orientieren sich Bienen mit Hilfe von UV-Strahlung – also von ultravioletter Strahlung – und nutzen daher Wellenlängen unterhalb von 400 nm bis hinunter zu 100 nm. Schlangen verwenden dagegen Infrarotstrahlung, um Beute ausfindig zu machen, also Wellenlängen von mehr als 700 nm. Für eine Biene oder eine Schlange sieht die Welt daher sicherlich völlig anders aus als für uns. Die Frage, wie die Welt wirklich aussieht, ist demnach nicht so einfach zu beantworten, wie es zunächst scheint.«

»Stimmt!«, warf Willi ein. »Es wäre dann ja wirklich einmal spannend zu erfahren, wie ich, Willi, unsere Welt sehen würde, wenn ich, sagen wir mal, alle Wellenlängen bis hin zu den Radiowellen sehen könnte – da ist ja garantiert jede Menge los. Radio kann ich fast überall empfangen, zu jeder Zeit. Demnach müsste unsere gesamte Umwelt Tag und Nacht voll sein mit diesen Radiowellen – das wäre ja das reinste Chaos!«

»Jetzt verstehe ich erst, was gemeint ist, wenn jemand sagt: Mir geht's nicht so gut, ich habe einen Kopf wie ein Radio«, freute sich Wilma und lachte, »wahrscheinlich empfängt der arme Tropf parallel die Egerländer, vermischt mit Rammstein, und das alles wird überlagert mit Edmund Stoibers Transrapid-Rede. Da bekäme ich auch ein weiches Hirn.«

»Genauso ist es«, bekräftigte Elfie mit einem breiten Grinsen die Statements der beiden, zeigten die doch einerseits, dass sie das Wichtigste offensichtlich verstanden hatten, und andererseits, dass die beiden trotz Elfies detaillierter mathematischer Ausführungen gut gelaunt am Ball geblieben waren.

»So, und jetzt stoßen wir erst einmal auf das an, was wir schon geschafft haben, und natürlich auch auf unseren geglückten Ausflug in die Mathematik«, schlug Elfie daraufhin vor. Und auch weil sie dachte, einen guten Moment für eine kleine Streicheleinheit erwischt zu haben, formulierte sie schon fast feierlich: »Prost, ihr beiden. Da habt ihr euch aber wirklich gut geschlagen.«

Wilma und Willi hatten an Elfies Vorstoß nicht das Geringste auszusetzen und hoben sehr bereitwillig ebenfalls ihr Weinglas an, und gemeinsam ließen sie es sich schmecken.

»Möchte außer mir noch jemand etwas Wasser zum Wein?« Wilma stand auf, registrierte das bejahende Nicken der beiden anderen, holte zusätzlich noch ein paar Erdnüsse und Chips, und kurz darauf saßen wieder alle am Tisch, bestens gerüstet für das, was da noch kommen sollte.

»Eine Frage habe ich da noch, Elfie«, hob Willi den Zeigefinger, »beschreiben eigentlich die Begriffe Elektromagnetische Strahlung, Elektromagnetisches Spektrum und Elektromagnetische Welle alle das Gleiche?«

»In der Form, in der wir das hier besprechen, meinen alle Begriffe das Gleiche«, antwortete Elfie.

»Ich muss jetzt noch einmal rekapitulieren«, sagte Wilma, »also PLANCK hat einen Körper erwärmt, immer weiter erwärmt, und am Ende war der dann so heiß, dass er glühte. Und dabei hat er die ganze Zeit gemessen, welche Strahlung von dem Körper ausgeht. War das so?«

»Richtig!«, antwortete Elfie. »Denn auch, wenn der Körper noch nicht glüht, sondern nur warm ist, sendet er schon Strahlung aus. Das merkt man am besten, wenn man mit dem Handrücken in die Nähe eines warmen Körpers kommt – Wärmestrahlung –, das ist Strahlung im Infrarotbereich.

Aber schauen wir uns doch die Experimente von PLANCK etwas detaillierter an, um zu verstehen, was genau er gemessen hat. Zunächst hat man einen Körper auf eine bestimmte Temperatur gebracht und dann untersucht, wie viel Strahlung er aussendet, und zwar Wellenlänge für Wellenlänge, und dies dann über den gesamten Wellenlängenbereich. Man sagt, man hat für verschiedene Temperaturen das Strahlungsspektrum aufgenommen. Und herausgekommen ist, was ich hier beispielhaft für drei verschiedene Temperaturen skizziere, und zwar für 3.000°C, 5.000°C und für 6.000°C.« Elfie nahm wieder einen Zettel und zeichnete.

»Hier in Bild 1.3 habe ich nach rechts die Wellenlänge λ und nach oben die Helligkeit aufgetragen, die man auch als Intensität bezeichnet. Der Wellenlängenbereich für das sichtbare Licht ist als farbige Region gekennzeichnet. Ziel ist es, im sichtbaren Bereich eine möglichst hohe Lichtintensität zu erhalten. Wie man sieht, ist dies erst bei extrem hohen Temperaturen der Fall, also bei meiner Darstellung bei ca. 6.000°C. Übrigens ist dies auch etwa die Temperatur auf der Sonnenoberfläche. Die Natur hat also unsere Augen so konstruiert, dass sie genau dort, wo das Licht der Sonne ihr Intensitätsmaximum hat, etwas sehen, indem unser Gehirn diesen Wellenlängenbereich als farbiges Licht interpretiert.


Aber zurück zu PLANCK. Es wäre natürlich super, wenn man nun einfach irgendein Material nehmen und es auf 6.000°C erhitzen würde – schon hätte man eine ideale Lichtquelle. Leider gibt es aber keinen Werkstoff, der einerseits für die Produktion als Leuchtmittel geeignet wäre und andererseits solch hohe Temperaturen aushalten würde. Das Beste, was man finden konnte, waren Glühdrähte aus Wolfram, womit Temperaturen von immerhin knapp 3.000°C möglich sind. Da aber bei dieser Temperatur das Intensitätsmaximum der Strahlung weit außerhalb des sichtbaren Bereichs liegt, wird bei einer handelsüblichen Wolfram-Glühlampe, wie wir sie typischerweise im Baumarkt bekommen, weniger als 5% der Energie in sichtbares Licht umgewandelt. Der bei weitem größte Teil wird als Infrarotstrahlung in Wärme umgesetzt! Die Graphik in Bild 1.3 sagt daher viel über die Effizienz von Glühlampen aus. Überspitzt könnte man auch sagen, dass man mit einer Glühlampe im Wesentlichen die Umgebung aufheizt, und als Nebeneffekt wird dabei auch ein wenig Licht erzeugt.«

»Jetzt verstehe ich«, bemerkte Willi, »warum versucht wurde, Glühlampen aus dem Verkehr zu ziehen. Das sind ja die reinsten Energiefresser.«

»Richtig«, ergänzte Elfie, »das Ganze wird etwas harmloser, wenn man Glühlampen mit geringerer Wattzahl betrachtet, aber bei den alten 100 W Glühlampen war das schon ein Problem!«

Elfie deutete auf die Graphik, »aber kommen wir noch einmal zurück zu PLANCK. Die gezeigten Messkurven waren also bekannt, jedoch konnte man die Kurven rechnerisch nicht herleiten. Das bedeutete, man verstand irgendetwas Grundlegendes noch nicht. Es existierten zwar schon Modelle, welche die Verschiebung der Intensitätsmaxima bei abnehmender Temperatur hin zu größeren Wellenlängen erklärten, während andere Modelle einen anderen Teil der Graphik richtig wiedergaben. Sie versagten aber alle komplett, wenn man diese Modelle auf den gesamten Wellenlängenbereich anwendete. Und nun kam PLANCK!«

»Und wahrscheinlich hat der gerechnet«, warf Willi ein, »und wahrscheinlich willst du mir gleich vorrechnen, was er gerechnet hat. Und dann brauche ich Schnaps!«

»Um ehrlich zu sein«, entgegnete Elfie, »kann ich euch nicht vorrechnen, was PLANCK gerechnet hat. Das ist echt kompliziert. Er hat mehrere Modelle kombiniert, hat wochen- und monatelang hin und her gerechnet und hat dann, so soll er es selbst formuliert haben, irgendwann eine glücklich erratene Interpolationsformel gefunden, mit der sich tatsächlich alle Verläufe richtig berechnen ließen. Zu seinem Unbehagen enthielt diese Formel jedoch noch eine Größe h, die einfach nicht wegfallen wollte. Übrigens verwendete PLANCK den Buchstaben h, weil es für ihn eine Hilfsgröße war. Sein gefundenes h gefiel ihm aber überhaupt nicht, und er ging zunächst davon aus, dass man dieses Problem später noch lösen würde. Und obwohl das Herausfinden der PLANCKschen Wärmestrahlungsformel für sich allein gesehen schon eine Riesenleistung war, so hat man eigentlich erst Jahre später in Kombination mit dem von EINSTEIN im Jahr 1905 veröffentlichten Photoelektrischen Effekt die wahre Bedeutung der Größe h erkannt.

So weit, so gut! Ich schreibe euch jetzt die Formel hin, die PLANCK gefunden hat, erkläre euch kurz ein paar Dinge dazu und dann dürfen wir uns endlich einmal näher mit dem leckeren Grappa beschäftigen, den Willi ganz offensichtlich ja schon bereitgestellt hat!

Also, auswendig weiß ich die Formel auch nicht, ich schreibe das jetzt von meinem Zettel ab! Das PLANCKsche Wärmestrahlungsgesetz lautet:


Dies ist sogar noch eine vereinfachte Darstellung, da sie räumliche und geometrische Randbedingungen vernachlässigt. Auf das Entscheidende an dieser Formel will ich aber kurz eingehen: Man kann die Energie E ausrechnen, und zwar für jeweils eine bestimmte Wellenlänge λ und eine bestimmte Temperatur T. Daher steht auf der linken Seite der Gleichung E (λ, T).

Setzt man die Werte für λ und T auf der rechten Seite der Gleichung ein, dann kann man die Energie E berechnen, denn neben der von PLANCK gefundenen Größe h kommen nur noch zwei Naturkonstanten vor, nämlich die Lichtgeschwindigkeit c und die sogenannte BOLTZMANN-Konstante kB, deren Werte man überall nachlesen kann.«

Elfie machte eine Pause.

»Wenn ich das richtig verstehe«, überlegte Wilma laut, »dann bedeutet Naturkonstante, dass es sich um eine Größe oder einen Begriff handelt, der immer gleich ist, und deshalb kennt man den entsprechenden Zahlenwert.«

»So habe ich das auch verstanden«, ergänzte Willi, »aber wo kommen diese Naturkonstanten denn plötzlich her? Wir haben die doch gar nicht eingeladen, hier mitzufeiern.«

»Das ist alles vielleicht ein wenig schnell gegangen«, räumte Elfie ein, »ich hatte ja erwähnt, dass PLANCK verschiedene, schon existierende mathematische Modelle miteinander verknüpfte, und in diesen Modellen gab es Formeln, die diese Naturkonstanten schon enthielten. Diese Formeln waren ja auch nicht komplett falsch, denn man konnte mit ihnen Teile des Strahlungsverhaltens gut und richtig erklären, aber eben nur Teile. Von daher hatten die Naturkonstanten in den existierenden Modellen schon ihre Berechtigung, und auf diese Weise haben sie es dann bis in die PLANCKsche Formel geschafft.

So, und PLANCK hat dann nicht nur die bestehenden Teillösungen des Problems miteinander kombiniert, die herausragende Leistung bestand vielmehr darin zu erkennen und nachzuweisen, dass man das NUR dann kombinieren konnte, wenn man eine neue Naturkonstante einführte, nämlich das PLANCKsche Wirkungsquantum h – so würde man das wohl aus heutiger Sicht erklären.

Ok, jetzt haben wir alles zusammen, was ich zu der PLANCKschen Konstante und seinem Nobelpreis sagen wollte. War das denn im Wesentlichen zu verstehen?«

»Naja, also, was soll ich sagen …?«, murmelte Willi.

»Hmm, schwierig ist das Ganze schon«, ergänzte Wilma, »aber ich denke, es geht ja auch nicht darum, die Formel komplett zu verstehen, oder?«

»So ist es, Wilma«, stimmte Elfie zu, »es geht mir nicht darum, welche Größen und Konstanten in der Formel stehen, es geht mir mehr darum, was die PLANCKsche Strahlungsformel aussagt, und damit möchte ich den Bogen zurück zu der Graphik in Bild 1.3 schlagen. Vereinfacht ausgedrückt kann man mit PLANCKs Erkenntnissen nämlich jeden Punkt der im Bild 1.3 gezeigten Verläufe berechnen und so mit den experimentellen Ergebnissen in Einklang bringen. Das war vorher noch nicht möglich! Und für diese Erklärung des kompletten Verlaufs inklusive der Einführung der Naturkonstanten h hat PLANCK 1919 den Nobelpreis erhalten.

Aber was merken wir uns jetzt? Nein, nicht die Formel – viel zu abstrakt. Wir tasten uns mal etwas weiter vor, um zu so etwas wie einem Merksatz zu gelangen. Wir wissen also, dass mit der Größe h ein Beleg dafür existiert, dass die Energie nicht beliebige Werte annehmen kann. Und aus heutiger Sicht dürfen wir durchaus noch einen Schritt weiter gehen und gedanklich einen Sprung in das Jahr 1905 machen. Dort findet man mit Hilfe des EINSTEINschen Photoelektrischen Effekts in Kombination mit dem PLANCKschen Strahlungsgesetz folgenden Zusammenhang für die Energie E:


Dabei steht f für den Begriff Frequenz. Keine wirklich neue Größe, denn zusammen mit der uns schon bekannten Wellenlänge λ bilden die beiden zwei Seiten einer Medaille, sie entsprechen sich also – Genaueres dazu folgt im nächsten Kapitel. Mit dieser Formel lassen sich nun aber die PLANCKschen Versuchsergebnisse wie folgt zusammenfassen:

1 Betrachtet man die abgestrahlte Wärmeenergie E für eine bestimmte Frequenz f, dann zeigen die Messwerte, dass E immer proportional zu f ist. Der Proportionalitätsfaktor ist dabei gerade die Größe h.

2 Die Energie E kann für eine bestimmte Frequenz f nur ganzzahlig Vielfache des Produkts aus h·f annehmen. Die Energie ist also gequantelt!

Für ein besseres Verständnis kann man Punkt 2 auch etwas ausführlicher formulieren: Betrachtet man das Licht von einer Frequenz f, dann ist der niedrigste Energiewert E1 = 1·h·f. Es folgt der nächsthöhere Wert mit E2 = 2·h·f‚ dann E3 = 3·h·f und so weiter. Für die Energie sind also nur bestimmte Werte möglich!

Also, großer Schlusssatz und zunächst etwas bildhaft: Die Erwärmung einer Herdplatte erfolgt nicht kontinuierlich, sondern stets in kleinen Sprüngen, weil – und das ist die entscheidende physikalische Begründung – die Energie nicht beliebige, sondern nur ganz bestimmte Werte annehmen kann. Knapp und mehr wissenschaftlich formuliert bedeutet das: Die Energie ist gequantelt!

Allerdings weiß man bis heute nicht, WARUM die Energie diese Eigenschaft hat. Und obwohl h so klein ist – ich hatte euch ja schon gesagt, sie hat 33 Nullen nach dem Komma und erst an der 34. Stelle kommt die erste Ziffer, und … Moment …, durch unseren Mathematik-Exkurs können wir sie nun ja auch als Zahlenwert genau angeben! Dieser lautet: h = 6,626 · 10-34 Js! Dabei ist J die Abkürzung für Joule als Einheit für die Energie, benannt nach dem britischen Physiker JAMES PRESCOTT JOULE, und s die Abkürzung für Sekunde. Es sei schon hier erwähnt, dass die Frequenz f die Einheit 1/s besitzt, was im nächsten Kapitel genauer erklärt und begründet wird.

Also, obwohl h so eine extrem kleine Größe ist, so hat sie doch fundamentale Bedeutung! Man sagt, dass PLANCKs Herleitung nicht weniger als die Geburtsstunde der Quantenmechanik markiert. Und das ist schon eine epochale Feststellung, denn ohne die Quantenmechanik gäbe es heute keine Computer, keine Handys, keine Solarzellen und keine Laser, um nur einige der hervorstechendsten Beispiele zu nennen.«

Einmal so richtig in Rage geredet bemerkte Elfie erst jetzt, dass es verdächtig ruhig am anderen Ende des Tisches wurde. Sie schaute kurz in die Gesichter von Wilma und Willi und dachte: Ok, es reicht jetzt!

»So, ihr Lieben«, schloss Elfie ihren Monolog, »ich habe fertig! Jetzt aber, wie versprochen, Prost! Den leckeren Grappa haben wir uns jetzt echt verdient.«

Das ließen sich Wilma und Willi nicht zweimal sagen, und gemeinsam stieß man zufrieden auf die getane Arbeit und ihren ersten erfolgreichen Physik-Abend an.

»Und …«, Elfie hatte ihr Glas kaum abgesetzt, da sprudelte es auch schon wieder aus ihr heraus, »… nur damit das klar ist, der heutige Abend war nur der Aufgalopp zu weiteren rhetorisch-physikalischen Abenteuern, jedenfalls dann, wenn es nach mir gehen würde.«

»Natürlich sind wir dabei!«, erwiderte Wilma voller Begeisterung.

»Jetzt wirst du uns so schnell nicht mehr los«, ergänzte Willi mit einem Lächeln.

»Na super«, antwortete Elfie, »dann darf ich euch verraten, dass wir uns das nächste Mal über den EINSTEINschen Photoelektrischen Effekt unterhalten werden – und das wird schon mal ein Knaller, der hat es in sich!

Und nachdem ich euch nun den Mund wässrig gemacht habe, muss ich mich auch gleich schon von euch verabschieden, denn ich hatte ja ursprünglich einen ganz anderen Plan für heute Abend. Daher, bitte nicht enttäuscht sein, dass ich mich nun so schnell verdünnisiere, für die Zukunft gelobe ich Besserung«, und mit einem Augenzwinkern fügte sie hinzu: »Dann wird bestimmt immer noch genügend Zeit sein, um in Ruhe ein gemeinsames Abschiedsgläschen zu trinken. Heute aber machen wir es kurz, ich begebe mich nämlich jetzt schnurstracks auf meinen Heimweg.

In diesem Sinne, lasst es euch gut gehen, bis bald, ich freue mich schon!«

1.2 Der Photoelektrische Effekt

»Achtung, festhalten, gleich starten wir wieder voll durch!«

Elfie saß quietschvergnügt wieder gemütlich bei ihren Freunden Wilma und Willi am Küchentisch, man hatte sich ein gutes Abendessen gegönnt, und nun waren alle wieder bereit, gemeinsam über Dinge zu sprechen, die nicht unbedingt dem gesunden Menschenverstand entsprechen, oder, um es mit den Worten von Wilma zu sagen, über spannende Sachen zu sprechen, mit denen man so nicht rechnen würde. Gemeint sind Vorgänge oder Effekte in der Natur, die alles andere als selbsterklärend sind.

Elfie hatte nicht vor, lange um den heißen Brei herumzureden, sie stieg gleich voll ein!

»Übrigens führen uns unsere heutigen Überlegungen in das Jahr 1905, welches DAS Jahr von ALBERT EINSTEIN war. Eigentlich arbeitete er als Angestellter am Berner Patentamt, hatte also einen Fulltime-Job. Das hinderte ihn aber nicht daran, in diesem einen Jahr 5(!) Publikationen zu veröffentlichen, von denen viele sagen, dass jede für sich schon nobelpreiswürdig gewesen sei: Im März Der Photoelektrische Effekt, im April Eine neue Bestimmung der Moleküldimensionen, im Mai Der Beweis der BROWNschen Molekularbewegung und der Nachweis von Atomen, im Juni Die Spezielle Relativitätstheorie und im September Die Äquivalenz von Masse und Energie, besser bekannt als E = m · c2, wobei die beiden letztgenannten später zur Speziellen Relativitätstheorie zusammengefasst wurden. Oft ist in diesem Zusammenhang vom annus mirabilis die Rede, vom Wunderjahr!«

»Ich hatte auch schon mal so ein Wunderjahr«, bemerkte Willi trocken, »genau genommen war es mehr so ein Wundermonat und es war während meiner Schulzeit: Also, zuerst habe ich in der Geschichtsarbeit eine 6 geschrieben. Die Arbeit war aber schlecht ausgefallen, daher gab es eine Wiederholungsarbeit, in der ich wieder eine 6 geschrieben habe, und dann bekam mein Hamster Mumps. Wie sich später herausstellte, war es aber kein Mumps, sondern es war eine Hamsterin und die war schwanger, und … richtig vermutet …, sie bekam 6 Junge.«

»Och nee, Willi«, warf Wilma ein und verdrehte die Augen, »wenn das schon so losgeht – ich meine – also da hab' ich doch jetzt schon keine Lust mehr.«

»Ok, ok«, lenkte Willi ein, »meine frühe Jugend ist natürlich nur etwas für Hartgesottene, aber dann halte ich mich mal lieber etwas zurück.«

»Was glaubt ihr denn«, fuhr Elfie fort, aufgrund Willis beeindruckender Schilderung noch mit einem leichten Grinsen im Gesicht, »für welche seiner Arbeiten hat EINSTEIN wohl den Nobelpreis erhalten?«

»Na, für die Relativitätstheorie natürlich«, antwortete Wilma wie aus der Pistole geschossen.

Willi nickte vielsagend, während Elfie mit ihrer Antwort noch etwas wartete.

»Von wegen«, eröffnete sie schließlich ihrem erstaunten Publikum, »er hat den Nobelpreis für seine Arbeiten zum Photoelektrischen Effekt erhalten. Aber bevor ihr jetzt etwas dazu sagt, will ich den Begriff Relativitätstheorie ein wenig genauer spezifizieren: Wir sprechen im Moment nämlich nur von der Speziellen Relativitätstheorie, die Arbeiten zur Allgemeinen Relativitätstheorie veröffentlichte er erst 10 Jahre später, nämlich im Jahr 1915. Nichtsdestotrotz sind die Arbeiten zur Speziellen Relativitätstheorie für sich allein natürlich auch schon nobelpreiswürdig. Aber zu dieser Zeit waren die Kernaussagen dieser Theorie noch derart revolutionär, dass es für viele, die damals über die Nobelpreisvergabe zu entscheiden hatten, eher nach Spekulation als nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis aussah.«

»Ja, ist sie denn dann überhaupt richtig, die Spezielle Relativitätstheorie?« Willi schaute nun tatsächlich etwas besorgt. »Ich meine, wenn sich da schon die Herren vom Nobelpreis-Komitee so uneinig sind, das ist doch eigenartig. Das sind doch die Fachleute!«

»Aber dann würde sie doch heute nicht mehr in den Lehrbüchern stehen und auch nicht mehr darüber berichtet werden«, warf Wilma ein. »Das ist aber der Fall, denn ich habe erst kürzlich wieder etwas über die Relativitätstheorie gelesen.«

»Alles ist gut«, beschwichtigte Elfie, »ihr habt ja beide Recht. Natürlich ist sie richtig, Wilma, aber …«, fuhr sie an Willi gerichtet fort, »… man muss sich darüber im Klaren sein, dass vor mehr als hundert Jahren die Spezielle Relativitätstheorie etwas derart Abgehobenes war, dass sich auch gestandene und kompetente Physiker ziemlich schwer mit ihr taten. Und außerdem kam hinzu, dass zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei experimentelle Nachweise existierten, die EINSTEINs Erkenntnisse stützten. Etwas später werden wir uns ja auch noch mit seinen Überlegungen beschäftigen und wenn uns dann klarer wird, welche Vorstellungen mit der Speziellen Relativitätstheorie verbunden sind, dann vermute ich, dass wir die skeptische Haltung der wissenschaftlichen Elite von damals etwas besser nachvollziehen können.

So, ich würde euch nun gern den EINSTEINschen Photoelektrischen Effekt etwas näherbringen. Hat denn jemand von euch eine Idee, worum es dabei überhaupt geht? Übrigens, Wilma, kannst du vielleicht wieder Zettel und Stift besorgen?«

»Natürlich!«, antwortete Wilma, stand auf und war blitzschnell wieder mit den entsprechenden Utensilien zurück am Tisch. Fast gleichzeitig begannen nun Wilma und Willi, Elfies Frage zu beantworten. Willi ließ dann aber Wilma den Vortritt und lehnte sich etwas zurück.

»Also, ich vermute, dass es mit dem normalen Fotografieren wohl eher nichts zu tun hat«, begann Wilma. »Ich meine, die ersten Fotografien waren damals mit Sicherheit eine echte Attraktion, aber für einen Nobelpreis scheint es mir doch nicht wissenschaftlich genug.«

»Da bin ich ganz deiner Meinung, Wilma, es hat nichts mit dem typischen Fotografieren zu tun«, erklärte Willi, »aber es kommt ja noch der Begriff elektrisch vor, und daher denke ich, dass es wohl eher etwas mit Strom zu tun haben wird. Aber wie genau, da habe ich keine Idee.«

»Ihr habt völlig Recht«, erwiderte Elfie, »mit Fotografieren hat es nichts zu tun – wohl aber mit Strom. Zunächst aber ein paar Infos zum damaligen wissenschaftlichen Kenntnisstand:

Um 1700 hatten Physiker, wie zum Beispiel der große ISAAC NEWTON, zwar angenommen, dass das Licht aus Teilchen besteht, um 1900 galt diese Vorstellung allerdings als überholt: Zu diesem Zeitpunkt gab es eine zusammenhängende Theorie von JAMES CLERK MAXWELL, die das Licht als elektromagnetische Welle beschrieb, repräsentiert durch die berühmten MAXWELLschen Gleichungen, und es gab zahlreiche Experimente, die diese Auffassung im vollen Umfang bestätigten. Nicht zuletzt wurde das Licht bei den Experimenten zur PLANCKschen Strahlungsformel, mit denen wir uns zuletzt auseinandergesetzt haben, auch als Welle interpretiert, und diese Untersuchungen wurden ja schließlich sogar mit dem Nobelpreis gekürt.«

Elfie machte eine kurze Pause, nahm sich Zettel und Stift und skizzierte den Vorgang beim Photoelektrischen Effekt. Dann hob sie bedeutungsvoll ihre Stimme:

»Und nun kommt EINSTEIN!

EINSTEIN belegte in seinen Experimenten zum Photoelektrischen Effekt, dass Licht aus Teilchen besteht, den sogenannten Photonen. Dazu bestrahlte er Metalloberflächen mit Licht und zeigte, dass die Photonen – wie beim Billard – andere kleine Teilchen, wie zum Beispiel Elektronen, aus der Metalloberfläche einfach raushauen, so wie ich das hier in Bild 1.4 skizziert habe.«


»Na super«, warf Willi erregt ein, »und dafür gab's auch den Nobelpreis? Dann wird das wohl richtig sein und alles, was wir das letzte Mal über das Licht gelernt haben, von wegen Welle und so, ist falsch. Da muss ich doch gleich mal wieder den Schnaps ins Spiel bringen.«

»… und da muss ich ausnahmsweise Willi einmal Recht geben«, fügte Wilma hinzu, stand auf und stellte das bewährte Ensemble aus Rotwein, Wasser, Erdnüssen, Chips und Grappa auf den Tisch.

»Also jetzt mal im Ernst«, warf Elfie gut gelaunt ein, »ihr wolltet doch die spannenden Themen haben, wo sich Dinge anders ergeben, als man vermuten würde – und jetzt habt ihr genau so etwas! Was beschwert ihr euch?«

»Aber doch nicht so«, jammerte Wilma, »erst rein in die Kartoffeln, dann wieder raus aus den Kartoffeln – ja, wie denn nun?«

»Wie das immer so ist«, antwortete Elfie, »bevor wir uns mit dieser wirklich leckeren Frage weiter beschäftigen können, benötigen wir zuvor noch den Begriff der Frequenz, ich hatte ihn zum Ende unserer letzten Unterhaltung schon mal ins Spiel gebracht. Habt ihr die Zettel von unserem letzten Treffen aufgehoben? Die brauchen wir nämlich jetzt.«

Die Unterlagen zu sammeln, das war die Aufgabe von Willi, und der kam nach kurzer Zeit wieder zurück an den Tisch, in der Hand eine gelbe Mappe, in der alles fein säuberlich abgelegt war, was sie beim ersten Zusammentreffen erarbeitet hatten. Auf der Mappe stand groß Gelbe Mappe. Elfie musterte sie und sagte dann an Willi gewandt:

»Warum schreibst du auf eine gelbe Mappe Gelbe Mappe

»Ganz einfach. Von vielen Dingen, über die wir hier sprechen, hatte ich schon vorher so eine ungefähre Ahnung. Das war dann aber noch nicht so das Gelbe. Nachdem wir aber darüber gesprochen und alles dazu notiert hatten, war es dann das Gelbe und kommt somit in die gelbe Mappe – ist doch logisch, oder?«

Elfie schaute nachdenklich. Komisch, dachte sie, immer wenn ich das Gefühl habe, ich hätte diese Logik kapiert, macht die Logik einen Schritt nach vorn und ich hänge wieder in der Luft … naja, das sind aber Einzelschicksale und darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Damit schloss sie mit dem Thema ab.

»Alles klar«, sagte sie mehr zu sich als zu den anderen und nahm den Zettel heraus, auf dem zwei verschiedene Wellen dargestellt waren, »gut, dass ich alles durchnummeriert habe. Wir brauchen jetzt Bild 1.1. Nur zur Erinnerung: Gezeigt sind hier zwei verschiedene Wellen, einmal eine Welle mit einer Wellenlänge von etwa 400 nm, die andere mit etwa 700 nm.«


Elfie zeigte mit dem Stift auf die beiden Wellen.

»Also, es geht jetzt um den Begriff der Frequenz. Nehmen wir dazu einmal an, wir hätten bei beiden Wellen auf der Achse nach rechts die Zeit aufgetragen. Da man Frequenz auch gut mit Ereignis pro Zeit beschreiben kann und die linke Welle die Zeitachse deutlich häufiger schneidet als die rechte, kann man schlussfolgern, dass die linke Welle eine höhere Frequenz hat als die rechte. Und schon haben wir die Frequenz im Sack – mehr ist es nicht. Man kann also sagen:

Je kleiner die Wellenlänge,

desto größer die Frequenz – und umgekehrt!

Dieser Zusammenhang zwischen der Wellenlänge und der Frequenz ist wichtig, auf ihn werden wir später noch öfter zurückgreifen.

Der Begriff der Frequenz ist sogar aus unserer eigenen Erfahrungswelt bekannt, und zwar zum Beispiel in Form des Herzschlags, übrigens auch Puls oder Herzfrequenz genannt. Bei einem Menschen schlägt das Herz durchschnittlich 60-mal pro Minute, also etwa 1-mal pro Sekunde.

Formulieren wir es etwas mathematischer und bezeichnen die Herzfrequenz als Frequenz f, dann kann ich sagen:

Das Herz schlägt mit einer Frequenz von wobei die Einheit 1/s nichts anderes als pro Sekunde meint. Und weil es gerade so schön passt: Die Einheit 1/s wird oft mit dem Begriff Hertz abgekürzt.«

Elfie notierte alles fein säuberlich. Willi verfolgte aufmerksam Elfies Niederschrift, und kaum hatte sie den Stift abgesetzt, da nahm er wortlos den Zettel und notierte darunter:

Elfie, deine Worte sind für mich der reinste Hertz-Schmertz.

»Hihi!« Wilma konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen, nahm den Zettel und ergänzte:

Und das alles im Märtz, das ist kein Schertz!

»Gib mir fünf«, frohlockte Willi, nachdem er vergnügt Wilmas Kommentar gelesen hatte, und hob die Hand, um sie gegen Wilmas ebenfalls erhobene Hand zu schlagen, als Zeichen ihres kleinen Rechtschreib-Triumphes.

Elfie, die das Ganze hoch amüsiert verfolgte, nahm den Zettel wieder zu sich und notierte:

Jaja, die Rechtschreibung, die ist schon schwer, und für Hobby-Physiker gilt dies umso mehr, drum gilt die folgende Regel uneingeschränkt: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!

Der euphorische Siegestaumel von Wilma und Willi erstickte fast augenblicklich. Beide schauten sich fragend an und wendeten dann ihren Blick in Richtung Elfie.

»Ich sehe mit Freude«, begann Elfie, »dass ihr sehr genau verfolgt, was ich so alles von mir gebe, sowohl akustisch als auch schriftlich. Das ist hervorragend! Dennoch muss ich euch hier etwas ausbremsen, denn die Einheit Hertz hat nichts mit unserem Körperorgan zu tun. Diese Einheit wurde zu Ehren des deutschen Physikers HEINRICH HERTZ eingeführt, der 1886 als Erster elektromagnetische Wellen im Experiment erzeugen und nachweisen konnte und damit als deren Entdecker gilt.«

»Mensch, Elfie«, erwiderte ein enttäuschter Willi, »du gönnst einem aber auch gar nichts. Wir waren so stolz, dich wenigstens einmal erwischt zu haben, und nun hast du wieder Recht gehabt!«

»Keine Bange, ihr Lieben«, tröstete Elfie, »wenn man so viel redet wie ich, da werdet ihr bestimmt noch einmal fündig.

Aber zurück zum Thema. Wir haben nämlich jetzt alles für uns Wichtige zum Thema Frequenz zusammen, und ich möchte für das Folgende noch einmal auf die Einheit der Frequenz mit 1/s hinweisen. Diese Tatsache werden wir gleich benötigen.«

Elfie gab den beiden einen Moment, um sich diesen Sachverhalt wieder ins Gedächtnis zu rufen. Gleichzeitig wirkte sie aber etwas angespannt und schien es kaum erwarten zu können, weiter fortzufahren. Ungeduldig schaute sie auf Wilma und Willi, und als beide wieder belastbar erschienen, legte sie los.

»Willi«, rief sie plötzlich laut aus, als wenn sie jemanden aufwecken wollte, »weißt du eigentlich, wie der Begriff Geschwindigkeit definiert ist?«

»Natürlich!«, antwortete Willi wie aus der Pistole geschossen. »Das ist doch ganz einfach: Je schneller, desto Bumms!«

Wenn es sonst Elfie war, die die anderen beiden vor geistige Herausforderungen stellte, dann war es nun Willi, der mit seiner schlagfertigen Antwort ein paar kleinere Verwerfungen im Denkapparat von Elfie hervorrief.

»Ich versuche gerade«, kam etwas verzögert Elfies Reaktion, »deine Antwort in eine mathematische Beschreibung zu übersetzen – Wilma, da musst du mir helfen. Was steht denn üblicherweise auf einem Tacho?«

»Also bei mir steht 200 drauf«, antwortete Wilma pflichtbewusst.

»Dass ich nicht lache«, preschte Willi dazwischen, »deine kleine Jodelgurke hat doch niemals 200 auf der Uhr. Wenn du auf der A7 am Berg einen LKW überholst, das kommt doch durchs Radio!«

»Meine kleine Jodelgurke«, polterte Wilma zurück, »ist aber allemal fitter als deine olle Rostschlurre.«

»Stopp, stopp! Ich habe mich unklar ausgedrückt«, versuchte Elfie den Kurs der Unterhaltung wieder zu korrigieren, »ich habe wissen wollen, welche EINHEIT üblicherweise auf einem Tacho steht.«

»Ach so«, Wilma überlegte kurz, »ich glaube Stundenkilometer.«

»Genauer.«

»Wie, genauer?«, fragte Willi. »Das steht da wirklich!«

»Weiß ich«, sagte Elfie, »aber das ist sehr umgangssprachlich. Deswegen noch einmal: Genauer!«

»km/h, also Kilometer pro Stunde«, antwortete Willi hochkonzentriert, der nun das Gefühl hatte, die Diskussion selbst in die Hand nehmen zu müssen, da ja ganz offensichtlich zwei Laien in Gestalt der Damen versuchten, mit einem Profi zu diskutieren.

»Sehr richtig«, antwortete eine sichtlich erleichterte Elfie, die – aus anderen Gründen als Willi – nun auch das Gefühl hatte, das Gespräch wieder im Griff zu haben, »ich könnte also auch sagen, da ja km eine Strecke und h eine Zeitangabe ist, dass man die Einheit auf dem Tacho ganz allgemein als Strecke pro Zeit angeben kann.«

Wilma nickte, während Willi kurz überlegte, ob das Akzeptieren dieser Aussage möglicherweise einen Kratzer in seinem Kernkompetenz-Gebiet hinterlassen könnte. Er kam aber schnell zu der Auffassung, dass diese Feststellung auch von ihm hätte stammen können, denn seine Antwort meinte ja das Gleiche – und damit war alles gut, und er nickte ebenfalls.

»Ich fasse einmal zusammen«, zog nun Elfie die Zügel wieder etwas straffer, »Geschwindigkeit ist tatsächlich definiert als Strecke pro Zeit. In der Physik wird aber entgegen der sonst üblichen Einheit Kilometer pro Stunde die Einheit Meter pro Sekunde verwendet, also anstatt km/h benutzt man m/s, was uns aber hier nicht stören sollte. Aber Achtung, jetzt kommt ein Knaller! In der Physik kommt es häufiger vor, eine Dimensionsbetrachtung vorzunehmen und daraus bestimmte Schlüsse zu ziehen.«

»Ich könnt jetzt schon wieder was sagen«, kam ein vorsichtiger Einwurf von Willi, »und … ich sag's jetzt auch und mache es kurz – Schnaps!«

»Du weißt doch noch gar nicht, worauf ich hinaus möchte«, sagte Elfie etwas unwirsch, »ok, den Begriff Dimensionsbetrachtung habe ich wohl etwas unbedacht verwendet, ich hätte auch sagen können: Aus einem Vergleich der Einheiten zieht man bestimmte Schlüsse. Wäre das besser?«

»Besser! Ich ziehe – vorübergehend – den Schnaps zurück«, wobei ein unüberhörbarer Hauch der Enttäuschung in Willis Antwort mitschwang.

»Ok, also aufgepasst«, fuhr Elfie fort, »ich wiederhole noch einmal, was wir besprochen und auf dem Zettel notiert hatten, bevor wir uns mit dem Begriff der Geschwindigkeit befassten. Bekannt war, dass die Wellenlänge λ in der Einheit Nanometer angegeben werden kann, wie in Bild 1.1 zu sehen ist. Man kann aber auch, wie in Bild 1.2 gezeigt, die Wellenlänge in Meter angeben, korrekt?«

Beide nickten.

»Neu war dann der Begriff der Frequenz. Als wir in Bild 1.1 die gedachte Zeitachse verwendet haben, hat sich für die Frequenz f die Einheit 1/Sekunde, also 1/s ergeben, korrekt?«

Elfie wies mit ihrem Stift auf die entsprechende Stelle ihrer Mitschrift.

»Korrekt!«, kam es wie aus einem Munde.

»Gut. Wenn ich nun die Wellenlänge mit der Frequenz multipliziere, also wenn ich λ · f rechne, und ich betrachte NUR die Einheiten, dann ergibt sich: Meter mal 1/Sekunde, also


Das Ergebnis davon ist die Einheit m/s, also Meter pro Sekunde.«

Während die anderen noch mit Denken beschäftigt waren, schrieb Elfie alles fein säuberlich auf. »Dies ist aber die Einheit der Geschwindigkeit! Demnach ergibt das Produkt aus Wellenlänge und Frequenz die Geschwindigkeit der Welle! Bezogen auf unser aktuelles Thema Licht ergibt sich der Zusammenhang:

Die Wellenlänge λ des Lichts multipliziert mit der Frequenz f des Lichts ist gleich der Lichtgeschwindigkeit c, oder andersherum:


Dies ist eine kleine, aber entscheidende Formel, die einem öfter begegnet, wenn man sich mit Licht beschäftigt. Aus ihr folgt nämlich: Da die Lichtgeschwindigkeit c eine Naturkonstante und damit IMMER bekannt ist, kann man die Frequenz ausrechnen, wenn die Wellenlänge bekannt ist oder umgekehrt. Übrigens kann man zum Beispiel bei Wikipedia nachlesen, dass ist. Das Licht ist also ziemlich schnell – aber dazu später mehr!«

Elfie machte eine kurze Pause, schrieb alles auf und fuhr dann fort:

»Ok, das war wichtig! Bevor wir aber zu der leckeren Frage zurückkommen – ihr erinnert euch, das EINSTEINsche Licht soll sich plötzlich nicht mehr wie eine Welle verhalten haben, sondern es soll aus Lichtteilchen, also aus Photonen bestehen –, lasst uns erst einmal auf das Geschaffte mit dem Roten anstoßen, oder?«

Mit dieser Idee waren offensichtlich alle einverstanden. Jetzt erst fiel auf, dass zwar Erdnüsse und Chips bereitstanden, aber noch in geschlossenen Tüten. Das musste geändert werden, und so verging etwas Zeit, um sich mit den notwendigsten Rohstoffen, sowohl in flüssiger als auch in fester Form, zu versorgen, bis schließlich Elfie den Grund ihres Zusammenseins, nämlich den Photoelektrischen Effekt wieder ins Spiel brachte.

»So, wir haben jetzt einiges an Vorarbeit geleistet. Wir können nun den Versuch zum Photoelektrischen Effekt einmal genauer unter die Lupe nehmen. Ich habe vorhin die Zeit genutzt und den prinzipiellen Aufbau zum Photoelektrischen Effekt in Bild 1.5 skizziert. Schaut mal her.«

Elfie legte die angefertigte Skizze auf den Tisch und begann, die einzelnen Versuchsbestandteile zu erklären.

»Es sieht komplizierter aus, als es ist«, begann Elfie, quasi als vertrauensbildende Maßnahme. »Der Versuch findet komplett im Vakuum statt, um ungewollte äußere Einflüsse und andere Störungen zu vermeiden. Wie schon am Anfang erklärt, trifft nun Licht auf eine Metalloberfläche und haut dort Elektronen raus.«

Elfie deutete mit dem Stift auf die entsprechende Stelle weiter oben in der Graphik, bei der ein wellenartiger, weißer Pfeil das einfallende Licht symbolisiert.


»Wilma«, wandte sich Elfie forsch an diese, »wenn du ein Elektron wärst und jemand hätte dich von zuhause vertrieben, dann würdest du – weil du ja weißt, dass du wie alle Elektronen negativ geladen bist –, ganz schnell schauen, wo du was Positives findest und dann dahinrennen, oder?«

Wilma nickte brav, und Willi, obwohl nicht direkt angesprochen, lieferte Wilma maximale moralische Unterstützung durch eine nahezu identische Kopfbewegung.

»Und genau so machen das die Elektronen in unserem Experiment eben auch«, fuhr Elfie fort. »Die rausgeschlagenen Elektronen rennen zur positiven Anode und von da aus weiter im Stromkreis zur Spannungsquelle U. Sich bewegende Elektronen sind nichts anderes als fließender Strom, weswegen sie von einem Strommessgerät, – einem Amperemeter, abgekürzt mit A –, gezählt und damit als Strom gemessen werden können. Je mehr Elektronen diesen Weg gehen, desto höher ist dieser sogenannte Photostrom, wobei Strom immer mit I abgekürzt wird, wie ich das in Bild 1.5 auch notiert habe.

Bis jetzt alles roger?«

Wilma und Willi hörten genau zu, sagten aber nichts, sondern murmelten irgendetwas Unverständliches, was Elfie aber als Zustimmung interpretierte.

»Eigentlich war das ja schon fast alles, es fehlt nur noch eine Kleinigkeit. Man kann den Versuch noch etwas aufpeppen, indem man es den Elektronen etwas schwerer macht. Gemeint ist, man legt über die variable Spannungsquelle U eine leichte Gegenspannung an, was man mit Hilfe eines Spannungsmessgeräts, einem Voltmeter V, genau einstellen kann. Dadurch sorgt man dafür, dass die positive Anode nicht mehr ganz so positiv ist oder sogar ganz leicht negativ wird. Da eine leicht negative Anode die negativen Elektronen sogar etwas abstößt, kommen nur noch jene Elektronen bis zur Anode und damit bis zum Messgerät, die mit genügend Schwung gestartet sind. Je negativer man die Anode macht, umso mehr nimmt der Photostrom ab, da immer weniger Elektronen diesen Weg schaffen.

Immer noch alles roger?«

»Ich finde das nicht fair, was man mit den Elektronen macht«, brachte Willi nach kurzer Bedenkzeit hervor, »ich meine, erst schmeißt man sie daheim raus, dann stellt man ihnen ein leckeres Plus in Aussicht, und dann, kurz bevor sie es erreichen können, April, April, schiebt man noch schnell die abstoßende Schwiegermutter davor.«

»Das war mir klar«, kam nun Wilma in Wallung, »wieso denn die Schwiegermutter, es könnte ja auch der stinkende Cousin sein oder der zigarrenqualmende Opa – wäre doch viel realistischer.«

»Ok, ich sehe schon«, kam Elfie einer weiteren Stellungnahme von Willi zuvor, »ihr seid ja ganz offensichtlich voll auf der Höhe des Geschehens und bringt zudem noch jede Menge physikalisch-gesellschaftskritisches Feingefühl mit.«

Elfie machte eine kurze Pause, legte ein vielsagendes Lächeln auf und ergänzte: »… und das physikalische Feingefühl werdet ihr auch gleich noch brauchen.

Wenn nun der Aufbau so weit klar ist, möchte ich mit euch den Versuch als Gedankenexperiment durchführen«, fuhr sie fort. »Ziel ist es, dass wir uns VORHER überlegen, was dabei herauskommen müsste, und dann vergleichen wir unsere Lösung mit dem echten Ergebnis. Allerdings benötigen wir dazu noch den letzten Begriff aus Bild 1.1, nämlich den Begriff Amplitude. Zum Glück ist das nicht weiter kompliziert: Die Amplitude, also die Höhe der Welle in Bild 1.1, beschreibt einfach die Helligkeit oder Intensität des Lichts. Damit ist die Amplitude völlig unabhängig von der Wellenlänge bzw. der Frequenz der Lichtwelle – das ist wichtig! Eine niedrige Amplitude entspricht einfach nur einer geringen Helligkeit bzw. einer niedrigen Lichtintensität und eine hohe Amplitude eben einer hohen Lichtstärke, nicht mehr und nicht weniger – ganz einfach.

Nun starten wir gedanklich den Versuch, indem wir die Metallschicht mit einem Laser bestrahlen. Ein Laser sendet monochromatisches Licht aus, also Licht einer Wellenlänge, sagen wir mal, wir wählen rotes Licht. Wir gehen weiter davon aus, dass es im Metall einige Elektronen gibt, denen es langweilig ist und die für jeden Spaß zu haben sind. Und nun brutzeln wir mit dem Laser ordentlich auf das Metall! Was wird passieren?«

»Es wird heiß«, mutmaßte Wilma.

»Der Laser erhitzt nur sehr lokal«, antwortete Elfie, »wir werden damit nicht das komplette Metall erwärmen, aber der Bereich des Laserspots wird warm, das ist richtig. Aber lasst uns mal mehr im mikroskopischen Bereich denken. Da sitzen jetzt Elektronen relativ dicht an der Oberfläche, und nun kommt so etwas Schwingendes wie die Lichtwelle auf sie zu.«

»Die Elektronen machen mit«, äußerte Willi spontan.

»Exakt!« Elfie war begeistert, genau das wollte sie hören. »Die Elektronen machen mit und fangen auch an zu schwingen. Und was passiert, wenn ich die Intensität erhöhe, also die Amplitude?«

»Naja, jetzt macht's ja Spaß. Wie beim Karussellfahren, immer weiter, immer doller«, tönte Willi.

»Pass auf, und am Ende fliegen die auch noch raus«, witzelte Wilma.

»Und genau das müsste passieren! Wenn die Elektronen genügend Schwung haben – der Physiker spricht von kinetischer Energie, was so viel wie Bewegungsenergie bedeutet –, dann müssten sie aus dem Metall rausfliegen. Und dann kommt das, was wir schon besprochen haben, sie sehen die positive Anode, rennen dahin und werden schließlich als Photostrom gemessen. Und wenn ich die Lichtintensität weiter erhöhe, die Amplitude also immer größer werden lasse, dann müssten immer mehr Elektronen aus dem Metall fliegen und der Photostrom müsste sich weiter erhöhen. So weit, so gut. Genau das würden wir vermuten.

Und noch eine Frage: Wenn ich nun anstatt des roten Lasers blaues Laserlicht verwende, lasse die Amplitude aber gleich, was würde sich am Ergebnis ändern?«

Wilma und Willi schauten sich an, zuckten mit den Schultern und überlegten. Schließlich antwortete Willi:

»Eigentlich nichts Dramatisches, es kommt auf die Amplitude an, also wie weit die Wellen und damit die Elektronen schwingen, die Wellenlänge ist da eher uninteressant.«

»Wunderbar. Genau das sollten wir erwarten und das war in etwa auch die Erwartungshaltung vieler Physiker zu der damaligen Zeit. Dann schauen wir mal, ob es auch so kam. Ich beschreibe euch jetzt das Versuchsergebnis, wobei sich der Versuch in drei Einzelexperimente a) bis c) aufgliederte:


Es fließt kein Photostrom. Auch bei einer Erhöhung der Lichtintensität fließt kein Photostrom! Das ist eigenartig!


Es fließt ein geringer Photostrom. Wird die Lichtintensität erhöht, erhöht sich der Photostrom! Eine Gegenspannung wird angelegt. Ab einem bestimmten Wert geht der Photostrom abrupt wieder auf null zurück, und zwar unabhängig davon, wie viel Lichtintensität eingestellt war. Dies ist erst recht eigenartig!


Trotz der unveränderten Gegenspannung aus b) fließt plötzlich wieder ein Photostrom! Wird die Lichtintensität erhöht, erhöht sich auch der Photostrom! Dann wird die schon anliegende Gegenspannung weiter erhöht. Ab einem bestimmten, aber deutlich höheren Wert als bei b) geht der Photostrom abrupt wieder auf null zurück. Auch eine Erhöhung der Lichtintensität führt nicht dazu, dass wieder ein Photostrom fließt. Überaus eigenartig!«

Schweigen im Raum. Elfie lehnte sich zurück, blickte abwechselnd zu Wilma und zu Willi, machte aber keine Anstalten, irgendwelche Erklärungen zu liefern.

»Ich weiß nicht, ob ich alles richtig verstanden habe«, unterbrach Wilma schließlich die Stille, »aber das klingt nicht nach dem, was wir uns vorhin überlegt hatten. Und überhaupt – es klingt einfach verwirrend!«

»In der Tat«, antwortete Elfie voller Tatendrang, »und es ist selbst aus heutiger Sicht extrem schwierig, aus den Einzelergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Damals war das aber eine echte Herkulesaufgabe! Zum besseren Verständnis fasse ich zunächst einmal die verschiedenen Beobachtungen zusammen:

• Die kinetische Energie der austretenden Elektronen hängt ganz offensichtlich NICHT von der Intensität, also von der Amplitude des Laserlichts ab. Andernfalls hätte bei Experiment a) zumindest oberhalb einer bestimmten Intensität auch ein Photostrom fließen MÜSSEN. Dies allein ist schon ein Widerspruch zu der Vorstellung, Licht sei eine Welle, denn dann müsste der Photostrom anwachsen, wenn die Lichtamplitude, also die Lichtintensität, steigt.

• Die Experimente zeigen, dass die kinetische Energie der austretenden Elektronen von der FARBE des Laserlichts abhängen, genauer, ihre kinetische Energie steigt mit der verwendeten Lichtfrequenz.

Kann sich einer von euch einen Reim auf diese Aussagen machen?«

Schon wieder Schweigen, und zwar noch betretener als vorhin.

»Im Gegensatz zu EINSTEIN damals weiß ich ja, was EINSTEIN am Ende herausbekommen hat«, versuchte Wilma ihre Gedanken zu ordnen, »nämlich, dass da irgendwelche Photonen-Dingsda die Elektronen aus dem Metall raushauen, ich krieg's aber trotzdem nicht gebacken!«

»Mensch, das ist aber auch verzwickt«, murrte Willi, »es ist immer dasselbe, kaum bin ich mit meinen Gedanken gestartet, erscheint vor meinem geistigen Auge die Meldung Error, dann kommt Carry Bit Overflow und dann sagt eine Stimme: Bitte rumdrehen und sich wieder hinten anstellen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit unserem Wissensstand hier überhaupt etwas Vernünftiges folgern können.«

»Ja, leider hast du Recht, Willi«, stimmte Elfie schmunzelnd zu, »wir sind hier an einer ganz schwierigen Stelle angelangt. Und so erging es EINSTEIN damals auch. Es gab keine zufriedenstellende Erklärung, die mit den damaligen Ansichten kompatibel gewesen wäre!

Aber:

EINSTEIN erkannte, dass das Problem mit der Vorstellung, Licht sei eine Welle, zusammenhing und dass es genau diese Vorstellung war, die in eine Sackgasse führte. Und – EINSTEIN wusste, dass ein gewisser PLANCK ein paar Jahre zuvor herausfand, dass Licht noch eine weitere Eigenschaft hat. Genauer, PLANCK konnte zeigen, dass die Energie von Wärmestrahlung und damit auch die Energie von Lichtwellen nicht jeden beliebigen Wert annehmen konnte, sondern sie lag in bestimmten Portionen vor. Daraus formulierte EINSTEIN zwei knochentrockene Hypothesen:

• Licht ist KEINE Bestrahlung mit Energie, sondern mit ganz vielen kleinen Energiepaketen, den Photonen. Diese Photonen verhalten sich wie Teilchen und nicht wie eine Welle. Wenn die Lichtintensität erhöht wird, dann erhöht sich die Anzahl der Photonen, NICHT aber ihre Energie!

• Die Energie der Photonen hängt ALLEIN von der Frequenz des Lichts ab, man hätte auch sagen können, sie ist abhängig von der Wellenlänge des Lichts. Der Begriff Frequenz ist in diesem Zusammenhang aber geeigneter, denn für die Energie der Lichtquanten gilt: Je höher die Lichtfrequenz, desto höher die Energie der Photonen!

Mit diesen beiden Hypothesen konnte EINSTEIN nicht nur sein experimentelles Ergebnis richtig erklären, sondern es gab eine Reihe von anderen Effekten, die sich mit dieser Vorstellung erstmals richtig deuten ließen. Für diese Erkenntnis hat EINSTEIN 1921 den Nobelpreis bekommen!

Eigentlich ist nun alles gut, die Sache hat nur einen Haken: Licht hat nun ganz offensichtlich zwei Zustände: Mal verhält es sich wie eine Welle, mal wie ein Teilchen. Und damit entzieht es sich leider unserem menschlichen Vorstellungsvermögen, der berühmte Welle-Teilchen-Dualismus war geboren!«

»Also, wenn es je eine Situation gegeben hat, wo ein Grappa angebracht gewesen wäre, dann ist sie jetzt eingetreten!«, fasste Willi seine gefühlte Gesamtverfassung zusammen.

»Das lasse ich mir nicht zweimal sagen«, pflichtete Wilma bei, »wer jetzt also nichts möchte, der hebe bitte den Arm.«

Völlig überraschend zeigte nicht ein Arm in die Höhe, und schon waren die Gläser gefüllt und alle gönnten sich eine kleine Auszeit, eingeläutet durch ein gemeinschaftliches … PROST!

Offensichtlich war das Thema doch sehr anspruchsvoll gewesen und man stellte fest, dass – um beim Vokabular zu bleiben – viel geistige Energie aufgebracht werden musste, um gedanklich folgen zu können.

»Und was müssen wir uns jetzt von alldem merken?«, fragte Elfie mit dem Ziel, eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse zu erstellen.

»Vielleicht erst einmal, dass der Photoelektrische Effekt kein Thema ist, welches man sich auf nüchternen Magen zumuten sollte«, antwortete Wilma, »wobei … ich weiß gar nicht, ob ich genügend essen kann, um ihn bekömmlich werden zu lassen.«

»Also …«, murmelte Willi. »Ich habe festgestellt, dass mein Hirn ein gewisses Problem hat, wenn ich mir Licht einerseits als Welle vorstellen soll, aber gleichzeitig beachten muss, dass Licht andererseits viele kleine Teilchen sind, die sich da irgendwie in einem Lichtstrahl tummeln. Dazu fehlt mir offensichtlich eine Dimension in meinem Denkapparat.«

»Da bist du aber in bester Gesellschaft, Willi«, entgegnete Elfie, »denn ich kenne niemanden, dem dieser geistige Spagat problemlos gelingt. Nur EINE Vorstellung von Licht zu haben, welche beide Eigenschaften miteinander kombiniert, das wäre super, aber davon habe ich noch nichts gehört. Die Physiker weltweit leben einfach damit, dass sich Licht mal so und mal so verhält, und tun sich mehr oder weniger schwer mit einer entsprechenden Veranschaulichung. Auch weltberühmte Physiker machen da keine Ausnahme:

Wenn mir Einstein ein Telegramm schickt, er habe nun die Teilchennatur des Lichtes endgültig bewiesen, so kommt das Telegramm nur an, weil das Licht eine Welle ist.

NIELS BOHR, Nobelpreis 1922

Aber zurück zu meiner Frage: Was müssen wir uns merken? Ich beantworte sie einmal selbst. Einerseits nichts Neues gegenüber dem, was wir auch schon als Quintessenz aus den PLANCKschen Strahlungsversuchen gezogen haben. Obwohl sie fünf Jahre auseinanderliegen, so sind doch die PLANCKsche Strahlungsformel und der EINSTEINsche Photoelektrische Effekt am besten gemeinsam zu sehen. Stellvertretend dafür ist die Formel 1.2 zu nennen, nämlich E = h · f, die wir schon im ersten Abschnitt in diesem Zusammenhang erwähnt hatten. Aus dieser Formel folgt, dass die Energie gequantelt ist! Das ist so weit nichts Neues, das hatten wir schon.

Neu ist allerdings, dass es Phänomene wie das Licht gibt, die zwei Sichtweisen benötigen, um sie vollständig beschreiben zu können. Beide Aussagen münden in die Quantenmechanik, von welcher einer ihrer Mitbegründer, der eben schon zitierte NIELS BOHR, einmal sagte:

Wer über die Quantentheorie nicht entsetzt ist,der hat sie nicht verstanden.

Trotzdem können wir etwas mehr Licht in diese Angelegenheit bringen – eine sehr schöne Satzkonstruktion angesichts unseres heutigen Themas –, indem wir uns beim nächsten Mal mit dem sogenannten Doppelspalt-Experiment beschäftigen, welches einen interessanten Beitrag zu diesem Welle-Teilchen-Dualismus liefern wird.«

Und indem Elfie dieses schöne Schlusswort formulierte, läutete sie auch gleichzeitig das Ende des offiziellen Teils dieses Abends ein. So saß man noch eine Weile vergnügt zusammen und diskutierte zum Beispiel darüber, welche Wellenlängen des sichtbaren Lichts der Rotwein eigentlich absorbiert, um zu seinem beeindruckenden Dunkelrot zu gelangen, und über ähnlich bedeutsame Themen. Schließlich unterbrach Elfie:

»Ihr Lieben! Mit euch zu diskutieren ist in der Tat gefährlich, man vergisst komplett die Zeit. Aber gerade ist sie mir wieder eingefallen, und zwar zusammen mit der alten Regel: Immer, wenn es am schönsten ist, dann soll man aufhören! Und beide Einfälle führen mich leider zu dem Schluss, dass ich mich jetzt auf meinen Heimweg begeben werde. Es war wirklich sehr schön, und dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Und – was den Termin unseres nächsten Treffens betrifft –, wir telefonieren.

In diesem Sinne, lasst es euch gut gehen, bis bald, ich freue mich schon!«

Ein Stein vom Heisen Berg ist Planck

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