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Kapitel 2

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Die Zeit in Bad Liebenzell im Schwarzwald verging wie im Flug.

Sam wurde auf Anweisung von Carlo Durmersheim weitest gehend aus dem allgemeinen Geschäftsablauf der Sanny-Klinik ausgeschlossen und so konnte er gut seinen vorab Umzug und den großen Umzug planen und vorbereiten.

Der vorab Umzug sollte 4 Tage vor dem Start an der neuen Arbeitsstelle erfolgen, also packte Sam alles zusammen und organisierte über seinen Schwager einen Kleintransporter um Bett, Schreibtisch usw. nach Berlin bringen zu können. Und so geschah es. Thomas, Sam’s Schwager, fuhr den Kleintransporter und Sam den PKW vollbeladen nach Bernau zur neuen Wohnung. Dort angekommen gab es gleich ein großes Problem.

Der Hausmeister der Wohnanlage sollte mit Sam die Wohnungsübergabe machen, war aber nirgends auffindbar. So musste Sam Klaus-Johann Mohnfeld auf dem Handy anrufen, der dann, weil er unterwegs war, den Chef der Haustechnik der Klinik anrief, der dafür sorgen sollte, dass Sam in die Wohnung kam.

Der Haustechniker hat sich dann auch sofort bei Sam gemeldet und sich als Paul Scharner vorgestellt. Scharner war ein ca. 60 Jahre alter untersetzter Mann, mit Glatze und stechenden Augen. Er kam auch sofort zu Sam und der neuen Wohnung, hatte aber keinen Schlüssel dabei, da dieser beim Hausmeister der Wohnanlage war.

Aber Scharner meinte gleich, dass dies kein Problem sei, weil er immer wissen würde wer sich wo aufhält und er habe auch schon einen Mitarbeiter losgeschickt, den Wohnanlagenhausmeister zu holen oder zumindest den Schlüssel zu bringen. Und so warteten Sam und Paul Scharner auf das was weiter passieren würde.

Paul Scharner erzählte Sam, dass er schon seit über 30 Jahren auf dem Klinikgelände als technischer Leiter arbeitet und auch die frühere Führungsriege der alten Deutschen Demokratischen Republik kennen würde. Eine gewisse Verehrung konnte Sam aus Scharners Worten deutlich heraus hören.

Scharner wollte gerne wissen wo Sam denn herkomme, wie er an die Wohnung gekommen sei und was er denn arbeiten würde.

Sam klärte Scharner darüber auf, dass er künftig mit Mark Schreiber die Geschicke der Mohnfeldkliniken leiten wird und er wohl künftig sein Chef sein ist.

Scharner blickte Sam mit seinen durchdringenden Augen an und beglückwünschte ihn mit einem, wie Sam meinte, süffisanten Lächeln. Weitere Fragen ersparte sich Scharner und auch Sam fand, dass eine kleine Gesprächspause sicher sinnvoll sei.

Nach ca. 20 Minuten kam der Mitarbeiter von Scharner mit dem Wohnungsschlüssel und sagte leise, so dass es für Sam kaum hörbar war, dass Mohnfeld den alten Hausmeister gerade gefeuert hat und im Moment bei der Personalabteilung sitzen würde. Anschließend kam noch eine leise, aber gewaltige Schimpfkanonade über Klaus-Johann Mohnfeld, was allerdings von Scharner mit einem einfachen Handstreich unterbunden wurde.

Es hatte den Anschein, dass der junge Haustechniker seinem alten Chef irgendwie hörig war. Scharner flüsterte seinem Mitarbeiter einige Worte zu und der verschwand auf dem schnellsten Wege.

Für Sam war die Situation sehr peinlich und so versuchte er die Situation zu entschärfen in dem er Scharner bat, nun doch schnell die Wohnungsübergabe zu machen.

Sam ging deshalb auf die Haustüre zu und wartete, bis Scharner geöffnet hatte. Zählerstände wurden abgelesen, kleinere Mängel aufgenommen und zur Bereinigung Termine abgesprochen.

Am Ende der Wohnungsübergabe bot Scharner Sam an, beim Ausladen zu helfen, was dieser, in Erinnerung an die Worte von Klaus-Johann Mohnfeld bezüglich der Mitarbeiterprobleme, dankend ablehnte.

Nachdem Scharner weggegangen war, begann Sam sein Auto zu entladen, allerdings, immer mit dem Gefühl beobachtet zu werden. Sam war gerade fast fertig, als Thomas mit dem Kleintransporter angefahren kam, so dass sie diesen nach einer kleinen Pause auch zügig entladen konnten. Es war ja nur ein kleiner Teil des Hausstandes von Sam und Mariella, weil der große Umzug, der von einem Umzugsunternehmen erledigt werden würde noch bevorstand.

Da Thomas so schnell wie möglich wieder zurück fahren wollte, lud Sam ihn noch zum Essen bei einem Italiener auf dem Klinikgelände ein. Sam hatte immer noch das Gefühl beobachtet zu werden, das allerdings von Thomas, dem er alles erzählt hatte, nicht geteilt wurde.

Nach dem Essen verabschiedete sich Thomas und Sam begann sein Bett in einem nicht einsehbaren Raum der Wohnung für die Nacht aufzubauen. Vorhänge waren ja noch nicht da und Rollläden mochte Sam nicht.

Da Sam nicht gleich einschlafen konnte, ließ er sich die letzten Ereignisse mit Scharner durch den Kopf gehen. Vielleicht hatte Thomas Recht und es war alles nur Einbildung. Nach einigem Überlegen sagte Sam zu sich selbst, „alles nur Einbildung, was soll denn der Scharner von mir wollen – nichts. Ich werde sein Chef sein und dass er schon so lange auf dem Gelände ist, hat sicherlich auch seine Vorteile.“

Mit diesen Gedanken schlief Sam schnell und tief ein.

Am folgenden Morgen machte sich Sam gleich an den Aufbau seiner noch spärlichen Möbel und Computer, räumte seine Kleider auf und prüfte ob alles soweit noch ok war. Gegen Mittag schlenderte er wieder zu dem, am Abend zuvor kennen gelernten, italienischen Lokal und aß dort eine Kleinigkeit. Anschließend ging er wieder zurück zur Wohnung und beendete seinen vorab Umzug.

Nachdem die Sonne wundervoll in den neuen Garten schien, wollte Sam sich ein wenig erholen und Sonnen. Vielleicht ergibt sich auch die Möglichkeit, dachte Sam, die neuen Nachbarn kennen zu lernen.

Und so ging er in den Garten, schaute sich um, was alles zu tun wäre um den Garten für Mariella zu richten. Er hatte ja noch Zeit um die wichtigsten Dinge zu tun.

Während Sam den Garten inspizierte, fühlte er wieder Blicke auf sich gerichtet. Er sah sich um, sah aber niemanden.

Sam ging weiter durch den Garten, da hörte er Geräusche vom Nachbargrundstück. Er ging in Richtung der Geräusche und sah einen Mann, der auch im Garten beschäftigt war. Sam ging an den Zaum seines Grundstückes und grüßte freundlich in Richtung des neuen Nachbarn; der sich allerdings nur kurz umdrehte, Sam sah und ohne Gegengruß sofort im Haus verschwand.

„Wer nicht will, muss mich nicht grüßen“, sagte Sam laut vor sich hin und ging weiter um sich nun zu sonnen.

Als die Sonne weg war und der Abend herein brach, setzte sich Sam vor den Fernseher und ließ sich berieseln. Gegen 20 Uhr war es soweit, die mit Mariella vereinbarte Zeit zum Telefonieren war da. Sam rief Mariella an und erzählte ihr alles über den vorab Umzug, den Ärger mit dem Wohnungsschlüssel, das Gespräch mit Scharner, dem Haustechniker, und vor allem die komische unfreundliche Reaktion des neuen Nachbarn.

Mariella meinte nur, Sam solle das Ganze nicht so ernst nehmen und sagte auf schwäbisch „es gibt halt sodde und sodde“.

Nach dem Telefonat legte sich Sam wieder vor den Fernseher, in der Hoffnung davor einzuschlafen. Leider funktionierte das heute nicht. Gegen 23 Uhr zog Sam sich an, um über das Klinikgelände und die Wohnanlage zu spazieren.

Es war totenstille, nur die Nachtvögel im Wald und der ständige Ost-Wind waren zu hören. Da erreichte Sam eine kleine Gaststätte, die inmitten des Gesamtareals lag. Die Gaststätte hieß „Zur Heimat“ und war, so erinnerte sich Sam an die Worte von Klaus-Johann Mohnfeld, noch das alte ursprüngliche Lokal, das es bereits vor der Wende auf dem Gelände gab. Auch die Betreiber waren immer noch die gleichen.

In dem Lokal brannte noch Licht und so ging Sam auf das Haus zu, in der Absicht noch ein Bier oder ein schönes Glas Rotwein zu trinken.

Als er die Tür öffnen wollte, wurde er von einem Mann, im Format Türsteher, barsch abgewiesen mit den Worten „Geschlossene Gesellschaft“. Sam meinte nur „schade“ und ging weiter über das Gelände bis zum Waldrand.

Nun war Sam auch ohne Bier oder Rotwein müde und ging den gleichen Weg zurück den er gekommen war in Richtung seiner neuen Wohnung.

Nachdem er einen Teil des Weges gegangen war, sah er in dem vorher total ruhigen Bereich, jetzt viele Menschen, die unterwegs waren. Sam dachte, dass sich diese geschlossene Gesellschaft wohl jetzt aufgelöst hat.

Interessant fand Sam die Tatsache, dass alle Personen die er sah, in Uniformen steckten, die er vorher noch nie gesehen hatte. Viele der Leute hatten an ihrer Uniform eine Menge Abzeichen, die Sam bisher nur aus dem Fernsehen von russischen Generälen kannte. Sam überlegte, ob das wohl eine Faschingsveranstaltung gewesen sei, aber er verwarf sofort den Gedanken, weil die Menschen alle mit sehr ernstem Gesicht und zum Teil heftig gestikulierend unterwegs waren. Als sie Sam sahen, haben sie sofort auf die andere Seite geschaut und trotz freundlichem „Guten Abend“ von Sam nicht gegrüßt. Einen kurzen Moment dachte Sam Paul Scharner, den Haustechnik-Chef zu erkennen, der sich aber sofort in eine von Sam entgegensetzte Richtung verzog. „Komisches Volk“, sagte sich Sam und erreichte endlich seine Wohnung.

Während er die Tür öffnete, nahm er aus dem Augenwinkel wahr, dass auch sein Nachbarehepaar gerade nach Hause kam und beide ebenfalls in diesen komischen Uniformen steckten.

Sam machte sich keine weiteren Gedanken und schlief schnell ein.

Die nächsten beiden Tage vergingen ohne Probleme und Sam telefonierte jeden Abend mit seiner Mariella.

Dann kam der Arbeitsbeginn. Montag, der 1. September 2002. Pünktlich um 8 Uhr traf Sam im Verwaltungsgebäude der Mohnfeldkliniken ein.

Mark Schreiber erwartete ihn bereits. Im großen Sekretariat, welches Sam und Schreiber gemeinsam benutzen werden, stellte Schreiber Sam die Sekretärinnen der Geschäftsleitung, Frau Müller und Frau Schmidt, vor.

Nachdem Sam sein Büro in Besitz genommen hatte, erschienen Mark Schreiber und Frau Müller mit Kaffee und Gebäck um den heutigen Tagesablauf zu besprechen. Schreiber wies Sam darauf hin, dass die Brüder Mohnfeld erst gegen 9.00 Uhr erscheinen werden und dann den leitenden Mitarbeitern und der gesamten Verwaltung den neuen Kopf und die neue Organisationsstruktur bekannt geben werden, was für 9.30 Uhr im großen Besprechungsraum vorgesehen ist.

Anschließend sollte Sam unter Führung des leitenden Chefarztes Dr. Dr. Bergovic mit den jeweiligen Chefärzten die einzelnen Teilkliniken besichtigen um einen Gesamteindruck über die brandenburgische Mohnfeldklinik zu erhalten. Die Chefärzte der Kliniken Leipzig, Harz und Nordsee usw. sind zwar am heutigen Termin anwesend, die Besichtigung sollte aber erst in den nächsten Tagen erfolgen.

Neben dem klinischen Bereich der brandenburgischen Mohnfeldklinik stehen für den heutigen Tag noch die outgesourcten Gesellschaften wie Mohnfeld-Catering und Mohnfeld-Housekeeping zur Besichtigung an.

Pünktlich um 9.00 Uhr erschienen Klaus-Johann Mohnfeld und Uwe-Karl Mohnfeld im neuen Büro von Sam und begrüßten ihn ganz herzlich. Bei der anschließenden großen Besprechungsrunde stellte Mark Schreiber Sam die Damen und Herren der Buchhaltung, die hauptsächlich in der Mohnfeldklinik im Harz arbeiteten, den bisherigen stellvertretenden Verwaltungsdirektor Erich Pommer, Frau Dr. phil. Karola Kociekowa die die zentralen Personalabteilung leitet und die Damen aus der Patientenaufnahme bzw. Patientenbetreuung, unter Leitung von Frau Elvira Poppe, vor.

Auch Paul Scharner, der Haustechniker mit seinem Stellvertreter und der leitende Chefarzt Dr. Dr. Bergovic und die Chefärzte der einzelnen Teilkliniken begrüßten recht kühl und reserviert Samuel Grün.

Klaus-Johann Mohnfeld hielt eine Ansprache, in welcher er die neue Organisationsstruktur und die neue personelle Ausrichtung mit Samuel Grün und Mark Schreiber an der Spitze vorstellte.

Er erklärte den Mitarbeitern, dass er und sein Bruder sich künftig aus der Geschäftleitung der Mohnfeldkliniken zurückziehen werden und die Geschäftsführung künftig Samuel Grün, der künftig auf dem Klinikgelände wohnen und leben wird und Mark Schreiber aus Leipzig inne haben werden. Klaus-Johann Mohnfeld machte deutlich, das es ihm bei der personellen Besetzung vor allem auch darum gegangen sei, einen der Posten mit einem fähigen und erfahrenen Mitarbeiter aus dem Westen der Bundesrepublik zu besetzen, da die Mohnfeld-Kliniken sich an den Qualitätsstandard der Bundesrepublik Deutschland anpassen muss, ob es allen Mitarbeitern gefällt oder nicht. Die Kliniken, so Mohnfeld seien in einem globalen Umfeld nur dann überlebensfähig, wenn gewisse Qualitätsstandards, auch in Brandenburg und in Leipzig, eingehalten werden.

„Die Zeit der ständigen Neuerfindung im Osten Deutschlands ist vorbei; anerkannte Qualitätsstandards haben ab heute absoluten Vorrang“, erklärte Klaus-Johann Mohnfeld.

Sam und auch die Brüder Mohnfeld nahmen eine heftige Unruhe und ein heftiges Geflüster unter den Mitarbeitern wahr und es war deutlich im Raum Hohn, Empörung und Ablehnung zu spüren. Sam empfand diese feindselige Atmosphäre ausgesprochen befremdlich. Klaus-Johann Mohnfeld führte dies im späteren Vieraugengespräch mit Sam vor allem auf seine Aussagen zur Qualität zurück.

Als Klaus-Johann Mohnfeld nach dem kleinen Empfang für Sam, außer den Buchhaltungsleuten hatte keiner der Mitarbeiter mit Sam gesprochen, zur Besichtigungstour aufforderte, kam der leitende Chefarzt Dr. Dr. Bergovic auf Sam zu und forderte ihn auf ihm zu folgen.

Sam hatte den Eindruck, dass Bergovic nicht sonderlich motiviert war mit ihm durch die Klinik zu gehen. Nach einem kurzen, äußerst schweigsamen Spaziergang machten sie sich an die Arbeit, jetzt zumindest reagierte er auf Sam’s Nachfragen und bemühte sich annäherungsweise um Kooperation, wenn auch sehr gequält.

Trotzdem spulten Bergovic und Sam professionell das Programm ab. Sam lernte neben den Chefärzten auch die anwesenden Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Psychologen und Physiotherapeuten usw. kennen.

Sam machte sich nebenher Notizen, was Dr. Dr. Bergovic nicht sonderlich zu gefallen schien, aber Sam wollte mit verschiedenen Personen gerne selbst intensivere Gespräche –ohne Dr. Dr. Bergovic– führen.

Im Rahmen der Besichtigungstour sah Sam die Orthopädie, die Neurologie, die Psychosomatik und die Kinderklinik. Die Besichtigungstour wurde im absoluten Schnellverfahren von Dr. Dr. Bergovic und den jeweiligen Chefärzten durchgeführt, ohne dass Sam einen Einblick in die jeweilige Einrichtung bekommen konnte. Dies nahm Sam zum Anlass Dr. Dr. Bergovic zu erklären, dass er alleine nochmals eine Besichtigungstour durch die Klinik und das gesamte Klinikareal machen werde.

Sam versuchte immer wieder Dr. Dr. Bergovic in ein persönliches Gespräch zu verwickeln, was aber von Bergovic abgeblockt wurde.

Wieder in der Verwaltung angekommen war, traf Sam dort auf eisiges Schweigen. Bevor er in sein neues Büro ging, bat er Frau Müller doch den Herren Mohnfeld, Schreiber und Pommer mitzuteilen, dass er wieder zurück sei. Wie mit Klaus-Johann Mohnfeld abgesprochen, trafen sich die Brüder Mohnfeld, Schreiber und Sam dann um 16 Uhr um mit den Buchhaltungsleuten aus dem Harz die Bilanzen der letzten 5 Jahre zu besprechen und Probleme, die von der Buchhaltung identifiziert wurden, aufzugreifen. Ein Hauptaugenmerk traf dabei die Patientenverwaltung und –Betreuung, die es nach Meinung der Buchhaltung bisher nicht schaffte die Rechnungen zeitnah zu stellen und für einen schnelleren Patientendurchlauf zu sorgen. Schreiber nahm die Mitarbeiterinnen und vor allem die Leiterin Elvira Poppe in Schutz und meinte, dass die Ärzteschaft die Entlassberichte zu spät fertig stellen würde und deshalb die Rechnungen erst spät herausgehen würden.

Sam und Schreiber einigten sich darauf, dass Sam sich um die Patientenverwaltung und Schreiber sich um die Ärzteschaft hochintensiv kümmern werden, da eine schnelle Rechnungslegung existenziell für die Kliniken sei.

Uwe-Karl Mohnfeld und Sam verabredeten sich für 19 Uhr zum Essen in einer Pizzeria die Uwe-Karl Mohnfeld gehört und sich im Nachbarort Wandlitz befindet.

Um 18 Uhr verließ Sam sein Büro, nicht ohne vorher Frau Müller zu veranlassen am nächsten morgen um 9 Uhr Frau Poppe zum Gespräch zu bitten.

Als Sam in seiner neuen Wohnung angekommen war, rief er sofort Mariella an und berichtete ihr von seinem ersten Arbeitstag.

Er erzählte von dem eher negativen Klima in der Verwaltung und von den Reaktionen der leitenden Mitarbeiter auf die Ankündigungen von Klaus-Johann Mohnfeld. Mariella versuchte Sam wieder aufzubauen und meinte, dass das alles sich erst noch langsam entwickeln muss.

Um 19 Uhr traf Sam dann in der Pizzeria von Uwe-Karl Mohnfeld ein, der ihn dort bereits erwartete.

Uwe-Karl Mohnfeld stellte Sam seinen langjährigen Freund Lou Berger vor, der ebenfalls auf dem Klinikgelände in der Wohnanlage wohnte.

Lou Berger sagte, er sei Inhaber einer kleinen Druckerei in Basdorf und ist seit Jahren mit Uwe-Karl Mohnfeld befreundet.

„Ich bin gebürtiger Pfälzer, aus der Nähe von Ludwigshafen, und lebe seit meinem 18. Lebensjahr in Berlin, erst wegen der Bundeswehr, dann wegen der Musik und seit der Wende wegen meiner Firma“, erklärte Lou Berger.

Sam und Lou Berger verstanden sich auf Anhieb gut, was wohl an den gleichen Musikinteressen lag. Sam und Lou standen beide auf Musik der Rolling Stones, Pink Floyd, Santana usw..

Als die drei gespeist hatten, verabschiedete sich Uwe-Karl Mohnfeld von den beiden und meinte noch, dass er am nächsten Morgen mit seiner Familie und seinem Bruder endlich für immer in den Süden, nach Mallorca bzw. Süd-Frankreich, gehen würde.

Nachdem Sam und Lou eine Weile über Musik geplaudert hatten, fragte Sam: „Sag mal, was ist denn da auf dem Klinikgelände los, man grüßt sich nicht, manche laufen abends in Uniformen wie russische Generäle durch die Gegend und die Klinikmitarbeiter reagieren so seltsam auf die Veränderungen die Klaus-Johann Mohnfeld mitgeteilt hat. Hast du eine Ahnung was das soll?“

Da fing Lou Berger an zu grinsen.

„Weißt du eigentlich wo du hier gelandet bis? Wir sind hier in der Machtzentrale der alten DDR und viele deiner neuen Mitarbeiter haben vorher heiß und innig für die alten Betonköpfe im Politbüro der DDR gearbeitet. Glaubst du, nur weil die Mauer weg ist, freuen sich diese Leute, wenn du, der Klassenfeind, ihnen jetzt zu sagen hat wo es lang geht? Ich glaub das war dir bis heute nicht so richtig klar oder? Hat denn Uwe-Karl nichts gesagt? Die Mohnfelds hatten doch schon von Anfang an große Probleme mit diesen Leuten. Am schlimmsten sind der Kardiologe und Stasiarzt, so wie der Orthopädie-Chefarzt, zu DDR-Zeiten oberster Sportdopingarzt der DDR oder die Poppe, zu DDR-Zeiten ein hohes Tier bei der Stasi. Da war keiner geringer als ein Oberst.“

Lou Berger führte weiter aus, „du bist für diese alten Stasileute der personifizierte Satan. Du hast einem von ihnen, dem Pommer den Job weggenommen. Du bist der Feind! Und dann passiert das auch noch kurz vor dem Jahrestag der Staatsgründung am 7. Oktober. Ganz, ganz schlecht. Die Mohnfelds wissen warum sie sich gerade jetzt aus dem Staub machen, glaub mir.“

Nach diesen, für Sam doch sehr überraschenden Informationen und einem kurzen Smalltalk fuhr Sam versonnen und nachdenklich nach Hause. Mit Lou Berger hatte er sich für den nächsten Abend auf dem Klinikgelände verabredet.

Zur gleichen Zeit als Sam mit Uwe-Karl Mohnfeld und Lou Berger in der Pizzeria in Wandlitz saßen, hatten sich einige Mitarbeiter der Mohnfeldkliniken in der Gaststätte „Zur Heimat“ getroffen. Zusammen gerufen wurden sie von Elvira Poppe, der Leiterin der Patientenverwaltung.

Elvira Poppe, eine kleine etwas pummelige, knapp 60 jährige Frau mit strengem Haarschnitt. Sie war vor der Wende Generaloberst im Generalsstab des Ministeriums für Staatssicherheit und auch die persönliche Adjutantin des Ministers für Staatssicherheit. Sie war damit in alle Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) eingeweiht. Einige Aktionen der Stasi gegen den Klassenfeind hatte sie selbst geleitet. Poppe hat ein sehr großes Organisationstalent und strahlte Autorität, Selbstsicherheit und Brutalität aus.

Einer ihrer Mitstreiter des heutigen Abends war Dr. Dr. Bergovic, der viele Jahre der vertraute Leibarzt des Ministers der Stasi war und jetzt Chefarzt der Kardiologie und ärztlicher Direktor an der Mohnfeldklinik in Bernau ist. Bergovic strahlte nicht die väterliche Güte eines ältlichen Arztes aus, sondern war eher tückisch und verschlagen. Seine ärztliche Spezialität war das Verhören von Staatsfeinden, unterstützt mit medizinischen Mitteln. Seine Promotionen hatte er in einem sowjetischen Gefangenenlager gemacht.

Des Weiteren waren da noch Erich Pommer, langjähriges SED und späteres PDS-Mitglied, früherer Kreisvorsitzender in Bautzen und scharf darauf endlich in die Geschäftsleitung der Monfeld-Kliniken einzuziehen, sowie Paul Scharner, der langjährige Haustechniker des Gesamtareals und vornehmlich im inneren Ring der Anlage tätig und Dr. Phil. Karola Kociekowa, die heutige Personalchefin der Mohnfeld-kliniken. Auch Olga Pawlowa, heute Stationsschwester der Mohnfeld-Kinderklinik, und vor der Wende Verbindungsoffizierin des sowjetischen Geheimdienstes KGB mit Sitz auf dem früheren Stasigelände, war mit von der Partie.

Diese sechs Personen gehörten dem neuen Politbüro an, das sich zum Ziel gesetzt hatte die alte DDR ausgehend von der brandenburgischen Mohnfeldklinik wieder auferstehen zu lassen. Aber heute gab es einen ganz besonderen Anlass um kurzfristig zusammen zu kommen, nämlich die neue Organisationsstruktur und die Neueinstellung von Samuel Grün.

„Diese Neuerungen gehen gegen meinen Plan, baldigst die Mohnfeldkliniken komplett zu übernehmen“, meinte Poppe und fügte hinzu, „dass man sich jetzt neue Gedanken über das weitere Vorgehen und auch den baldigen Jahrestag der DDR-Gründung machen müsse. Nicht zuletzt auch darüber, wie wir die Frau unseres geliebten verstorbenen Staatsratsvorsitzenden ungesehen zum Jahrestag auf das Gelände bringen können; sie wird am 6. Oktober in Minsk landen und wir müssen dafür sorgen, dass sie ohne Ärger und Presse zu uns kommt.“

Olga Pawlow stand auf und stellte sich vor Pommer. Sie meinte „mit diesem Schlappschwanz wird das nie was. Es wäre besser dafür zu sorgen, dass er uns nicht mehr im Weg ist.“ Bei diesen Worten strich sie über Pommers Glatze und fuhr langsam zu seinem Hals, den sie dann mit stahlhartem Griff festhielt. „Früher war es etwas einfacher, da schickte man diese Leute einfach zur Jagd oder ins Arbeitslager, dann war das Thema erledigt“, flüsterte sie leise in Pommers Ohr.

„Schluss damit“, fauchte Poppe, „ich will jetzt Vorschläge. Wird’s bald? Kaderleiterin Kociekowa was wissen wir über Samuel Grün?“

Dr. phil. Karola Kociekowa erhebt sich und beginnt zu referieren:

„Samuel Grün

49 Jahre alt

verheiratet

Ehefrau Mariella Grün, Lehrerin

Tochter Nina Grün, Krankenschwester, verheiratet im Westen,

Betriebswirt wie es im Westen heißt, bei uns ist

das der Ingenieur für Ökonomie,

Buchautor über Krankenhausorganisation,

Verfasser verschiedener Presseartikel,

anscheinend konservative Einstellung,

Hobbys, nichts besonderes Musik, Angeln, Reiten usw.

Hat hier die 3. Arbeitsstelle, ist immer aufgestiegen“

„Kociekowa und Scharner ihr werdet mehr über diesen Mann herausfinden“, entgegnete Elvira Poppe, „Oberleutnant Scharner haben sie sich einen Zugang zu seiner Wohnung verschaffen können?“

Scharner schnellt von seinem Platz hoch und salutiert, „jawohl Frau Generaloberst Poppe, musste ihm helfen in die Wohnung zu kommen, da ergab sich die Gelegenheit. Hatte schon gedacht, dass das sinnvoll ist.“

„Kociekowa, sie prüfen, ob der Einsatz von Schwalben bei ihm und eines Romeos bei seiner Frau Sinn macht“, befiehlt Poppe. Dann führt sie aus, „es sollte aber nicht so ausgehen wie bei Schreiber. Der ist bis jetzt noch nicht auf unserer Seite, aber die auf ihn angesetzte Schwalbe hat jetzt Beton Schuhe im See an. Das sollten wir vermeiden!“

Poppe sprach weiter: „heute Abend trifft sich Zielperson mit Mohnfeld in Wandlitz. Habe die Abschnittsbevollmächtigte von Wandlitz gebeten die Observierung und das Abhören zu übernehmen, dafür bekommt ihr Mann eine Anstellung bei dir Scharner, kapiert! Das Ergebnis der Aktion gebe ich bei der nächsten Sitzung bekannt.“

In der Tagesordnung weiterführend forderte Poppe Scharner und Dr. Dr. Bergovic auf sich um die Abholung der Ehefrau des früheren Staatsratsvorsitzenden zu kümmern. „Unsere Genossin wird am 5. Oktober in Minsk landen und von dort über Kaliningrad mit einem Kreutzer über die Ostsee bis in die Nähe von Stralsund gebracht. Da das Schiff nicht in die Hoheitsgewässer eindringen kann, muss die Genossin auf See in ein ziviles Schiff übernommen und dann auf das Klinikgelände gebracht werden. Es steht eine abgedunkelte Limousine für sie bereit. Die Sitzung jetzt ist beendet.“ erklärt Poppe.

Beim Verlassen der Gaststätte, bat Poppe noch Pawlowa um ein vertrauliches Gespräch, in welchem Sie die Pawlowa bittet, Pommer im Auge zu behalten und falls er Probleme macht, dafür zu sorgen, dass das „Problem“ behoben wird. Danach verließen beide die Gaststätte.

Sam schlief in dieser Nacht recht unruhig. Waren es die Worte von Lou Berger? Was konnte man von Berger halten? Oder war es einfach nur das gute Essen in dem Lokal?

Bereits um 6 Uhr wachte er auf, duschte in Ruhe, frühstückte und ging leise in seinen Garten um die morgenfrische Luft, gemischt mit seiner Zigarettenluft, zu inhalieren. Es war total still und ruhig um ihn herum, nur die Vögel zwitscherten.

Eine Reihe von Autos parkten direkt gegenüber Sam´s Garten.

Sam setzte sich auf einen seiner Klappstühle und sah sich den Sonnenaufgang an, während er an seiner Zigarette zog und genüsslich den Rauch ausblies. In der Hand hatte er noch eine dampfend heiße Tasse mit Kaffee an der er immer wieder mal nippte. Sam fühlte sich wohl und voller Tatendrang für den neuen Tag.

Um 8 Uhr erreichte Sam dann das Verwaltungsgebäude und suchte sein Büro auf. Mit seiner Sekretärin, Frau Müller, besprach er kurz das Programm des heutigen Tages und bat sie um Kaffee.

In einem Telefonat mit der Personalchefin Frau Dr. phil. Kociekowa forderte Sam die üblichen Statistiken und die Personalakten von Elvira Poppe und den anderen Damen der Patientenaufnahme bzw. –Betreuung an. Auf die Rückfrage von Frau Dr. Kociekowa antworte Sam nur, dass er sie in 5 Minuten auf seinem Tisch haben möchte, weil er mit Frau Poppe ein Gespräch zu führen habe.

Als Dr. Karola Kociekowa dies hörte, wurde sie sofort hellhörig, suchte die Personalakten heraus, gab sie in Sams Vorzimmer ab und verließ kurz das Haus um privat zu telefonieren. Sie erreichte Poppe, Dr. Dr. Bergovic, Pawlowa und Scharner und informierte sie über Sams Aktenanforderung.

Während Poppe, Bergovic und Scharner sie zur Ruhe und zum abwarten mahnten, wurde Pawlowa sofort energisch und wollte sofort zur Verwaltung kommen, was aber Kociekowa ablehnte. Sie ging wieder zurück an ihren Arbeitsplatz und fragte sich, was der Wessi, gemeint war Samuel Grün, mit den Akten vorhatte.

Pünktlich um 9 Uhr erschien Elvira Poppe bei Sam. Sam bot ihr einen Platz am Besprechungstisch an und bat sie sich noch etwas zu gedulden, er sei gleich soweit mit ihr zu sprechen. Er machte dies bisher immer so, um seinen Mitarbeitern Zeit zu geben sich zu sammeln aber auch um ihm in diesem Fall etwas Zeit beim durchsehen der Personalakte Poppe zu haben.

Nach etwas 5 Minuten setzte sich Sam zu Elvira Poppe an den Besprechungstisch. In das Gespräch einführend fragte Sam Elvira Poppe, wie sie denn die gestrigen Ereignisse aufgenommen habe. Es sei doch eine sehr große Änderung durch den Rückzug der Mohnfeld-Brüder und die Änderung der Organisationstruktur für die Klinik und die Mitarbeiter. Elvira Poppe reagierte sehr gelassen und meinte, dass die Änderungen gar nicht so groß seien, für sie und die Mitarbeiter sei es doch letztlich egal, ob die Chefs Mohnfeld oder Schreiber und Grün heißen. Es müsse nur klar kommuniziert werden, wer für was zuständig sei.

Sam hatte den Eindruck, dass Elvira Poppe tatsächlich von dem Führungswechsel unberührt sei und ihn sein Gefühl vom gestrigen Tag doch etwas getäuscht hatte. Frau Poppe machte ihm gegenüber den Eindruck, als ob sie gegen Sam auch keine Vorbehalte hatte. Sie plauderten dann etwas über den Klinikalltag, ihre Funktion und Aufgaben in der Klinik und Elvira Poppe meinte, dass es bestimmt einige Dinge zu verbessern gäbe. Anschließend kam Sam zu dem heiklen Thema der Patientenabrechnungen. Sam meinte, „die Buchhaltung würde sich beschweren, dass die Patientenrechnungen nicht zeitnah raus gehen und der Klinik dadurch ein erheblicher Schaden entstehen würde. Wie kommt denn so etwas zu Stande? Wir möchten doch alle, dass unser Monatsgehalt regelmäßig und pünktlich auf unserem Konto ist.“

Elvira Poppe entgegnete, „Ich habe die Abrechnungen immer pünktlich, wie mit der bisherigen Verwaltungsleitung, Herrn Pommer, vereinbart, heraus gegeben. Wenn dies nun anders gewünscht wird, ist sie natürlich gerne bereit, die Rechnungen zu neuen Zeitpunkten heraus zu geben, wie sie die Verwaltungsleitung festlegt.“ Hinzufügend meinte sie noch, „ich hab ja nichts davon wenn die Rechnungen früher oder später raus gehen.“

Sam erklärte ihr, dass er das gerne zur Kenntnis nehme und sich von der Buchhaltung einen Plan erstellen lassen werde, nach welchem die Rechnungen zukünftig rausgehen werden müssen. „Diesen Plan werde ich wohl in den nächsten Tagen per Mail erhalten und ihnen dann die neuen Termine weiter geben“, sagte Sam.

Das Gespräch abschließend meinte Sam, dass er es sehr interessant fand, das Elvira Poppe Verbesserungspotentiale sehen würde. Er bat sie diese ihm schriftlich einzureichen. Sam wollte jedoch darauf achten, dass nicht wie von Klaus-Johann Mohnfeld gemeint, das Rad neu erfunden wird, fand es aber interessant, dass sich diese Mitarbeiterin Gedanken machte.

Sam informierte Schreiber über den aktuellen Stand und fragte ihn, ob er alleine oder vielleicht besser beide einmal mit Pommer sprechen sollten. „Es wäre doch sicherlich auch in Pommers Sinn, wenn wir gemeinsam mal mit ihm reden, auch im Hinblick auf eine eventuelle Weiterentwicklung Pommers“, meinte Sam.

Da Schreiber Sam zustimmte, wurde über das Vorzimmer gleich ein Termin für eine Stunde später vereinbart.

Pommer erschien in Sam’s Büro und Schreiber stieß sofort zu den Beiden hinzu. Erich Pommer machte, so meinten Sam und Schreiber übereinstimmend, einen jämmerlichen verängstigten Eindruck. Schreiber, der Pommer schon etwas länger kannte, fragte deshalb „was ist denn mit ihnen los? Haben sie Angst vor uns oder was ist? Wir tun doch niemandem etwas.“ Aber Pommer bleibt still und antwortet nicht.

„Herr Pommer, wir haben sie zu uns gebeten um uns etwas besser kennen zu lernen und um uns mit Ihnen abzustimmen“, sagte Sam, dem das Ganze nun doch langsam auf den Nerv ging, „außerdem möchten wir gerne von ihnen Informationen haben, die nur sie uns geben können“.

Pommer sinkt immer weiter in sich zusammen und nuschelt kaum hörbar: „ich möchte hiermit kündigen, wenn möglich fristlos.“

Jetzt wird es auch Schreiber zu dumm und deshalb sagt er „raus mit der Sprache was ist los.“

Pommer aber flüstert immer wieder „ich kündige hiermit fristlos, ich muss schnell weg. Kann ich endlich gehen?“

Nach einer halben Stunde in welcher Sam und Schreiber ständig versuchten Pommer zum reden zu bringen, sagte Schreiber, „ok wenn es das ist was sie wollen, dann soll es so sein.“

Als Pommer dies hörte, sprang er auf, rannte aus Sam’s Büro und dem Verwaltungsgebäude und verließ augenblicklich auch das Klinikgelände.

Das Ganze erinnerte schon fast an eine Flucht.

Sam und Schreiber sahen sich verwundert an und hatten den gleichen Gedanken. Sofort wurde die Buchhaltung im Harz angerufen und mit einer sofortigen Überprüfung der Bücher hinsichtlich einer Unregelmäßigkeit durch Erich Pommer begonnen.

Schreiber und Sam konnten diesen Abgang nicht glauben. So etwas hatten sie in ihrer langjährigen beruflichen Laufbahn noch nie erlebt.

Wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte, muss Pommer über Nacht komplett seine Zelte auf dem Gelände der Mohnfeldkliniken abgebrochen haben, denn nachdem Pommer Sam’s Büro verlassen hatte, wurde er von niemandem mehr gesehen. Seine schriftliche fristlose Kündigung hatte er zuvor noch im Geschäftsleitungssekretariat abgegeben.

Nun mussten Schreiber und Sam unter sich die Aufgaben und Arbeiten von Pommer aufteilen und dringend nach Ersatz suchen.

Um Sam und Schreiber wieder schnell zu entlasten, holten sie die bisherige stellvertretende Verwaltungsleiterin aus Leipzig nach Brandenburg. Bis dies jedoch zum Tragen kam ging die Woche vorüber. Mit Hilfe der Sekretärinnen Müller und Schmidt, wurden die aktuellen Arbeiten von Pommer analysiert und kategorisiert.

Am frühen Abend kam dann die Mitteilung aus der Buchhaltung, dass alles korrekt abgerechnet sei und keine unerklärbaren Zahlungen von Pommer angewiesen wurden.

Nachdem diese Formalie geklärt war, riefen Sam und Schreiber die Personalchefin Dr. phil. Karola Kociekowa zu sich um die Eckdaten einer sofortigen Ausschreibung der Stelle festzulegen und deren Veröffentlichung zu veranlassen.

Intern waren sich Sam und Schreiber darüber einig, dass zukünftig nur ein neuer Mitarbeiter aus Westdeutschland für die Stelle in Frage kommen würde.

Dr. Karola Kociekowa notierte sich wie in Trance alles, was Schreiber und Sam als Grundlagen für die Stellenausschreibung festlegten. In ihrem Kopf schwirrte nur der Gedanken herum, „wie kann ich auf dem schnellsten Wege Elvira Poppe und die Pawlowa informieren und wann sind denn die Zwei hier endlich fertig? Hatte Poppe nicht gesagt, sie hätte Schreiber im Griff?“

Endlich, Sam und Schreiber sind fertig und Kociekowa will gehen, da sagt Sam noch, er möchte den Anzeigenentwurf in einer halben Stunde auf dem Tisch haben. Wie sollte Sie das so schnell fertig bringen? Sie muss doch schnellstens telefonieren.

Also ging sie aus Sam’s Büro, warf ihre Unterlagen auf ihren Schreibtisch und verschwand auf der Toilette um sofort Poppe anzurufen und ihr von den neusten Entwicklungen zu berichten.

Nachdem Elvira Poppe hörte, was sich heute mit Pommer abgespielt hatte, rief sie sofort bei Olga Pawlowa an, erklärte ihr, dass Pommer offenbar untergetaucht sei und sie sich sofort mit ihren Freunden von KGB auf die Suche machen müsse. Auf die Frage von Olga Pawlowa was sie mit ihm machen soll, wenn sie ihn hat, meinte Elvira Poppe nur: „Blöde Frage, wie immer natürlich, aber krieg ihn erst einmal. Er hat jetzt fast einen Tag Vorsprung.“

Elvira Poppe hatte keine Angst, dass Pommer etwas ausplaudern würde oder sonst einen Verrat begehen könnte, obwohl er als Mitglied des Politbüros viel wusste, wie zum Beispiel die Geschichte um Schreibers Schwalbe oder auch der zu erwartende Besuch. Aber sie war sich sicher, er wird nicht reden, denn dann wäre auch er dran. Also wird er versuchen sich abzusetzen.

Sie wollte deshalb neben den alten KGB-Seilschaften auch ihre alten Stasi-Informanten bzw. informelle Mitarbeiter, die noch nicht geoutet sind einschalten.

Kurz vor dem Zusammenbruch der DDR und der Sowjetunion hatte Elvira Poppe, eine sehr gute Informatikerin, geheime Datenbanken des Ministeriums für Staatssicherheit und des KGB-Stützpunktes in Berlin-Karlshorst kopiert und ist damit in der Lage, auf alle relevanten Personen zu zugehen und sie zu aktivieren. Sie hatte die Daten vor dem Zugriff des Volkes in Sicherheit bringen und die Originale zerstören können.

Die Computer, die diese Datenbank bearbeiteten, nahmen in ihrer Wohnung 3 große verdeckte Wandschränke in Anspruch und keiner wusste etwas davon, außer ihr früherer Vorgesetzter und die Ehefrau des früheren Staatsratsvorsitzenden. Und dies sollte auch so bleiben.

Elvira Poppe führte mit einigen Personen nun noch Telefonate um Pommer wie einen Hasen zu jagen und dann auch erlegen zu lassen. Poppes und Pawlowas Vorliebe für das Erlegen waren unauffällige Unfälle und wenn es schnell gehen musste, die Drahtschlinge und für das Aufräumen hinterher das verschwinden lassen der Leichen mit Betonschuhen in einem der vielen Seen in der Umgebung.

Während bei Poppe und Pawlowa die Telefonleitungen glühten und daraufhin zig Ex-Kollegen zu Bahnhöfen, Flughäfen usw. aufbrachen, nahm Sam die Stellenausschreibung von Dr. Kociekowa entgegen und ordnete an in welchen Medien die Anzeige zu erscheinen hat. Dies war für Kociekowa neu, weil sie bisher immer diese Dinge alleine entscheiden durfte. Aber sie fügte sich und bereitete alles nach Sam’s Wünschen vor.

Sam traf beim Verlassen des Verwaltungsgebäudes auf Mark Schreiber und meinte spaßeshalber ob es wohl hier immer so turbulent zugehen würde. Beide machten noch ihre Späße über die eine oder andere Situation des heutigen Tages und verabschiedeten sich dann von einander.

Als Sam zu Hause war, war es fast 19 Uhr und dann auch Zeit sofort seine Mariella im Schwarzwald anzurufen. Er erzählte ihr vom heutigen Tag und vor allem was er mit Pommer erlebt hatte. Mariella wiederum erzählte Sam, vom Fortschritt der Umzugsvorbereitungen und dass neben Nina, auch ihre Freundin Christina mitgeholfen haben. Für den nächsten Tag haben sich neben Nina auch noch Mariellas Schwestern Ursula und Andrea mit ihrer Tochter Jessy zum Packen angesagt. Mariella war sich sicher, dass alles für den großen Umzug mit einer Umzugsfirma fertig werden würde.

Mariella meinte noch, dass es ihr gut tun wird, wenn sie nach dem Umzug einige Zeit zur Regeneration haben würde und ein neuer Job nicht gleich da sein müsste.

Sam informierte Mariella noch darüber, dass er sich am nächsten Morgen mit der Leiterin der Montessorischule auf dem Gelände treffen würde, um mit ihr über seinen neuen Job für Mariella zu sprechen. „Die hat sich riesig über meinen Anruf und vor allem über deine außergewöhnlich tolle Ausbildung gefreut. Mal sehen was die morgen sagt“, meinte Sam.

Da Sam sich ja noch mit Lou Berger in dessen Wohnung treffen wollte, aß er ein paar Bissen und machte sich auf den Weg. „Hoffentlich find ich die Wohnung gleich“, dachte Sam.

Er machte sich aber zu Unrecht darüber Gedanken, denn als Sam das Haus verließ, kam ihm schon Lou Berger entgegen. Er führte Sam auf dem direkten Weg zu seiner Wohnung und meinte süffisant, „die gehört auch Klaus-Johann Mohnfeld, wie eigentlich alles hier.“

In der Wohnung angekommen kam Sam nicht mehr aus dem Staunen heraus. Lou Berger hatte nicht nur eine sehr umfangreiche Plattensammlung mit Sam’s Lieblingsbands, nein, er hatte auch noch eine Gitarrensammlung mit Instrumenten von Gibson und Fender. Auf einer Gibson SG war sogar ein Originalautogramm von dem weltbekannten Bandleader und Gitarristen Carlos Santana, nach Sam’s Meinung einer der besten Gitarristen aller Zeiten. Sam war überwältigt.

Lou Berger erzählte Sam, dass er bei einer Deutschland-Tournee von Santana als Roady mit dabei war und in Carlos Santana persönlich einen tollen Menschen kennen gelernt hat.

Nach etwa einer Stunde wollten Sam und Lou noch in die Pizzeria auf dem Klinikgelände gehen um etwas zu essen und zu trinken. Jetzt hatte Sam einen mords Hunger und Lust auf einen schönen samtigen Chianti.

Während des Essens erzählte Lou Berger, über sein Leben auf dem Klinikgelände und gab Sam einige Verhaltensregeln mit auf den Weg, mit denen Lou Berger bisher auf dem Klinikgelände ganz gut zu Recht gekommen ist.

Nachdem sie sich von einander verabschiedeten, meinte Lou Berger noch zu Sam, „Merke dir eines, hier auf dem Gelände wirst du immer und überall und eigentlich auch durch jeden den du siehst oder auch nicht siehst beobachtet. Und wenn du dir einen privaten Ausrutscher leistest, egal welcher Art, bist du erpressbar und das wird für deren Zwecke ausgenutzt. Du bist hier in der guten Stube der Stasi. Deswegen habe ich meine Aktivitäten jeglicher Art nach Berlin-West verlegt, aber auch dort können sie dich kriegen, wenn sie es darauf anlegen. Du bist hier in einer sehr exponierten Stellung und damit potentieller Gegner und auch ein ständiges Angriffsziel.“ Zur Untermauerung seiner Worte wies Lou Berger mit seinen Augen und dem Kinn auf einige Personen hin, die nach Meinung von Sam eher zufällig unweit von ihnen standen oder vorbeigingen.

Sam bedankte sich bei Lou für den schönen Abend und sie verabredeten sich zu einem Schallplattentausch, sobald Sam seine eigene Sammlung in seiner Wohnung haben würde. Und so ging jeder seinen Weg.

Auf dem Rückweg zur Wohnung wollte Sam die Schlussworte von Lou testen und sah sich unauffällig immer wieder um und ging hoch konzentriert weiter. Sam konnte aber keine Beobachtungen oder ähnliches feststellen und so ging er auf direktem Wege nach Hause, duschte noch kurz und ging ins Bett.

Sam schlief tief und fest ein, was nicht zu letzt dem guten Chianti, den er getrunken hatte, zu verdanken war.

Um 6 Uhr klingelte Sam’s Wecker. Sam wollte heute wieder mit dem Joggen beginnen und so frühstückte er kurz, trank 3 Tassen Kaffee und rauchte eine Zigarette. Er nahm sich einen Plan des Klinikgeländes zur Hand, wärmte sich auf und begann zu laufen. Die gute frische Waldluft tat gut und so kam Sam nach einer knappen halben Stunde wieder in seiner Wohnung an, duschte und rasierte sich und machte sich auf den Weg zur Arbeit.

Kurz vor 8 Uhr war Sam bei der Verwaltung angekommen und ging gut gelaunt in sein Büro. Er stimmte die heutigen Termine mit Frau Müller ab und ließ sich Kaffee bringen.

Den ersten Termin hatte Sam um 9 Uhr mit Frau Karin Müller-Tonfeld, der Leiterin der Montessorischule auf dem Klinikgelände. Sie trafen sich direkt vor der Schule und Frau Müller-Tonfeld hatte die Bewerbungsunterlagen von Mariella in der Hand. Nach einer kurzen Begrüßung und einem kleinen Smalltalk gingen beide in das Büro von Müller-Tonfeld.

Dort eröffnete Sie Sam, dass die Schule Mariella gerne sofort haben möchte. „Wie sie wissen Herr Grün“, sagte Karin Müller-Tonfeld, „sind wir eine Montessorischule, allerdings hat unsere Schule leider keine Fachkraft und deshalb wollen wir gerne Ihre Frau Mariella so schnell wie möglich einstellen. Da unsere Schule keine staatliche Schule ist, müssen die Eltern für die Schule aufkommen und Schulgeld bezahlen. Dies bedeutet, dass wir keine üblichen Lehrergehälter bezahlen können. Ihre Frau würde deshalb mit einem Anfangsgehalt von 1.000€ beginnen. Meinen Sie Ihre Frau könnte sich damit zumindest vorläufig zufrieden geben?“

Sam nahm die Ausführungen von Karin Müller-Tonfeld zur Kenntnis und bat sie sich die Höhe des Gehaltes noch einmal zu überlegen, aber er versprach mit Mariella die Angelegenheit zu besprechen und ihr kurzfristig Bescheid geben.

Mariella hat, wenn sie möchte, sofort einen neuen Job, allerdings zu Konditionen, die unter aller Sau sind, dachte Sam, mal sehen wie sie sich entscheidet.

Die Schule hat ja auch Vorteile, zum Beispiel braucht sie kein Auto, muss nicht Bus oder Zug fahren, kann auch dabei helfen ein Projekt zum Erfolg zu führen usw. sagte sich Sam. Nur das Gehalt, für das in Bad Liebenzell nicht mal ein Hausmeister oder Hilfsarbeiter arbeiten würde? Sam war sich nicht sicher, wie sich seine geliebte Frau entscheiden würde.

Auf dem Weg zurück zur Verwaltung telefonierte Sam kurz mit Mariella und informierte sie über das Gespräch mit Karin Müller-Tonfeld. Sam meinte, Mariella solle keine übereilte Entscheidung treffen und sie solle sich das Ganze erst mal durch den Kopf gehen lassen; heute Abend wollten sie dann gemeinsam das für und wider abwägen und eventuell am Wochenende, wenn Sam wieder in Bad Liebenzell ist, gemeinsam entscheiden.

Als Sam auf dem Weg zur Verwaltung an der Kinderklinik vorbei kam, sah er mehrere Mütter und Väter mit Kindern, die wohl in der Klinik zur Behandlung sind. Er ging zu den Familien hin und versuchte durch Smalltalk mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, was auch gut funktionierte. Alle, Eltern und Kinder meinten übereinstimmend, dass alles ganz toll hier sei, außer wenn der „Feldwebel“ da ist, dann würde es nicht so gut sein. Die Ärzte sind in Ordnung, die Psychologen würden sich häufig Dinge heraus nehmen, die ihnen nicht zu stehen würden.

Sam bedankte sich und ging weiter seines Weges zur Verwaltung, wo er auch nach kurzer Zeit ankam. Über die Aussagen der Patienten hatte er sich eigentlich gefreut, nahm sich aber vor am Nachmittag die Klinik nochmals auf zu suchen und vorher die Patientenbefragungen der letzten Wochen an zu sehen. So Ausdrücke wie „Feldwebel“ oder „die kümmern sich um Dinge die sie nichts angehen“ mochten Sam nicht sehr gefallen. Ok, es kann eine Momentaufnahme sein oder neue Patienten, man wird sehen.

In der Verwaltung angekommen kam Mark Schreiber aus seinem Büro und sagte Pommer habe sich gemeldet und um ein Arbeitszeugnis gebeten. „Er ist jetzt wohl in Tschechien in einem Hotel und wir sollen das Zeugnis so schnell wie möglich dahin schicken, auf sein Gehalt für diesen Monat verzichtet er und er bittet darum seinen Aufenthaltsort geheim zu halten, was ich ihm auch zugesagt habe. Frau Dr. Kociekowa erstellt bereits das Zeugnis“, meinte Schreiber.

„Er rückt immer noch nicht mit der Sprache raus. Er meinte vielleicht in ein paar Wochen“, sagte Schreiber noch hinzufügend.

Mark Schreiber wollte sich um alles Weitere kümmern. Mit seiner Sekretärin Frau Müller suchte Sam das Büro von Pommer auf, um zu sehen an welchen Dingen er gearbeitet hatte um diese gegebenenfalls fertig zu stellen oder weiter zu führen. Frau Müller sollte außerdem auch eine schriftliche Aufstellung über diese Aufgaben machen. Auch Akten die liegen geblieben waren und nicht bearbeitet wurden mussten gesichtet, priorisiert und eventuell weiter bearbeitet werden.

Diese Aktion nahm nun doch sehr viel Zeit in Anspruch, so dass Sam erst gegen 14.30 Uhr dazu kam die Kinderklinik aufzusuchen. Frau Müller bat er, erst nach etwa 10 Minuten beim dortigen Chefarzt Sam’s Besuch zu avisieren, denn Sam wollte sich erst alleine einen Überblick verschaffen und so betrat er die Kinderklinik und ging über den Flur am Schwesternzimmer vorbei in den Aufenthaltsbereich für die kleinen Patienten und deren Familien oder Eltern.

Die Räumlichkeiten der Kinderklinik waren nach Ansicht von Sam nicht sehr geschmackvoll, eher im Stile Gelsenkirchener Barock eingerichtet.

„Da muss sich aber was ändern“, dachte sich Sam.

Nachdem er am Schwesternzimmer vorbei gegangen war, sah er eine Krankenschwester die telefonierte und sich mit ihrem Telefonpartner lautstark auf Russisch unterhielt.

Sam grüßte und ging weiter zum Aufenthaltsbereich, als ihm eine Mutter weinend, aus einem Büro kommend, entgegen kam und kurz vor ihm ohnmächtig wurde. Sam konnte die Frau gerade noch auffangen. Er rief sofort um Hilfe, aber nichts tat sich. Es kam niemand, der ihm mit der Frau half. Sam rief noch mal um Hilfe, jetzt noch lauter als zu vor, und wieder kam keine Reaktion. Aus dem Schwesternzimmer oder aus einem der Büros hätte jemand kommen müssen, aber keiner reagierte.

Nach langen 2 Minuten kam zufällig ein Arzt aus einem anderen Stockwerk vorbei, den Sam sofort aufhielt und ihm die Frau übergab.

Sam dachte so etwas geht gar nicht.

Er ging auf direktem Weg zum Schwesternzimmer, in dem immer noch die Krankenschwester telefonierte. Sam reichte es. Er forderte die Schwester auf sofort ihr Telefonat zu beenden und zu der Frau zu gehen. Die Krankenschwester reagierte noch immer nicht. Da ergriff Sam zu einem Mittel welches er noch nie hatte anwenden müssen. Er ging zu der Krankenschwester, nahm deren Telefonhörer aus der Hand und legte auf. Anschließend wollte er die Krankenschwester zur Rede stellen, aber diese Krankenschwester brüllte ihn an, was ihm denn einfallen würde, sie habe ein wichtiges Telefonat und sie lasse sich nicht unterbrechen.

Nachdem Sam wieder seine Kontenance erreicht hatte, sagte er leise und ruhig, ob sie denn wisse wer er sei? Die Krankenschwester reagierte nicht und brüllte weiter, dann sagte Sam zu ihr, „wenn sie ihren Job behalten wollen, gehen Sie jetzt sofort zu der Frau und helfen dem Arzt und morgen früh um 8 Uhr erwarte ich sie in meinem Büro in der Geschäftsleitung. Eine Entschuldigung ihrerseits erwarte ich und eine Abmahnung für ihr Fehlverhalten können sie dann in Empfang nehmen. Wie ist ihr Name?“

Die Krankenschwester antwortete: „Ich heiße Olga Pawlowa und wer sind sie?“ Sam sagte nur „ihr neuer Chef, Samuel Grün“.

Sam drehte sich um, nahm sein Handy und telefonierte mit Dr. Kociekowa von der Personalabteilung, erklärte kurz den Sachverhalt und sagte dass eine Abmahnung für Olga Pawlowa zu erstellen ist und bis heute Abend auf seinem Schreibtisch zu sein hat.

Als nächstes ging Sam auf die Tür zu, aus welcher die Frau heraus gekommen war. Es war ein Büro der Psychologin Petra Kopper. Sam klopfte kurz und betrat sofort das Büro. Die Psychologin Petra Kopper saß an ihrem Schreibtisch und las in einer Modezeitschrift.

Nachdem Sam im Büro stand, schaute Frau Kopper auf und meinte, sie habe nicht herein gesagt. Sam schaute die Frau ruhig an und sagte, „das ist mir egal. Offensichtlich haben Sie viel Zeit. Haben Sie meine Hilferufe nicht gehört? Draußen ist eine Frau, die kurz vorher in Ihrem Büro war, ohnmächtig geworden. Warum sind sie nicht herausgekommen um zu helfen?“

Petra Kopper sagte, „das geht sie gar nichts an, außerdem war ich beschäftigt.“

Sam dachte er sei im falschen Film. Saß doch die Psychologin an ihrem Schreibtisch und hatte eine Modezeitschrift in der Hand und von Arbeiten keine Spur.

Nun hatte Sam genug und sagte: „Ihr Name ist Petra Kopper gut. Meiner ist Samuel Grün, ich bin ihr neuer Chef. Sie kommen morgen früh um 8 Uhr in mein Büro. Dort können sie ihre Abmahnung abholen. Seien Sie froh, dass ich erst seit 3 Tagen da bin; sonst hätten sie ihre Papiere abholen können. So etwas was hier abläuft habe ich noch nie gesehen. Die Klinik scheint ein richtiger Saustall zu sein. Sie können sicher sein, dass ich diesen Saustall schnellstens ausmisten werde.“.

Innerlich aufgebracht verließ Sam das Psychologenbüro und ging in Richtung Chefarztbüro, welches im 2. Stockwerk lag. Dort angekommen ließ er sich von der Chefarztsekretärin nicht aufhalten und ging in das Chefarztzimmer. Der Chefarzt hatte ihn schon erwartet und bot Sam Kaffee an.

Doch Sam lehnte dankend ab und erzählte dem Chefarzt von seinen Erlebnissen mit der Krankenschwester Pawlowa und der Psychologin Kopper. Er sagte dem Chefarzt, dass beide eine Abmahnung erhalten werden und er von der Pawlowa zusätzlich noch eine Entschuldigung erwarte.

„Im Übrigen“, meinte Sam, „ich erwarte von Ihnen als Chefarzt, dass sie ihren Laden im Griff haben. Wenn dem nicht so ist oder sein sollte, muss sich die brandenburgische Mohnfeldklinik einen neuen Chefarzt suchen. Wir werden morgen um 8.30 Uhr in meinem Büro treffen und unser Gespräch fortsetzen.“

Sam verließ das Chefarztbüro und wunderte sich über die Gleichmut von Dr. van der Hogh wegen des Vorfalles.

Im Büro angekommen informierte Sam Dr. Kociekowa, dass auch die Psychologin Petra Kopper eine Abmahnung wegen unterlassener Hilfeleistung erhalten würde, und fragte ob bei Pawlowa und Kopper Probezeiten noch laufen oder ob Kündigungen formal möglich wären.

Anschließend erkundigte er sich bei der Patientenmutter nach ihrem Befinden und bat sie darum am morgigen Tag in die Verwaltung zu ihm zu kommen.

Sam musste unbedingt Dampf ablassen und mit jemandem über das Erlebte sprechen. Er ging deshalb in das Büro von Mark Schreiber und berichtete was er gerade erlebt hatte. Schreiber schüttelte ungläubig nur mit dem Kopf. Am Ende meinte Schreiber, dass die beiden Damen mit einer Abmahnung wohl sehr gut weg kommen, eigentlich wäre eine fristlose Kündigung angebracht; aber, „da wir aber erst seit 3 Tagen im Amt sind, sollte dies als ernsthafter Warnschuss ausreichen,“ meinte Schreiber.

Zwischenzeitlich brachte eine Mitarbeiterin von Dr. Kociekowa die erstellten Abmahnungen zur Unterschrift ins Sekretariat der Geschäftleitung.

Mark Schreiber, sagte Sam außerdem noch, dass er wie besprochen Klaus-Johann Mohnfeld per Email und SMS über die Ereignisse mit Pommer informiert habe, das Zeugnis von Dr. phil. Karola Kociekowa derzeit erstellt wird und nur er und seine Sekretärin Frau Schmidt die derzeitige Anschrift von Pommer wissen.

Kurz vor 17 Uhr kam das OK von Klaus-Johann Mohnfeld über die Verfahrensweise in der Angelegenheit Pommer.

Gegen 18 Uhr verließ Sam sein Büro und begegnete der Personalchefin Kociekowa am Schreibtisch von Mark Schreibers Sekretärin, Frau Schmidt. Kociekowa meinte, sie suche einen Vorgang, den sie Frau Schmidt schon vor Tagen gegeben hätte. Sam dachte sich nichts dabei und verließ die Klinik in den wohlverdienten Feierabend.

Kociekowa, suchte tatsächlich einen Vorgang, nämlich den Vorgang Pommer mit der aktuellen Anschrift. Und sie wurde schnell fündig.

Kurze Zeit später rief Kociekowa bei Elvira Poppe an und übermittelte die Daten, die ihrerseits die Pawlowa informierte. Pawlowa setzte daraufhin sofort ihre früheren KGB-Agenten in Tschechien zur Überwachung an. Gleichzeitig schickte sie ein Spezialkommando des früheren KGB aus Karlshorst, welches sie selbst ausgebildet hatte und im Moment eine Schläferzelle war, in Richtung Cheb in Tschechien in Bewegung.

Den ehemaligen KGB-Leuten des Spezialkommandos machte sie klar, dass ein Unfall die einzige Option sei.

Von dem nichts ahnend, telefonierte Sam mit Mariella im Schwarzwald und ließ sich ihren Tag und bisherigen Abend beschreiben um dann anschließend Mariella von den Ereignissen in der Kinderklinik zu berichten. Als Mariella Sam’s Schilderungen angehört hatte, meinte sie dass sie von einem derartigen Verhalten von Klinikpersonal noch nie gehört habe und schon eine großes Maß an Rücksichtslosigkeit dazu gehöre so zu reagieren, wie dies die Pawlowa und Kopper gemacht haben.

Nach dem Telefonat mit Mariella, aß Sam etwas und setzte sich in seinen neuen Garten, machte Pläne im Kopf wie die Umgestaltung des Gartens aussehen könnte, wo der von Mariella gewünschte Koi-Teich unterbracht wird usw.. Während er so da saß, einen Espresso trank und sich eine Pfeife angezündet hatte, bemerkte er, dass seine Nachbarn ihn neugierig beobachteten, aber nicht ansprachen.

Erst als zufällig Karin-Müller-Tonfeld, die Rektorin der Montessorischule, an Sam’s Grundstück vorbei fuhr, anhielt als sie ihn sah, ausstieg und ein Gespräch mit Sam über belanglose Dinge begann, näherten die Nachbarn. Sam konnte es nicht einschätzen, ob sie jetzt doch auch mal mit ihm sprechen wollten, oder ob sie nur das Gespräch mit anhören wollten.

Nachdem Sam Frau Müller-Tonfeld noch keine Entscheidung Mariellas bezüglich der Stelle geben konnte, verabschiedete sie sich ebenso wie die Nachbarn, die allerdings noch einen kurzen Gruß an Sam gaben.

Am nächsten Morgen, Sam hatte seine Joggingtour beendet, geduscht, gefrühstückt, ging er nun langsam in Richtung Klinikverwaltung.

Dort angekommen, es war kurz vor 8 Uhr, erwarteten ihn bereits Frau Müller, Frau Dr. Kociekowa und die Psychologin Petra Kopper aus der Kinderklinik.

Frau Dr. Kociekowa legte Sam sofort die Abmahnungen Kopper und Pawlowa und die Personalunterlagen von Pawlowa, Kopper und dem Chefarzt der Kinderklinik vor und verschwand. Sam meinte noch zu Frau Kopper, sie möchte sich noch einen Moment gedulden bis er sie in sein Büro herein rufen würde. Dann ging Sam mit Frau Müller in sein Büro und sie checkten die Termine des heutigen Tages ab. Zum Schluss bat Sam Frau Müller noch Mark Schreiber zu dem Gespräch mit dem Chefarzt der Kinderklinik dazu zu holen, wenn dieser da sei.

Nach einigen Minuten bat Sam die Psychologin Petra Kopper in sein Büro und begann das Gespräch mit einem kurzen Smalltalk um dann anschließend auf die Geschehnisse des letzten Tages mit der ohnmächtigen Frau in der Kinderklinik überzuleiten.

Als Sam Frau Kopper, die nun etwas verunsichert wirkte, fragte was denn gestern los gewesen und warum sie nicht sofort zu Hilfe gekommen sei, meinte diese, „die Frau ist in meinen Augen eine absolut unfähige und dumme Mutter und das Kind könne meiner Meinung nach, nach seiner Gehintumor-OP nicht mehr in eine Allgemeinschule gehen, weil es die Schule sowieso nicht schaffen würde. Dies habe ich der Mutter auch so gesagt, die daraufhin hysterisch reagiert und mein Büro verlassen hat. Dass die draußen noch mehr Theater macht war mir klar und deshalb hab ich nicht auf die Hilferufe reagiert.“

Sam erwiderte, „die Sachlage ist eine andere, Sie haben einer Patientenmutter, die hier in diesem Hause eine Kundin ist, in einer Art und Weise zugesetzt, wie sie das bestimmt in ihrem Studium nicht gelernt haben. Kunden dieses Hauses sind immer und überall und von jedem Mitarbeiter freundlich und zuvorkommend zu behandeln und wenn sie in Not sind, egal wie und wo und warum, ist ihnen sofort Hilfe zu leisten. Haben wir uns da klar verstanden?“ Hinzufügend sagte Sam noch, „ich habe bereits vor diesem Vorfall nicht gerade positive Rückmeldung über die Arbeit der Kinderpsychologen der Kinderklinik von einer Vielzahl anderer Patienten erhalten. Da muss sich zukünftig etwas ändern, aber das bespreche ich gleich mit ihrem Chefarzt.“

Nach dieser Standpauke übergab Sam Frau Kopper die Abmahnung.

Da geschah für Sam etwas Verwunderliches. Statt geknickt oder verärgert zu sein, lächelte ihn Frau Kopper an und versuchte mit ihm zu flirten, was Sam absolut nicht in den Kram passte, daher fragte er noch nach, ob es in der Kinderklinik Pädagogen gibt, die abschätzen können, ob ein Kind in eine Allgemeinschule oder Sonderschule müsse und ob es in dem vorliegenden Fall gegebenenfalls eine Absprache mit einem Pädagogen gegeben habe. Petra Kopper, immer noch flirtend, antwortete, dass es wohl Pädagogen in der Kinderklinik gibt, aber eine Rückkopplung mit den Pädagogen fand sie nicht für notwendig, weil die Pädagogen für den Unterricht zuständig sind und keine Gutachten abgeben.

Hinzufügend meinte Petra Kopper, dass sie aus West-Berlin sei und erst seit knapp 3 Monaten in der Klinik arbeiten würde. Damit ist sie noch in der Probezeit, davor war sie 2 Jahre arbeitslos.

„Ich würde alles, wirklich alles, tun um meinen Job zu behalten“, erklärte Petra Kopper mit einer leicht heiseren Stimme.

Sam meinte darauf hin, dass sie nur ihre Arbeit gut machen müsse, dann würde die Probezeit sicherlich auch gut über die Bühne gehen. Nachdem Petra Kopper immer näher an Sam heran rückte, beendete dieser abrupt das Gespräch und meinte, dass sich in Zukunft wohl einiges ändern werden müsse und er schob Petra Kopper doch etwas unsanft aus seinem Büro.

Sam erwartete nun, dass Olga Pawlow, die telefonierende Krankenschwester vor der Tür warten würde, stattdessen wartete bereits der Chefarzt der Kinderklinik.

Von der Pawlowa war weit und breit nichts zu sehen. Er bat deshalb den Chefarzt herein und fragte Frau Schmidt, ob Mark Schreiber auch soweit wäre hinzu zu kommen. Dieser brauchte aber noch einige Minuten, bis er sich frei machen konnte und so waren der Chefarzt und Sam kurze Zeit alleine in Sam’s Büro.

In dieser kurzen Zeit erfuhr Sam, dass der Chefarzt Dr. Timm van der Hogh hieß und aus Emden stammte. Er ist mit einer Ärztin verheiratet ist und hat 2 kleine Kinder. Seine Familie wohnt noch immer in Emden. Er selbst sei erst seit etwa 7 Monaten in der Kinderklinik und noch am Aufbau seiner Strukturen tätig, was ihm aber immer wieder durch „den Leitenden“ sehr schwer gemacht wird.

Auf die Frage wo denn Olga Pawlowa sei, konnte er keine Antwort geben und rief umgehend in Schwesterzimmer der Kinderklinik an. Dabei erfuhr er, dass die Pawlowa kurzfristig Urlaub für 3 Tage beantragt habe und dieser Urlaub wie üblich telefonisch über den leitenden Chefarzt Dr. Dr. Bergovic genehmigt worden war. Die Krankenschwester am Telefon beschwerte auch gleich bei van der Hogh, dass sie jetzt unterbesetzt seien und viel mehr Arbeit hätten.

Dr. Tim van der Hogh meinte zu Sam, dies sei anscheinend hier so üblich, dass „Der Leitende“ Urlaube usw. genehmigen würde. Für ihn und seine Kinderklinik seien dadurch bereits erhebliche Personalprobleme entstanden. Ebenso würde er Mitarbeiter einstellen, entlassen oder versetzen, ohne mit dem jeweiligen Chefarzt zu reden, wie es ihm gerade in den Kram passen würde.

Da Mark Schreiber in der Zwischenzeit zu Sam und van der Hogh gestoßen war, hörten sie sich die Ausführungen von Tim van der Hogh doch etwas ungläubig an.

Mark Schreiber, der ja aus der Leipziger Klinik nach Brandenburg gekommen war, und Sam, der aus einem großen Klinikkonzern kam, kannten derartige lähmende Strukturen in den Kliniken nicht. Um zu erfahren, was Dr. van der Hogh bisher an Strukturänderungen in seiner Klinik vor hatte und hat, ließen die beiden Zuhörer den Chefarzt erzählen und hörten dabei Dinge, die beide aus ihren bisherigen Kliniken bereits kannten und dort Standard sind, jedoch in der brandenburgischen Mohnfeldklinik neu erfunden werden müssen, wie „der Leitende“ dies Dr. van der Hogh sagte.

Nachdem Dr. Tim van der Hogh nach 3 Stunden Sam’s Büro verlassen hatte, sahen sich Sam und Schreiber an, als ob sie hier auf einem anderen Stern leben würden. Sam und Schreiber fielen dann die Worte von Klaus-Johann Mohnfeld ein, die im Gespräch mit Sam fielen und es wohl zutreffend ist, dass an der brandenburgischen Mohnfeldklinik das Rad neu erfunden werden soll.

Sam und Mark Schreiber meinten übereinstimmend, dass an der Klinik sehr, sehr vieles im Argen liegen würde und man im Endeffekt nicht weiß wo man zuerst anfangen sollte. Sam und Mark Schreiber vertagten sich auf den Nachmittag um 16 Uhr, um dann die notwendigen Maßnahmen zu planen.

Sie verständigten sich auch darauf, die beiden Sekretärinnen und die Personalchefin mit ins Boot zu holen, da sicherlich einiges zu Tun sein würde und die Last der Arbeit besser auf 5 Schultern verteilt werden sollte.

Beim Hinausgehen meinte Schreiber noch, ob die Abmahnungen übergeben worden sind. Sam meinte dazu, dass die Psychologin da gewesen sei, die Krankenschwester Pawlowa aber von Dr. Dr. Bergovic kurzfristig für 3 Tage Urlaub bekommen hat, ohne den Chefarzt der Kinderklinik zu informieren. Schreiber schüttelte nur den Kopf und ließ nun Sam alleine.

Während Sam und Mark Schreiber die Personalgespräche führten, war Olga Pawlowa unterwegs nach Tschechien. Ihre früheren tschechischen Kontaktleute, hatten ihr am Telefon bereits berichtet, dass Pommer rund um die Uhr beschattet wird und dass er so gut wie gar nicht das Hotel in Cheb verlassen würde. Als Olga Pawlowa ihre alten KGB-Gefolgsleute im tschechischen Cheb erreichte, war die Oberservierungsaktion in vollem Gange. Es waren vier KGB-Leute direkt vor dem Hotel im Freien und zwei warteten in einem Kleinlastwagen auf einen günstigen Zeitpunkt für einen Unfall. Im Hotel waren ein KGB-Mann im Foyer, eine KGB-Frau an der Hotelbar und eine im Restaurant postiert. Eine KGB-Mitarbeiterin hielt sich, als Zimmermädchen getarnt auf dem Stockwerk von Pommer bereit.

Die gesamte Einheit war wie zu Zeiten des Kalten Krieges über Funk miteinander verbunden.

Der zuständige KGB-Abteilungsleiter informierte Olga Pawlowa über den aktuellen Stand und auch darüber, dass Pommer nur einmal während der Oberservierungszeit das Hotel verlassen hat um eine Telefonzelle aufzusuchen. Ein Zugriff sei aber zu dem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Er empfahl Pawlowa entweder Pommer aus dem Hotel zu entführen und irgendwo außerhalb einen Unfall zu inszenieren oder den Auftrag im Hotel zu erledigen, denn dort hat es eine schöne große Freitreppe von der Mann eventuell auch herunter fallen könnte.

Die Aufgabe müsste dann aber von seinen Leuten im Hotel vorbereitet werden.

Olga Pawlowa entschied, dass der Treppenunfall die beste und auch sicherste Möglichkeit sei, das Problem Pommer zu erledigen. Der KGB-Abteilungsleiter informierte seine Mitarbeiter, die zunächst den Hotelaufzug außer Betrieb setzten und dafür sorgten, dass Pommer zum Mittagessen in das Restaurant gehen musste. Als alles vorbereitet war, betrat Pawlowa das Hotel durch einen Seiteneingang und ging auf das Stockwerk in welchem Pommers Zimmer lag. Erich Pommer öffnete etwa 10 Minuten später seine Zimmertür und ging zum Fahrstuhl, dort hing jedoch das Schild „Außer Betrieb“. Er drehte sich um, um zur großen Freitreppe zu gelangen.

Nachdem er auf dem Treppenabsatz stand, trat Pawlowa aus ihrem Versteck und sprach Pommer kurz an. Der zuckte zusammen und Olga Pawlowa stach ihm mit einer langen sehr dünnen Nadel von hinten ins Herz und gab ihm einen heftigen Stoß. Erich Pommer stürzte fast die 15 Meter lange Treppe herunter, er hatten einen sofortigen Herzstillstand, brach sich das Genick und war sofort tot. Ein KGB-Mitarbeiter der im Foyer stationiert war, meldete sich sofort als Arzt um zu helfen. Tatsächlich sollte nur geprüft werden, ob Pommer auch wirklich tot ist.

Nachdem die von der Rezeption verständigte Polizei nach 15 Minuten erschien, waren alle KGB-Leute, einschließlich Olga Pawlowa, aus dem Hotel verschwunden.

Pawlowa saß noch einige Zeit mit dem KGB-Abteilungsleiter im Auto, um die weiteren Geschehnisse abzuwarten. Als sie feststellen konnte, dass die Polizei keine Mordermittlungen aufgenommen hatte, also nur die Schutzpolizei kam, stieg sie aus dem Auto aus, nahm ihren Koffer und bewegte sich auf den Hoteleingang und die Rezeption zu um sich für einen Tag ein Zimmer auf einen falschen Namen anzumieten. Sie wollte dadurch sehen, ob Pommers Sturz bei der Polizei weiter als Unfall durchging oder ob nicht doch noch ein Mordfall daraus werden würde.

Die Polizei zog nach etwa 3 Stunden ab. Jetzt war sie sich sicher, dass nur Unfallermittlungen vorgenommen wurden.

Am nächsten Tag checkte sie aus und fuhr gut gelaunt wieder nach Bernau bei Berlin, nachdem Sie Poppe „Vollzug“ mitgeteilt hatte.

Während dessen ließ sich Sam noch mal die Geschehnisse des Vormittags durch den Kopf gehen, machte sich Notizen und schrieb eine Email an seinen Chef in Südfrankreich, damit der Aufsichtsratsvorsitzende auch über die jüngsten Ereignisse im Klinikkonzern informiert war. Außerdem nutzte Sam das Schreiben der Email zur Aufarbeitung und zur Aktivierung seiner Kreativität.

Sam dachte sich: „gut jetzt war ich ja erst in einer Teilklinik des Gesamtklinikums, mal sehen wie es in den anderen Bereichen aussieht. Außerdem ist das auch eine gute Gelegenheit das Mittagessen der Patienten zu testen.

Vor dem Verlassen der Verwaltung, bat er noch Frau Müller ihm die Auswertungen der Patientenfragebögen zu besorgen, damit er für die 16 Uhr Runde noch zusätzliches Material zu Hand hat.

Frau Müller meinte dazu, dass ihres Wissens die Patientenfragebögen verteilt werden. Die Patienten dieses Instrument auch gut annehmen, aber von einer Auswertung habe sie noch nie etwas gesehen. Sam meinte nur, egal, besorgen Sie was da ist und verließ dann das Haus.

Auf seinem Rundgang durch die Kliniken kam Sam häufig mit Patienten ins Gespräch, die sich zum Teil lobend und zum Teil negativ über die Klinik ausließen. Auch Krankenschwestern und Therapeuten hat Sam auf seinem Rundgang kennen gelernt ohne dabei schlechte Erfahrungen zu machen. In den kurzen Gesprächen mit den Chefärzten hörte er zum Teil die gleichen Klagen wie von Dr. van der Hogh aus der Kinderklinik. Andere Chefärzte waren eher weniger mitteilsam, wobei Sam den Eindruck gewann, dass da jemand vor ihm unterwegs war und Instruktionen gegeben hat.

Das Essen für die Patienten war, so Sam Meinung, sehr gut und es gab nichts daran auszusetzen. Auch die verabreichten Mengen waren in Ordnung.

Sam war sich darüber im Klaren, dass es trotzdem sicherlich Patienten geben wird, die sich über das Essen beschweren. In den Kliniken hörte er aber von derartigen Klagen bisher nichts.

Kurz nach 15 Uhr war Sam wieder in seinem Büro und diktierte seinen Erfahrungsbericht für Frau Müller.

Auf seinem Schreibtisch fand er mehrere Berge von Patientenfragebögen und auf Nachfrage bei Frau Müller, wurden diese bisher nie von jemandem erfasst und ausgewertet. Die Bögen wurden nur von Frau Poppe in einem Karton gesammelt und wenn dieser voll war weggeworfen.

Sam hatte, ehrlich gesagt keine andere Handhabung erwartet. Sind doch diese Patientenfragebögen etwas aus der Qualitätsstruktur der Kliniken im Westen.

Sam schaute sich deshalb eine Reihe von Fragebögen an und stellte fest, dass vieles was Klaus-Johann Mohnfeld erwähnt worden war und viele Patienten mit denen Sam sprach rund um bestätigt wurde. Offensichtlich sollte das Rad in der brandenburger Mohnfeldklinik neu erfunden werden.

Als Frau Müller auch noch die Post in Sam’s Büro gab, fand Sam darin einen Qualitätsbericht, den eine Beleger-Krankenkasse turnusmäßig verschickt. Geschockt war Sam allerdings vom letzten Satz des Qualitätsberichtes, der eindeutig aussagte, dass diese Krankenkasse der Klinik noch 6 Monate Zeit gibt um die gravierendsten Mängel in der Klinik und im Umgang mit den Patienten der Krankenkasse dauerhaft abzustellen, ansonsten würde die Klinik keine Patienten der Krankenkasse zukünftig mehr behandeln dürfen.

Nachdem Sam dies gelesen hatte rief er sofort Elvira Poppe an, um zu erfahren, ob diese Krankenkasse ein Hauptbeleger ist oder nur marginal Patienten schickt. Poppe erklärte, dass die Krankenkasse der absolute Hauptbeleger der Klinik sei.

Sam rief sofort bei Mark Schreiber an und vereinbarte mit ihm in naher Zukunft gemeinsam die Beleger der Kliniken aufzusuchen und sich dort als neu Geschäftsleitung vorzustellen. Gegebenenfalls könnten auch neue Projekte und Umstellungen in den Kliniken präsentiert werden.

Um 16 Uhr versammelte sich neben Sam, Mark Schreiber, Frau Müller und Frau Schmidt, sowie Frau Kociekowa im Besprechungsraum der Verwaltung.

Mark Schreiber übernahm die Einführung in den Termin und erklärte, dass hier in den Kliniken vieles daneben laufen würde und alle Anwesenden nun neue Wege suchen müssen um die Probleme schnell und effektiv abzustellen.

Sam erläuterte: „es hat bereits einer unserer Hauptbeleger angedroht keine Patienten mehr zu schicken, wenn die Probleme nicht schnell in den Griff bekommen werden.“ Außerdem sagte er, dass die Kliniken qualitativ auf das Niveau der Kliniken im Westen Deutschlands gebracht werden müssen.

„Leider“, so Samuel Grün, „fehlt uns eine wichtige Person. Herr Pommer hätte uns in dieser Situation sicher weiterhelfen können“.

Neben Sam und Schreiber, schienen auch die anwesenden Damen nun gemerkt zu haben, dass es 5 Minuten vor 12 Uhr für die Kliniken sei und arbeiteten sehr konstruktiv mit.

Sogar Frau Dr. Kociekowa schien einen gewissen Sinneswandel durchzumachen und für einen dauerhaften Erfolg der Kliniken aufgeschlossen zu sein.

In einem anschließenden Brainstorming konnten alle erkennen, dass sich die Probleme personell auf den leitenden Chefarzt Dr. Dr. Bergovic konzentrierten, der durch seine Machtkonzentration die Klinik und die anderen Chefärzte in ihrer Weiterentwicklung für die Patienten blockierte.

Alle waren sich einig, dass an dieser Konstellation dringend etwas verändert werden muss.

Auf die Nachfrage von Sam, ob eine Kündigung von Bergovic nicht sinnvoll wäre, meinte Dr. Kociekowa, dass eine Kündigung auf Grund der Verträge für die Klinik sehr teuer werden würde.

Daraufhin meinte Schreiber, „dann müssen wir ihn ebend zurückstutzen und einen Großteil seiner Zuständigkeiten durch neue Stellenbeschreibungen auf das Maß eines normalen Chefarztes begrenzen.“

Als Kociekowa das hörte, zuckte sie merklich zusammen.

Da Sam der gleichen Meinung war, fragte er sie, ob es da ihrer Meinung nach ein Problem geben würde?“

Nachdem Kociekowa aber mit dem Kopf schüttelte, wurde eine Chefarztsitzung in den Räumen der Verwaltung für den kommenden Montag, 11 Uhr, anberaumt.

Die Einladungen an die Chefärzte und den leitenden Chefarzt wurden mit absoluter Präsenzpflicht sofort fertig gemacht und von Frau Müller und Frau Schmidt sofort persönlich übergeben.

Nachdem die Gruppe sich um circa 18 Uhr voneinander verabschiedete, lud Sam alle noch zum Essen in der Pizzeria auf dem Gelände ein. Sam dachte sich, dass dies eine gute Möglichkeit sei, sich gegenseitig besser kennen zu lernen.

Die Stimmung beim Essen war gelöst und Sam erfuhr auch einige, ihm bisher nicht bekannte Interna aus der Klinik.

Als Sam gegen 20 Uhr wieder in seiner Wohnung war, machte er sich einen schönen doppelten Espresso, setzte sich in den Garten und ließ den Tag noch mal Revue passieren.

Anschließend nahm er sein Telefon und rief bei seiner geliebten Mariella an. Er erzählte ihr von seinem Tag und fragte Mariella nach ihrem Tag und vor allem ob sie schon eine Entscheidung wegen der Montessorischule getroffen habe.

Mariella meinte, sie habe sich durchgerungen das Jobangebot der Montessorischule anzunehmen. Sie meinte, „würde ich das Angebot nicht annehmen und dann einen Job in Bernau oder Wandlitz oder auch Berlin annehmen, müsste ich täglich fahren und das möchte ich mir doch ersparen.“

Sam verstand Mariellas Entscheidung und versprach ihr bei der Eingewöhnung, soweit es ihm möglich sei, behilflich zu sein.

Nachdem das Telefonat beendet war, widmete sich Sam seinem sehr heißen Espresso und zündete sich eine „Feierabendpfeife“ an. Durch ein Klingeln an der Haustüre wurde Sam aus den Gedanken herausgerissen. Er ging zur Tür und öffnete.

Vor ihm stand Frau Kopper, die Psychologin aus der Kinderklinik.

Sam dachte noch, „was will die denn jetzt noch von mir“, und fragte deshalb in freundlichem warmen Ton: „Hallo Frau Kopper, so spät noch unterwegs? Ist was passiert? Oder kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

Petra Kopper meinte nur „Sie könnten mich zum Beispiel herein bitten.“

Sam war baff und schon schlängelte sie sich an Sam vorbei in die Wohnung.

Nachdem sie in Sam’s Wohnzimmer stand, meinte sie: „Schön ham ses hier, würde mir och jefallen“. Sam war immer noch von der Dreistigkeit der Frau perplex.

Als er zu sich kam sagte er: „So geht das aber nicht, was wollen sie hier?“

Petra Kopper ging auf Sam zu und wollte ihre Arme um seinen Hals legen und zum Kuss ansetzen. Sam entwand sich ihr und meinte sie müsse gehen. Petra Kopper versuchte immer stärker in Sam’s Nähe zu kommen und ihn zu umarmen, der aber wich immer weiter zurück. Nachdem sie merkte, dass Sam schon an der Haustür war, sagte sie mit einem Lächeln, dass sie doch heute morgen gesagte hatte, sie würde alles tun um ihren Job zu behalten.

Sam entgegnete ihr: „Aber nicht auf diese Art und Weise“, öffnete die Tür und schob sie zur Haustür hinaus und schloss diese sofort.

„Puh, was war das denn?“ murmelte Sam laut, „ich glaub es nicht, die hat wohl eine Meise?“ dachte er noch und „Gott sei dank die ist jetzt weg und lässt mich hoffentlich in Ruhe!“

Doch da klingelte es wieder an der Tür. Sam durchzuckte es und er ging wieder zur Eingangtür, hielt die Türe mit einer Hand fest und öffnete einen kleinen Spalt.

Vor ihm stand Lou Berger. Sam fiel ein Stein vom Herzen. Er öffnete ganz und Lou Berger kam rein.

Als er in der Wohnung war, meinte er lächelnd: „Was hast du denn mit der „Ollen“ gerade gemacht? Die ist wie eine Furie an mir vorbei geschossen und hätte mich fast umgerannt?“ sagte Berger.

„Die wollte doch tatsächlich heute Nacht ihren Job in der Klinik bei mir sichern, hab sie aber raus geschmissen. Bin dauerhaft verliebt in meine Mariella“, sagte Sam zu Lou.

Wie das bei Männern wohl im Allgemeinen so ist, lachten sie irgendwann über die Episode und machten ihre Witze über Petra Kopper, obwohl Beide sich darüber im Klaren waren, dass sich diese Frau sicherlich zu dieser Aktion hatte überwinden müssen; denn eigentlich war Sam ein Fremder für sie.

Lou hatte eine schöne Flasche Rotwein aus der Toskana dabei und so setzten sie sich in den Garten, redeten, tranken und rauchten in aller Ruhe und Gemütlichkeit.

Nachdem sich Lou Berger gegen 23 Uhr verabschiedet hatte, hatte Sam die nötige Bettschwere und schlief in aller Ruhe ein.

Am nächsten Morgen, es war endlich Freitag, joggte Sam seine Runde über das Gelände, frühstückte anschließend, inklusive der obligatorischen Zigarette im Garten und ging zur Arbeit. Heute wollte er bereits um 12 Uhr Feierabend machen und anschließend sofort zu seiner Mariella in den Schwarzwald fahren.

Kurz vor 11 Uhr kam Mark Schreiber zu ihm ins Büro und meinte leichenblass, Erich Pommer sei tot. Er hatte in Tschechien einen Unfall. Er soll in seinem Hotel eine Treppe herunter gestürzt sein.

In Gedanken dachten Schreiber und Sam das gleiche, ob das tatsächlich ein Unfall war? Tatsache war, dass er vor irgendetwas oder irgendjemandem Angst hatte und jetzt war er tot. Deshalb meinte Sam, ob es nicht sinnvoll wäre die Polizei zu informieren. Schreiber meinte dazu, dass er sich darum kümmern würde, Sam solle in aller Ruhe und ohne Hektik nach Hause fahren.

Bevor Sam los fuhr, rief er noch schnell bei der Schulrektorin Karin Müller-Tonfeld an und eröffnete ihr, dass Mariella das Jobangebot annehmen würde.

Müller-Tonfeld wollte gleich den Arbeitsvertrag fertig machen und Sam vorbei bringen, aber Sam sagte ihr, dass das auch noch bis Montag Zeit habe oder wenn sie ganz schnell sein wollte, den Vertrag am Besten per Post in den Schwarzwald schicken könnte.

Sam verabschiedete sich von Mark Schreiber, den Sekretärinnen und Frau Dr. Kociekowa, die gerade ein kleines Schwätzchen mit Frau Schmidt führte, setzte sich in seinen neuen Dienstwagen und fuhr über den Berlinerring, die A 9, A6 und A 81 in Richtung Bad Liebenzell.

Er freute sich total auf seine Mariella, allerdings wusste er, dass auch eine Menge Arbeit wegen des Umzuges auf ihn warten würde.

Die Arbeit machte ihm nichts aus. Viel wichtiger war, dass er endlich wieder seine Mariella in den Arm nehmen konnte und sie beide zusammen waren. Er dachte noch, hoffentlich ist sie bald bei mir in der neuen Wohnung.

Zu Hause angekommen, klingelte er ganz vorsichtig an der Haustür und sah, als sich die Türe öffnete in das freudige Gesicht von Mariella, die Sam sofort und auf das heftigste umarmte. In der Wohnung angekommen meinte Mariella, dass die letzten ein und ein halb Wochen sehr, sehr lange waren. Außerdem fühle Sie sich in der Wohnung nicht mehr wohl, weil alles voll mit Umzugskisten und abgebauten Schränken stehen würde.

Nebenbei hatte Mariella eine große Überraschung für Sam parat. Sie hat sich mit ihrer Rektorin jetzt so geeinigt, dass sie bereits Ende September aufhören kann und vorher noch ihren Resturlaub nehmen darf. Dies würde bedeuten, dass Mariella bereits in 2 Wochen zu Sam in die neue Wohnung ziehen würde. Die Umzugsfirma wisse auch schon Bescheid und es ist alles geregelt, meinte Mariella.

Sam freute sich wie ein kleines Kind an Weihnachten über diese Nachrichten und hielt seine Mariella ganz lange in den Armen.

Das Wochenende ging für Sam und Mariella total schnell vorbei. Sie lagen sich ständig in den Armen und küssten und liebten sich, aber am Sonntagnachmittag war für beide das kurze Wochenende vorbei. Sam musste sich wieder in sein Auto setzen und Richtung Berlin düsen; aber er wusste, in kurzer Zeit wird endlich Mariella bei ihm in der neuen Wohnung sein. Dieser Gedanke machte dann den Abschied aus Bad Liebenzell doch etwas leichter.

Gegen 22 Uhr erreichte er seine neue Wohnung, aß etwas und rauchte seine Zigarette, für eine Pfeife hatte er jetzt noch nicht die Ruhe, die man dafür braucht.

Sam ging zu Bett und schlief zwar schnell ein, träumte aber sehr unruhig, so dass er bereits um 5 Uhr morgens total verschwitzt und gerädert erwachte. Er taumelte langsam in sein Badezimmer und hielt erstmal seinen Kopf unter das kalte Wasser, welches ihn dann auch richtig wach machte.

Er zog sich seine Joggingsachen an und machte sich auf seine Joggingrunde.

Das Klinikgelände lag wie ausgestorben vor ihm. Nur aus der Ferne konnte Sam das umtriebige Arbeiten der Mohnfeld-Catering GmbH mehr erahnen als hören.

Sam begann zu laufen und irgendwann während seines Weges kam ihm der Gedanke, wenn er denn gerade schon so früh unterwegs ist, könnte er doch einen Blick in die Cateringfirma werfen. Es würde ihn doch eigentlich auch mal interessieren, wie die Speisen für die Patienten zubereitet werden.

Gesagt, getan, ein kurzer Schlenker und schon war Sam vor dem Eingang der Cateringfirma. Vor dem Eingang stand rauchend der Betriebsleiter, Herr Arnold, ein Westfale, der Sam interessiert entgegen sah.

Sam stellte sich kurz vor und sein Gegenüber erklärte Sam seine Funktion als Betriebsleiter der Mohnfeld-Catering GmbH, deren Sitz, so Arnold, eigentlich in Bielefeld sei. Herr Arnold meinte, dass es Zufall ist, dass er heute Morgen auf dem Gelände sei, ansonsten sei er primär in Bielefeld oder in einer der anderen Mohnfeld-Kliniken unterwegs.

Da Sam weiter joggen wollte, meinte Herr Arnold noch, ob Sam nicht frische Brötchen für sein Frühstück mitnehmen wollen würden. Es gibt immer Brötchen, die zu dunkel gebacken wurden und nicht an die Patienten ausgegeben werden, meinte Arnold.

Sam bedankte sich für die beiden Brötchen und machte sich wieder auf den Rückweg zur Wohnung. Dort lief dann immer wieder das gleiche Zeremoniell ab: Kaffee machen, frühstücken, rauchen dann zur Arbeit gehen und die Augen aufhalten, falls etwas auffällt und geändert werden sollte.

Heute am ersten Arbeitstag der Woche hatte Sam viel Zeit um sich auf den Tag vorzubereiten, also setzte er sich in seinen Garten, nahm seinen Timer zur Hand und während er die Termine der Woche checkte, rauchte er genüsslich seine zweite Zigarette.

Um ein paar wenige Strahlen der aufgehenden Sonne zu erhaschen, hatte er seinen Stuhl im Garten ein wenig zur Seite gestellte.

Durch diese neue Sitzposition hatte Sam auch einen anderen Blickwinkel auf sein neues Umfeld. So sah Sam in einem etwas entlegenen Winkel des Waldes eine Person stehen, die sich offensichtlich Sam zum Zielobjekt auserkoren hatte.

Zunächst reagierte Sam nicht auf die Person, weil er dachte es sei ein Zufall, dass da jemand steht, vielleicht ein Jäger oder was auch immer. Erst als die Person nach einer halben Stunde immer noch an der gleichen Stelle stand, wurde es Sam doch etwas unangenehm er fühlte sich auf einmal beobachtet, machte sich aber keine weiteren Gedanken.

Kurz vor 8 Uhr trafen Sam und Mark Schreiber zeitgleich in der Verwaltung ein.

Schreiber erzählte Sam noch, dass er wegen dem Tod von Pommer von zu Hause aus bei der Polizei in Bernau angerufen und mitgeteilt habe, dass Pommer offenbar vor etwas Angst und von sich aus fristlos gekündigt hatte, sowie dass er anschließend verschwand. Auch von dessen Anruf und seiner Bitte den Aufenthaltsort geheim zu halten, hat er dem Beamten berichtet. Die Polizei habe daraufhin nur gesagt, sie würden die Informationen weiterleiten. Ob da was passiert, meinte Schreiber, weiß er nicht, denn er hatte den Eindruck dass der Beamte völlig desinteressiert gewesen sei.

Nachdem Sam und Schreiber im Sekretariat standen bat Sam darum, dass Schreiber mit ihm noch den heutigen Termin mit den Chefärzten vorbereitet.

Nachdem Sam mit Frau Müller die aktuellen Termine abgestimmt hatte, gab er ihr noch den Auftrag von Frau Poppe die Hitliste der Beleger je einzelne Klinik zu besorgen und Termine mit den Vorständen der Beleger, bestimmt hauptsächlich Krankenkassen, zu vereinbaren. Die Termine würden Sam und Schreiber gemeinsam wahrnehmen; als Alternative schlug Sam vor bei Interesse auch einzelne Vorstände in die Klinik einzuladen. Des Weiteren sollte Frau Müller mit Frau Schmidt gemeinsam auf die Suche nach weiteren Qualitätsberichten, eventuell im Büro von Pommer oder bei Frau Poppe bzw. Dr. Dr. Bergovic gehen.

Mark Schreiber, der gerade dazukam, meinte er, dass die Vertretung von Pommer, seine frühere Stellvertreterin in Leipzig, Katrin Meier-Schönfeld, ihren Einsatz beginnen würde. Frau Meier-Schönfeld kennt sich im Bereich des Qualitätsmanagements im Übrigen sehr gut aus und weiß auch welche Krankenkassen eigene Qualitätsberichte erstellen würden. Außerdem meinte Schreiber, dass es sinnvoll sei, per Dienstanweisung dafür zu sorgen, dass jeder Qualitätsbericht einer Krankenkasse der Geschäftsleitung vorzulegen ist.

Frau Schmidt machte sich sofort daran die Dienstanweisung zu erstellen.

Sam machte Schreiber noch darauf aufmerksam, dass auch das Beschwerdemanagement der Kliniken überprüft und in der Verwaltung, am besten bei der stellvertretenden Verwaltungsleitung angesiedelt werden sollte.

Wer dies bisher erledigte war bisher nicht feststellbar, Pommer machte dies seinen Akten zu folge nicht.

In der nächsten halben Stunde bereiteten Mark Schreiber und Sam die Besprechung mit den Chefärzten vor. Den Vorsitz sollte Sam übernehmen, Schreiber die Gesprächsleitung.

Nachdem im Geschäftsleitungssekretariat emsiges Treiben herrschte, klopfte Dr. Kociekowa an Sam’s Tür. Sie meinte, dass sie gerade einen Anruf der Polizei wegen Erich Pommer erhalten habe. Pommer sei verstorben und jemand aus der Klinik hätte bei der Polizei angerufen und gesagt Pommer hätte Angst und hat deswegen gekündigt und ist verschwunden. Dr. Kociekowa meinte, „wie wollen Sie das denn beurteilen ob jemand Angst hat? Pommer hat sicherlich keine Angst gehabt, denn sonst hätte er ihr etwas gesagt.“

Als Sam das hörte, sagte er laut und sehr bestimmt: „Erstens habe nicht ich bei der Polizei angerufen und zweitens kann ich sehr wohl feststellen, ob jemand Angst hat oder nicht und drittens hat er es am Telefon auch bestätigt. Was haben Sie der Polizei gesagt?“

„Ich habe den Beamten gesagt, dass hier in der Klinik keiner Angst hat und Pommer schon gar nicht“, sagte Dr. Kociekowa. Darauf hin sagte Sam zu Dr. Kociekowa: „Sorgen sie dafür, dass sich die Polizei mit Mark Schreiber oder mit mir in Verbindung setzt. Sie haben nicht die Informationen, die Kollege Schreiber und ich haben. Und wenn die Polizei herkommen will, jederzeit.“

Nachdem diese Angelegenheit nach Sam’s Meinung geregelt war, bestimmte er, dass auch Dr. Kociekowa am Termin mit den Chefärzten teilnehmen muss.

Pünktlich um 11 Uhr betraten Mark Schreiber, Dr. Kociekowa, die neue kommissarische, stellvertretende Verwaltungsleiterin Katrin Meier-Schönfeld aus Leipzig und Sam den Besprechungsraum der Verwaltung.

In dem Besprechungsraum waren alle Chefärzte, einschließlich des leitenden Chefarztes Dr. Dr. Bergovic versammelt. Da die Chefärzte alle bereits Sam und Mark Schreiber von der Informationsveranstaltung von Klaus-Johann Mohnfeld kannten, stellte Mark Schreiber Katrin Meier-Schönfeld kurz vor und berichtete auch von deren Auftrag.

Sam bat die Herren Platz zu nehmen und so kam es wie es kommen musste. Dr. Dr. Bergovic setzte sich auf den Platz, neben Mark Schreiber, um die Gesprächsleitung zu übernehmen.

Sam forderte Bergovic allerdings auf sich einen anderen Platz zu suchen, dass dies sein Platz sei und die Veranstaltung unter seiner Leitung ablaufen wird.

Dr. Dr. Bergovic lief hoch rot an, verkniff sich aber auf die Blamage vor seinen, wie er meinte, Mitarbeitern, zu antworten. Er setzte sich in die Reihe seiner, wie Sam und Schreiber dachten, Kollegen.

Als nächstes erläuterte Sam den Grund des heutigen Zusammentreffens, nämlich der Problematiken Qualität, Qualitätsberichte und unsinnige Organisationsstrukturen innerhalb der Teilkliniken in Verbindung mit dem leitenden Chefarzt.

In diesem Augenblick schoss Dr. Dr. Bergovic aus seinem Stuhl hoch und fragte, ob dies eine Runde sei, die ihn, den leitenden Chefarzt der Kliniken, demontieren soll? „Da spiele ich nicht mit“, schrie er in den Raum und verlangte sofort mit dem Aufsichtsrat und dessen Vorsitzenden sprechen zu wollen.

Sam entgegnete ihm in seiner sehr ruhigen gelassenen Art, dass er sehr gerne mit Klaus-Johann Mohnfeld sprechen könne, fügte aber in einem sehr bestimmten Ton hinzu, dass er dies bereits im Vorfeld mit den Brüdern Mohnfeld abgestimmt und die schriftliche Zustimmung vorliegen habe. „Die Mohnfelds haben im Übrigen sofortige Konsequenzen und den unbedingten Erhalt der Kliniken gefordert, was einleuchtend sein dürfte“ sagte Sam, Bergovic direkt und hart in die Augen schauend.

Sam forderte Bergovic auf sich wieder zu setzen oder ihm gerne auch seine Kündigung auf den Tisch zu legen. Bergovic setzte sich, schluckte mehrmals, atmete tief durch und wurde endlich wieder ruhiger.

Mark Schreiber übernahm nun die Darstellung der Forderungen aus dem Qualitätsbericht des Hauptbelegers und fragte in die Runde, ob eventuell bei dem einen oder anderen Chefarzt weitere Qualitätsberichte vorliegen würden.

Der Chefarzt der Orthopädie meinte dazu, dass er monatlich Berichte erhält, diese aber auf Anweisung vom leitenden Chefarzt diesem ungeöffnet übergeben würde.

Schreiber forderte Dr. Dr. Bergovic auf, sofort zu dieser Aussage Stellung zu nehmen. Dieser meinte lapidar, „Ja, die habe ich alle, von allen Teilkliniken, aber gelesen hab ich die nicht.“

Sam und Schreiber sahen sich erstaunt und ungläubig an. Schreiber fragte Bergovic direkt: „Wie kann das sein? Sind Sie sich darüber im Klaren, dass sie den Erhalt der Mohnfeldkliniken in Brandenburg äußerst leichtfertig aufs Spiel setzen?“

Dr. Dr. Bergovic reagierte nicht, sagte nichts, verschränkte nur seine Arme und blickte in eine Ecke des Raumes.

Jetzt war es Schreiber egal wie Bergovic reagieren würde. Er sagte nur „Herr Dr. Dr. Bergovic sie erhalten hiermit die dienstliche Anweisung sofort ihr Büro aufzusuchen, die Berichte zu nehmen und sie mir innerhalb von 10 Minuten zu übergeben.“

Mehr sagte Mark Schreiber nicht mehr. Bergovic sah sich in der Runde „seiner“ Chefärzte um, wohl hoffend, dass ihm einer zu Hilfe kam. Aber das passierte nicht. Alle anderen Chefärzte sahen demonstrativ weg um auf keinen Fall in Blickkontakt zu Bergovic zu kommen.

Nun mischte sich Sam in die Aktion ein und sagte: „es ist bereits eine Minute vorbei. Ihre Zeit läuft. Sollten Sie nicht rechtzeitig zurück sein wäre das ein sehr schwerwiegender arbeitsrechtlicher Verstoß, der mit fristloser Kündigung geahndet werden kann.“

Dr. Kociekowa wollte nun Bergovic zu Hilfe kommen und sich anbieten selbst die Unterlagen zu holen. Sam lehnte das Angebot von Dr. Kociekowa kategorisch ab und so ging Bergovic sichtlich betroffen und auch etwas gebrochen aus dem Raum und holte die Berichte, die alle noch in ungeöffneten Umschlägen steckten und übergab sie an Mark Schreiber, der die Unterlagen sofort weiter zu Katrin Meier-Schönfeld schob.

Anschließend gaben Sam und Mark Schreiber bekannt, dass an der brandenburgischen Mohnfeldklinik ab sofort die Funktion des leitenden Chefarztes nur noch beratend ist. Ab sofort muss jeder Chefarzt hier am Tisch in seiner Teilklinik Strukturen schaffen, die dem allgemein gültigen Standard entsprechen. „Ausreden, der „Leitende“ hat das oder das gemacht, lasse ich ab sofort nicht mehr gelten. Außerdem kommen ihre neuen Strukturen auf den Prüfstand und müssen dort standhalten“, erklärte Sam. Mark Schreiber bot den Chefärzten bei Bedarf Unterstützung durch die Geschäftsleitung an. Sam fügte noch hinzu: „Als Referenz gehen sie von einem vergleichbaren Krankenhaus aus den alten Bundesländern aus. Denken Sie daran: Das Rad wird nicht noch mal neu erfunden – wir wissen bereits dass es sich schon dreht!“.

Zum Abschluss der Dienstbesprechung erklärten Sam und Schreiber einvernehmlich, dass diese Chefarzt-Dienstbesprechung zukünftig immer wöchentlich am Mittwoch stattfindet. Die Teilnahme eines jeden Chefarztes sei Pflicht.

Als die Chefärzte den Raum verließen, stellte Sam fest, dass jeder der Herren versuchte Dr. Dr. Bergovic aus dem Weg zu gehen und ihn anzusehen.

Dr. Dr. Bergovic fühlte sich von seinen „Mitarbeitern“ im Stich gelassen, während er seine ganze Frustration auf Sam und Schreiber projizierte.

Er verließ den Besprechungsraum um sich sofort an Elvira Poppe zu wenden. Er hoffte, dass Poppe ihm seine verlorene Macht wieder zurückgeben könnte.

Elvira Poppe machte ihm jedoch klar, dass sie ihm nicht sofort helfen kann und sie beide sich heute Abend sowieso mit den Anderen aus dem Politbüro und dem Zentralkomitee in der Gaststätte „Zur Heimat“ treffen würden. Poppe beauftragte Bergovic, dass er sich Gedanken machen soll, wie eine auf Sam angesetzte Schwalbe ohne Aufsehen in die Klinik geschleust werden könnte.

Hoch rot im Gesicht und auf Schreiber und Sam schimpfend verließ Bergovic Poppes Büro und ging in seine kardiologische Teilklinik. Dort verkroch er sich in seinem Büro, nicht ohne vorher seiner Sekretärin barsch zu sagen, dass er heute nicht mehr gestört werden möchte.

Während dessen besprachen Mark Schreiber, Sam und Katrin Meier-Schönfeld welche Themen Meier-Schönfeld als erstes in Angriff nehmen sollte.

Der Nachmittag verlief für Sam ohne besondere Ereignisse, und so konnte er gegen 17.30 Uhr bereits die Klinik verlassen.

Auf dem Heimweg traf er Lou Berger, mit dem er sich für den Abend in einer kleinen französischen Kneipe in Berlin-Charlottenburg verabredete. Lou meinte nur flapsig zu Sam, dass er nicht unbedingt gute Klamotten anziehen müsse, die Kneipe sei nicht die sauberste, aber die französischen Spezialitäten und Weine seien vom Feinsten.

Sie hatten sich für 20 Uhr verabredet und Lou wollte Sam von zu Hause abholen.

Zu Hause angekommen setzte sich Sam zur Entspannung und zur Rekapitulation des Tages in seinen Garten, natürlich mit einer schön heißen Tasse selbst gemachten Kaffees und einer wunderbar duftenden und herrlich schmeckenden Pfeife.

Gegen 19 Uhr rief Sam bei Mariella an, erzählte von seinem Tag und hörte interessiert den Erzählungen Mariellas über deren Tag zu.

Nur wenige Minuten nach 20 Uhr holte Lou Berger Sam ab und sie fuhren in die kleine französische Kneippe, in der sie es sich bei gutem Essen und sehr gutem Wein gut gehen ließen.

Während Sam und Lou Berger in der kleinen französischen Kneippe waren, braute sich in der Gaststätte „Zur Heimat“ ein Intrigenspiel der besonderen Art zusammen.

Das selbsternannte Politbüro (der engere und entscheidende Kreis aus dem Zentralkomitee) der neuen zukünftigen DDR tagte unter der Leitung von Elvira Poppe.

Neben Poppe waren Dr. Dr. Bergovic, Frau Dr. phil. Karola Kociekowa, Paul Scharner und Olga Pawlowa als Mitglieder des Politbüros anwesend. Neu zum Politbüro hinzugekommen war Thomas Buhler. Buhler war der Einzige der Anwesenden der nicht vom Klinikgelände kam, sondern wohnte in Bernau direkt. Er rückte für den „ausgeschiedenen“ Erich Pommer vom Zentralkomitee in das Politbüro nach.

In der Nachwendezeit wurde er mit Hilfe seiner alten Parteigenossen, zu einem der größten Gebrauchtwagenhändler in Brandenburg.

In der Vorwendezeit war er ein sehr berüchtigter und für seine Gewaltexzesse bekannter Oberaufseher im Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Auch er war in seiner alten MfS-Uniform erschienen, da er aber nur Oberleutnant war, hatte er nicht so viele Orden an seiner Uniform wie die Anderen.

Nachdem Elvira Poppe alle begrüßt hatte, bat sie zunächst Olga Pawlowa zu berichten, ob die Angelegenheit Pommer nun endgültig zu den Akten gelegt werden könne. Pawlowa erzählte kurz, dass die tschechische Polizei von einem Unfall ausgeht und die Angelegenheit damit erledigt ist. Dieser Auffassung widersprach allerdings Dr. Kociekowa und berichtete, das Samuel Grün und Mark Schreiber Informationen an die Polizei weitergegeben haben, die die These von einem Unfall rasch zum fallen bringen könnten. Sie habe von der Polizei und von Samuel Grün in Erfahrung bringen können, dass Pommer offensichtlich vor seinem Unfall noch Kontakt zu Mark Schreiber hatte. Auch sei irgendwie die Rede von einem Schriftstück gewesen. Näheres wüsste sie aber auch nicht, so Dr. Kociekowa.

Elvira Poppe nahm diese Informationen ohne eine Reaktion zu zeigen zur Kenntnis, während Olga Pawlowa Schimpftiraden über Sam abließ. Für die Pawlowa gab es nur einen einzigen Schuldigen und das war einzig und alleine Samuel Grün.

Elvira Poppe fuhr dazwischen und sagte: „Oberst Pawlowa reißen sie sich am Riemen. Wir werden uns diesen Samuel Grün schon noch zur Brust nehmen.“

Olga Pawlowa salutierte und rief:„Zu Befehl, Frau Generaloberst im Generalstab Poppe.“

Etwas beruhigter setzte sich Pawlowa auf ihren Stuhl und folgte weiter den Ausführungen Poppes.

Diese war dazu übergegangen nochmals die Eckdaten der Abholung der Ehefrau des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden und den Stand der geplanten Feier, bei der der Gast auftreten sollte, abzufragen. Für Poppe war es äußerst wichtig die Frau auf der Feier zu haben, denn sie erhoffte sich dadurch weiteren Zulauf für ihre Gruppe, das Zentralkomitee, kurz ZK, zu erhalten um dann irgendwann der Umsturz der Bundesrepublik Deutschland von einer Demokratie in eine sozialistische Volksdemokratie zu schaffen.

Aber im Moment schien, was zumindest die Feier zum Jahrestag anbelangte, alles in geordneten Bahnen zu verlaufen, so dass Poppe nun auf die neuen und neuesten Probleme in der brandenburgischen Mohnfeldklink einging.

Dr. Kociekowa erhielt das Wort von Poppe zugeteilt. In kurzen prägnanten Sätzen erkläre sie,

1 „Dr. Dr. Bergovic wurde von Grün und Schreiber völlig entmachtet und

2 Olga Pawlowa erhält von Grün eine Abmahnung wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber Patienten und Geschäftsleitung, sobald sie wieder aus dem Urlaub zurück ist.

Entgegen Ihrer sonstigen Gepflogenheiten, sie hielt sich immer sehr bedeckt und zurück, sowie auch sehr sachlich, in den Politbüro- oder ZK-Sitzungen ließ sie es nicht bei den reinen Fakten, sondern ergänzte die Fakten durch ihre Meinung.

Sie erklärte: „Schreiber und Grün haben in den beiden Fällen Bergovic und Pawlowa auch nach meiner Meinung richtig und im Sinne der Kliniken gehandelt haben. Solche Fehler, wie sie die Pawlowa und Bergovic gemacht haben, hätten eigentlich die fristlose Kündigung zur Folge haben müssen. Ihr beide sollte euch mal überlegen, ob ihr durch euer Verhalten nicht unser großes Ziel aus den Augen verloren habt.“

Am Ende ihrer kurzen Ausführungen betonte sie ausdrücklich ihre Loyalität und ihre Zugehörigkeit zum Zentralkomitee.

Poppe nahm die Worte von Dr. Kociekowa doch etwas nachdenklich zur Kenntnis und fragte sich zunächst, ob nun auch noch die Kociekowa aus dem Ruder laufen würde, oder ob sie vielleicht doch Recht hat und die Beiden, Bergovic und Pawlowa in ihrem Wahn Macht zu haben die falschen Mittel eingesetzt haben. Sie beschloss daher sich nochmals mit der Kociekowa zu den einzelnen Geschehnissen zu beraten.

Für die nächste Zeit, bis der Jahrestag, der Staatsbesuch und die Feier herum waren, wollte Poppe Ruhe in der Klinik haben. Sie forderte deshalb Bergovic auf sich zurück zu nehmen und alles zur Zufriedenheit der Klinikleitung zu tun, sowie die Pawlowa sich am nächsten Tage die Abmahnung bei Grün abzuholen und sich für ihr ungebührliches Verhalten zu entschuldigen.

Bergovic und Pawlowa sahen das jedoch anders und begehrten sofort wieder auf, so dass sich Poppe dazu veranlasst sah laut und mit strengem Ton beide zur Räson zu rufen. In einem immer leiser werdenden Ton, der aber an Strenge und Härte nichts verlor erklärte Poppe: „Ich lasse mir von euch das bisher erreichte nicht kaputt machen. Haltet die Füße still, keine Widerrede, wir werden bald siegen.“

Nachdem Ruhe eingekehrt war, forderte sie Dr. Kociekowa und Dr. Dr. Bergovic auf sich Gedanken zu machen, „wie wir unsere Schwalben innerhalb und außerhalb der Klinik auf den Grün und den Schreiber ansetzen können. Den Grün kennen wir noch nicht gut genug und bei Schreiber war der letzte Versuch, als er noch in Leipzig saß, ein totaler Fehlschlag. So etwas darf nicht mehr vorkommen.“

Poppe wollte die Aktion gegen Grün erst nach dem Jahrestag und dem Besuch in Angriff nehmen und so gab sie Bergovic und Kociekowa Zeit vernünftige und umsetzbare Vorschläge bis zur ZK-Sitzung Mitte Oktober zu machen.

Damit beendete Poppe die Sitzung und bat Dr. Kociekowa noch kurz zu bleiben. Sie wollte sich über die Verfehlungen von Bergovic und Pawlowa genau informieren. Kociekowa erklärte Poppe, welche Verfehlungen Bergovic und Pawlowa zu verantworten haben, und welche Konsequenzen diese Verfehlungen auf den Bestand der Klinik haben könnten. Poppe gab der Kociekowa noch mit auf den Weg soviel wie möglich aus dem Privatleben von Sam Grün in Erfahrung zu bringen.

Als Lou Berger und Sam kurz nach 24 Uhr auf das Klinikgelände zurückkamen, lag das gesamte Areal in tiefer Stille und Dunkelheit. Kein Mensch war zu sehen und Sam rauchte in Ruhe im Garten noch seine Pfeife und legte sich in sein Bett.

Am nächsten Morgen kam Sam nur schwer in die Gänge. Er machte deshalb auch nur eine kleine und kurze Joggingrunde, frühstückte und ging zur Arbeit.

In der Klinik angekommen, erwartete ihn bereits Olga Pawlowa, die ihre Abmahnung entgegen nahm und sie entschuldigte sich, lammfromm bei Sam wegen ihres unangemessenen Verhaltens.

Nachdem die Pawlowa wieder gegangen war, ging Sam mit Frau Müller die Termine des Tages durch. Frau Müller hatte Sam’s Auftrag erledigt und mit den wichtigsten Belegern der Klinik in den kommenden Tagen Gesprächstermine vereinbart. Manche Termine fanden bei den Krankenkassen und andere auf dem Klinikgelände statt. Es war ein straffes Programm, aber für Sam und auch für Mark Schreiber gemeinsam gut umzusetzen und den größtmöglichen Vorteil für die Klinik und deren Patienten herauszuholen.

Die neue Geschäftsleitung der Mohnfeldklinken wollte dabei nicht nur auf dem Status quo stehen bleiben, sie hatten beide vor, bei diesen Terminen neue Projekte vorzustellen und so die Beleger stärker an die Klinik zu binden.

Wichtigster Punkt jedoch war für Sam und Mark Schreiber, bei den Belegern wieder für Vertrauen in die neue Geschäftleitung und damit in die Mohnfeldkliniken zu werben.

So verging die Woche für Sam sehr schnell. Abends wenn er in seine neue Wohnung kam, aß er, machte sich einen schönen heißen Kaffee und rauchte seine Pfeife und auch noch die eine oder andere Zigarette. Immer pünktlich um 19.30 Uhr rief Sam bei seiner Mariella an und sie berichteten beide jeweils vom vergangenen Tag und vom Stand des bevorstehenden Umzuges.

Als Sam dann freitags kurz nach 12 Uhr einen von der Klinik, genauer bei Paul Scharner, der auch für den klinikeigenen Fuhrpark zuständig ist, ausgeliehenen Kleinlastwagen bestieg um in den Schwarzwald zu fahren, fiel der ganze Stress der vergangenen Woche von ihm ab.

Sam freute sich total auf Mariella. Die Fahrt über die viel befahrenen Autobahnen verlief problemlos und so traf Sam erst gegen 22 Uhr in Bad Liebenzell ein. Mariella hatte eine Überraschung für Sam bereit, die sie ihm noch nicht am Telefon gesagt hatte. Sie konnte nicht erst Ende September aufhören, nein, sie musste oder sollte auch noch ihren Resturlaub und ihre Überstunden nehmen. Und so konnte Mariella bereits an diesem Wochenende mit Sam gemeinsam nach Bernau bei Berlin fahren und schon mal die wichtigsten Dinge mitnehmen. Sam und Mariella waren dank dieser neuen Entwicklung total aus dem Häuschen und freuten sich wie Kinder.

Die Beiden machten auch sofort einen Plan, wie sie nun vorgehen wollten.

Als Erstes sollten am folgenden Samstag der Kleinlastwagen beladen werden und Mariella würde Verpflegung und Getränke für die Fahrt besorgen.

Das Beladen ging ruckzuck, weil sich zwei nette Nachbarn, zu den Sam und Mariella eine gute Nachbarschaft pflegten, mit halfen die schweren Dinge zu tragen. Schnell war das Auto voll beladen und auch die Verpflegung und die Getränke bereit.

Nach einer tränenreichen Verabschiedung von den lieben Nachbarn in Bad Liebenzell machten Sam und Mariella sich auf den Weg nach Bernau bei Berlin.

Für Sam und Mariella gab es aber auch noch einen kleinen Wermutstropfen, denn von Nina, ihrer Tochter, konnten sie sich nicht persönlich verabschieden.

Ninas Ehemann, ein unglaublicher Egomane und hatte es Nina verboten die wenigen Kilometer von ihrem Zuhause nach Bad Liebenzell zu kommen, um sich von ihren Eltern zu verabschieden.

Erst sehr viel später erfuhren Sam und Mariella, dass Ninas Ehemann Nina einsuggeriert hatte, dass ihre Eltern nichts mehr von ihr wissen wollten und deshalb nach Berlin gegangen seien. Nina, die total unter der Kontrolle ihres Ehemannes stand, nahm ihm das ab. Die Fahrt von Sam und Mariella nach Bernau bei Berlin verlief problemlos und ohne größeren Stau. Schnelles Fahren war sowieso nicht möglich und so tuckerten sie mit knapp 85 km/h gen Nordosten. Die Fahrt war anstrengend, aber für Sam und Mariella zählte das endlich Zusammen sein und Zusammen bleiben sehr viel mehr.

Elvira Poppe hatte bewusst die Abfahrt von Sam mit dem klinikeigenen Lastwagen abgewartet und ihr altes Durchsuchungsteam aus Stasi-Zeiten aktiviert. Sie wollte neben den Informationen von Dr. Kociekowa noch weitere Informationen über Samuel Grün haben. Sie wollte alles wissen, wie er lebt, was er liest und was er außerhalb der Klinik macht. Vor allem war sie scharf zu erfahren, wie sein Privatleben aussah.

Die Durchsuchungsaktion wurde dadurch erleichtert, dass Paul Scharner einen Schlüssel zu Wohnung hatte anfertigen lassen und die direkten Nachbarn zu ihrem alten Stasiteam gehörten.

Der Einsatz des Durchsuchungsteams war für Poppe ein Garant, dass niemand etwas von der Aktion erfährt und Samuel Grün nicht bemerkte ob jemand im Haus war.

Die Aktion endete kurz vor der Mittagszeit und ihre Mitarbeiter konnten in aller Ruhe ein umfangreiches Dossier über Sam Grün erstellen, welches sie, um die Informationen von Dr. Kociekowa ergänzt am frühen Abend in den Händen hielt.

Elvira Poppe wusste nun, dass Sam mit Mariella seit fast 30 Jahren verheiratet ist, eine Tochter namens Nina hat, die in Karlsruhe lebt und dass Mariella demnächst in der Montessorischule auf dem Klinikgelände eine Arbeitsstelle antreten wird.

Sie kannte Sam’s Pfeifentabaksorte, seine Zigarettenmarke, die Größe seiner Unterwäsche, was in seinem Kühlschank war, welche Art von Büchern er gerne liest und auf welchen Internetseiten er unterwegs war, eben einfach alles.

Elvira Poppe lächelte leise in sich hinein und dachte gut so, dass ich meine Leute immer noch habe.

Auf diesen Informationen wollte sie eine Strategie zur Vernichtung von Sam und wenn es sein musste auch seiner Frau und Tochter entwickeln. Dabei kam ihr wieder der Gedanke eine Schwalbe einzusetzen, in den Sinn.

Diese Schwalbenaktion in Verbindung mit einer gezielten Manipulation der Ehefrau bereitete ihr bereits jetzt sichtliches Vergnügen.

Allerdings standen noch Informationen von ihren informellen Mitarbeitern aus Süddeutschland aus, die sie auf die Heimatadresse von Sam und Mariella angesetzt hatte. Sie wollte erst bei Vorliegen dieser Informationen ihre endgültige Strategie festlegen. Wichtig war für sie, dass Mariella Grün das perfekte Opfer ist, um ihren Zersetzungsplan, Sam und Mariella zu zerstören, in die Tat umsetzen zu können.

Von all dem ahnten Mariella und Sam, die auf dem Weg nach Bernau bei Berlin zum Klinikgelände waren, nichts. Sam freute sich, endlich nicht mehr von Mariella getrennt zu sein und wollte mit ihr, soweit es seine Zeit erlaubte sehr viel, auch in Berlin, unternehmen. Mariella freute sich auch wieder bei Sam zu sein und auch auf die neue Aufgabe an der Montessorischule. Hier konnte sie ihr reformpädagogisches Wissen besser in die Tat umsetzen, als bisher an einer allgemein bildenden staatlichen Schule. Mariella freute sich auf die neuen Kollegen und Kolleginnen. Auch auf ihre neue Rektorin, Katrin Müller-Tonfeld, war sie sehr gespannt, weil sie diese bisher nur vom Telefon her kannte.

Sam Fatal

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