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Der Selvaggio Blu

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An der Ostküste von Sardinien erstreckt sich der Gebirgszug des Supramonte. Er besteht aus zerklüftetem Kalkstein, jedes Wasser versickert sofort, weswegen die Gegend weitgehend menschenleer und wild geblieben ist. Abgesehen von einigen Hirten ist das Gebirge unbewohnt. Zum Meer hin erstreckt sich die Hochebene Su Golgo, welche in einer wilden Steilküste in den Golfo di Orosei abbricht.

Hier fanden sich die letzten ausgedehnten Wälder Sardiniens. Holz wurde Ende des 19. Jahrhunderts für den Bau der Eisenbahnen in ganz Italien benötigt. Köhler erschlossen mit abenteuerlichen Maultierpfaden die zwischen steilen Felsen eingelagerten, kaum zugänglichen Waldgebiete und brachten das geschlagene Holz direkt zu den darunterliegenden Buchten. Bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts entstand somit ein weit ausgedehntes Netz von Pfaden, welches aber nach Ende der Aktivitäten bald wieder in Vergessenheit geriet, zuwucherte und verfiel.

Besonders gesucht war Wacholder. Dieser Baum wächst sehr langsam, wird tausende von Jahre alt und sein Holz hat ein paar sehr begehrte Eigenschaften. Steinhart, allgemein sehr widerstandsfähig, fault nicht und wird auch nicht von Holzwürmern befallen. Die Hirten und Köhler überbrückten mit an die Wände gelehnten Wacholderstämmen, sogenannte "iscala e' fustes", ansonsten unbegehbare Passagen. Auch für ihre Behausungen und Schafställe fand der Wacholder Verwendung. Das "su barraccu", so der Name der Hirtenhütte, wird zunächst mit einem Steinring befestigt. Etwa drei Meter lange Stämme bilden ein kegelförmiges Dach, einem Indianer-Tipi nicht unähnlich. Eine weitere lokale Spezialität ist ein Hut aus Wacholderzweigen.

Das Reich der Schafe, Ziegen und verwilderten Hausschweine am Golfo di Orosei erstreckt sich von Santa Maria Navarrese im Süden bis Cala Gonone im Norden. Beides ehemalige Fischerdörfer, die vom aufkommenden Touristenboom enorm profitierten und heute beliebte Ferienziele sind. Es lockt natürlich die Steilküste mit ihrem rauen Charme. Touren aller Art werden mittlerweile angeboten. Beliebt sind vor allem Bootsausflüge zu den zahlreichen versteckten Buchten. Man kann sich die Steilküste aber auch erwandern, ein abenteuerlicher Weg führt mitten hindurch, der Selvaggio Blu.

Die Existenz dieser Route ist Peppino Cicalò und Mario Verin zu verdanken. Besonders ersteren war es ein Anliegen, einen Weg direkt an der Küste von der Felsnadel der Pedra Longa bis zur Bucht Cala Sisine zu finden. Es ist dies der wildeste Teil der Steilküste. Im Mai 1987 wagten sie einen ersten Angriff. Die Existenz der Köhlerwege war ihnen natürlich bekannt, nur waren diese mittlerweile stark zugewuchert. Aber es gelang ihnen immerhin eine Route bis zur Cala Goloritzè ausfindig zu machen, etwa die Hälfte der gesamten geplanten Strecke. Im darauf folgenden Jahr wurde der Weg schließlich bis zur Cala Sisine erschlossen. Es muss ein abenteuerliches Unternehmen gewesen sein, Karstfelsen mit scharfen Kalkspitzen und dorniges Unterholz ließen kein schnelles Vorankommen zu.

Der ursprüngliche Plan war, eine einfache Route zu finden, welche für möglichst viele zugänglich sein sollte. Dies gelang nicht. Immer wieder forderte das Gelände Klettereien bis zum IV. Grad und vor allem mussten viele Abseilstellen eingerichtet werden. Nichtsdestotrotz begann Verin in Zusammenarbeit mit der Kommune von Baunei mit der provisorischen Markierung des nun Selvaggio Blu genannten Weges. Die Farbe Blau wurde für die Hauptroute verwendet, Rot für kreuzende Wege und Notausstiege. Bald reichte Blau nicht mehr, also wurde mit Rot weiter markiert. Schließlich gab man das Vorhaben ganz auf. Die Farben verblasten. Doch im Laufe der Zeit wurde der Weg genau aufgrund seiner Wildheit und der anspruchsvollen Routenführung immer bekannter.

Der Selvaggio Blu wird heute zu den schönsten Trekkingrouten weltweit gezählt. Die Route ist dabei immer noch nur unzureichend markiert. Zu den von Verin angebrachten Farben, mittlerweile kaum noch zu sehen, kamen noch Steinmännchen und so verwunschene Zeichen, wie in Äste gelegte Steine hinzu. Inzwischen hat sich jedoch mancherorts ein Pfad gebildet und es gibt GPS, was die Orientierung doch stark vereinfacht. Geblieben ist eine alpine Unternehmung, die aufgrund des Wassermangels eine schwierige Logistik beinhaltet. Geblieben ist natürlich auch der starke Kontrast zwischen unberührter Felswildnis hoch über dem blauen Meer. Genau dafür steht "Selvaggio Blu", das wilde Blau. Eine Traumroute.

Sardinien - Selvaggio Blu

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