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2.1 Doktor Schweinfurth sammelt alles

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Der Naturforscher und Afrikareisende Georg Schweinfurth (1836–1925) war von unersättlicher Neugier auf fast allen nur denkbaren wissenschaftlichen Gebieten. Zu einer Zeit, da die Archäologie noch auf Kunstschätze fixiert war, interessierte er sich auch für Unscheinbares und wurde so zum Wegbereiter gleich zweier neuer Forschungsfelder, der Textilarchäologie und der Archäobotanik. Als im neunzehnten Jahrhundert in Ägypten die Ausgrabungswelle einsetzte, stellte Schweinfurth systematisch Pflanzenmaterial sicher, das dabei zutage kam. Das ist ein Glücksfall für die Forschung, denn wenn „vertrocknetes Grünzeug“ auf den begehrten Mumien und Kunstwerken herumlag, wurde es meist achtlos weggeworfen. Schweinfurth jedoch sah, welch wertvoller Zugang zur Flora der Pharaonenzeit sich hier bot, und er begründete, was wir heute interdisziplinäre Zusammenarbeit von Archäologie und Botanik nennen.

So entstand seine Sammlung, weltweit wohl die umfassendste dieser Art, die jeweils zu Teilen im Ägyptischen und im Botanischen Museum in Berlin aufbewahrt wird und die, ein weiterer Glücksfall, auch die Zerstörung des Letzteren im Krieg überstanden hat. Die knapp 400 Funde umfassen Blumenschmuck, wie ihn die Toten und die Teilnehmer bei Beerdigungsfeiern trugen, aber auch Lebensmittel wie Emmer, Gerste, Datteln, Linsen, Oliven, Mandeln, Knoblauch, Dill, Rosinen und Kohl.

Archäobotanische Forschungen sind auch zentral, um den Ursprung der Landwirtschaft zu rekonstruieren. Die neue Lebensweise hat sich mehrmals unabhängig voneinander auf dem Globus entwickelt; uns interessiert hier der „Fruchtbare Halbmond“ im Nahen Osten. Dort entstand vor rund 11.000 Jahren in der Jungsteinzeit die früheste Form von Landwirtschaft überhaupt. Dieses Gebiet wird im Westen vom Mittelmeer begrenzt, im Norden vom Taurusgebirge, im Nordosten und Osten vom Zagrosgebirge und schließlich im Süden von der Syrisch-Arabischen Wüste (Abb. 3).

Zur Aufhellung dieser Vorgänge können neben der Archäobotanik verschiedene naturwissenschaftliche Ansätze beitragen: Bei botanischen Feldstudien geht es darum, jene Wildformen aufzuspüren, die Vorläufer der heutigen Nutzpflanzen sind, und ihre natürlichen Verbreitungsgebiete zu kartieren. Durch genetische Untersuchungen an heutigen Wild- und Kulturpflanzen kann die Verwandtschaft von Nutzpflanzenrassen untereinander und zu den jeweiligen Urahnen geklärt werden.

Eine wichtige Technik für pflanzliches Material ist ferner die Radiocarbondatierung. Sie beruht auf dem radioaktiven Kohlenstoffisotop 14C, das wie normaler Kohlenstoff in Biomasse eingebaut wird, aber im Laufe der Zeit zerfällt (zu Isotopen Stichwort 1, speziell zur Radicarbondatierung Stichwort 2). Diese Methode zur Altersbestimmung ist generell anwendbar bei vielen Materialien, die Kohlenstoff enthalten. Besonders aussagekräftig ist das Verfahren aber bei manchen Arten von Pflanzenmaterial, etwa einjährigen Pflanzen oder Samenkörnern wie zum Beispiel Getreide: Hier entspricht der ermittelte Gehalt an 14C wirklich einem definierten Jahr, im Gegensatz zu tierischem Material, bei dem die gemessene 14C-Menge über die gesamte Lebensspanne gemittelt ist.

Interessant ist, dass innerhalb des Fruchtbaren Halbmondes noch einmal ein besonderes Kerngebiet existiert (doppelt schraffiert in Abb. 3). Dies ergibt sich sowohl aus archäobotanischen Funden als auch aus den natürlichen Verbreitungsgebieten der Pflanzen, die als founder crops, also Gründerpflanzen, der Landwirtschaft eine besondere Rolle spielten: Die wilden Vorfahren von Einkorn, Emmer, Gerste, Erbse, Kichererbse, Linse und Wicke kommen nur hier gemeinsam vor.

Einige frühe Vorkommen von Getreide in menschlichen Siedlungen sind in Abb. 3 eingezeichnet. In Ali Kosh und Çayönü wurde zum Beispiel für die Zeit um 7500 v. Chr. Einkorn und Emmer nachgewiesen, in Abu Hureya sogar schon um 9000 v. Chr. Weizen. Dabei ist nicht nur die Häufung solcher Funde im Kerngebiet des Fruchtbaren Halbmondes bedeutsam, sondern ebenso die Nähe zu den ältesten Monumentalbauten der Menschheit, wie sie in Nevali Çori und Göbekli Tepe entdeckt wurden.

Es wäre allerdings falsch, anzunehmen, dass alle wichtigen Entwicklungen der frühen Landwirtschaft nur in dieser einen Region stattfanden. Ebenso verkürzt ist es, wenn man nur die Getreide betrachtet, wie es manchmal geschieht. Unter den sieben founder crops sind ja, neben drei Getreidearten, gleich vier Hülsenfrüchte vertreten. Die ältesten Funde von kultivierten Bohnen und Kichererbsen stammen aus Tell el-Kerkh in Nordwestsyrien, aus dem zehnten Jahrtausend v. Chr. Und die ältesten domestizierten Feigen stammen aus Jericho und Gilgal im Jordantal, sie sind mehr als 11.000 Jahre alt und damit vielleicht älter als der Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten.

Es ist also nicht so, dass die Landwirtschaft als kultureller Urknall zu einem scharf definierten Zeitpunkt begonnen hätte. Vielmehr ging ein räumlich und zeitlich ausgedehntes Experimentierstadium voraus; das Sammeln von Wildgetreide ist in Afrika sogar schon vor rund 100.000 Jahren dokumentiert. Das Schlüsseldatum um 9000 v. Chr. ist dennoch bedeutsam, weil zu dieser Zeit der Anbau von Getreide in planvoll angelegten Feldern begonnen hat. Danach begann die Phase der eigentlichen Domestikation, bei der durch gezielte Auswahl von Saatgut und Kreuzungen die Kulturvarietäten entstanden, zum Beispiel echter Weizen aus der Kreuzung von Einkorn und Emmer.

Auch diese Domestikationsphase war ein langwieriger Prozess von Versuch und Irrtum, wie man inzwischen annimmt. Frühere Rekonstruktionen gingen hier von einem raschen Fortschritt aus, doch neuere Arbeiten setzen einen Zeitbedarf von mindestens 1000 Jahren für die Entstehung echter Kulturgetreide an.

In Bezug auf die Trias Weizen, Wein und Olive, wie wir sie eingangs kennen gelernt haben, ist allerdings nur der Weizen seit frühesten Zeiten im Rennen. Wein und Oliven sind im Vergleich zu den founder crops Nachzügler. Spätestens in der römischen Kaiserzeit war allerdings ein Kult um die verschiedenen Rebsorten entstanden, der einem modernen Weinliebhaber vertraut vorkommt. Plinius der Ältere schreibt dazu:

Dass man die Rebarten zahlenmäßig festlegen könne, hat als einziger Demokritos gemeint, indem er erklärte, alle griechischen zu kennen; alle anderen haben überliefert, es gebe zahllose und unendlich viele, was bei der Besprechung der Weine sich als zutreffender erweisen wird.

(Plin. nat. hist. 14,20; Übers. R. König).

Schon damals gab es Spitzenweine, deren Ruf ähnlich legendär war wie heute der des Bordeaux; der Caecuber und der Falerner aus Campanien sind noch heute so bekannt, dass sie in keinem historischen Roman über das Alte Rom fehlen dürfen. Die Kaiserin Livia führte ihr hohes Alter von 86 Jahren jedoch auf den Genuss des Weines aus Pucinum an der Adria zurück, während ihr Gatte Augustus den Setiner aus Forum Appii bevorzugte.

Dies alles hatte jedoch eine längere Vorgeschichte, und die Römer haben erst vergleichsweise spät den Weinbau für sich entdeckt. Der Ursprung liegt vermutlich in der Kaukasusregion; die älteste bekannte Weinkellerei der Welt wurde in den armenischen Areni-Höhlen entdeckt (ca. 4000 v. Chr.). In Nordsyrien und dem Zweistromland ist Wein um 5500 v. Chr. nachweisbar, um 3500 v. Chr. auch in Ägypten (Abb. 4). Nach Griechenland gelangte die Kultur der Weinrebe spätestens gegen 2200 v. Chr., denkbar sind die Wege über Ägypten und Kreta oder über Kleinasien und Thrakien. Mit den griechischen Koloniegründungen kommt der Weinbau um 750 v. Chr. nach Sizilien und Süditalien; über Massalia (Marseille) um 600 v. Chr. auch nach Südgallien. Ein paralleler Ausbreitungsweg nach Westen ist die Gründung der phönizischen Handelsniederlassungen. Die Etrusker beginnen um 700 v. Chr., also bald nach dem Eintreffen der Griechen, mit eigenem Weinbau; die Römer hingegen trinken lange Zeit importierten Wein und beginnen mit eigenem Weinanbau erst circa 250 v. Chr. Mit der Ausbreitung der römischen Herrschaft werden schließlich noch weitere Gebiete erreicht. Zwar kann auf der Iberischen Halbinsel der Wein bis zu den ersten phönizischen Niederlassungen ab 800 v. Chr. zurückverfolgt werden, aber der systematische Ausbau setzte erst nach dem Zweiten Punischen Krieg und verstärkt in der frühen Kaiserzeit ein.

Die Daten in Abb. 4 sind allerdings nur ungefähre Anhaltspunkte: Der Nachweis von eigenständigem Weinbau an Ort und Stelle, im Gegensatz zum Konsum von Importen, ist oft schwierig. Die klimatischen und geologischen Bedingungen im heutigen Südwestdeutschland (dem römischen Germania superior) sind für die Reben bekanntlich günstig, und man könnte annehmen, dass mit dem Auftauchen der Römer der Anbau einsetzte. Trotzdem ist lokale Weinproduktion hier erst ab 250 n. Chr. nachgewiesen.


Abb. 3 Der Fruchtbare Halbmond (schraffiert) und darin die core area (doppelt schraffiert). Wichtige jungsteinzeitliche Siedlungen ab ca. 10.000 v. Chr. sind eingezeichnet; Ohalo II und Wadi en-Natuf sind Lagerplätze aus der oberen Altsteinzeit im Übergang zur neolithischen Lebensweise.


Abb. 4 Die Ausbreitung des Weinbaus im Laufe der Jahrtausende; die Daten dienen der ungefähren Orientierung.

Interessant ist der Beitrag, den die Genetik zur Frage der Ausbreitung des Weinbaus leisten konnte. Ein Ursprung im Kaukasus ist allgemein akzeptiert, aber es gibt wilden Wein auch heute noch in verschiedenen anderen Regionen. Die meisten heutigen Kulturformen stammen jedoch vom Wildtyp aus dem Osten ab. Selbst in Griechenland und Italien gibt es keine nähere Verwandtschaft zu dortigen Wildformen. Das bedeutet, dass man dort mit dem Beginn des Weinbaus beides zusammen aus dem Nahen Osten importiert hat, die Verfahren und die Rebsorten. Im Gegensatz dazu war man weiter westlich experimentierfreudiger: Auf der Iberischen Halbinsel etwa verwendet man zu 70 Prozent Rebsorten, die näher mit westlichen Wildformen verwandt sind. Hier begann der Weinbau zunächst auch mit den etablierten Sorten aus dem östlichen Mittelmeerraum, in der Folgezeit wurden dann aber lokale Wildgewächse systematisch auf ihre Brauchbarkeit untersucht.

Weinstöcke können, genau wie übrigens Olivenbäume, steinalt werden und über Jahrhunderte vegetativ vermehrt werden. In Büchern für Weinliebhaber wird deshalb gerne darüber spekuliert, wie moderne Rebsorten unmittelbar von mittelalterlichen oder sogar antiken Trauben abstammen. Die Genetik hat aber gezeigt, welch große Rolle Kreuzungen und Mutationen in der Kulturgeschichte des Weins gespielt haben, und keine heutige Traube dürfte einer antiken Sorte direkt entsprechen.

Bezüglich der Ausbreitung der Olive ist die Situation kompliziert: Es gibt wilde, kultivierte sowie ehemals kultivierte und wieder verwilderte Oliven nebeneinander; die kultivierten Olivenbäume können zudem importiert sein oder von domestizierten lokalen Wildformen abstammen. Alle diese Formen sehen obendrein recht ähnlich aus, deshalb hat man versucht, speziell durch zweierlei Methoden Licht in das Dunkel der Olivendomestikation zu bringen: zum einen durch sorgfältige Vermessung moderner und archäologischer Olivenkerne, zum anderen durch genetische Methoden. Dabei tun sich, was in der Natur der Sache liegt, Wissenschaftler aus typischen Olivenländern wie Frankreich, Spanien und Italien hervor. Aus all diesen Arbeiten ergibt sich tatsächlich eine komplexe Geschichte der Olive in den vergangenen Jahrtausenden, und es ist beides nachweisbar: sowohl Import der Bäume, wie beim Wein vorrangig in Ost-West-Richtung, als auch vielerorts Kultivierung von lokalen wilden Oliven. Besonders spannend ist, dass zum Beispiel in Umbrien auf dem italienischen Festland einheimische Wildformen kultiviert wurden, während auf den Inseln Sardinien und Sizilien keine genetische Verwandtschaft zwischen wilden und kultivierten Oliven gefunden wurde – dies korrespondiert offenbar mit der Kolonisation der Inseln durch Griechen und Karthager, die dabei ihre Kulturvarietäten mitbrachten.

Parallel zur Entstehung der landwirtschaftlich genutzten Pflanzensorten verlief die Entwicklung der Haustiere, und diesen Vorgang verfolgt man mit ähnlichen Ansätzen wie bei den Nutzpflanzen: Dazu gehören anatomische und genetische Untersuchungen an rezenten Haustieren und ihren frei lebenden Verwandten, ferner die archäozoologische Auswertung von Überresten aus der Vergangenheit.

Wie für den Ackerbau wird auch für die Viehzucht ein jungsteinzeitlicher Ursprung im Fruchtbaren Halbmond angenommen. Neolithische Fundorte wie Nevali Çori und Çayönü lassen darauf schließen, dass vermutlich schon vor 10.500 Jahren Schweine, Ziegen und auch Schafe gehalten wurden. Eine umfassende Statistik von mehr als 400.000 publizierten Knochenfunden aus 114 einzelnen Orten in Nahost und Südosteuropa hat zudem ein interessantes Muster ergeben: Schon früh fällt die Gegend um den oberen Euphrat auf, weil hier bereits um 7500 v. Chr. der Knochenanteil von domestizierten Tieren (gegenüber Jagdwild) bei 40 Prozent liegt. Außerhalb dieser Kernregion, die ziemlich genau mit der core area des frühen Ackerbaus zusammenfällt, kommt die Entwicklung später in Gang; die südliche Levante und der weiter östlich gelegene Raum von Taurus- und Zagrosgebirge erreichen solche Anteile erst mindestens 700 Jahre später.

Die Herkunft der Hausschweine wurde von einem Team um Greger Larson, Keith Dobney und Alan Cooper aus England untersucht, wobei genetische Daten von heutigen Wild- und Hausschweinen und von archäologischen Knochenfunden verglichen wurden. Der Nahe Osten war ein frühes Domestikationszentrum, und die ersten europäischen Hausschweine hatten noch eine enge Verwandtschaft zu Wildschweinen aus Anatolien. Diese Rassen wurden offensichtlich bei der Ausbreitung der Landwirtschaft nach Europa eingeführt. Später kommt allerdings die Domestikation der europäischen Wildschweine in Gang: Bereits 75 Prozent der Hausschweinfunde um 4000 v. Chr. haben einen europäischen Ursprung, und rund 500 Jahre später gibt es in Europa nur noch Hausschweine lokaler Herkunft, die nahöstlichen Rassen sind ausgestorben.

Ein vergleichbares komplexes Bild findet man auch bei Schafen, Ziegen und Rindern: Der Nahe Osten spielt als frühe Domestikationsregion generell eine wichtige Rolle, aber heutige Rassen zeigen eine Überlagerung durch multiple spätere Einflüsse. Bei den Rindern wurden weltweit mehrere Arten der Gattung Bos gezähmt, so entstand zum Beispiel der tibetische Yak oder der südostasiatische Banteng. Die Hausrinder Europas leiten sich von Bos taurus ab, doch kam es hier teilweise zur Einkreuzung einer anderen Art, Bos indicus, die auch der Ahn der Zebu- oder Buckelrinder Indiens und Ostafrikas ist. Eine genetische Analyse von modernen Hausrindern zeigte, dass etliche Rassen genetische Anteile von Bos indicus haben, und der indische Raum spielte offensichtlich eine wichtige Rolle bei der Domestikation von Rindern. Der in Europa heimische, wilde Auerochse (Bos primigenius) hatte hingegen, entgegen älteren Annahmen, wohl keinen Anteil an der Entstehung der europäischen Rinderrassen.

Beim Schaf konnte die Ausbreitung, ausgehend vom Fruchtbaren Halbmond, in mehreren Wellen nachgewiesen werden, die dem Auftauchen neuer Zuchtrassen mit verbesserten Eigenschaften entsprechen. Die älteste Schicht von domestizierten Schafen ist heute noch in peripheren Regionen Nordeuropas nachweisbar, etwa auf Island und den Orkneyinseln, ebenso in bestimmten Inselpopulationen im Mittelmeer (Korsika, Sardinien, Zypern). Die Mehrzahl der modernen Zuchtrassen geht aber auf spätere Ausbreitungswellen zurück, die erneut im Nahen Osten ihren Ausgang nahmen.

Bei der Ziege wiederum ist das Bild recht unübersichtlich, weil man weltweit mindestens fünf Zentren der Domestikation ausmachen kann. In den Gegenden, die uns hier näher interessieren, gab es vermutlich gleich zwei Regionen, zum einen das östliche Anatolien bis zum nördlichen Zagrosgebirge, daneben den südlichen Zagrosraum, am östlichen Rand des Fruchtbaren Halbmonds.

Melinda Zeder (Smithsonian Institution) und Brian Hesse (University of Alabama) haben Ziegenknochen aus dem westlichen Iran mit archäozoologischen Methoden untersucht, um ein Problem anzugehen, das sich bei frühen Haustieren generell stellt: Anfänglich war ein Haustier nichts anderes als ein Wildtier, das in Gefangenschaft lebt. Es gibt noch keine morphologischen Unterschiede – wie differenziert man also zwischen echten Haustierknochen und bloßen Jagdabfällen? Zeder und Hesse konnten aber durch genaue Vermessung von Ziegenknochen und statistische Auswertung der Daten zeigen, dass im Zagrosgebirge vor rund 10.000 Jahren tatsächlich die Domestikation begonnen hatte. Die Populationsstruktur entspricht nämlich nicht einer frei lebenden Ziegenherde, sondern lässt bereits die Bewirtschaftung durch den Menschen erkennen. Bestes Indiz dafür ist der überproportional hohe Anteil an geschlachteten männlichen Jungtieren, während bei den ausgewachsenen Tieren nur wenige Ziegenböcke nachweisbar waren – genau, wie es heutiger Praxis entspricht, die mit wenigen männlichen Zuchttieren auskommt, um den Bestand einer Herde zu sichern.

Ein Sonderfall ist das Pferd. Hier gibt es keinen Zusammenhang mit der Jungsteinzeit, und in Ägypten und Nahost taucht das Pferd auch erst gegen 2000 v. Chr. auf. Allerdings hat auch die Domestizierung des Pferdes als Reit- und Zugtier eine kulinarische Vorgeschichte. Jagdbeute war das Pferd schon im Paläolithikum, und auch später war seine Rolle als Fleisch- und Milchlieferant ein wichtiger Anreiz der Domestikation.

Aus verschiedenen Arbeiten ergibt sich nun speziell die chalkolithische Botajkultur in Nordkasachstan als heißer Kandidat für den Ursprung des Reitpferdes (das Chalkolithikum ist die Phase zwischen Jungsteinzeit und Bronzezeit; andere Bezeichnungen sind Eneolithikum, Aeneolithikum, Kupferzeit). Aus der Zeit 3500 bis 2500 v. Chr. hat man hier große Mengen an Pferdeknochen gefunden. Abnutzungsspuren an den Zähnen deuten teilweise auf Trensen hin, und pathologische Deformationen an einigen Knochen zeigen, dass schon um 3500 v. Chr. Tiere geritten wurden. Daneben waren die Pferde aber auch Nahrungsquelle: Das zeigen zum einen die Tonnen von Pferdeknochen, die gegenüber den Knochenfunden von allen anderen Arten dominieren.

Zum anderen beweisen das ebenso die Nahrungsreste, die man in Gefäßen der Botajleute gefunden hat. Richard Evershed hat mit seiner Arbeitsgruppe die Fettsäurespuren aus Botajkeramik analysiert, und daraus ergibt sich, dass Stutenmilch auf dem Speiseplan stand, aber ebenso Pferdefleisch. Die Doktorandin Natalie Stear hatte hierbei einen wesentlichen Anteil, denn sie hat die Methode vorangetrieben, um tatsächlich zwischen Fetten aus Milch oder Fleisch unterscheiden zu können. Es ist die Bestimmung der Wasserstoffisotope, die das möglich macht: Das schwere Isotop des Wasserstoffs ist in der Milch gegenüber dem Fleisch etwas stärker konzentriert. Mit der Analytik von Lebensmitteln und anhand der Frage, was tatsächlich konsumiert wurde und wie man es zubereitet hat, sind wir bereits beim Thema des Abschnitts Ein Trank für Götter angelangt.

Antike im Labor

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