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Tag 3: Emotionen und Beiwörter
ОглавлениеEin wichtiges Medium des Melodramas sind Adjektive und Adverbien. Mit ihnen benennt der Autor ein Gefühl, den Beweis dafür aber bleibt er dem Leser schuldig. Beweisen heißt Zeigen, heißt vor Augen führen – und das gelingt Ihnen am besten mit Handlung, also mit Verben.
Wie oben kurz angesprochen, kann ein treffend gewähltes Beiwort ab und an eine legitime Abkürzung sein: »Melanie war traurig.« Der Satz klärt die Situation schnell. Er genügt, sofern das beschriebene Gefühl nicht zentral für die Geschichte ist.
Das treffendere Beiwort ist fast immer das spezifischere Adjektiv oder Adverb. Ein »Melanie ging es nicht gut« wird von einem »Melanie war traurig« getoppt und das wiederum von einem »Melanie war untröstlich«.
Ihre erste Aufgabe: Suchen Sie sich fünf Adjektive oder Adverbien in Ihrem Roman, die Sie durch treffendere Beiwörter ersetzen.
In den meisten Fällen jedoch, in denen Adjektive zur Darstellung von Emotionen herhalten sollen, tritt eine unangenehme Eigenschaft der Beiwörter zutage: Sie frieren das Gefühl ein und bannen es in ein einziges Wort. Wann aber hätte ein Wort jemals etwas so Komplexes wie eine Emotion auch nur annähernd exakt beschrieben? Weil das kein Problem allein von Adjektiven ist, dazu morgen noch mehr.
Zudem werden Adjektive häufig eingesetzt, obwohl das Gefühl sich schon aus der Handlung ergibt – eine überflüssige Verdopplung.
Beispiel: Anja war wütend. Sie schnappte sich ihren Mantel, rief: »Du mich auch«, und knallte die Tür hinter sich zu.
Ja, auch Sie haben das wiederholt getan.
Ihre zweite Aufgabe: Durchforsten Sie die letzten drei Szenen, die Sie geschrieben haben, und merzen Sie diese Doppelmopplungen aus. Überlegen Sie jedes Mal, ob Sie die Beschreibung streichen oder die deutlich kürzere Behauptung. Bei der nächsten Überarbeitung gehen Sie mit jeder Doppelmopplung genau so hart ins Gericht.
Warum genau das so problematisch ist, keinesfalls nur bei Adjektiven, darüber morgen mehr.