Читать книгу ZU HASS ERZOGEN - rebelliert - IN LIEBE AUFGENOMMEN - Stephane Rambicourt - Страница 6

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Am folgenden Tag setzte Oma Else ihren Alexandre in Strasbourg in den Orientexpress, der eine direkte Verbindung über München bis nach Graz hatte und dann weiter bis Belgrad fuhr.

„Warum kommst du nicht einfach mit?“ fragte Alexandre leise und traurig.

„Du weißt doch. Das geht nicht. Wer kümmert sich sonst um unsere Tiere und die Felder?“ lächelte Oma Else.

„Kann das nicht Geddel machen, wenn du ein paar Tage nicht da bist?“ wandte Alexandre ein.

„Nein, mein Großer. Das geht nicht. Aber danke, dass du mich gerne mit dabei haben möchtest“, sagte Else leise und gab ihm einen großen Korb mit seinen Lieblingsleckereien und selbst gemachte Limonade mit. Sie umarmte ihn, dann verabschiedete sie sich schnell mit einer kleinen Träne in den Augen von ihrem „Sohn“.

Auch Alexandre hatte ein sehr flaues Gefühl im Magen und kleine Tränen in den Augen.

Während er seinen Platz im Zug aufsuchte sah er, wie seine Oma die Zugschaffnerin herzlich begrüßte und sich mit ihr unterhielt.

„Woher Oma die Schaffnerin denn schon wieder kennt?“ dachte Alexandre während er seinen Platz einnahm und das Fenster öffnete um seiner Oma zum Abschied zu winken.

Gott sei Dank hatte Oma Else dafür gesorgt, dass er zumindest vorläufig alleine in einem Zugabteil sein konnte und auch die Schaffnerin hatte immer ein Auge auf den jungen Mann, zumindest bis München. Der Zug fuhr los und Alex winkte was das Zeug hielt, er freute sich zwar auf seinen Onkel, aber Abschied von Oma Else fiel ihm doch sehr schwer.

Als sich der Zug seiner Geburtsstadt Karlsruhe näherte, zog er die Vorhänge vor das Fenster, zog eine Decke, die ihm Oma Else mitgegeben hatte, über den Kopf und versuchte die Gedanken, die ihm kamen zu verdrängen. Plötzlich wurde die Abteiltüre geöffnet. Die Schaffnerin kam zu ihm ins Abteil. Sie zog auch den Rollo des Fensters und die Vorhänge zum Flur zu, hängte das Schild „reserviert“ an die Abteiltür und ging wortlos wieder raus.

Allerdings blieb sie direkt vor seinem Abteil stehen und schickte die zugestiegenen Fahrgäste unwirsch weiter, wenn sie in Alexandre’s Abteil wollten.

Minuten später öffnete die Schaffnerin die Abteiltür und flüsterte ihm zu:

„Ich schließe kurz ab, damit du deine Ruhe hast und ich den Zug abfahren lassen kann. Bin gleich wieder bei dir.“

Während der Zug noch stand, überlegte Alexandre:

„Was würde passieren, wenn plötzlich seine Erzeuger oder seine Geschwister im Abteil stehen würden? Nichts, weil das Abteil abgeschlossen ist und ein Reservierungsschild davor hängt. Also keine Panik Alter. Es wird nichts passieren. Außerdem würden die mich bestimmt nicht mehr erkennen.“

Endlich fuhr der Zug wieder los und die Schaffnerin öffnete sein Abteil.

„Alles in Ordnung, Junge. Else hat mir genaue Anweisungen gegeben. Brauchst du etwas?“ fragte die freundliche Schaffnerin.

„Nein, danke. Ich habe alles was ich brauche. Alles in Ordnung“, lächelte Alexandre.

„Oma hat wohl alles im Griff“ flüsterte er leise, als die Schaffnerin wieder weg war.

Er nahm sein Buch von Siegfried Lenz und begann zu lesen. Durch das gleichmäßige rappeln des Zuges wurde er schnell müde und schlief ein. Die Schaffnerin schaute immer wieder nach ihm, ohne dass er es bemerkte. Er erwachte erst wieder als der Zug in Stuttgart mit quietschenden Rädern stehen blieb. Die Schaffnerin hatte wiederum das Abteil abgeschlossen und öffnete es erst, als der Zug wieder losgefahren war.

Alexandre verbrachte die Zugfahrt mit Essen, Trinken und Lesen, oder er schaute sich die vorbei fliegende Landschaft an. Während der gesamten Reise hatte er bisher keinen Kontakt zu anderen Reisenden. Stunden später erreichte der Zug München.

Die Schaffnerin verabschiedete sich freundlich von ihm und erklärte ihm noch, dass ihr Kollege, der ab München den Zug begleiten wird, bereits Bescheid weiß und Alexandre sich keine Sorgen zu machen brauchte.

Alexandre bedankte sich herzlich bei der Schaffnerin und machte es sich wieder bequem.

Als der Zug sich endlich in Bewegung setzte, kam der neue Schaffner zu ihm und fragte freundlich nach seinen Reisedaten, notierte sie kurz und ging wieder.

Kurz vor Salzburg kontrollierten deutsche und österreichische Grenzpolizisten die Papiere der Reisenden, ohne Probleme für Alexandre. Nach Salzburg schaute er sich interessiert die vorbei fliegende Landschaft an und plötzlich setzte die große Vorfreude auf seinen Onkel Wendel, Tante Maria und seine beiden Cousinen ein.

Außerdem wird es nun nicht mehr lange dauern, bis er endlich in Graz, der steirischen Landeshauptstadt, ankommt. Er begann deshalb auch schon mit dem Aufräumen seines Abteils, damit er schnell in den Regionalzug umsteigen konnte.

Der Schaffner, der immer wieder an seinem Abteil vorbeikam, grinste, als er den geschäftigen jungen Mann sah.

„Wenn alle Fahrgäste so wären“, brummte er in seinen Bart, schaute auf seine Uhr und stellte fest, dass sein Zug gut in der Zeit lag und kaum Verspätung hatte.

Wenige Minuten bevor der Zug in Graz einfuhr, kam er zu Alexandre und erklärte ihm, dass er gleich umsteigen müsse und von welchem Gleis aus sein Zug nach Deutschlandsberg abfahren würde.

Alex machte sich sofort startklar, ging zum Fenster und schaute nach draußen. Als er sah, dass sein Zug in den Hauptbahnhof Graz einfuhr, nahm er sein Gepäck und ging zum Ausstieg.

„Keine Angst, du hast genug Zeit zum Umsteigen. Der Zug wartet auf dich“, hört Alexandre plötzlich hinter sich die Stimme des Schaffners.

„Danke und ihnen noch eine gute Fahrt“, lächelte Alexandre freundlich, stieg aus und ging zügig zum Gleis 4, auf dem bereits der Nahverkehrszug nach Deutschlandsberg stand. Er wuchtete sein Gepäck in den Zug und stieg ein. Kaum, dass er im Zug war, hörte er den Pfiff des Schaffners und spürte wie die alte Dampflok anfuhr. Alexandre suchte sich einen Platz in der Nähe des Ausgangs, ließ aber sein Gepäck im Vorraum stehen, so dass es nicht im Weg stand.

Endlich nach einer halben Stunde Fahrzeit erreichte er den Bahnhof Deutschlandsberg.

Schon von weitem sah er seinen Onkel Wendel und Ilse, wie sie erwartungsvoll auf den einfahrenden Zug schauten. Endlich hielt der Zug an. Alexandre riss die Tür auf, sprang aus dem Zug und holte sein Gepäck heraus. Anschließend rannte er freudestrahlend auf seinen Onkel und seine Cousine Ilse zu und umarmte beide innig.

„Endlich“, stöhnt Alexandre, „das ist immer eine kleine Weltreise hierher.“

„Jetzt hast du es ja geschafft“, lachte Ilse.

„Na kommt, fahren wir nach Hause. Ich hab extra einen kleinen Anhänger für mein Moped gebaut, damit wir dein Gepäck leichter transportieren können. Ilse wollte unbedingt mitkommen um dich abzuholen und ist mit dem Rad da und du fährst mit mir auf dem Moped“, bestimmte Onkel Wendel.

„Alexandre kann auch bei mir auf dem Rad mitfahren, dann ist es für das Moped leichter“, schlug Ilse vor.

Wendel grinste.

„Na gut, aber keine Dummheiten machen, ihr zwei“, lachte er.

Ilse und Alexandre grinsten vielsagend.

„Ich meine es ernst“, sagte Onkel Wendel mit ernster Stimme.

„Klar, Onkel. Alles gut“, entgegnete Alexandre, „Ilse wer fährt? Du oder ich?“

„Du auf dem Gepäckträger und trittst die Pedale, ich lenke. Okay?“ grinste Ilse.

„Klar, mal sehen wer zuerst bei euch zu Hause ist; ich bin gut im Training“, grinste Alexandre und setzte sich auf den wackeligen Gepäckträger des alten Herrenrades, während sich Ilse auf den Sattel schwang.

„Und los“, lachte Ilse, während ihr Vater noch mit dem Verstauen von Alexandre’s Gepäck beschäftigt war.

Nach anfänglichen wackeligen Bewegungen, hatten beide schnell den Rhythmus gefunden und fuhren sehr schnell nach Hause zu Tante Maria und Resi. Onkel Wendel lachte, als er die beiden so ausgelassen sah, kam aber nicht so schnell hinterher. Erst an der allerletzten kleinen Steigung zum Haus seines Onkels wurde Alexandre langsamer und die Kraft in seinen Beinen ließ etwas nach.

„Wart, ich trete die letzten Meter“, rief Ilse lachend und so hatten sie wenige Sekunden später das Haus erreicht. Von Ferne hörten sie das Moped von Onkel Wendel, der mit seiner hellblauen Puch jetzt erst in die Straße einbog. Lachend warteten Ilse und Alexandre auf sein Eintreffen.

„Also, ihr seid mir schon so Zwei. Ihr Rennfahrer, ihr. Ihr habt mich ganz schön abgehängt“, lachte Onkel Wendel verschmitzt und stellte den Motor des Mopeds ab.

Tante Maria und Resi hatten wohl den Mopedmotor gehört und kamen nun aus dem Haus, um Alexandre zu begrüßen und ihn zu umarmen.

„Da bist du ja endlich, Alex. Hast bestimmt Hunger? Kommt wir gehen rein“, lachte Tante Maria laut, „und müde wirst bestimmt auch sein, nach einer so langen Zugfahrt.“

Alexandre nickte und ließ sich von Resi und Ilse ins Haus ziehen.

Onkel Wendel, bestimmt einen Kopf kleiner als Alexandre, aber ein drahtiger, muskulöser und herzensguter Mann, Mitte 40, wohnte mit seiner Frau Maria, einer kleinen etwas dicklichen Frau, ebenfalls Mitte 40 und aus einer kleinen Stadt in Niederösterreich stammend in seinem Haus am Ortsrand von Deutschlandsberg. Das Haus lag direkt am Waldrand und wurde von Onkel Wendel selbst in Eigenleistung erbaut.

Mit ihnen lebten die beiden Mädchen Resi, 19 Jahre alt, die eine Schneiderinnenlehre absolvierte, eine ruhige und sehr zurückhaltende junge Frau, mit roten Haaren und Ilse, 17 Jahre alt und Gymnasialschülerin, groß gewachsen mit blonden langen Haaren, manchmal etwas kratzbürstig aber ein schlauer heller Geist.

Resi hatte sich ihren Jahresurlaub extra aufgehoben, um zu Hause zu sein, wenn Alexandre zu Besuch kommt.

Im Haus wurde Alexandre von den beiden jungen Frauen, Resi und Ilse, erstmal auf das Sofa gesetzt.

„Erzähl, wie war die Fahrt? Hat alles geklappt?“ fragte Ilse aufgeregt.

„Klar. Sonst wäre ich ja nicht pünktlich angekommen“, grinste Alexandre, es gefiel ihm, dass sich die ganze Familie wirklich freute, dass er da war.

„Und du hast wirklich schon die Matura gemacht? Stimmt das wirklich?“ wollte Ilse sofort genau wissen.

„Ja, sogar 3 Jahre früher als normal“, lachte Alexandre.

„Und wie hast du das gemacht? Anita, von nebenan, ist älter als wir und hat auch wie du gerade die Matura gemacht“, wollte Ilse wissen.

„Ich hab zweimal eine Klasse überspringen können und die Abiturprüfungen waren nicht besonders schwer“, lächelte Alexandre verlegen.

„Papa hat erzählt, dass du sogar mit Auszeichnung bestanden hast. Wenn das so einfach war, wie du sagst, sind bestimmt alle durchgekommen, oder?“ erkundigte sich jetzt Resi.

„Nein, knapp die Hälfte musste ins mündliche oder sogar wiederholen. Ich hatte nur Glück“, erwiderte Alexandre, dem es nun langsam peinlich wurde und versuchte von sich abzulenken, „habt ihr beiden jetzt auch Ferien?“

„Ja, aber nur 3 Wochen. Und du bist jetzt fertig bis zu deinem Studienbeginn?“ erkundigte sich Resi.

„Ja, deshalb kann ich ja auch so lange bei euch bleiben. Ich hoffe es ist euch recht?“ fragte Alexandre und schaute dabei seine Tante Maria an.

„Natürlich ist uns das recht. Weißt schon was du studieren wirst?“ lächelte Tante Maria.

„Ja, ich werde Jura als Hauptfach studieren und als Nebenfach Betriebswirtschaft. Den Studienplatz habe ich auch schon sicher“, erklärte Alexandre leise.

„Dann wirst ja ein richtiger Advokat. Und was ist das mit der Betriebswirtschaft? Wie passt das zu Jura?“ fragte Onkel Wendel.

„Na, dann kann ich vieles machen, ich könnte in einer Kanzlei arbeiten oder einen Betrieb führen, aber da mach ich mir im Moment keine Gedanken. Oma Else meint, dass ich beides machen und später dann entscheiden soll, was ich genau tun möchte“, erklärte Alexandre zurückhaltend.

Plötzlich fragte Onkel Wendel nachdenklich: „Aber du willst nicht deine Eltern fertig machen, oder?“

„Nein Onkel, mit denen hab ich abgeschlossen. Außerdem hab ich Oma Else versprochen, das nicht zu tun“, erklärte Alexandre ebenfalls nachdenklich.

„Dann ist es ja gut“, mischte sich Tante Maria ein, „ich denk wir sollten jetzt etwas essen und dann kann Alex ja erzählen, wie es ihm in der letzten Zeit ergangen ist.“

Sie lotste alle an den großen Küchentisch und trug mit Resi und Ilse die Leibspeise von Alexandre auf.

„Mmmmmhhhhh Tante, davon hab ich schon lange geträumt. Topfenpalatschinken, herrlich“, lachte Alexandre laut.

„Dann geben sie mir ihren Teller, junger Mann“, lachte Resi, und packte zwei Palatschinken auf Alexandres Teller.

„Lass es dir schmecken“, lachte Ilse laut heraus, als sie Alexandres leuchtende Augen sah.

„Auf diese Köstlichkeit freue ich mich schon seit Tagen“, lachte Alexandre und machte sich sofort über die Palatschinken her.

„Langsam, Alexandre. Es isst dir niemand etwas weg“, grinste Tante Maria und freute sich über Alexandres großen Appetit. Im Raum herrschte Stille während des Essens, bis plötzlich Onkel Wendel grinsend fragte:

„Alexandre, sag mal und erzähl uns, was da in Strasbourg vor ein paar Wochen passiert ist?“

„Oh je. Oma hat dir wohl schon Bescheid gegeben“, zuckte Alexandre zusammen.

„Ja, natürlich. Aber ich würde es gerne von dir wissen wollen, was da gewesen ist und warum du dort warst“, lächelte Onkel Wendel.

„Alex, was war denn in Strasbourg? Erzähl doch bitte, Resi und ich möchten auch gerne wissen was du angestellt hast“, wollte jetzt auch Ilse wissen.

„Na gut. Wisst ihr, das war so. Nach den Abiturarbeiten waren einige Studenten bei mir an der Schule und haben erzählt, wie es an der Uni so zugeht, was man beachten muss und so weiter. Als das vorbei war, hab ich mich mit einigen der Studenten unterhalten und da haben die mir erzählt, dass sie an einer große Demonstration gegen den Faschismus mitmachen wollen, weil so ein Rechtsradikaler in Strasbourg Bürgermeister werden will und Pflimlin, den jetzigen guten Bürgermeister, aus dem Amt drängen möchte. Außerdem will der Faschist Studiengebühren einführen und er ist außerdem gegen Europa. Ich hab dann den anderen gleich gesagt, dass ich da mitkommen möchte, um gegen den Faschisten zu demonstrieren. Ich hab mir auch gleich ein Transparent gebastelt, „Gegen alle Faschisten und Kein Faschismus zulassen“ stand drauf. Eine Studentin aus unserem Dorf hat mich mit nach Strasbourg genommen. Als wir dann dort waren und die Demo los ging, hat die Polizei uns aufhalten wollen und irgendwann angefangen mit Tränengas zu schießen. Einige von uns haben daraufhin Pflastersteine rausgerissen und auf die Polizisten geworfen. Ich bin dann irgendwann von der Polizei verhaftet worden. Oma Else und Geddel Marie haben mich dann bei der Polizei abholen müssen“, erzählte Alexandre ruhig.

„Wow und du warst da mitten drin? So richtig? Mit Steine werfen und so?“ schwärmte Ilse.

„Ja, aber ich habe keine Steine oder sonst was geworfen, weil ich Gewalt total ablehne“, erwiderte Alexandre lächelnd.

„Also ich finde das gut, dass du da mitgemacht hast. Für seine Überzeugung einzutreten, das ist sehr, sehr bemerkenswert. Ich hab hier in Deutschlandsberg leider keine Möglichkeit an so einer Demo mitzumachen. Hier ist ja nix los“, schwärmte Ilse weiter.

„Für seine Überzeugung einzutreten ist die eine Sache, aber hast du dir nicht vorher überlegt, was alles hätte passieren können? Wenn die Polizei deine wirkliche Identität herausbekommen hätte? Du und deine Oma, ihr währt in Teufelsküche gekommen“, gab Onkel Wendel zu bedenken.

„Das ist mir leider erst eingefallen, als ich im Polizeiauto gesessen bin. Die Studentin, mit der ich nach Strasbourg gefahren bin, ist nicht verhaftet worden und hat Gott sei Dank sofort bei meiner Geddel Marie angerufen und die hat Oma informiert. Und weil Oma den Präsidenten der Regionalregierung gut kennt, durfte ich schnell wieder gehen. Oma und Geddel haben mich abgeholt. Die Farbschmierereien, die ich an Häuser gepinselt habe, musste ich aber selber wieder in Ordnung bringen und mich bei den Hauseigentümern entschuldigen. Das war auch ganz in Ordnung so“, sagte Alexandre nachdenklich.

„Mein Lieber, da hast du aber ordentlich Glück gehabt und kannst dich bei Else bedanken, dass nicht mehr passiert ist“, warf Tante Maria ein.

„Ja, ich weiß und dafür bin ich ihr auch unendlich dankbar“, erklärte Alexandre mit einer kleinen Träne in den Augen.

„Alex, für mich bist du ein Held“, entgegnete plötzlich Ilse mit ernstem Gesicht.

„Also das finde ich auch“, mischte sich die sonst so ruhige Resi in das Gespräch mit ein, „das was du getan hast, war sehr mutig.“

Nachdenklich aßen sie gemeinsam weiter. Alexandre erfreute sich an dem für ihn herrlichen Festmahl. Als er sechs Topfenpalatschinken verspeist hatte, war er rappel dicke satt.

„Tante Maria, danke für das herrliche Begrüßungsessen. Es hat so wunderbar geschmeckt. Aber jetzt kann ich nicht mehr“, stöhnte Alexandre auf.

„Hauptsache es hat dir geschmeckt, mein Junge“, freute sich Tante Maria.

„Oh ja und wie. Deine Palatschinken sind die Besten die es auf der Welt gibt. Tante, soll ich dir beim Abräumen und spülen helfen? Ich mach’s gerne“, erklärte Alexandre satt und zufrieden.

„Danke Alex. Aber lass mal, das mach ich mit Resi und Ilse zusammen. Du musst noch schnell mit deinem Onkel in die Stadt fahren und zu Hause bei Else anrufen, damit sie weiß, dass alles in Ordnung ist. Okay?“ lächelte Tante Maria.

„Ja stimmt. Ich hätte dir aber gerne geholfen, Tante“, sagte Alexandre verständig.

„Ein anderes Mal gerne, aber jetzt fahrt los und zieh dir eine Jacke an, es ist noch frisch am Abend“, freute sich Tante Maria, „Wendel ist bereits draußen und wartet auf dich.“

Alex beeilte sich, zog eine Strickjacke an und ging zu seinem Onkel. Gemeinsam fuhren beide zu einer öffentlichen Telefonzelle, von der aus man ins Ausland telefonieren konnte. Er nahm seine Münzen und wählte die Telefonnummer seiner Geddel Marie; Oma Else hatte kein Telefon.

„Hallo Geddel, hier ist Alex. Würdest du bitte Oma Bescheid sagen, dass ich gut angekommen bin? Es ging alles problemlos und jetzt bin ich hier in Österreich, in Deutschlandsberg“, erklärte Alexandre freudig, nachdem seine Patentante Marie das Telefonat angenommen hatte.

„Ja Alex. Mama ist hier, da kannst du ihr gleich selbst Bescheid sagen. Moment ich geb sie dir“, lachte Tante Marie.

„Hallo Alex. Schön dass du anrufst. Geht es dir gut? War alles in Ordnung auf der Fahrt?“ freute sich Oma Else, die laut ins Telefon sprach.

„Ja Oma, alles gut. Onkel Wendel und ich sind jetzt in der Stadt zum telefonieren. Geht es dir auch gut, Oma?“ fragte Alexandre.

„Ja mein Junge. Du fehlst mir halt. Aber du kommst ja wieder zurück und da freu ich mich heut schon drauf. Hat deine Tante dir schon eine deiner Lieblingsspeisen gekocht?“ fragte Oma Else leise und Alex bemerkte, dass sie bestimmt Tränen in den Augen hatte, während sie telefonierten.

„Ja, hat sie. Topfenpalatschinken. Sie waren wunderbar. Oma ich werde bestimmt einmal in der Woche anrufen. Weißt du, du fehlst mir auch“, erwiderte er etwas traurig.

„Ja mein Junge, das machen wir. Sag bitte deiner Tante, sie soll mir das Rezept aufschreiben. Vielleicht kann ich es ja hier auch einmal machen“, lenkte Oma Else ab, „so und jetzt machen wir Schluss, damit du nicht soviel Geld ausgibst.“

„Ja Oma. Ich werde am kommenden Montagabend um 19 Uhr anrufen. Bist du dann wieder bei Tante Marie?“ schlug Alex vor.

„Ja mein Junge. Ich freue mich schon drauf. Sei bitte brav und lass dir nichts zu Schulden kommen. Hör auch auf deinen Onkel Wendel und deine Tante, bitte“, erklärte Oma Else und schluchzte leise.

„Ja, Oma. Versprochen. Ich drück dich. Bis Montag. Au revoir“, erwiderte Alexandre und legte schweren Herzens auf.

Bevor er sich dem wartenden Onkel zuwandte, holte der junge Mann mehrmals tief Luft.

„Na alles gut?“ fragte Onkel Wendel.

„Ja“, antwortete Alex nur kurz.

„Komm, wir gehen noch schnell in das kleine Beisel da vorne und trinken etwas“, sagte Onkel Wendel verständnisvoll. Alex nickte nur kurz und setzte sich auf den Sozius des Motorrollers.

Wenig später erreichten sie die kleine Gaststätte, gingen hinein und setzten sich an einen freien Tisch.

„Wieder alles in Ordnung?“ fragte Onkel Wendel einfühlsam.

„Ja, es geht wieder. Meinst du die haben hier noch Kaffee?“ lenkte Alexandre ab.

„Bestimmt. Ich werd ein Bier trinken. Magst nicht lieber auch eines trinken? Dann kannst nachher besser schlafen?“ schlug Onkel Wendel vor. Alex nickte und Onkel Wendel bestellte zwei Gläser dunkles Bier.

Gerade als beide anstießen ging die Tür der Gaststätte auf und Mucki Gassenhauer kam herein.

„Mist. Der hat mir gerade noch gefehlt. Der ist ein guter Freund von deinem Vater. Lass mich reden“, flüsterte Onkel Wendel und Alexandre nickte nur leicht mit dem Kopf.

„Ja der Wendel. Dass man dich auch mal in einem Beisel sieht. Hat deine Alte dir mal frei gegeben? Wen hast du denn da dabei?“ fragte Mucki Gassenhauer.

„Ah der Herr Gassenhauer. Das ist Alexandre. Der Brieffreund von meiner Ilse aus Frankreich. Er hat die Matura bestanden und besucht uns jetzt“, lachte Onkel Wendel gekünstelt.

„Ach ja? Aus Frankreich. Unserem Erbfeind. Und jetzt macht er hier Urlaub? Na ja Wendel, du musst wissen was du machst. Ich hätte das meiner Tochter nicht erlaubt“, erklärte Mucki Gassenhauer bissig.

„Da siehst du mal. Ich bin eben nicht du“, entgegnete Wendel.

„Oh Wendel, fällt mir gerade ein, dein Bruder, Werner, wird wohl demnächst herkommen. Er hat geschrieben“, sagte Mucki.

„Ach ja? Er hat dir geschrieben? Mir nicht! Was will er denn?“ erkundigte sich Onkel Wendel.

„Er muss wohl hier in der Nähe was erledigen. Hat mal einen Fehlschuss gemacht und da gibt es jetzt wohl ein Kind. Er will aber die Vaterschaft nicht anerkennen. Er wird dich bestimmt auch besuchen kommen“, antwortete Mucki Gassenhauer lächelnd.

„Der kann von mir aus bleiben wo der Pfeffer wächst“, brummte Onkel Wendel, wandte sich von Mucki Gassenhauer ab und Alexandre zu.

„Hast verstanden was Mucki gesagt hat?“ fragte Onkel Wendel Alexandre.

„Jeu ne comprends pas“, antwortete Alexandre auf französisch und schob auf Deutsch, mit starkem französischem Akzent, nach, „excuse moi, isch nischt verstehn.“

„Egal, nicht wichtig“, brummte Onkel Wendel, während Mucki Gassenhauer kopfschüttelnd vom Tisch der beiden weg ging.

„Das war knapp. Komm wir trinken aus und gehen“, flüsterte Onkel Wendel Alexandre zu.

„Das ist also ein Freund von dem Verbrecher?“ fragte Alexandre nach.

„Ja. Die waren schon vor dem Krieg eng befreundet und sind es heute noch“, flüsterte Onkel Wendel.

„Der ist also auch ein Nazi?“ bohrte Alexandre nach und schaute mit stechendem Blick in Richtung Mucki Gassenhauer.

„Ja. Aber halte dich zurück. Sonst muss ich dich zu Else zurück schicken und das will ich partout nicht“, sagte Onkel Wendel ärgerlich.

Sie tranken zügig ihr Bier aus und gingen. Vor der Türe sagte Onkel Wendel: „Das war keine gute Idee hierher zu kommen.“

„Oh doch Onkel. Das war wichtig. Danke. Das zeigt mir, dass ich richtig gehandelt habe. Mit solchem Pack will ich nichts zu tun haben und das kann ich nur dann beurteilen, wenn ich nicht nur einen davon kenne. Jetzt kenne ich zwei davon und das ist ein für alle mal genug. Warum tut die Polizei nichts gegen diese Verbrecher?“, erklärte Alex hasserfüllt.

„Die haben ihre Verbindungen bis in die höchsten Kreise, alles nicht so einfach. Aber gut, wenn du das so siehst. Bitte halte dich zurück. Weil es von der Sorte Menschen leider noch einige gibt. Aber irgendwann sollten die mal ausgestorben sein, hoffentlich. Die Begegnung mit Gassenhauer sollte aber unter uns bleiben. Die Tante und auch Else machen sich sonst große Sorgen. Okay?“ bat Onkel Wendel seinen Neffen Alexandre.

„Klar. Das bleibt unter uns. Versprochen! Aber schon interessant, dass der hier wohl noch ein Kind hat von dem er auch nichts wissen will. Verbrecher“, erwiderte Alex angewidert, doch er wusste bereits jetzt, diese Begegnung mit diesem Mucki Gassenhauer würde ihn bestimmt noch die ganze Nacht beschäftigen.

Sie fuhren auf direktem Weg nach Hause. Dort angekommen setzte er sich mit der Tante, Resi und Ilse noch ins Wohnzimmer um sich etwas zu unterhalten. Eine Stunde später zog er sich zurück und meinte er sei sehr müde und möchte gleich zu Bett gehen. Während Ilse und Resi auch schlafen gingen, wartete Tante Maria auf ihren Ehemann.

„So und jetzt mal raus mit der Sprache. Was war los, als ihr in der Stadt wart. Du und der Junge, ihr seid so ungewöhnlich ruhig“, forderte Tante Maria ihren Mann auf zu reden.

„Alex war so bedrückt nach dem Telefonat mit Else. Da hab ich ihn mit in das kleine Beisel am Hauptplatz genommen, auf ein kleines Bier. Dort ist dann zufällig Mucki rein gekommen. Ich hab ihm Alex als Brieffreund von Ilse vorgestellt. Es ist nix passiert sonst. Mucki hat sich nicht gerade freundlich verhalten, außerdem hat er gesagt dass mein Bruder wohl demnächst kommen will“, erklärte Onkel Wendel. „Alex hat gut reagiert und so getan als ob er nichts verstehen würde.“

„Nun, dass diese Situation kommen würde, war mir klar. Wir müssen Resi und Ilse das mit dem Brieffreund noch mal klarmachen, damit sie Bescheid wissen und auch wie wichtig das ist. Und Alex weiß jetzt, dass er sich vor dem Mucki in Acht nehmen muss. Für Anita und Bärbel ist Alex ja eh ein befreundeter Junge aus Frankreich. Kann also nix passieren“, überlegte Tante Maria laut, „aber dass das gleich am ersten Abend passiert, ist doch verrückt. Und hoffentlich macht der Junge nichts Unüberlegtes.“

Alexandre lag noch lange wach. Er war müde und doch nicht müde. Die Ereignisse des Tages, vor allem dieser Mucki Gassenhauer und das ungewollte Kind seines Vaters, gingen ihm nicht aus dem Kopf.

„Warum dürfen solche Leute frei herumlaufen?“ brummte er leise vor sich hin.

Gegen 3 Uhr in der Nacht stand Alex auf und ging vor das Haus, setzte sich auf die große Treppe und zündete sich eine Zigarette an.

„Ich wusste gar nicht, dass du rauchst“, hörte Alexandre plötzlich die Stimme seines Onkels hinter sich sagen. Er drehte sich um und sah den lächelnden Onkel.

„Hast eine für mich?“ fragte Onkel Wendel leise.

„Ja, klar. Eigentlich rauche ich nicht beziehungsweise nicht oft. Aber jetzt erschien mir der Zeitpunkt gut zu sein. Zum einen erinnert mich die Zigarette an Zuhause und zum andern beruhigt es doch etwas die Gedanken“, entschuldigte sich Alexandre und gab seinem Onkel eine Zigarette.

Onkel Wendel zündete sich die Zigarette an und begann plötzlich heftig zu husten.

„Oha, was ist das denn für ein Kraut, das du da rauchst? Ist das Bahndamm Nord?“ fragte Onkel Wendel heißer.

„Oh das sind welche von zu Hause. Schwarze. Die raucht bei uns jeder“, lachte Alexandre.

„Also ich weiß nicht“, lachte Onkel Wendel, „kannst nicht schlafen?“

„Nein, bin vermutlich übermüdet. Außerdem geht mir dieser Mann aus der Kneippe nicht aus dem Kopf“, antwortete Alex.

„Versteh dich. Aber vergiss den Mucki. Er ist es nicht wert, dass man sich über ihn Gedanken macht“, entgegnete Onkel Wendel nachdrücklich.

„Wieso redet der so wirres Zeug, von wegen Erbfeindschaft und so? Der hat doch gar keine Ahnung und war bestimmt auch noch nie in Frankreich oder im Elsass“, überlegte Alexandre.

„War er nie. Sein Geschwätz ist eben brauner Müll, den er selbst vermutlich nicht versteht“, lächelte Onkel Wendel.

„Aber aufschlussreich war die Begegnung doch; jetzt wissen wir, dass mein Erzeuger wohl hier auftauchen wird. Wir können uns vorbereiten. Wie sollen wir darauf reagieren, wenn er dich besuchen kommt, womöglich mit der ganzen Familie?“ fragte Alex.

„Ganz einfach, dann bist du nicht da, sondern bei Maria’s Verwandtschaft in Niederösterreich, oder sogar schon zu Hause. Wer weiß ob das überhaupt stimmt, was der Mucki sagt. Dem kann man eh nix glauben“, beruhigte Onkel Wendel seinen Neffen.

„Falls er hier auftauchen sollte und ich wäre da, was dann?“ wollte Alexandre wissen.

„Also erstens sucht er dich eigentlich gar nicht richtig und zweitens weiß er nicht wie du heute aussiehst und drittens bist du ja der französische Brieffreund von Ilse und damit über zwei Jahre älter als Ilse, die erst in zwei Jahren die Matura macht, obwohl Ihr beide gleich alt seid“, lächelte Onkel Wendel, „kaum zu glauben.“

„Ok. Aber mit dem Teil der Familie möchte ich nichts mehr zu tun haben“, grinste Alexandre böse vor sich hin und schaute zu seinem wieder stark hustenden Onkel.

„Und dieses Zeug baut Else wirklich an?“ fragte Onkel Wendel heißer.

„Ja und wir verdienen damit sehr gutes Geld. Ist zwar viel Arbeit, aber es lohnt sich. Wir verkaufen den Tabak an Gauloises und auch an eine deutsche Firma“, grinste Alexandre, „in Frankreich sind diese Gauloises Kult.“

„Na dann. Aber als du das letzte Mal hier warst hast du noch nicht geraucht, oder?“ erkundigte sich Onkel Wendel.

„Nein, ich rauche erst seit ich mit den Studenten zusammen bin und Oma weiß aber nichts davon. Ich glaube sie wäre nicht sonderlich erfreut“, antwortete Alex.

„Hast du nur die eine Packung mit?“ grinste jetzt plötzlich Onkel Wendel.

„Nein, ich hab eine Stange mit 10 Schachteln mitgenommen, warum?“ wollte Alexandre vorsichtig wissen.

„Wollen wir uns morgen einen Spaß machen?“ lachte Onkel Wendel leise.

„Ja, gerne. Was hast du denn vor?“ fragte Alexandre neugierig.

„Weißt der Pauli von nebenan, der Vater von Anita und Bärbel, raucht doch auch. Schenk dem doch ein Päckchen. Ich wette, der wird nach der ersten Zigarette schnell auf das Klo rennen“, lachte Onkel Wendel, der sich gerade die Szene vorstellte.

Auch Alex musste jetzt herzhaft lachen. Beide klatschten sich ab und erhoben sich.

„Ich bin jetzt richtig müde“, erklärte Alexandre und gähnte herzhaft.

„Dann ab mit dir ins Bett“, lachte Onkel Wendel und zog seinen Neffen hinter sich her ins Haus.

ZU HASS ERZOGEN - rebelliert - IN LIEBE AUFGENOMMEN

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