Читать книгу Der vertrocknete Walser Birnbaum und die Erben - Stephane Rambicourt - Страница 6

Die Wanderung

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Als der Concierge und der Wanderführer weg waren, sagte Magdalena lachend: „Der sieht aber urig aus. Ein kleiner Alpöhi.“

„Hauptsache, er kennt sich hier aus“, grinste Jacob.

Nur 15 Minuten später gingen Jacob und Magdalena zu ihrem Wanderführer Sepp Haderer, der in dem kleinen Besprechungszimmer bereits einige Karten ausgebreitet hatte.

„Also, I bin dr Sepp“, sagte Sepp Haderer lachend.

„Magdalena meine Frau und ich bin Jacob“, stellte Jacob sich und seine Frau freundlich vor.

„Guat, setz ma uns“, erklärte Sepp Haderer, „I muaß sie zerscht was frogn. Giabts an bsondern Grund, warum ihr grad Morgn und Üwermorgn üwern Unterschberg wollts?“

„Ja den gibt es tatsächlich Sepp. Wir werden nächste Woche abreisen und da wollen wir zuerst noch eine schöne große Wanderung machen. Später geht es nicht, weil wir uns auch noch für die Rückfahrt und unsere Jobs ausruhen und erholen wollen“, erwiderte Magdalena.

„Guat, die Tour hot nocher nix mit die Gschichten ztun, die üwern Unterschberg erzählt werdn?“ fragte der alte Mann.

„Was für Geschichten meinen sie“, fragte Jacob.

„Er meint bestimmt das, was ich in dem Reiseführer gelesen hab, als wir hergefahren sind. Nein Sepp, wir wollen nur eine Wanderung mit dem Ziel Hallein machen, sonst nix“, lachte Magdalena fröhlich.

Sepp schaute skeptisch seine neuen Kunden an.

„Ihr habts übern Unterschberg was glesen, awer mit die Gschichten nix am Huat? Wanns anders wär, dat i net mitgehn. Awer guat, wann’s so is, i glaubs eich, gemma nocher jetzat an die Planung. Ihr lügts mi wirkli net an?“ fragte Sepp Haberer nachdenklich.

„Nein Sepp. Wir sind realistisch denkende Menschen, wie heißt es so schön analytisch logisch strukturiert, und definitiv keine Esoteriker, Mystiker oder so. Dennoch würden wir gerne eine Route gehen wollen, die früher von Schmugglern oder Wilddieben benutzt worden ist. Wir denken, dass das bestimmt anspruchsvolle Routen sind“, erwiderte Jacob lachend.

„Jo, do host scho recht. Die san früher scho gfährliche Weg gangen. Do mist ihr eich awer ah auf klettern einstelln. Wollst ihr dös wirkli?“ gab Sepp Haberer zu bedenken.

„Klettern? Ich glaub das ist eher weniger das was wir machen wollen. Anspruchsvoll darf oder soll die Route schon sein, aber Bergsteigen möchten wir eigentlich nicht. Es soll ein Erlebnis werden, an das wir noch lange denken werden“, warf Magdalena bestimmt ein.

„Das sehe ich genau so“, erklärte Jacob.

„Guat, ihr wollts 2 oder 3 Tag unterwegs sein. Wollts ihr im Zelt übernachten oder in einer Pension“, erkundigte sich Sepp Haderer, der Wanderführer.

„Im Prinzip hätte ich nichts gegen eine Zeltübernachtung, aber wir haben kein Zelt mit dabei. Das spricht für die Übernachtung in einer Pension“, entgegnete Jacob.

„Tuats an Heuschober a?“ wollte Sepp Haderer wissen.

„Ist das so etwas wie eine Scheune, in der Heu gelagert ist? Das wäre auch in Ordnung. Ist bestimmt lustig“, antwortete Magdalena grinsend.

„Guat. Vorschlag. Ich suche eine Route aus, anspruchsvoll, ohne klettern und ein oder zwei Übernachtungen in einer Pension, aner Hüttn oder oam Heuschober. Rucksäcke habts ihr aber dabei? Für Proviant und so?“ sagte der erfahrene Wanderführer. Magdalena und Jacob nickten.

„Guat. Morgen in der Frua. Um 8 Uhr Abmarsch, hier in der Hotelhalle“, bestimmte Sepp Haderer und verabschiedete sich eilig.

„Also, ich freu mich auf die Wanderung mein Schatz“, lächelte Jacob fröhlich, „und dieser Sepp ist bestimmt genau der Richtige. Der Concierge hat schon recht, ein richtiges Original.“

„Denk ich auch. Aber was der immer mit den Geschichten über diesen komischen Berg hatte. Wir sollten mal den Concierge fragen, was es mit diesen Geschichten auf sich hat“, überlegte Magdalena.

„Ach diese Märchen interessieren mich eigentlich nicht, aber wenn du magst, kannst du ja mal fragen. Die Antwort kenn ich aber schon“, grinste Jacob frech.

„Das mach ich und zwar sofort. Kommst du mit?“ erklärte Magdalena und war auch schon auf dem Weg zur Tür und zum Arbeitsplatz des Concierge.

Jacob hatte gar keine Chance auszuweichen. Es war ihm sichtlich unangenehm und es interessierte ihn auch überhaupt nicht, ob Geschichten und Gerüchte über den Berg existieren. Anders Magdalena, in ihr wurde irgendwie der Forscherdrang geweckt. Sie wollte jetzt unbedingt wissen, was an den Geschichten, die im Reiseführer standen, dran ist. Magdalena steuerte schnurstracks auf den Concierge zu, der mit den Vorbereitungen auf den kurz bevorstehenden Papstbesuch beschäftigt war.

„Sagen sie mal, ich habe da in meinem Reiseführer von unerklärlichen Phänomenen über unser Wandergebiet, diesen Untersberg, gelesen. Was ist an den Geschichten dran?“ wollte Magdalena neugierig wissen.

Der Concierge erschrak kurz, wohl wegen der forschen Art Magdalenas, hatte sich aber sofort wieder gefangen.

„Ja da gibt es wohl die eine oder andere Geschichte, oder besser ausgedrückt, das eine oder andere Märchen, Frau Countz“, erklärte der Concierge lächelnd.

„Sepp hat auch schon so komische Andeutungen gemacht und in mir die Neugierde geweckt. Auch mit dem morgigen Tag, Maria Himmelfahrt, dem 15. August, hat es wohl irgendetwas auf sich“, bohrte Magdalena nach.

„Also an Maria Himmelfahrt ist in Bayern und Österreich ein hoher kirchlicher Feiertag, deswegen kommt ja auch der emeritierte Papst zu uns, ein großer Anhänger der Gottesmutter Maria. Das Fest besteht soweit ich weiß seit dem 7. Jahrhundert und an dem Tag ist auch die Kräuterweihe“, erzählte der Concierge, der Jacobs Unbehagen sah, „dann gibt es da noch eine Sage, nach der sich jedes Jahr an diesem Tag an einer geheimen Stelle ein Zeitloch öffnen soll. Es soll in eine Spiegelwelt führen, in der Kaiser Karl der Große über ein Volk aus Bauern, Rittern, Zwergen und Adeligen herrschen soll. Aber das ist nur eine Sage, ein Märchen. Bisher hat noch niemand dieses Zeitloch gefunden.“

„Diesen Blödsinn hab ich in meinem Reiseführer auch gelesen. Da stand aber auch, dass der Dalai Lama diesen Berg als Herz-Chakra Europas bezeichnet und in eine Reihe mit Stonehenge, dem Bermudas Dreieck und auch dem Himalaja in Nepal stellt. Der Dalai Lama sagt diese Kraftorte seien alle miteinander verbunden. So und ich denke nicht, dass der Dalai Lama Quatsch erzählt“, wollte Magdalena aufgeregt wissen.

„Mag ja alles sein. Aber es gibt keinerlei Beweise für irgendetwas. Das kann ich ihnen versichern. Sie werden Ihre Wanderung genießen und Geister werden sie bestimmt nicht zu Gesicht bekommen. Wann soll es denn losgehen?“ grinste der Concierge.

„Sepp wird morgen um 8 Uhr hier sein und jetzt sollten wir unsere Ausrüstung checken und falls notwendig ergänzen“, mischte sich jetzt Jacob ein.

„Na gut. Ich wette, Sepp wird uns noch die eine oder andere Geschichte erzählen können“, lachte Magdalena, drehte sich um und ging auf den Fahrstuhl zu. Jacob nickte dem Concierge kurz zu und folgte seiner Frau. Im Hotel wimmelte es in der Zwischenzeit vor Sicherheitsleuten und Polizei, die alle zum Schutze des Papstes da waren.

Im Fahrstuhl fragte Jacob: „Was war denn das eben? Musste das sein?“

„Was denn?“ grinste Magdalena verschmitzt.

„Du bist den jungen Mann ja ganz schön angegangen. Der weiß so gut wie du und ich, dass diese Geschichten Quatsch sind. Und ich mag davon auch nichts mehr hören, gut?“ erklärte Jacob fordernd.

„Ich weiß ja, dass das alles nur Märchen oder Sagen sind. Aber es macht mir Spaß den Aberglauben der Menschen heraus zu kitzeln. Deswegen werde ich morgen Sepp auch fragen, was er weiß“, lachte Magdalena fröhlich.

„Aber treib es nicht zu bunt“, erwiderte Jacob resignierend.

In ihrem Zimmer überprüften sie ihre Ausrüstung und packten alles zusammen in ihre großen Rucksäcke.

„Spatzl, was meinst du, sollten wir uns nicht doch sicherheitshalber ein Zelt kaufen? Wer weiß wo der Sepp uns hin führt“, fragte Jacob nachdenklich.

„Ja, vielleicht finde ich auch einen besseren Schlafsack, meiner ist an einigen Stellen gerissen“, überlegte Magdalena.

„Gut, komm wir gehen in das Sportgeschäft um die Ecke und kaufen die Sachen. Vielleicht gibt es auch noch das eine oder andere, das sinnvoll für uns ist. Ein vernünftiger Kompass und Höhenmesser, wäre auch nicht schlecht“, antwortete Jacob und machte sich sofort fertig.

Wenig später, sie hatten sich durch die Sicherheitskontrollen im Hotel und in der Stadt wegen des Papstbesuchs durchgekämpft, waren beide in dem Sportgeschäft angelangt. Jacob winkte einen Verkäufer herbei und erklärte ihm was sie alles suchten. Der Verkäufer zeigte Magdalena und Jacob ein Zelt, das einfach aufzustellen und sehr leicht war. Magdalena fand einen neuen Schlafsack. Der Verkäufer zeigte dem Ehepaar auch sinnvolle neue Features für ihre Wanderung. Jacob nahm den gewünschten elektronischen Kompass mit Höhenmesser und ließ sich davon überzeugen auch noch zusätzlich zwei GPS-Sender für eine schnelle Ortung durch die Bergwacht im Notfall zu kaufen.

In der Zwischenzeit hatte sich die Anzahl der Sicherheitsleute und der Polizei vor und um das Hotel verdoppelt. Sie mussten mehrfach ihre Ausweise vorzeigen und es wurde auch der Inhalt ihrer Taschen kontrolliert. Endlich zurück in ihrem Hotelzimmer verstauten sie alles in ihren Rucksäcken. Die GPS-Sender packte Jacob in die Wanderhosen.

„So ich denk, wir sollten uns jetzt noch ausruhen oder wenn du magst zum Hotelpool gehen. Was meinst du?“ schlug Jacob vor.

„Gute Idee, wenn wir dahin kommen. Die Sicherheitsleute sind ja überall. Baden und auch mal kurz in die Sauna und das Dampfbad, dann sind wir morgen so fit wie ein ausgelatschter Turnschuh“, lachte Magdalena laut. „Nachdem das Mittagessen ausgefallen ist, würde ich vorschlagen hier im Hotel eine Kleinigkeit zu essen.“

Jacob nickte lächelnd. Eine halbe Stunde später lagen beide relaxt auf ihren Liegen am Pool. Sie ließen es sich richtig gut gehen, hatten jeweils einen alkoholfreien Fruchtcocktail vor sich stehen und waren total entspannt.

Als Jacob vom Dachgeschoss runter vor das Hotel schaute, konnte er sehen, dass vor und im Hotel in der Zwischenzeit der Teufel los war. Neben den Sicherheitsleuten und der Polizei waren jede Menge Journalisten und jetzt auch sehr viele Menschen, gelb-weiße Fähnchen schwenkend, auf der Straße und dem Hotelvorplatz. Wenig später fuhr eine große schwere Limousine, begleitet von Polizei auf Motorrädern und dem Jubel der Menschen vor dem Hotel vor.

Unter wildem Blitzlichtgewitter, stieg der emeritierte Papst Benedikt XVI. aus der Limousine und winkte den Menschen zu. Eine Blaskapelle spielte und plötzlich war der Papst aus Jacobs Sichtfeld verschwunden. Das Blitzlichtgewitter und der Jubel der Menschen hielten jedoch an.

„Schatz, der Papst ist angekommen“, lächelte Jacob.

Magdalena nickte nur beiläufig und las in ihrem Buch weiter.

Gegen 19 Uhr gingen beide, Arm in Arm, aufs Zimmer, um sich für das Abendessen fertig zu machen. Im Hotel waren die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal verschärft worden und sie hatten Probleme bis zu ihrer Suite zu gelangen. Als sie endlich ankamen, stellten sie fest, dass der Papst wohl auf dem gleichen Stockwerk einquartiert war und die Sicherheitsleute extrem argwöhnisch zu ihnen blickten.

„Diese Sicherheitsvorkehrungen sind heftig, aber egal, nicht unser Problem. Auf geht es, anziehen und zum Essen gehen. Heute gibt es aber keinen Alkohol“, mahnte Magdalena und Jacob nickte zustimmend.

Um 20 Uhr saßen sie an ihrem Tisch in Hotelrestaurant und aßen. Im Restaurant waren nur sehr wenige Besucher, wohl weil sich viele Hotelgäste von den Sicherheitsmaßnahmen hatten abschrecken lassen. Umso schneller hatten beide ihr Essen vor sich stehen und aßen mit großem Appetit.

Sie bemerkten auch jetzt nicht, dass sich die alte Frau, die sie bereits am Tag ihrer Ankunft beim Essen trafen, auf sie zu bewegte. Erst als sie wieder direkt neben Magdalena stand. Jacob und Magdalena zuckten vor Schreck zusammen.

„Hütet euch vor dem Berg. Geht nicht auf den Berg. Ihr seid in großer Gefahr“, sagte die Frau eindringlich.

„Wie kommen sie hierher, wer sind sie und was wollen sie von uns?“ fragte Jacob erschrocken.

„Ich bin die Moserin von der Vierkaser-Alm. Ich will euch nur warnen. Seid vorsichtig. Wenn ihr auf den Berg geht wird nichts mehr so sein wie es bisher war“, sagte die Frau lächelnd und bewegte sich vom Tisch weg. Jacob sah sich sofort um, sah aber die alte Frau nicht mehr. Sie hatte sich wie in Luft aufgelöst.

„Hab ich das gerade geträumt?“ wollte Jacob wissen.

„Wenn du geträumt hast, hab ich das gleiche geträumt. Nein, das war real. Sie warnt uns vor dem Berg“, entgegnete Magdalena nachdenklich.

„Ist das nicht die gleiche alte Frau, die uns schon einmal über den Weg gelaufen ist?“ fragte Jacob.

Magdalena nickte nur nachdenklich.

„Also habe ich nicht geträumt. Die war schon mal an unserem Tisch, an unserem Ankunftstag. Das ist bestimmt eine arme alte einsame Frau, die uns erschrecken will“, erwiderte Jacob, „sie sagte doch, sie ist die Moserin von der Vierkaser-Alm. Wie die wohl an den Sicherheitsleuten vorbei gekommen ist?“

„Ja, so etwas hab ich auch verstanden“, sagte Magdalena kleinlaut.

„Ach, egal. Wir lassen uns den Abend und die Wanderung nicht verderben“, lenkte Jacob ab.

Magdalena nickte nachdenklich und als sie eine Stunde später auf ihr Zimmer gingen, fragte Magdalena den Concierge, der gerade geschäftig an ihnen vorbei stürmen wollte:

„Kennen sie die Vierkaser-Alm?“

Der junge Mann nickte und erklärte: „Klar. Das ist eine uralte Alm in der Nähe von Großgmain auf etwa 1600 m Höhe gelegen. Die ist aber schon seit weit über 100 Jahren nicht mehr bewirtschaftet und total verfallen.“

„Danke, sie wissen nicht wer da zu letzt wohnte?“ fragte Magdalena beiläufig.

Der Concierge schüttelte irritiert nur mit dem Kopf. Magdalena bedankte sich und folgte ihrem Ehemann zum Fahrstuhl, der sie zu ihrem Zimmer brachte. Jacob hatte keine Lust seine Frau zu fragen, was sie von dem Concierge wollte.

Am nächsten Morgen waren Jacob und Magdalena Countz frühzeitig beim Frühstück und pünktlich um 8 Uhr in der Hotelhalle abmarschbereit. Die Hotelküche hatte ihnen Lunchpakete und Getränke bereitgestellt, die schnell in den Rucksäcken verstaut waren. Sie warteten auf Sepp Haberer, ihren Wanderführer, der auch kurze Zeit später eintraf. Nach einer kurzen Begrüßung, zog Sepp Haderer eine Wanderkarte aus seinem Rucksack und winkte auch den Concierge zu sich.

„Guat. Mir wern folgende Route gehen. Dös Hotel muaß a unsern Weg kennen. Also. Mir gengen noch Bischofswiesen, übern Gschirrkopf noch Untergern und dann Obergern. In Obergern is euer Schlafplatz scho gricht. In oam Schober, bisserl außerhalb. Anderntags gehts weiter Braune Wand, Lerchenecker Wand. Ob mir bis Hallein noamol in Bad Dürrnberg übernachten miassen, wern mer sehn. Guat?“ erklärte Sepp auf seiner Karte und zeigte mit dem Finger auf die einzelnen Punkte.

„Du host alls aufgschriebn?“ fragte Sepp den Concierge der nur kurz nickte.

„Und ihr hoabts alles was brauchts? Verpflegung, was zu Trinken? Guat gemma“, bestimmte Sepp Haderer, faltete seine Karte zusammen, verstaute sie wieder in seinem Rucksack und marschierte los.

„Oh Sepp, ich vergaß. Eine chinesische Wandergruppe wird sich später auch noch auf den Weg zum Untersberg machen. Nur dass du Bescheid weißt“, rief der Concierge Sepp Haderer nach, der nur kurz nickte, als Zeichen dass er verstanden hatte.

Jacob erklärte dem Concierge noch kurz, dass er und seine Frau Notfall-GPS-Sender mit dabei hatten und flitzte auch sofort seiner Frau und dem Wanderführer hinterher.

Jacob und Magdalena beeilten sich ihrem Wanderführer schnellstens zu folgen.

„Jo, mir gengen erst aus der Stadt aussa. No kämer mir redn. Wissts, ich mog die Stadt net“, brummte Sepp Haderer vor sich hin und ging flotten Schrittes weiter. Erst als er die letzten Häuser der Stadt hinter sich gelassen hatte blieb er stehen und wartete auf Jacob und Magdalena, die knapp 50 Meter hinter ihm gegangen waren.

„So, mir san jetzt beim Salzbergwerk und gehn jetzt am Gerner Bach entlang bis nach Hohenaschau. I dat sagn, dass mir jetzt a normales Tempo gengen, wenn’s recht is“, grinste Sepp Haderer.

„Klar, das bisherige Tempo würden wir nicht lange durchhalten. Ich hab schon gedacht, du bist auf der Flucht“, lachte Jacob fröhlich.

„Na net auf der Flucht, aber i mog die Stadt net, deswegn bin i so schnell gangen“, lachte jetzt auch Sepp und zeigte dabei sein sehr lückenhaftes Gebiss.

Sie gingen nun zu dritt nebeneinander weiter und Sepp erklärte dem Ehepaar aus dem Elsass ein wenig die Landschaft.

Plötzlich fragte Magdalena: „Sepp. Also jetzt erzähl uns mal, was es mit diesem Untersberg auf sich hat. Ich hab da so einiges in meinem Reiseführer gelesen und der Concierge vom Hotel konnte mir auch nicht mehr sagen. Aber durch deine Reaktion bin ich jetzt doch etwas neugierig geworden.“

„Ihr habts doch gsagt, dass eich dös net interessiert und ihr net an solche Sachen glaubts“, entgegnete Sepp Haderer.

„Stimmt, hat es auch nicht. Und an Übersinnliches zu glauben ist nicht unser Ding. Aber deine Reaktion hat mich doch neugierig gemacht. Außerdem hatten wir Besuch, als wir beim Essen waren, der zumindest sehr merkwürdig war“, antwortete Magdalena.

„Wos für oan Bsuch?“ wollte Sepp wissen.

„Da war eine sehr alte Frau mit einem knorrigen Stock. Vielleicht kennst du sie. Sie sagte, sie sei die Moserin von der Vierkaser-Alm. Wie die an den Sicherheitsleuten vorbei gekommen ist, ist mir ein Rätsel“ entgegnete Jacob.

„Wer?“ rief Sepp erschrocken und blieb abrupt stehen.

„Die Moserin von der Vierkaser-Alm, was ich aber nicht glaube. Diese Alm ist doch schon sehr lange unbewohnt“, wiederholte Jacob und schaute in Sepps erschrockenes Gesicht.

„Was hot sia gsagt?“ wollte Sepp wissen.

„Sie sagte nur so wirres Zeug wie - Hütet euch vor dem Berg. Geht nicht auf den Berg. Er bringt euch nichts Gutes“, sagte Magdalena und schaute neugierig zu Sepp, „keine Ahnung was das sollte. Kennst du die Frau?“

„Wann war das?“ bohrte Sepp erschrocken nach.

„Gestern Abend“, antwortete Jacob, „ich glaub die hat wohl mitbekommen, dass wir eine Wanderung machen werden und wollte uns nur Angst machen oder einschüchtern.“

„Die Vierkaser-Alm ist total verfallen. Dort lebt seit 150 Jahren koaner mehr. Die Moserin, war die letzte Sennerin auf der Alm und soll vor 150 Jahren spurlos verschwunden sein“, entgegnete Sepp tonlos.

„Siehst du Magdalena, eine Hochstaplerin. Alles nur Quatsch“, lachte Jacob seine Frau an. Magdalena schaute ihrerseits auf die vor Schrecken geweiteten Augen von Sepp.

„Schatz, ich glaub so einfach ist es wohl doch nicht. Schau dir mal Sepp an. Der ist kreidebleich im Gesicht“, sagte Magdalena nachdenklich.

Erst jetzt bemerkte auch Jacob die Veränderung ihres Wanderführers.

„Am liabsten dat i sofort zruck gehen“, brummte Sepp nach einer kurzen Weile.

„Kommt gar nicht in Frage“, erklärte Jacob bestimmt.

Sepp schaute mit leeren Augen zu Magdalena und Jacob.

„Kommts, setz ma uns auf die Bank da vorne. Dann erzähl ich eich amol was“, sagte Sepp, ging sofort los zu der nächsten Sitzbank am Wegesrand und setzte sich hin.

Dann griff er in seinen Rucksack und holte Pfeife und Tabakbeutel hervor. Nun begann er nachdenklich seine Pfeife zu stopfen und anschließend anzuzünden.

„Also, Magdalena, sie wissen jo eh scho, dass der Unterschberg a ganz besonderer Berg sei soll. Da gibt es Gschichten über Zeitlöcher und Spiegelwelten in den vielen großen Höhlen des Bergs. Aber es sind alles nur Gschichten. Nix gwiss woaß ma net. Aber oans woas ma gwiss, do am Untersberg herrschen bsondere Naturkräfte und die Zeit tickt anders“, begann Sepp Haderer seine Erzählung. Dabei sprach er plötzlich hochdeutsch.

„Der Untersberg hier in den Berchtesgadener Alpen“, erklärte Sepp Haderer leise, „verschluckt angeblich Menschen, manche sollen viele Jahre später aber wieder auftauchen. Es wird erzählt, dass in der Gegend besondere Naturkräfte herrschen sollen. Ein verschollener Jäger soll angeblich ein Jahr nach seinem Verschwinden zu seinem eigenen Seelenamt, also 1 Jahr nach der Beerdigung, aufgetaucht sein. Es gibt sehr, sehr viele ähnliche Geschichten, aber man weiß nicht was wirklich dran ist an denen. Das lockt natürlich viele Spinner hierher; besonders an Tagen wie heute. Heute ist ja der 15. August, Maria Himmelfahrt. Nach einer Sage soll sich jedes Jahr pünktlich zum 15. August an einer geheimen Stelle des Berges ein Zeitloch öffnen, das in eine Spiegelwelt führt, in der Kaiser Karl der Große über ein Volk aus Adeligen, Rittern, Bauern und Zwergen herrschen soll. Es gibt so viele Geschichten, Märchen und Sagen über den Berg hier. Wenn ich die alle erzählen wollte, säßen wir noch in ein Paar Tagen hier. Aber ich frage mich, was die alte Moserin, wenn sie es wirklich gewesen sein sollte, von euch hat wollen. Ihr kommt ja nicht aus der Gegend und habt auch keinen direkten Bezug nach Berchtesgaden, oder?“

„Nein Sepp. Wir kommen nicht aus der Gegend. Jacob und ich kommen aus dem Elsass, wo auch unsere Vorfahren schon gelebt haben. Allerdings könnte eine kleine, vielleicht auch indirekte, Verbindung zu Kaiser Karl dem Großen bestehen. Du musst wissen, Jacob und ich haben Ahnenforschung betrieben. Die Stammbäume unserer beiden Familien, alle aus dem elsässischen Wasgau, lassen sich bis ins 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Die erste nachweisbare Erwähnung unserer Vorfahren erfolgte, als unsere beiden Urahnen von Kaiser Karl dem Großen zu Rittern geschlagen und adelig wurden. Und von dieser alten Frau, der Moserin, glaube ich, hab ich vor ein paar Tagen geträumt oder wie auch immer. Da sagte sie etwas in der Art, der Kaiser wird uns holen und dass nichts mehr so sein würde wie es bisher war. Außerdem soll es kein Zufall sein, dass wir jetzt hier sind und wir den Berg meiden sollen. Und von einer Vorbestimmung hat sie was gesagt. Was auch immer das bedeuten soll“, erzählte Magdalena nachdenklich und schaute dabei zu Jacob, der sichtlich schockiert war.

„Schatz? Warum sagst du mir das nicht?“ fragte Jacob nervös, „aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich den gleichen Traum. Außerdem ist diese Alte uns schon einmal an unserem Ankunftstag in dem Weinlokal begegnet. Sie sagte immer wir sollen nicht auf den Berg gehen.“

„Ich glaube es wäre besser sofort die Tour abzubrechen oder eine ganz andere Richtung zu nehmen“, schlug Sepp Haderer plötzlich, nach einigen Minuten des Nachdenkens, vor, „ich denk, dass es sehr gefährlich für euch beide werden könnte.“

„Hallo? Das sind doch nur Märchen. Wir leben doch im 21. Jahrhundert und wissen, dass es so was nicht gibt. Ich möchte gerne die Tour weiter wie geplant machen“, schimpfte Jacob.

„Ich bin Jacobs Meinung. Das sind doch alles nur Märchen und Zufälle“, erklärte Magdalena etwas unsicher.

„Hört zu, das hab ich selbst erlebt“, begann Sepp Haderer, „vor ein paar Jahren war ich in der Nähe von Obergern in einer Kirche zur Christmette. Ihr müsst wissen, am Untersberg kennt jeder jeden und es gibt weit über 10 Kirchen. Bei dieser Christmette habe ich aber keinen einzigen Gottesdienstbesucher erkannt. Sie sahen auch allesamt so aus, als ob sie aus einer anderen Welt stammten. Sogar der Pfarrer war mir gänzlich unbekannt. Und so etwas ist nicht nur mir passiert. Auch anderen Bekannten ist ähnliches passiert. Man sagt, das Volk der Untersbergler taucht manchmal im Hier und Jetzt auf und verschwindet aber auch wieder spurlos. Selbst am Tag nach der Christmette bei der ich war, gab es keinerlei Hinweise darauf, dass diese Christmette stattgefunden hat. Also Märchen hin oder her. Auf dem Untersberg ist es anders als normal.“

„Sepp, wir glauben nicht an so einen paranormalen Quatsch. Wir möchten gerne unsere Wanderung so machen, wie du sie geplant hast“, erklärte jetzt Jacob sehr bestimmt.

„Ja Sepp, wir möchten gerne wie geplant die Wandertour durchführen“, erwiderte nun auch Magdalena bestimmt.

„Aber heute ist doch der 15. August“, flüsterte Sepp nachdenklich, „wenn ihr unbedingt wollt, gehen wir weiter. Ich hab euch nur meine Bedenken gesagt, weil das jetzt nicht mehr ungefährlich ist in den Berg zu gehen. Ich bin überzeugt, nachdem was ihr erzählt habt, dass euch etwas passieren könnte.“

„Gut. Unterwegs kannst du uns ja noch so Geschichten erzählen“, lachte Magdalena, stand auf und legte ihren Rucksack an. Auch Jacob und Sepp schulterten ihre Rucksäcke und marschierten los.

Sie wanderten an einem schönen türkisfarbenen Bergbach entlang, der seine feuchte, erfrischende Kühle bis zu der kleinen Wandergruppe ausstrahlte.

„Wunderschön ist es hier“, unterbrach Magdalena die nachdenkliche Stille.

„Jo, dös Wasser kannst trinkn, so sauber ist dös“, grinste Sepp Haderer.

„Das probier ich sofort“, freute sich Magdalena und ging sofort zu dem Bach. Mit einer Hand tauchte sie in das Wasser, „herrlich frisch, eiskalt und klar.“

Nun tauchte sie beide Hände in das kalte Wasser und wusch sich ihr verschwitztes Gesicht ab.

„Schatz komm, das Wasser ist total erfrischend“, rief Magdalena fröhlich.

Jacob legte seinen Rucksack ab und ging zu seiner lachenden Frau. Übermütig begann Magdalena nun ihren Mann mit dem frischen Wasser nass zu spritzen. Jacob versuchte sich weg zu ducken, bekam aber so die volle Ladung seiner Frau ab. Jetzt bespritzten beide sich ausgelassen mit dem Wasser des Bergbaches und hatten dabei sehr viel Spaß. Sepp schaute den beiden grinsend zu.

„Mia miassen weiter gehen“, rief Sepp nach einer Weile. Jacob und Magdalena küssten sich und gingen kichernd wieder zurück auf den Wanderweg.

„Schauts mal“, erklärte Sepp dem Ehepaar, „da vorne, der Gipfel, das ist der Gschirrkopf vom Untersberg. Über den miess ma heit no drüber. Im Tal danach ist dann eier Lager.“

„Sepp, schaffen wir das heute noch?“ fragte Jacob erstaunt.

„Jo, kannt sei, dass es scho leicht dunkel wird, bis mia dort san. Aber dös schaffn mia guat, wann ma uns jetzt dran halten“, antwortete Sepp Haderer der Wanderführer.

Mit strammem Schritt ging Sepp voraus und Jacob und Magdalena folgten ihm.

Sie durchquerten Felder und Wälder, bis sie zu einem sehr steilen Anstieg kamen.

„Guat, woll ma no a kloane Jausn machen, bevor mir in den Berg gehen?“ fragte Sepp.

„Ja das ist eine gute Idee, aber all zu viel Zeit sollten wir uns nicht lassen“, antwortete Magdalena.

Sie suchten sich eine geeignete Stelle um ihre Rast zu machen.

„Sag mal Sepp, du kennst doch bestimmt noch mehr von den Schauergeschichten um den Untersberg?“ fragte Magdalena grinsend, als sich alle hingesetzt hatten.

„Sicher“, brummte Sepp Haderer missmutig.

„Komm, erzähl doch mal“, bohrte Magdalena nach.

„Schatz, lass das doch bitte. Das bringt doch alles nix“, schimpfte Jacob.

Sepp schaute skeptisch zu Magdalena.

„Du bist neigierig? Guat. Es giabt do wirkli gruslige Gschichtn, a Mär wie ols andre a. Es geht um a ganze Hochzeitsgsellschaft, die verschwundn sei soll. Aufm Weg zuam Fescht miasaten die Brautleit und die Gäscht üwern Unterschberg. In der Gegend wo dia her warn, hot ma sich verzählt, dass Geister Wanderer reich bschenken. Dr Bräutigam ruaft noch die Geischter und wirkli, dr Berg geht auf und a kloaner, grau anzogener Mann hat die ganze Gschellschaft in den Berg einglodn. Durt war a gedeckte Tafel und die solln guat gfeiert habn und san nocher a eigschlofn. Tags drauf is der Berggeischt mit die Gäscht ausm Berg ausa gangen. Dia Leit ham ower dia Gegend nimmer kannt und a die Menschn warn fremd. Sie san ins nächschte Dorf gangen und ham den Pfarrer um Hilf gebeten. Der hot gholfn und es kam raus, dass fünfhundert Johr vorher a Brautpaar mit all seine Gäscht spurlos verschwundn is“, erzählte Sepp nachdenklich.

„Das ist ein Märchen“, lachte Magdalena laut, „wie soll denn so was gehen.“

„I hab euch doch gsagt, hier am Berg ist nix normal. Kannt sei oder a net“, erwiderte Sepp.

„So jetzt ist es aber genug mit diesen Schauergeschichten. Ich will davon nichts mehr hören und du Magdalena hör auf damit Sepp zu nerven“, entgegnete Jacob ärgerlich, „ich denk wir sollten auch wieder weiter gehen.“

„Schatz ist ja gut. Ich hör auf nachzubohren“, grinste Magdalena und begann ihren Rucksack auf den Rücken zu wuchten.

„I dat moana, mia solltn uns jetzt durch a Seil sichern. Unser Weg geht erscht steil, dann über oan olden Pfad an der Bergkante entlang. Dös isch sehr gfährlich und ma derf net stolpern oder so“, sagte Sepp und holte aus seinem Rucksack Sicherungsgurte und ein Sicherungsseil heraus. Sepp, Jacob und Magdalena legten die Sicherungsgurte an, Sepp verband die Wandergruppe mit dem Sicherungsseil und ging voran. Erst Sepp, dann Magdalena und am Ende Jacob.

Nach wenigen Minuten erreichten sie einen sehr schmalen, steil ansteigenden Pfad. Der Weg war wie in den Fels gehauen. Auf der einen Seite des knapp 1 Meter breiten Pfades befand sich die massive feuchte Felswand, während es auf der anderen Seite steil in die Tiefe ging.

„Wow, dieser Weg ist ja klasse“, schwärmte Magdalena lachend.

„Seids bittschön vorsichtig. Dös überlebt koaner, der do runter fallen tuat“, mahnte Sepp.

Vorsichtig gingen sie den steilen Weg weiter, als plötzlich Magdalena leicht stolperte und mit einem Bein schon Richtung Abgrund rutschte. Sepp und Jacob spannten sofort das Sicherungsseil an, so dass Magdalena nicht in die Tiefe fallen konnte.

„Magdalena, Sie missen scho aufbassen, sonst kommen mia nimma heil an“, schimpfte Sepp.

„Ja Schatz. Sepp hat Recht. Alles in Ordnung bei dir?“ erkundigte sich Jacob.

„Alles gut, bin nur leicht ausgerutscht. Wir können auch wieder weiter gehen“, entschuldigte sich Magdalena und schaute dabei in die Tiefe.

„Mia kennen do net rasten und miassen weiter. In die Nacht kommen mia sowieso. Gemma“, brummte Sepp und stieg weiter den schmalen Pfad, Jacob und Magdalena im Schlepptau, Richtung Gipfel. Sie gingen eine Stunde lang vorsichtig und mit höchster Konzentration den schmalen Pfad entlang.

„So jetzt wird’s glei no a bisserl gfährlicher. Mia missen über oane Klamm. Do giabts nur a schmale olde Hängebruck, die ziemlich wacklich is. I geh voran. Wann i drübn bin, kommen sie Magdalena langsam noch, nocher sie Jacob. Ihr derfsts net nach unten schauen. Haltets euch am Führungsseil und dem Seilgländer fest. Verstanden?“ erklärte Sepp Haderer eindringlich.

Jacob und Magdalena nickten zustimmend mit dem Kopf.

„Wann i rüber geh, miasts ihr mi mit dem Seil sichern. Drüben mach ich dann dös Seil fest und sicher euch so ab. Also koa Angst hamn, einfach losgehen und zu mir drüben schaun. Klar?“ sagte Sepp Haderer ernst, „seid ihr schon amol über so oane Hängebrück gangen?“

„Nein. Aber ist das denn wirklich so gefährlich? Ist das nicht eher nur wackelig?“ lächelte Jacob.

„Na, es isch gfährlich und wacklig. Oan falscher Schritt und es geht 100 Meter in die Tiefe“, erwiderte Sepp ernst.

Jacob nickte lächelnd, während Magdalena die Augen ängstlich geweitet hatte.

„Na dann los, bringen wir die Schlucht hinter uns“, sagte Jacob und gab Sepp das Zeichen weiter zu gehen.

Wenige Minuten später erreichten sie die Hängebrücke.

„Ich mach das Sicherungsseil klar“, sagte Sepp und begann sofort aus seinem Rucksack ein sehr langes Seil zu holen und auszulegen.

Jacob und Magdalena gingen vorsichtig zum Beginn der Brücke und schauten in die Tiefe. Dort sahen sie einige spitz nach oben ragende Felsvorsprünge und ganz unten im Tal einen türkisgrün schimmernden Bergbach.

Jacob fasste das Seilgeländer der Hängebrücke an und begann leicht zu rütteln; die ganze knapp 80 Meter lange Brücke schwankte bedenklich. Als Magdalena die schwankende Brücke sah, zog sie die Augenbrauen nach oben.

„Schatz, das sieht sehr gefährlich aus. Was denkst du?“ fragte sie.

„Sehe ich genauso. Aber Sepp hat gut vorgesorgt. Wenn du rüber gehst, schaust du auf Sepp oder nach oben, auf gar keinen Fall nach unten. Wir, Sepp und ich haben dich gut gesichert am Seil“, antwortete Jacob aufbauend.

„Na gut. Ich wollte ja solche Wege machen. Also muss ich jetzt hier auch durch“, erwiderte Magdalena und lächelte leicht gequält.

„Guat, i bin soweit“, rief Sepp dem Ehepaar zu, „kommts her, damit i eich anseilen kann.“

Magdalena und Jacob gingen zu Sepp, der sofort das Seil an Magdalena und Jacob befestigte und die Knoten auf ihre Sicherheit überprüfte.

„Also, i geh jetzt rüber. Wenn ich drüben bin, mach ich unser Führungsseil an oam Anker am Felsen fest. Wenn dös Seil sitzt, gebe ich ihnen Magdalena a Zeichen zum losgehen. Wenn ihre Frau drüben ist, warten sie auf mein Zeichen und gehen dann erscht los“, befahl Sepp sehr eindringlich.

Jacob und Magdalena nickten zustimmend.

„Koa Angst, kann nix passieren. Ihr seids guat abgesichert am Seil“, erklärte Sepp und ging los.

Bevor er die Brücke betrat, schaute er an das andere Ende der Brücke, atmete kräftig ein und aus und marschierte los. In gleichmäßigen, vorsichtigen Schritten überquerte er die wackelige Brücke. Zwischendurch blieb er kurz stehen um die Schwingungen der Brücke auszugleichen. Endlich war er auf der anderen Seite angekommen. Sofort befestigte er das Sicherungsseil an einem, an der Felswand eingeschlagenen Anker und gab anschließend Magdalena das verabredete Zeichen. Magdalena ging los. Auch sie hielt kurz vor der Brücke inne, schloss ihre Augen kurz, konzentrierte sich dann auf Sepp, auf der anderen Seite, und ging gleichmäßigen Schrittes weiter. Ohne stehen zu bleiben erreichte Magdalena die andere Seite und wurde von Sepp in Empfang genommen. Als die schwankende Brücke sich ausgependelt hatte, gab Sepp auch Jacob das vereinbarte Zeichen.

Jacob ging zur Brückenschwelle, schloss ebenfalls kurz die Augen, atmete kräftig durch, konzentrierte sich auf Sepp auf der gegenüberliegenden Brückenseite und marschierte mit festem Schritt los. Er war so sehr auf seinen Schritt und Sepp konzentriert, dass er nicht hörte wie Sepp ihm zurief, dass er langsamer gehen und auch nicht so hart auftreten solle. Plötzlich begann die Brücke heftig zu schwingen. Jacob blieb stehen und zwang sich dabei nicht in die Tiefe zu schauen. Er stellte seine Beine breit auseinander und beruhigte die Schwingungen, sodass er wenig später wieder weiter gehen konnte. Endlich hatte auch er die andere Seite erreicht und fiel seiner besorgten Frau in die Arme.

„Wow, das war heftig“, sagte Jacob erleichtert.

„Ich hatte ganz schön Angst um dich mein Schatz. Warum hast du nicht auf Sepp gehört, der hatte dir doch zugerufen, dass du nicht so hart auftreten sollst?“ schimpfte Magdalena trotz ihrer Erleichterung.

„Ist ja alles gut gegangen“, lachte Sepp und machte sein Führungsseil los um anschließend sofort wieder das kurze Sicherungsseil zu befestigen.

„So mir miassen jetzt noch kurz oane in den Fels gehauene Treppn hoch gehen, dann kommen wir wieder auf sicheres einfaches Gelände. Dort ist auch eine alte, verlassene Alm“, grinste Sepp und ging los.

Sie stiegen in die enge Schlucht ein und kletterten die ausgewaschenen, glitschigen Stufen vorsichtig nach oben. Knapp 100 Meter später erreichten sie den Ausgang der Schlucht.

„So, mia san jetzt obn aufm Gschirrkopf. Schauts mal dort drüben, dös olde verfallene Haus, dös ist die Vierkaser-Alm, der Berg dahinter ist der Vierkaser. Mia gehn jetzt auf direktem Weg nach Obergern runter, heuer gibt es einen normalen ausgebauten Weg. Früher war das ein Pfad durch den Wald“, lachte Sepp und marschierte los.

„Sepp, langsam bitte. Wenn das die Vierkaseralm ist, kommt doch die Moserin von hier, von der wir dir erzählt haben“, rief Magdalena dem Wanderführer Sepp hinterher.

„Ja. Die is von hier oben“, erklärte Sepp knapp und ging weiter.

„Moment Sepp. Ich möchte gerne eine Erklärung“, schimpfte jetzt Magdalena.

„Na gut. Die Moserin soll vor über hundert, hundertfünfzig Jahren in die Leutaschklamm gfalln sein, da wo mir grad drüber gangen san. Gfunden hot ma sia awer net. Die Klamm hoaßt seither Geisterklamm und der Weg den mir rauf gegangen san, is der Koboldpfad. Des hab ich aber schon vorher rausgesucht ghabt, bevor mir losgangen san. Kommts mia miassen uns jetzt beeilen“, erklärte Sepp etwas kleinlaut.

Jacob und Magdalena schauten sich an und gingen dann dem vorauseilenden Wanderführer hinterher. In ihren Köpfen schwirrten die wirrsten Gedanken herum.

„Schatz, denkst du das ist alles Zufall?“ fragte Magdalena verunsichert.

„Natürlich ist das alles Quatsch, Zufall oder wie du es sonst bezeichnen willst“, lachte Jacob seine Frau an.

„Also ich bin mir dabei nicht mehr so ganz sicher“, überlegte Magdalena.

„Also Schatz bitte, was soll das. Das sind doch alles nur Märchen“, grinste Jacob.

„Ja aber die Frau im Lokal und in unserem Traum?“ wandte Magdalena ein.

„Eine Wichtigtuerin oder wahrscheinlich eher unsere überreizte Phantasie, mehr nicht“, erwiderte Jacob jetzt bestimmt, „und jetzt komm, sonst holen wir Sepp nicht mehr ein.“

Magdalena nickte und ging sofort schneller hinter Sepp her. Auch Jacob verschärfte sein Tempo, so konnten sie wenig später zu Sepp aufschließen.

„Wie weit ist es noch bis nach Obergern, Sepp?“ erkundigte sich Jacob.

„Das sind ungefähr noch 3 bis 4 Kilometer leicht bergab, also no circa oa Stund. Es wird bstimmt scho dunkel sei, bis mir ankommen“, antwortete Sepp.

Sie gingen wortlos weiter, jeder hing seinen Gedanken nach.

Plötzlich aus heiterem Himmel fragte Magdalena: „Mal ehrlich Sepp, was denkst du über die Geschichten und vor allem über das was wir dir von uns erzählt haben?“

Sepp zuckt kurz zusammen.

„Ich will do nix mehr drüber redn. Heut morgen hab ich scho zviel gsagt“, brummte Sepp.

„Schatz, lass das doch. Wir beide wissen doch, dass das alles nur Märchen sind. Bewiesen ist gar nix davon“, fuhr Jacob seine Frau an.

„Aber komisch ist das alles doch. Das musst du schon zugeben“, wehrte sich Magdalena.

„Es gibt eben Zufälle auf der einen Seite und Wichtigtuer auf der anderen. Jetzt lass es einfach. Bitte“, erklärte Jacob seiner Frau leicht angesäuert.

„Ob das alles Zufall ist? Ich weiß nicht“, brummte Sepp geistesabwesend, „dass wir ausgerechnet über den Koboldpfad, die Geisterklamm und die Vierkaser Alm gegangen sind, könnt schon ein Zufall sein. Aber dass euch grad die alte Moserin erschienen ist und gewarnt hat, das is scho sehr seltsam. Dann der Termin für die Tour, ausgerechnet heut am 15. August, wo jeds Johr an oaner geheimen Stell am Berg oa Zeitloch aufgehn soll und die Warnung der Moserin an eich, net in den Berg zu gehn; dazu ist eure Familie scho sehr alt, dös könnt alles irgendwie zusammen passen, moanens net, Jacob?“

„Ich geb ja zu, dass das alles sonderbar ist. Aber wir leben im 21. Jahrhundert und das sind alles Märchen. Wie sollen denn da unsere Handys und die GPS-Sender in unseren Taschen dazu passen. Wir leben in einer aufgeklärten Welt, in der Märchen, Märchen sind und Märchen bleiben. Und jetzt Schluss damit“, schimpfte jetzt Jacob etwas lauter werdend.

Da es in der Zwischenzeit doch sehr schnell dunkel geworden war, nahm Sepp seine Taschenlampe und Jacob und Magdalena ihre Kopfleuchten und schalteten sie ein. Ihr Weg führte sie durch einen dunklen Wald. Jacob und Sepp Haderer unterhielten sich über belangsloses, als Magdalena plötzlich ein Lichtschein auffiel, der von einem einzelnen großen Felsblock auszugehen schien.

„Sepp, schau mal da drüben, das Licht“, rief Magdalena und deutete mit dem Arm in die Richtung des Lichtscheines, „was ist das denn? Ist dort ein Haus oder eine Hütte?“

„Na, dort is nix. Kommts schnell weiter, damit mir unser Ziel so schnell wie möglich erreichen“, rief Sepp aufgeregt, der das Licht auch gesehen hatte.

„Sollten wir nicht mal nachschauen, was da los ist? Vielleicht braucht jemand Hilfe oder so?“ fragte Jacob.

„Na, na. Kommts schnell weg von do“, rief Sepp und ging schneller weiter.

„Langsam Sepp. Ich denk schon, dass wir nachsehen müssen. Nicht, dass noch jemand ein Feuer gemacht hat und dann der ganze Wald brennt“, wandte Jacob ein.

Sepp blieb stehen, schaute in Richtung des Lichtes und überlegte.

„Guat, awer ihr zwoa bleibts hier“, bestimmte er und ging vorsichtig in Richtung des Lichtscheines, immer darauf bedacht in Deckung zu bleiben, um nicht gesehen zu werden. Jacob und auch Magdalena folgten ihm, entgegen seiner Anweisungen, leise.

„Das ist kein Feuer“, sagte plötzlich Magdalena. Sepp erschrak bis ins Knochenmark, er bemerkte erst jetzt, dass Magdalena und Jacob hinter ihm standen.

„Was wollts ihr denn do?“ schimpfte Sepp leise, „I hab doch gsagt ihr sollt durt vorn auf mi warten. Machts dann jetzt wenigstens eure Lampen aus.“

„Könnt ihr was erkennen?“ flüsterte Jacob, während er seine Kopflampe ausschaltete.

„Nein, der Felsen verdeckt die Sicht“, flüsterte Sepp leise.

„Gehen wir näher ran“, schlug Magdalena vor, die ihre Lampe ebenfalls ausmachte.

„Na, auf goar koan Fall. Heut ist der 15. August. Was wenn dös der Eingang in die Spiegelwelt ist? Nocher san mia alle drei hin. Kommts, mia gehn zruck und schaun, dass mia unser Ziel erreichen“, erklärte Sepp mit zittriger Stimme.

„Nein Sepp, ich will wissen was da los ist. Bleib du mit Magdalena hier. Ich schleich mich näher ran, das sind ja nur noch knapp 50 Meter“, flüsterte Jacob neugierig und unternehmenslustig.

„Ich komm natürlich mit dir mit, Schatz“, grinste Magdalena.

„Na, bleibts do, beide. Dös is zu gfährlich. Es könnten a Schmuggler oder so sein“, wandte Sepp Haderer ein.

„Wir sind vorsichtig, komm Schatz“, lächelte Jacob und schlich leise und übervorsichtig bis zu dem Felsen; Magdalena blieb dicht hinter ihm.

Zentimeter um Zentimeter tastete sich Jacob weiter vor und hatte schnell die Kante des großen Felsens erreicht. Er gab Magdalena mit den Fingern seiner Hand ein Zeichen, dass er um die Felskante schauen wollte. Magdalena nickte, blieb aber eng hinter ihrem Ehemann.

Sepp, der zurück geblieben war, versuchte angestrengt zu erkennen, was seine Wanderkunden zirka 50 Meter entfernt machten. Ein leises Knacken ließ ihn plötzlich erschrocken herumfahren. Er verspürte aber nur noch einen dumpfen Knall. Mit einem großen Ast wurde ihm plötzlich von hinten auf den Kopf geschlagen. Sepp war sofort ohnmächtig und sackte lautlos an der Stelle, an der er gekauert hatte, in sich zusammen.

Zur gleichen Zeit, Jacob wollte gerade seinen Kopf um die Kante des Felsens schieben, spürte er ein heftiges zupfen seiner Frau an seinem Hemd. Er drehte sich langsam um und erschrak auf das heftigste.

Vor ihm und seiner Frau standen zwei sehr große Männer in glänzenden Ritterrüstungen, die sich ihnen lautlos genähert hatten. Beide hatten ihre riesigen, gefährlich glänzenden Schwerter gezückt und die Spitzen der Waffen auf Jacob und Magdalena Brust gerichtet.

Der vertrocknete Walser Birnbaum und die Erben

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