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Kapitel 3

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Sam hatte Mariella auch von den neuen Nachbarn erzählt und von den teilweise komischen Vorgängen in der Klinik, aber sie hatte doch den Drang ihr Wissen und Können zu beweisen. Was die anderen Dinge anbelangte, war sie sich sicher, dass sie durch ihre offene herzliche Art auch diese komischen Nachbarn knacken würde. Mariella war eine Frohnatur, die sehr schnell andere Menschen für sich gewinnen konnte.

Auf der Fahrt mit dem Lastwagen nach Bernau bei Berlin, machten Sam und Mariella an einer Raststätte, kurz nach Leipzig eine größere Pause.

Sie waren nun in Sachsen-Anhalt und Mariella betrachtete sich die Landschaft. Topf eben und der Blick in die Ferne, nur durch viele Windkraftanlagen und kaum sichtbar ein kleines Wäldchen am Horizont, eingeschränkt. Sie fragte sich, wie man denn hier gerne wohnen und leben könne.

Nach der Pause fuhren Sam und Mariella weiter und Mariella nahm die Landschaft immer mehr wahr, endlich mal ein kleiner Hügel, dann über die Elbe und gegen 20 Uhr erreichten sie die Berliner Ringautobahn, vorbei an einem schönen See und dann der schöne Blick auf die Havel, auf welchem noch einige beleuchtete Ausflugsdampfer unterwegs waren.

Kurz vor 22 Uhr erreichten beide hundemüde das Klinikgelände. An Ausladen war natürlich nicht mehr zu denken, wäre es doch zu laut gewesen und so nahmen sie nur einen Teil von Mariellas Kleidung und die Lebensmittel aus der Lastwagen.

Sie setzten sich, trotz ihrer Müdigkeit noch kurz in den Garten. Die Luft war noch sehr mild und Sam rauchte seine obligatorische Feierabendpfeife. Dabei unterhielten sie sich über alles Mögliche, ohne dabei zu bemerken, dass sie aus dem gegenüber liegenden Wald mit einem Nachtsichtgerät ausgespäht und mit einem Richtmikrofon abgehört wurden.

Paul Scharner hatte heute den Überwachungsdienst für Sam. Allerdings hatte Scharner damit gerechnet, dass Sam erst am Sonntagabend und nicht schon am Samstagabend erscheint.

Wie verabredet, rief Scharner sofort bei Elvira Poppe an und teilte ihr mit, dass Sam Grün gerade eben mit seiner Ehefrau am Objekt angekommen ist.

Elvira Poppe lächelte vor sich hin und dachte, „dieser Grün überrascht mich immer wieder. Der wird ein sehr harter Gegner. “

Zu Scharner sagte sie noch, dass die Oberservation unbedingt weiter gehen müsse, weil Samuel Grün absolut unberechenbar sei.

Als Sam seine Pfeife geraucht hatte, begab er sich mit Mariella ins Haus um schlafen zu gehen. Die erste Nacht für Mariella brachte ihr einen erholsamen tiefen Schlaf.

Am folgenden Morgen besorgte Sam frische Brötchen aus einer Sonntagsbäckerei am Ortsrand vom nahen Wandlitz.

Mariella und Sam frühstückten in aller Ruhe und Sam konnte sein Morgenritual, das heißt Kaffee und Zigarette im Garten, genüsslich einhalten. Nur das morgendliche Joggen ließ er ausfallen.

Dafür stand ja das Pseudokrafttraining in Form des Ausladens des LKWs auf dem Programm. Sam war sich sicher, dass der Wagen nicht so schnell abgeladen sein würde, wie er ihn mit Hilfe seiner guten Nachbarn in Bad Liebenzell hatte beladen können. Aber ihm war das egal, er hatte den ganzen Tag Zeit und Mariella konnte gleich ans Einräumen gehen.

Deshalb war es wichtig, einen großen Teil der Regale zuerst in das neue Haus zu bringen. Sam hatte voraus gedacht und diese wichtigen Einrichtungsteile als letztes eingeladen.

Mariella besuchte immer wieder Sam, wenn er auf der Ladefläche stand und half auch leichtere Teile ins Haus zu tragen. Sie meinte, dass sie ja noch einige Wochen Zeit haben würde um alles vernünftig und an der richtigen Stelle einzuräumen.

Thomas Buhler aus dem Poppe-Team, der das alles aus großer Entfernung beobachtete, dachte nur: „Was für ein Idiot, der könnte doch Leute holen die das für ihn machen.“

Gegen 17 Uhr waren Sam und Mariella fertig und Sam brachte den Lastwagen zur Zentrale der Haustechnik. Er stellte ihn ab, verschloss ordnungsgemäß das Fahrzeug und deponierte den Schlüssel wie mit Scharner vereinbart im Briefkasten.

Auf dem Rückweg sah Sam viele Patienten und auch Touristen, die den lauen Abend auf dem Klinikgelände noch genossen.

Als Sam bei Mariella eintraf, fragte er sie, ob sie noch genug Kraft für einen kleinen Ausflug nach Berlin hätte, die Arbeit könne auch noch einen Tag warten.

„Wir könnten dort was Schönes essen. Ich hätte Lust auf ein Steak“ sagte Sam.

Mariella meinte: „Das ist eine sehr gute Idee.“

Und so fuhren Sam und Mariella mit ihrem privaten Sportwagen in die City, nach Berlin.

Sam hatte sich gedacht zunächst einmal zum Potsdamer Platz zu fahren. Er hoffte dort ein Steakhouse zu finden.

Als sie am Potsdamer Platz angekommen waren, auch recht schnell einen Parkplatz in einem Parkhaus gefunden hatten und auf die Straße hinaustraten, waren sie zunächst vom Trubel und den vielen Lichtern überrascht.

Sie überquerten zwei kleine Gassen und standen dann vor einem großen Kinopalast und sahen daneben ein Steakhouse einer internationalen Steakhousekette.

Sam und Mariella hatten Glück, denn das Steakhouse hatte geöffnet und so konnte Sam sein riesengroßes T-Bone-Steak mit Farmerkartoffeln und Mariella einen wunderschön angerichteten Salatteller mit Steakstreifen essen.

Sie waren beide mit dem Essen außerordentlich zufrieden und nachdem Sam bezahlt hatte, wollten sie noch etwas spazieren gehen, um das gute Essen besser zu verdauen und um zu sehen, warum der Potsdamer Platz in Funk und Fernsehen immer so toll beschrieben wird. Heute konnten sie sich selbst ein Bild davon machen.

Nach gut 30 Minuten schlug Sam Mariella vor, doch mal zum Brandenburger Tor und zu der Straße „Unter den Linden“ zu gehen. Er meinte bei der Herfahrt zum Potsdamer Platz ein Hinweisschild zum Brandenburger Tor gesehen zu haben.

Dass das Brandenburger Tor nur etwa 10 Minuten Fußweg vom Potsdamer Platz entfernt ist, wussten Sam und Mariella nicht und so machten Sie sich mit dem Auto auf den Weg.

In einer Querstraße kurz vor der Straße „Unter den Linden“ fanden sie einen guten Parkplatz in unmittelbarer Nähe eines der Berliner Tophotels. An der Rezeption erkundigten sie sich nach dem Weg zum Brandenburger Tor und stellten dabei fest, dass sie bereits in der weltbekannten Friedrichstrasse waren und nur wenige Schritte gehen mussten um das Berliner Wahrzeichen zu sehen.

Fröhlich und albernd gingen sie zum Brandenburger Tor, weiter zum Reichstag und dann über die Straße „Unter den Linden“ wieder zur Friedrichstrasse, die bei Mariella großes Interesse ausgelöst hatte.

Auch Sam war begeistert von den Showrooms der Kaufhäuser und Automobilfirmen.

Sam und Mariella versprachen sich, sehr bald wieder hierher zu kommen um alles in Ruhe anzusehen, durch die Kaufhäuser zu flanieren und Neues zu entdecken.

Todmüde fuhren die Zwei wieder nach Hause. Es war bereits nach 23 Uhr und so gingen Sie auch sofort ins Bett und löschten die Lichter.

Sie hatten nicht bemerkt, dass sie die ganze Zeit einen Begleiter hatten, der ihnen überall hin gefolgt war.

Dieser Begleiter, Thomas Buhler, ein total unscheinbarer Mensch, erstattete nun Elvira Poppe telefonisch einen detaillierten Bericht über die Begebenheiten des Tages und des Abends.

Poppe nahm alles zur Kenntnis und schickte nun den heimlichen Beobachter nach Hause. Für den folgenden Tag hatte sie auch bereits eine heimliche Dauerbegleitung für Mariella Grün angeordnet und war schon gespannt, was Mariella am Montag wohl so tun würde.

Als Sam um halb sieben, wie immer, aufgestanden war und sich zum Joggen bereit machte, lag Mariella noch schlafend in Bett. Er machte seine übliche Runde und kam kurz nach 7 Uhr wieder in der Wohnung an.

Mariella war bereits aufgestanden und hatte Kaffee und Frühstück gemacht. Sam und Mariella besprachen noch, was Mariella heute noch alles erledigen wollte beziehungsweise sollte und verabredeten sich für 12 Uhr zum Mittagessen. Mariella sollte Sam im Büro abholen und dann wollten sie in die Pizzeria auf dem Klinikgelände gehen und dort gemeinsam essen.

Sam machte sich auf um pünktlich 8 Uhr im Büro zu sein. Mariella räumte, nachdem sie fertig gefrühstückt hatte, das Geschirr ab und ging in den Garten um zu sehen, was dort alles zu erledigen sei.

Als sie dort im Garten stand und sich über die Gestaltung Gedanken machte, hörte sie Geräusche aus dem Nachbarhaus. Die Nachbarin, Frau Fliege, erschien in ihrem Garten und raunzte Mariella an, was sie denn da zu suchen habe.

Mariella sah die Frau an und sagte in einem freundlichen ruhigen Ton, sie sei mit ihrem Mann die neue Mieterin des Hauses.

„Mein Name ist Grün, Mariella Grün, ich freue mich sie kennen zu lernen. Ich hoffe wir haben Sie gestern Abend nicht in Ihrer Nachtruhe gestört, aber wir sind erst Samstagnacht mit einem Vorauslastwagen aus Süddeutschland angekommen und der Lastwagen musste am Sonntagabend wieder weggebracht werden“, sagte Mariella. Nun konnte die Frau Fliege nicht anders und musste sich auch vorstellen und zum Ausdruck bringen, dass Sam und Mariella sie nicht gestört haben. „Wir werden uns sicherlich noch öfters über den Weg laufen“, meinte Frau Fliege und verschwand wieder in ihrem Haus.

Mariella lächelte noch ein wenig, als die Frau bereits weg war, erinnerte sie diese doch an DDR-Frauen die in Spionagefilme mitspielten. Weitere Gedanken machte sie sich aber nicht darüber, sondern ging ebenfalls ins Haus, um sich auf die Dinge vorzubereiten, die sie heute erledigen wollte.

Sie nahm sich vor zur Montessorischule gehen und mit Frau Müller-Tonfeld sprechen, dann wollte sie sich einen Überblick über das Klinikgelände verschaffen, um ihre Umgebung besser kennen zu lernen und anschließend würde sie gerne in dem kleinen Lebensmittelgeschäft, von dem Sam ihr erzählt hatte, noch einige Lebensmittel einkaufen.

Also ging sie ins Haus um ausgiebig zu duschen, die Haare zu waschen und zu richten, sich umziehen und sich leicht geschminkt fertig für ihre heutige Tour zu machen.

Nachdem Sam in der Klinik ankam, erwartete ihn bereits Frau Müller und meinte eine Email von Klaus-Johann Mohnfeld, dem Aufsichtsratsvorsitzenden, sei da. Es geht wohl um Dr. Dr. Bergovic wie aus dem Betreff der Email hervorgeht. Frau Müller hat natürlich vollen Zugriff auf Sam’s Emailkonto, wusste aber auch das Vertrauen von Sam in sie zu schätzen, so dass sie nur im äußersten Notfall oder auf Sam’s Anweisung Emails selbst öffnete und las.

Sam ging an sein Notebook und fuhr das Betriebssystem hoch. Als er dann sein Emailprogramm aufrief, sah er natürlich sofort die Mail von Mohnfeld. Er öffnete sie und las „gut gemacht, weiter so“, sonst nichts.

Sam machte einen Spaß daraus und druckte die Mail zweifach aus. Eine Fertigung legte er offen auf seinen Besprechungstisch und die andere nahm er und ging schnell und ernst durch das Sekretariat zu Mark Schreiber ins Büro.

Beide Sekretärinnen, Frau Müller und Frau Schmidt, sahen Sam gespannt an und waren natürlich sehr neugierig was Mohnfeld wohl Sam für eine Email wegen Bergovic geschickt hatte. Da Sam ernst und schnell durch das Sekretariat gegangen war, mutmaßten beide, dass Sam von Mohnfeld eine auf den Deckel bekommen hat. Diese Spannung der beiden Sekretärinnen löste sich, als Frau Müller den Kaffee in Sams Büro brachte und die auf dem Tisch liegende Email gelesen hatte. Sie musste dies sofort Frau Schmidt sagen und beide waren froh über diese Email, weil beide Sekretärinnen in voller Loyalität zu ihren Chefs standen.

Nachdem Mark Schreiber die Email von Klaus-Johann Mohnfeld gelesen hatte, meinte er, dass es nunmehr an der Zeit sei die nächsten Schritte zur Organisationsoptimierung anzugehen.

Sam meinte dazu, dass er es noch für zu verfrüht halte, da er selbst die anderen Kliniken, Hotels und Pflegeheime noch gar nicht kennen würde.

Mark Schreiber konnte diesem Argument folgen, meinte aber, dass er selbst bereits die anderen Einrichtungen kennen würde. Er wolle deshalb bereits jetzt seine Gedanken über eine effektive Ablauforganisation zu Papier bringen.

„Kernpunkt seiner bisherigen Überlegungen sei“, so Mark Schreiber, „dass zu viele Abläufe unkoordiniert sind und zum großen Teil auch an uns vorbei laufen. Die Verwaltungsleiter außerhalb der brandenburgischen Mohnfeldklinik sind zum Teil ihre eigenen kleinen Könige, gemeinsam mit den jeweiligen Chefärzten.“

Sam konnte sich dieser Argumentation nicht verschließen und bat Mark Schreiber seine Ideen zu Papier zu bringen. Sam selbst wollte deshalb so schnell als möglich, die anderen Einrichtungen besuchen und mit den dortigen Führungskräften zusammen kommen. „Ideal wäre es, wenn ich ihre Ideen und Vorschläge mitnehmen und unterwegs, sofern ein Chauffeur da wäre, durchsehen und eventuell auch mit dem einen oder anderen in den Einrichtungen besprechen könnte“, meinte Sam.

Als Sam aus Mark Schreibers Büro kam, bat er Frau Müller die Besichtigungstour der anderen Einrichtungen zu organisieren und so schnell wie möglich kurzfristige Termine zu vereinbaren. Frau Müller machte sich sofort an die Arbeit und gemeinsam mit Frau Schmidt war die Tour bis zum Abend organisiert und terminisiert. Chauffeur für Sam sollte Paul Scharner sein.

Nachdem Sam wieder in seinem Büro am Schreibtisch saß, rief Dr. Timm van der Hogh, Chefarzt der Kinderklinik, an und teilte mit, dass er seine hausinterne Organisation bereits konzeptionell fertig habe und gerne mit Sam darüber reden wollte. „Es gibt da einige wenige Punkte“, so van der Hogh, „die meiner Meinung nach sinnvoll für die Gesamtklinik seien und über die wir diskutieren sollten.“

Sam wollte den Tatendrang des Chefarztes nicht unterbinden, dennoch sagte er zu ihm: „Ich werde die nächsten Tage unterwegs sein, aber sie können mir gerne ihre Vorschläge und Ideen schriftlich zum Studium für unterwegs mitgeben.“

Van der Hogh meinte, dass er seine Ideen Sam und Schreiber per Email heute noch zu kommen lassen würde.

Während Sam mit seiner Bürotätigkeit beschäftigt war, war Mariella bereits unterwegs zur Montessorischule. Dort fand sie sehr schnell das Büro der Schulleiterin Karin Müller-Tonfeld, klopfte kurz an und betrat das spartanisch eingerichtete Büro. Mariella stellte sich kurz vor und Karin Müller-Tonfeld begrüßte Mariella überschwänglich.

„Endlich sind sie da“, sagte die Schulleiterin, „wir brauchen sie ganz, ganz dringend. Wann können sie starten? Geht es gleich?“

Mariella, total gerührt von dem Betteln der Schulleiterin, meinte: „Ich habe jetzt etwa drei Stunden Zeit und es würde mir nichts ausmachen, wenn so sehr Not am Mann beziehungsweise an der Frau sei, in diesen drei Stunden ein wenig auszuhelfen.“

Frau Müller-Tonfeld freute sich über die Bereitschaft Mariellas sehr und meinte, dass sie Mariella gerne erst kurz herumführen und alles zeigen möchte.

Während Mariella und Frau Müller-Tonfeld durch die Schule und die Klassen gingen, wurde sie von Müller-Tonfeld über alles informiert, was sich die Schule von Mariella erhoffen und erwarten würde, denn Mariella sei bisher die erste und einzige Fachkraft mit einer reformpädagogischen Ausbildung. Mariella erzählte Müller-Tonfeld wie der Unterricht nach Maria Montessori zu gestalten wäre und wie die staatlichen Schulpläne mit der Montessoripädagogik in Einklang zu bringen wären. Dabei erfuhr Mariella, dass an ihrer neuen Schule, ebenso wie in ganz Brandenburg, bis dato keine staatlichen Lehrpläne existieren würden und Mariella damit umso mehr Freiheiten bei der realen Anwendung der Montessoripädagogik haben würde.

Für Mariella war es total überraschend zu hören dass es keine staatlichen Lehrpläne geben würde. Sie fragte sich, wie denn eine allgemeinbildende Schule die Lernziele der Schülerinnen und Schüler definieren soll, ohne dabei eine Vergleichbarkeit der Jahrgänge aller Schulen und damit eine gerechte Schulempfehlung für weiterführende Schulen aussprechen zu können.

Karin Müller-Tonfeld verstand von dem was Mariella in diesen Minuten bewegte recht wenig. Sie war zwar offiziell die Schulleiterin der Montessorischule auf dem Klinikgelände und offen für alle Kinder aus dem Umkreis, war aber eigentlich eine diplomierte Volkswirtin und nur über den Gründungsverein der Montessorischule in die Position der Schulleiterin gekommen. Sie war deshalb auch froh, dass jetzt endlich jemand kommen würde, der helfen könnte die notwendigen Strukturen zu schaffen.

Der Ehemann von Karin Müller-Tonfeld, Bernd Tonfeld, Vorsitzender des Vereins Montessorischule e.V., hatte ja bereits Expansionsideen, die in Zusammenhang mit der Klinik, standen. Aber darüber wollte Karin Müller-Tonfeld noch nicht mit Mariella reden. Sie zeigte ihr deshalb zunächst die Klasse in der Mariella, wie sich Müller-Tonfeld ausdrückte, sofort einspringen und unterrichten sollte. In der Klasse war es sehr laut und die Kinder rannten nur im Klassenraum herum oder schlugen sich, manche Kinder saßen auf den Fensterbänken und schauten nach draußen.

Als Mariella das Klassenzimmer betrat und Müller-Tonfeld Mariella den Kindern vorgestellt hatte und gegangen war, trat sofort der Mariella-Effekt ein. Die Kinder, alle ohne Ausnahme, wurden sofort immer ruhiger und ruhiger, bis nach etwa 30 Sekunden in der Klasse totale Ruhe eingekehrt war.

Karin Müller-Tonfeld, die das nicht glauben konnte, ging noch mal zurück zum Klassenzimmer und versuchte durch die Türe zu hören, was denn in der Klasse los sei. Aber sie hörte nur eine ruhig redende Mariella und die Kinder, die sich mit Mariella in normaler Lautstärke unterhielten.

Da sie nicht stören wollte, ging sie lächelnd wieder zurück in ihr Büro, um dann sofort ihre Kollegin, die Schulleiterin von Mariellas bisheriger Schule anzurufen und um sich bei ihr zu bedanken weil sie Mariella doch noch früher hatte gehen lassen.

Dass Mariella schon einen Monat früher aus ihrer alten Schule hatte gehen dürfen, war dem dringenden Hilferuf von Müller-Tonfeld zu verdanken; aber davon wusste Mariella nichts.

Als Mariella kurz nach 12 Uhr im Büro von Sam erschien, um ihn zum Essen in der Pizzeria abzuholen, hatte sie sehr viel zu erzählen; außerdem war sie sehr froh über den heutigen Tag in der Schule und sie erklärte Sam, dass sie noch weitere Vertretungsstunden in den nächsten Tagen, bis zu ihrem eigentlichen Dienstantritt übernehmen wolle.

Sam machte sie darauf aufmerksam, dass dies nicht so einfach gehen würde, da Mariella ja immer noch in Bad Liebenzell angestellt sei; aber Sam hatte eine Idee, dass Mariella arbeiten konnte und sich nicht strafbar machen würde. Er erklärte, wie Mariella das mit Müller-Tonfeld vereinbaren und das Ganze sicherheitshalber auch schriftlich fixieren sollte.

Neben diesen Neuigkeiten von Mariella hatte aber auch Sam eine Idee bezüglich der Rundreise durch die Einrichtungen. Er wollte Mariella gerne mitnehmen und so nach Feierabend ein wenig Urlaubsfeeling zu bekommen. Mariella gefiel dieser Gedanke sehr gut und sie wollte gerne mitkommen, zumindest an die Nordsee und in den Harz. Bezüglich Leipzig und Delitzsch meinte sie, dass sie das nicht unbedingt haben müsse und lieber in der Schule aushelfen würde.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen verabschiedete sich Sam von Mariella. Mariella wollte gerne einige Lebensmittel in dem Laden auf dem Klinikgelände einkaufen.

Der Lebensmittelladen gehörte keiner Handelskette an, sondern wurde von der Mohnfeld-Catering betrieben.

Mariella besah sich den Laden von außen und dachte sich, „der sieht ja aus, als ob mehrere Betongaragen aneinander gereiht wurden.“ Aber sie brauchte einige Lebensmittel für das Abendessen.

Nachdem Mariella den Laden betrat, ertönte eine schrille Glocke, und alle Personen, die im Laden waren drehten sich zu Mariella um und musterten sie von oben bis unten. Nachdem sie das Schild „Selbstbedienung“ gesehen hatte, nahm sie einen Einkaufskorb und schlenderte langsam von Regal zu Regal und nahm die Dinge mit, die sie für den Abend brauchte, ging zur Kasse um zu bezahlen.

Da aber die Kasse nicht besetzt war, sah Mariella sich um, wo denn der oder die Kassierer(in) sein könnte und sah eine Frau in einer sehr altmodischen und verfleckten Kittelschürze zu der sie sagte, dass sie gerne bezahlen würde.

Die, wie sich herausstellte, Kassiererin meinte in breiter sächsischer Mundart, dass sie gerade mit einer Kundin beschäftig sei und Mariella zu warten hätte, bis sie fertig sei. Nach etwa 5 Minuten, in denen Mariella warten musste, ertönte wieder die schrille Glocke und ein Mann betrat den Laden. Mariella merkte, dass die Kassiererin sofort ihr Gespräch mit der anderen Kundin abbrach und auf den Mann zu ging und sich anhörte, was der zu sagen hatte. Der Mann war der Chef der Mohnfeld-Catering GmbH, Herr Arnold, der der Kassiererin etwas von Öffnungszeiten und mit Samuel Grün absprechen, sagte.

Als Herr Arnold sah, dass Mariella die ganze Zeit wartete um zu bezahlen, fragte er die Kassiererin warum sie nicht abkassieren würde. Die wiederum meinte, dass sie bisher keine Zeit hatte. Arnold lief puderrot im Gesicht an, sagte der Kassiererin, dass das Konsequenzen haben würde und ging zu Mariella um selbst die Kasse zu machen.

Als Arnold fertig war und Mariella einpackte, entschuldigte er sich für das unmögliche Verhalten seiner Mitarbeiterin und half Mariella beim einpacken. Dabei fragte Mariella, ob Herr Arnold ihren Mann, Samuel Grün, kennen würde, was dieser sofort bejahte. Er erzählte Mariella vom ersten Zusammentreffen mit Sam und rief dann eine weitere Verkäuferin aus dem Laden zu sich und trug ihr auf die Einkäufe sofort zur Wohnung von Familie Grün in der Meisenstrasse Nr. 12 zu bringen. Die Verkäuferin machte sich sofort, ohne Widerspruch aber mit verärgertem Gesicht auf den Weg zur Wohnung von Mariella und Samuel Grün. Die Lebensmittel stellte sie einfach, da Mariella noch nicht da war an der Eingangstür ab und verschwand wieder in den Laden.

Herr Arnold unterhielt sich noch eine Weile mit Mariella und erzählte ihr von seinen ersten Erlebnissen, als er die Mohnfeld-Catering GmbH übernommen hatte.

Einige Anekdoten waren sicherlich amüsant, andere eher das Gegenteil.

Zum Schluss wünschte Arnold Mariella und Sam noch alles Gute zum Start und verabschiedete sich.

Mariella ging nach dem Gespräch sofort nach Hause, um die Einkäufe in die Wohnung zu bringen und zu verstauen. Danach wollte sie noch mal in den Garten gehen und planen was alles zu tun sei.

Mariella merkte die ganze Zeit nicht, dass sie keine Sekunde des Tages bisher aus den Augen gelassen worden ist. Ein Mitarbeiter von Buhler, der ebenfalls Aufseher im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, war und jetzt als Autoverkäufer bei Buhler arbeitete, folgte Mariella den ganzen Tag und machte Fotos und Notizen.

Während dessen hatte Sam die Email von Dr. van der Hogh erhalten und auch an Mark Schreiber weitergeleitet.

Frau Müller erschien und machte Sam mit seinem Rundreiseprogramm durch den Mohnfeld-Konzern vertraut.

So war zunächst für einen Tag geplant die Kliniken Leipzig und Delitzsch zu besichtigen, wobei ihn die stv. Verwaltungsleiterin, Frau Müller-Schönfeld, die ja zurzeit in der brandenburgischen Klinik aushalf, begleiten und auch fahren würde.

Diese Reise sollte maximal 1 Tag in Anspruch nehmen, so Frau Müller.

Am folgenden Tag sollte dann die Reise auf die ostfriesische Insel Juist und in den Harz nach Goslar erfolgen. Frau Müller würde auch noch ein Zimmer in einem der Mohnfeld-Hotels buchen. Hierzu sagte Sam, dass seine Ehefrau, Mariella Grün, ihn auf dieser Reise nach Juist und Goslar begleiten würde.

Fahrer sollte nach Frau Müllers Aussage Herr Scharner sein, der sowieso in der Klinik auf Juist etwas wegen des Brandschutzes abklären müsste.

Für diese Reise hatte Frau Müller 3 bis 4 Tage vorgesehen.

Losgehen sollte es schon am nächsten Tag. Dass dabei das Wochenende für Sam, Mariella und Paul Scharner und die jeweilige Klinik mit Arbeit belegt wurde, sei so seiner Meinung nach in Ordnung, weil er schnell alles kennen lernen wollte und auch musste.

In der darauf folgenden Woche sollten die Pflegeheime und restlichen Hotels angefahren werden.

Sam bedankte sich für die gute und detaillierte Reiseplanung und setzte sich nochmals kurz mit Mark Schreiber zusammen, der seine Ideen bereits zu Papier gebracht hatte und Sam übergab und auch erläuterte.

Kurz nach 18 Uhr verließ Sam die Klinik und freute sich auf die Wohnung, weil er wusste, dass seine Mariella da sein würde.

Als Sam zu Hause war, erwartete Mariella ihn schon. Sie hatte auf der Terrasse ein Abendessen für beide vorbereitet.

Nachdem Sam noch die Getränke nach draußen gebracht hatte und sie beide anfingen zu essen, fragte Sam Mariella wie sie den heutigen Tag verbracht hatte.

Mariella erzählte von der Schule und dass sie gleich ausgeholfen hatte und die Kinder ganz toll auf sie reagiert haben; sie erzählte von Ihrem Eindruck von Karin Müller-Tonfeld, die nach Mariellas Eindruck nicht viel Ahnung von schulischen Dingen hatte und dass im ganzen Bundesland Brandenburg bis dato keine staatlicher Lehrplan für die Schulen vorliegen würde; sie erzählte von einzelnen Kindern, die eine besondere Förderung durch die Lehrer brauchen würden und dass die Kinder aus einem Umkreis von etwa 15 Kilometern um die Klinik per Bus in die Schule kommen würden und dass das Schulgeld mit monatlich 300 Euro doch sehr hoch sei.

Mariella erzählte Sam aber auch von ihren Erlebnissen im Lebensmittelgeschäft mit der Verkäuferin beziehungsweise der Kassiererin und ihrem Zusammentreffen mit Herrn Arnold, dem Catering-Chef. Sie vergaß auch nicht von ihrem Zusammentreffen mit Frau Fliege, der Nachbarin, zu erzählen, wobei sie leicht die Augen verdrehte aber nichts Negatives sagte. Anscheinend rechnete Mariella damit, dass Frau Fliege irgendwas hören könnte.

Anschließend meinte Sam, dass Mariella und er übermorgen für ein paar Tage, auch übers Wochenende hinweg, an die Nordsee und in den Harz fahren würden und dass er bereits am morgigen Tag nach Sachsen fahren, aber abends wieder zurück sein würde. Sam bot Mariella nochmals an, auch nach Sachsen mit zu fahren, aber Mariella meinte dazu hätte sie keine große Lust, viel lieber würde sie noch mal in die Schule gehen und eventuell Vertretungsstunden übernehmen und falls das nicht klappen wollte sie die Wohnung aufräumen und für den großen Umzug durch die Umzugsfirma in 2 Wochen vorbereiten. Außerdem müsste sie ja das Klinikgelände auch noch besser kennen lernen.

Da sie für den Abend nichts Weiteres geplant hatten, gingen Sam und Mariella in den Garten und Mariella zeigte Sam, der gerade genüsslich seine Feierabendpfeife rauchte, was sie dort noch so alles vor hatte.

Danach machten sie es sich zunächst auf der Terrasse und später im fast leeren Wohnzimmer vor dem Fernsehgerät gemütlich.

Wie Mariella bereits den ganzen Tag, so wurden jetzt Sam und Mariella mit Fernglas, Richtmikrofon und Fotoapparat „bewacht“ und beide merkten nichts davon.

Am folgenden Tag war Sam pünktlich um 8 Uhr im Verwaltungsgebäude, wo schon Frau Meier-Schönfeld und Mark Schreiber im Sekretariat auf ihn warteten.

Für Sam war es ja nicht der erste Besuch der Leipziger Klink, da er ja schon vor ein paar Monaten gemeinsam noch mit Mark Schreiber Benchmarking im Rahmen des Qualitätsmanagements durchgeführt hatte. Damals hatte Schreiber ihm die Klinik ja bereits vorgestellt. Nur die Klinik in Delitzsch kannte Sam noch nicht und er freute sich diese Klinik endlich kennen zu lernen.

Katrin Meier-Schönfeld und Sam gingen gemeinsam zu Sam’s Dienstwagen und Sam meinte sie solle doch fahren, da sie den Weg am Besten kennen würde und er damit Zeit habe verschiedene Papiere durchzusehen.

Schnell merkte Sam, dass Katrin Meier-Schönfeld eine sichere Autofahrerin war und so konnte er sich voll und ganz auf die Dokumente von Mark Schreiber und Dr. Timm van der Hogh konzentrieren.

Nach etwa zwei Stunden erreichten Sie die Klinik in Leipzig und Meier-Schönfeld stellte Sam den Chefarzt und Privatdozenten Dr. Kaul, 45 Jahre alt und aus Mannheim stammend, und seine fünf Oberärzte vor.

Bei einem kleinen Imbiss, den Meier-Schönfeld von der brandenburger Klinik aus organisiert hatte, konnte Sam die Nöte und Wünsche der Leipziger Klinik erfahren. Dabei konnte er feststellen, dass sich diese Wünsche und Nöte zu 95% in den Dokumenten von Mark Schreiber und Dr. van der Hogh widerspiegelten, nur dass in diesen Papieren Lösungswege aufgezeichnet wurden.

Knackpunkt der Probleme der Leipziger Klinik war vor allem die Machtkonzentration im medizinischen Bereich auf den leitenden Chefarzt Dr. Dr. Bergovic in der brandenburgischen Mohnfeldklinik. Ein weiterer schwerwiegender Punkt war eine problematische Kommunikation im medizinischen Bereich und die Entscheidungskonzentration auf die brandenburgische Mohnfeldklinik. Dr. Kaul meinte, „wir leben hier eigentlich im Tal der Ahnungslosen.“

Bei seiner Verabschiedung von der Leipziger Ärzteschaft machte Sam dann auch klar, dass in den nächsten Tagen bereits grundlegende Probleme, von den auch die Leipziger Ärzte berichteten, durch Reorganisationen bereinigt werden. „Ihre Probleme hier in Leipzig“, so Sam, „habe ich bereits mit Lösungsansätzen aus Brandenburg mit hierher gebracht. Ich bitte Sie meine Damen und Herren nur um ein klein wenig Geduld.“

Nachdem Sam und Katrin Meier-Schönfeld nach Delitzsch fuhren, fragte Sam Meier-Schönfeld was sie denn von der ganzen Sache halten würde. Meier-Schönfeld bestätigte die Problematik mit Dr. Dr. Bergovic und meinte, dass ja in naher Zukunft Änderungen eintreten werden und damit dann auch die einzelnen Klinikstandorte besser abgesichert seien und besser funktionieren werden. „Sicherlich wird auch eine Erhöhung der Belegungszahlen und damit einer wesentlichen Verbesserung des Betriebsergebnisses eintreten. Das dürfte sicherlich den Herren Mohnfeld sehr gut gefallen.“

Nach einer kurzen Weiterfahrt erreichten sie die Klinik Delitzsch. In den Gesprächen mit dem Chefarzt und der Ärzteschaft, Therapeuten und Verwaltungsmitarbeitern unterhielt sich Sam ausgesprochen gut. Aber auch hier wurde er auf die gleichen Probleme und Nöte wie in Leipzig, beziehungsweise wie von Mark Schreiber und Dr. van der Hogh vorbeschrieben, aufmerksam gemacht. Abschließend bat der Chefarzt, „bitte schicken sie uns schnell wieder unsere Frau Meier-Schönfeld, denn die wird hier sehr gebraucht.“

Fast schon freundschaftlich verabschiedeten sich Sam und Meier-Schönfeld von den Delitzschern Mitarbeitern und machten sich auf den Rückweg nach Bernau bei Berlin. Während der Rückfahrt diktierte Sam seinen Reisebericht in sein Diktiergerät und ließ dann anschließend den Tag Revue passieren. Als Sam und Meier-Schönfeld die Klinik erreichten war es fast 20 Uhr und Sam suchte noch kurz sein Büro auf um die eingegangene Post zu sichten und das Diktat Frau Müller auf den Schreibtisch zu legen. Da nichts „anzubrennen“ schien, konnte Sam dann auch endlich Feierabend machen.

Zuhause angekommen begrüßte Mariella Sam und berichtete wieder von einem schönen Tag, den sie in der Schule und auch in ihrem Garten erlebt hatte.

Nachdem Sam und Mariella etwas gegessen hatten und Sam seine obligatorische Feierabendpfeife geraucht hatte, checkte Mariella noch mal kurz das Gepäck für die am nächsten Tag beginnende Rundreise zur Nordseeklinik auf Juist und die Goslarer Klinik im Harz. Beide freuten sich auf die Reise und Sam hoffte, dass er auch außerhalb der Arbeit Zeit für Mariella haben würde.

Am nächsten Morgen, pünktlich um 8 Uhr erschien Paul Scharner, der heute einen luxuriös ausgestatteten Kleinbus chauffierte und im Kofferraum diverse Ersatzteile transportierte. Dennoch fand auch das Gepäck von Sam und Mariella genügend Platz und die Fahrt konnte beginnen.

Sam und Mariella, auf der hinteren Sitzbank sitzend, unterhielten sich über dies und das. Paul Scharner hörte gespannt zu und versuchte sich das wichtigste zu merken.

Mariella erzählte Sam von ihren letzten Telefonaten mit ihrer Schwester Andrea, ihrem Vater und etwas traurig auch von ihrem Anruf bei Nina.

Sam merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und fragte nach, was denn Nina erzählt habe. Mit einem traurigen Blick meinte Mariella, dass Nina behauptet habe, ihre Eltern wollten nichts mehr von ihr wissen und deswegen nach Berlin gezogen seien. Und Nina würde sich nun überlegen, ob sie überhaupt noch Kontakt zu ihren Eltern haben wolle. Dann hätte sie einfach das Telefon aufgelegt und sei, trotz mehrer Versuche durch Mariella, nicht mehr ans Telefon gegangen.

Sam meinte, Mariella solle sich das nicht so zu Herzen nehmen. Nina, so meinte Sam, steht voll und ganz unter dem Einfluss ihres Mannes und dessen Familie. Aber unsere Tochter ist nicht dumm oder blöd, die wird das schon noch alles merken. Es wird nicht mehr lange dauern und sie lässt sich das alles nicht mehr gefallen. Ruf ihr einfach immer wieder an und lade sie ein einige Tage bei uns zu verbringen.

Für Mariella war es trotzdem sehr schwer, weil sie meinte ihre geliebte Tochter zu verlieren oder schon verloren zu haben.

Um Mariella wieder etwas abzulenken fragte Sam, wie es Mariellas Vater und ihrer Schwester denn gehe. Mariella erzählte, was ihr Vater ihr gesagt hatte und wie Andrea und Thomas derzeit einen Wasserrohrbruch in ihrem Haus hatten.

Die Fahrt war eintönig und auch ermüdend, so dass Mariella langsam einschlief und Sam einige Papiere aus seinem Büro, die Klinik auf Juist betreffend, durchsah und immer wieder am Rand Anmerkungen machte.

Endlich hatten sie die Autobahn A1 bei Bremen hinter sich gebracht, als Scharner meinte, dass es jetzt nicht mehr lange dauern würde bis sie an der Fähre Norddeich ankommen werden. Nach etwa einer Stunde standen sie vor der Fähre und mussten auf die Überfahrt nach Juist noch kurz warten.

Für Mariella und Sam war es das erste Mal, dass sie an der Nordsee waren und so stiegen sie aus und sahen sich den kleinen Hafen an.

Endlich konnte Scharner das Fahrzeug auf die Fähre bringen und das Schiff setzte sich, Sam und Mariella an der Reling stehend, in Bewegung.

Der Überfahrt verlief problemlos und Sam und Mariella wurden von Scharner zunächst einmal am Mohnfeld eigenen Hotel abgesetzt. Die Managerin des Hotels, die das Hotel schon seit vielen Jahren leitet, begrüßte Sam und Mariella und führte sie in die Ownersuite, die bisher nur von der Familie Mohnfeld benutzt wurde.

Die Managerin machte Mariella den Vorschlag sich doch im Haus von der Kosmetikerin im Wellnessbereich verwöhnen zu lassen, während Sam zur Arbeit in die Klinik geht. Mariella nahm das Angebot der Hotelmanagerin gerne an und freute sich bereits auf das Wellnessprogramm des „Vier Sterne“ Hotels. Sie wollte sich so richtig verwöhnen lassen.

In der Klinik traf Sam auf die Verwaltungsleiterin Christine Sprengel und den Chefarzt und Oberärzte der Klinik. Bei der Mohnfeldklinik auf Juist handelt es sich um eine dermatologische Klinik und eine Kinderklinik für Atemwegserkrankungen.

Sam wollte die beiden Einrichtungen gerne intensiv besichtigen, da er bisher keine Erfahrung mit Kliniken für dermatologischen Erkrankungen oder auch Atemwegserkrankungen hatte. Bei seinem Rundgang wurde er von den beiden Chefärzten der Klinken begleitet.

Auf dem Rundgang machten die Chefärzte Sam mit ihren Behandlungskonzepten vertraut und zeigten voller Stolz ihre medizinischtechnischen Einrichtungen.

Nachdem sie auf ihrem Rundgang auch andere Ärzte und auch Therapeuten trafen, die freundlich auf Sam und den Chefarzt zugingen, wurde der Rundgang sehr ausgedehnt und dauerte doch etwas länger wie erwartet.

Nachdem Sam sich gegen 18 Uhr von den Chefärzten verabschiedete, ging er noch kurz bei der Verwaltungsleiterin Sprengel vor bei und fragte nach, ob Anrufe, Mails usw. für ihn angekommen wären.

Frau Sprengel teilte Sam mit, dass seine Ehefrau Mariella angerufen habe und ihn gleich abholen würde, um essen zu gehen.

Sam meinte, es wäre schön, wenn Frau Sprengel ihn und seine Ehefrau begleiten, da sie sicherlich ein gutes Lokal kennen würde. Außerdem wäre es nicht schlecht, da sie dann auch einige geschäftliche Dinge besprechen könnten.

Nach etwa 5 Minuten traf Mariella, gemeinsam mit der Hotelmanagerin, im Büro von Frau Sprengel ein und die drei gingen in ein gutes Restaurant auf der Insel zum Essen.

Mariella erzählte auf dem Weg zu Restaurant, dass das Wellnessprogramm des Hotels super sei und dass sie gerne noch einmal herkommen wollen würde. Frau Sprengel und Mariella tauschten auch gleich Erfahrungen über Wellness aus und unterhielten sich super gut. Sam, der nebenher ging und zuhörte, musste schmunzeln. Offenbar verstanden die beiden Frauen sich sehr gut.

Aus dem Gespräch im Restaurant mit Frau Sprengel, an dem sich auch Mariella intensiv beteiligt hatte, hörte Sam die gleichen Probleme, wie sie von Mark Schreiber skizziert, Dr. van der Hogh gemailt und den Chefärzten und Oberärzten aus Sachsen bereits auch schon angesprochen worden sind.

Im Verlaufe des Abends dachte Sam, „das Beste wäre es wenn Dr. Dr. Bergovic die Klinik verlassen würden.“ Aber soweit wollte Sam im Moment nun doch nicht gehen.

Nach dem Essen fragte Sam Frau Sprengel, ob Herr Scharner mit seiner Reparatursache fertig sei? Sprengel meinte, dass er bereits fertig ist und Sam meinte dass Scharner eigentlich am nächsten Tag mit der Fähre und dem Zug zurückfahren und Sam selber fahren könnte.

Frau Sprengel sagte zu, Herrn Scharner noch am heutigen Abend zu informieren und am Morgen gleich die notwendigen Fahrkarten für ihn zu organisieren.

Nicht nur Mariella, auch Sam hatte zu Frau Sprengel einen guten persönlichen Zugang gefunden und gingen erleichtert und froh gelaunt zurück ins Hotel.

Als Sam am folgenden Morgen in der Verwaltung erschien, war Paul Scharner gerade dabei sich zu verabschieden um dann mit dem Zug nach Bernau bei Berlin zurückzufahren. Sam meinte noch, dass Scharner sicherlich in der Klinik gebraucht werden würde und er auf der Insel Juist noch etwas Zeit bräuchte. Die Klinik im Harz, meinte Sam, würde er sicherlich auch alleine finden.

Beim Frühstück hörte Mariella, dass Sam heute noch einmal in die Kinderklinik für Atemwegserkrankungen geht. Sie fragte Sam deshalb, ob es ihm etwas ausmachen würde, wenn sie mitkommen würde. Das Thema und das Behandlungskonzept würde sie sehr interessieren, weil es in der Schule immer häufiger vorkommen würde, dass Kinder an Krupp-Husten oder ähnlichem erkrankten.

Und so gingen Sam, Mariella und Frau Sprengel gemeinsam zu der Kinderklinik, wo sie schon vom Chefarzt und vom Oberarzt erwartet wurden.

Der Chefarzt stellte den zuständigen leitenden Oberarzt der Kinderklinik vor, der wiederum das Behandlungskonzept detailliert erläuterte. Als Mariella hörte, dass viele Kinder der Klinik 6 Wochen und länger in der Klinik verbringen müssen, fragte sie nach, ob die Klinik auch einen Schulunterricht für die Kinder bereitstellen würde, was aber vom Oberarzt verneint wurde.

Beim anschließenden Rundgang trat natürlich wieder das „Mariella-Syndrom“ auf. Binnen weniger Sekunden hatte Mariella die Kinder in ihren Bann gezogen und hätte sofort mit ihnen arbeiten können. Allerdings hatten Sam, der Chefarzt und der Oberarzt nicht die Zeit um länger bei den Kindern zu verweilen.

Und so meinte Sam, dass er Mariella abholen würde, wenn er mit der Besichtigung fertig sei, oder wenn Mariella möchte auch erst später selbst ins Hotel kommen könnte.

In seinen anschließenden Gesprächen mit den Ärzten und Therapeuten, hörte Sam wieder die gleichen Probleme die er schon an der anderen Klinikstandorten gehört hatte. In einem Abschlussgespräch mit Frau Sprengel sprach Sam die Belegungsproblematik der Kliniken an. Dabei stellte er fest, dass die Qualitätsberichte zwar primär an den leitenden Chefarzt Dr. Dr. Bergovic geschickt wurden, Frau Sprengel aber dafür gesorgt hatte, dass auch sie die Berichte direkt bekam. So war es auch nicht verwunderlich, dass die massiven Probleme der brandenburgischen Kliniken hier auf der Insel nicht auftraten, was sich auch in der guten Belegung der Kliniken niederschlug. Trotzdem gab es erheblich Kommunikationsprobleme mit dem leitenden Chefarzt Bergovic, die Frau Sprengeln versuchte trickreich zu umgehen. Dem entsprechend waren auch die betriebswirtschaftlichen Auswertungen erfreulich in ihren Aussagen.

Zurück im Hotel setzte sich Sam noch mit der Hotelmanagerin zusammen und hörte sich die Sorgen und Nöte des Hotels an, welches ein wenig mit der Auslastung zu kämpfen hat, was aber auf das Wetter zurück zuführen war.

Als am Abend dann Mariella, in Begleitung einer Physiotherapeutin ins Hotel zurück kam, wollten Sam und Mariella zum Abschluss noch das Wellnessprogramm des Hotels in Anspruch nehmen, etwas essen und dann zu Bett gehen. Sam wollte die erste Fähre wieder auf das Festland nehmen und so den Sonntagsausflüglern aus dem Weg gehen. Die Besichtigung der Klinik im Harz, so meinte Sam, würde sowieso nichts neues mehr bringen, außer dass er die Menschen dort kennen lernen würde.

Und so waren Sam und Mariella bereits um 7 Uhr morgens am Anleger, fuhren auf die Fähre und weiter zum Festland. Während der Überfahrt diktierte Sam seinen Bericht und war gerade fertig, als die Fähre in Norddeich festmachte.

Die Fahrt nach Goslar dauerte knapp 4 Stunden und so kamen Sam und Mariella gegen Mittag an der Mohnfeldklinik im Harz an. Dort wurden sie vom Chefarzt und den Oberärzten und dem Verwaltungsleiter herzlich begrüßt und Sam bat darum gleich einen kleinen Rundgang durch die Klinik zu machen. Wie er erwartet hatte, hörte Sam auch hier wieder die gleichen Probleme und nach einem kurzen Gespräch mit dem Verwaltungsleiter fuhren Sam und Mariella wieder zurück nach Bernau bei Berlin, wo sie dann gegen 22 Uhr ankamen und gleich müde ins Bett fielen.

Zwischendurch hatte Sam noch einem alten Freund und Schulkameraden angerufen, der in der Zwischenzeit Professor an der juristischen Fakultät der Uni Konstanz Arbeitsrecht lehrt, und ihn gebeten ihm doch möglichst bis Montag morgen je einen Vertragsentwurf für eine Änderungskündigung und eine Vertragsauflösung per Mail zu schicken. Sam erläuterte seinem Freund noch kurz die Problematik um Dr. Dr. Bergovic, der durch sein Verhalten, seine doch sehr überhebliche Art und Machtkonzentration die Existenz der gesamten Mohnfeldkliniken aufs Spiel setzt.

Sam’s Professorenfreund meinte dazu nur, dass dies kein Problem sei und er die Vertragsentwürfe bis 8 Uhr in seinem Mailpostfach finden würde.

Am nächsten Morgen um 8 Uhr erschien Sam, einen Tag früher als ursprünglich geplant, wieder in der Klinikverwaltung. Frau Müller fragte ihn überrascht, ob denn etwas passiert sei, weil er schon so früh wieder zurück war. Aber Sam beruhigte sie, bat um frischen Kaffee und darum, dass ihm Bescheid gegeben wird, wenn Mark Schreiber kommt. Frau Schmidt, die neben Frau Müller saß, sagte Sam, dass Schreiber erst so gegen 10 Uhr kommen wollte. Sam ging in sein Büro, sah die Post durch und checkte seine Emails. Es schien derzeit nichts an größeren Problemen hinzugekommen zu sein.

Nachdem Sam seinen Aktenkoffer ausgeräumt hatte, gab er Frau Müller noch schnell die Kassetten mit seinen Reiseberichten und bat sie diesen so schnell wie möglich abzutippen und ihm gleich rein zu geben.

Durch die Rundreise und die vielen Gespräche, die Sam mit Ärzten, Therapeuten und Verwaltungsleuten geführt hatte, fühlte sich Sam nun in der Lage die notwendigen Veränderungen im Einvernehmen mit Mark Schreiber festzulegen.

Um auf die Konferenz mit Mark Schreiber vorbereitet zu sein legte sich Sam einen Projektablauf zurecht. Er wusste, dass dieses Umstrukturierungsprojekt der Klinik helfen, aber bei einem scheitern des Projektes auch sehr großen Schaden zufügen konnte.

Kurz vor 10 Uhr erschien dann Mark Schreiber und Sam und er zogen sich in das Büro von Mark Schreiber zurück. Sam erzählte in kurzen Worten, was er in den Kliniken erfahren habe und dass die Einschätzungen von Mark Schreiber, die vor der Reise entstanden sind, voll und ganz zutreffen würden.

Sam sagte zu Mark Schreiber, „jetzt ist die Zeit der Umstrukturierung der Mohnfeldkliniken gekommen, wir sind zwar erst sehr kurz im Amt, aber es ist doch Eile geboten.“

Basierend auf dem Dokument von Mark Schreiber und den Reiseberichten von Sam legten sie ein 10-Punkte-Programm fest:

1 Dr. Dr. Bergovic ab sofort nicht mehr leitender Chefarzt ist und seine Bezüge entsprechend angepasst werden;

2 Die Stelle des leitenden Chefarztes nicht mehr neu besetzt wird, sondern turnusmäßig jährlich im Wechsel durch die anderen Chefärzte besetzt wird;

3 Der leitenden Chefarzt wird nur noch beratend und schlichtend bei Streitigkeiten tätig;

4 Die Chefärzte haben sofort ihre Ablauforganisation auf die neue Situation ohne disziplinarischen leitenden Chefarzt anzupassen;

5 Es wird ein Medizincontrollingsystem aufgebaut, bestehend aus einem Arzt oder einer Ärztin und einem Apotheker oder einer Apothekerin;

6 Das Medizincontrolling ist auch zuständig für alle Patientenbeschwerden und für die Qualitätssicherung;

7 In der Buchhaltung wird eine zusätzliche Controllingstelle eingeführt, die als Schnittstelle zum Medizincontrolling zu verstehen ist;

8 Zukünftig werden regelmäßige monatliche Konferenzen der Chefärzte, der Verwaltung und der Geschäftsleitung einschl. Vertreter aller Verwaltungsbereiche durchgeführt.

9 Die Termine werden immer 1 Jahr im Voraus von der Geschäftsleitung festgelegt.

10 Die Geschäftsleitung, die Verwaltungsleiter werden Vertreter zu den Konferenzen schicken Die Teilnahme an den Konferenzen ist für jeden Chefarzt Pflicht. Die Nichtteilnahme hat disziplinarische Folgen.

Nachdem Mark Schreiber und Sam mit dem 10-Punkte-Programm zufrieden waren, baten sie die Sekretärinnen zu sich um das Programm sofort schriftlich zu fixieren und eine Jahresplanung für die Konferenzen zu machen.

Sam und Schreiber legten auch fest, dass die erste Konferenz gemeinsam am kommenden Donnerstag, dem 26. September 2002 in der brandenburgischen Mohnfeldklinik, stattfinden wird. Sam diktierte Frau Müller die Einladung nicht als Einladung, sondern in der Form einer Dienstanweisung und forderte Frau Müller auf diese Dienstanweisung unverzüglich an die Chefärzte und Verwaltungsabteilungen weiter zu geben, was diese durch ihr Faxgerät und die persönliche Übergabe auch sofort erledigte.

Zwischendurch ging Sam kurz in sein Büro um nach der Email seines Freundes aus Konstanz zu sehen. Nachdem die Email eingegangen war, druckte Sam sofort die Mail und die beiden Vertragsentwürfe aus und nahm sie mit ins Büro zu Mark Schreiber.

Beide Geschäftführer stimmten sich telefonisch mit Klaus-Johann Mohnfeld, er auf Mallorca verweilt, ab um dann im nächsten Schritt Dr. Dr. Bergovic anzurufen und aufzufordern sofort mit seinem leitenden Oberarzt in die Verwaltung zu kommen.

Bergovic erschien dann tatsächlich auch nach knapp 10 Minuten mit seinem leitenden Oberarzt in Mark Schreibers Büro. Als er das Büro betreten hatte, rief Sam bei Dr. Kociekowa an und bat sie zum sofortigen Gespräch mit der Personalakte Bergovic in Mark Schreibers Büro.

Nachdem alle versammelt waren, holte Schreiber noch Frau Schmidt als Protokollantin dazu.

Sam ergriff, wie mit Schreiber abgesprochen, das Wort und erklärte: „Herr Dr. Dr. Bergovic. Sie sind ab sofort nicht mehr der leitende Chefarzt der Mohnfeldkliniken.“ Bergovic, der Oberarzt und die Kociekowa traf diese Aussage wie ein Vorschlaghammer.

Sam weiter, „bis Donnerstag, 26. September, wird diese Bezeichnung ihr leitender Oberarzt übernehmen, wobei jede, und ich betone ausdrücklich Herr Oberarzt, jede Tätigkeit die sie als kommissarischer leitender Chefarzt vornehmen mit mir oder Herrn Schreiber abzustimmen ist. Ist das klar?“

Der Oberarzt, ein etwa 50 Jahre alter Mann, schmächtig und schüchtern, piepste „ Ja Herr Grün, ich habe verstanden.“

Damit war der bisherige leitende Oberarzt aus dem Gespräch entlassen.

„Nun zu Ihnen Dr. Dr. Bergovic“, sagte Mark Schreiber, „sind Sie sich darüber im Klaren, warum wir zu diesem Schritt gezwungen sind?“

Dr. Dr. Bergovic wollte zu einer langen und heftigen Rede ansetzen, überlegte es sich aber noch mal und meinte an Mark Schreiber gewandt, „Sie und Herr Grün sind jetzt ja erst einen Monat hier in der Klinik und da wollen sie mich und meine Arbeit schon beurteilen können? Das können sie beide nicht. Trotzdem, ja nach der letzten Konferenz mit den anderen Chefärzten und den Fehlern die ich gemacht habe und bekannt geworden sind, ist dies wohl der einzig logische Schritt, den Sie machen konnten. Werden Sie mich jetzt auch noch ganz entlassen?“

„Nun“, mischte sich Sam ein, „wie sie wissen haben Mark Schreiber und ich uns gemeinsam mit den Hauptbelegern der Kliniken und ich mich noch mit den anderen Chefärzten an den anderen Standorten unterhalten. Die Hauptbeleger sind von Ihnen als leitenden Chefarzt absolut nicht überzeugt, allerdings schätzen die meisten Ihre Arbeit als kardiologischer Chefarzt bzw. Arzt der kardiologischen Klinik hier auf dem Gelände. Außerdem sind sie altersmäßig soweit, dass sie sehr bald in Rente oder Pension gehen können.“ Auf Bergovic’s Gesicht keimte ein leichtes gezwungenes Lächeln auf.

„Herr Schreiber und ich“, so Sam weiter, „haben uns deshalb zwei Optionen für die überlegt. Die erste Option ist, sie treten in das zweite Glied zurück und sind nur noch Chefarzt und die zweite Option ist die sofortige Auflösung ihres Arbeitsvertrages. Überlegen sie es sich gut welche Option sie wählen und gehen sie kurz nach draußen um in Ruhe wählen zu können. In 5 Minuten möchte ich eine klare Aussage und Ihre Unterschrift entweder auf dem Auflösungsvertrag oder auf der Änderungskündigung.“

Zu Frau Dr. Kociekowa meinte Sam, nachdem Bergovic draußen war, „gehen sie jetzt bitte zu Frau Müller und tragen in beide Verträge noch die persönlichen Daten von Bergovic ein. Die Verträge sind ansonsten fix und fertig.“ Kociekowa nickte nur und kam 2 Minuten später mit den Schriftstücken zurück. Sam und Schreiber konnten dabei feststellen, dass die Kociekowa innerlich bebte und leicht zitterte.

Kurz darauf rief Frau Schmidt Dr. Dr. Bergovic wieder in das Büro von Mark Schreiber.

Sam fragte ihn: „Wie haben sie sich entschieden?“ Bergovic murmelte kaum hörbar: „Die Änderungskündigung.“ „Ok“, sagte Sam, „hier bitte ihre Unterschrift. Dass dann natürlich ihre Zulage als leitender Chefarzt entfällt ist klar, oder?“ Bergovic nickte nur, unterschrieb und fragte ob er denn jetzt gehen könne. Schreiber und Sam nickten nur und Bergovic verließ das Büro um sofort zu Elvira Poppe zu gehen und ihr alles zu erzählen.

Danach verließ er die Verwaltung und ging in sein Chefarztbüro der kardiologischen Klinik. Dort verabschiedete er sich von seinem leitenden Oberarzt und meinte er fühle sich im Moment nicht besonders wohl, was der Oberarzt durchaus verstehen konnte.

Mark Schreiber und Sam beglückwünschten sich, dass dieser extrem unangenehme Teil des heutigen Tages gut abgelaufen sei.

Sam und Mark Schreiber verabredeten sich noch für den Abend zu einem Testessen der Patientenabendessen in der orthopädischen Klinik und ließen über Frau Schmidt nachfragen ob der Catering-Chef, Herr Arnold, zufällig in der Gegend sei und ob dieser gerne am Testessen teilnehmen wollte.

Wieder in seinem Büro, informierte Sam Klaus-Johann Mohnfeld per Email über die Ereignisse des bisherigen Tages, sah anschließend die eingegangene Post durch und machte die Unterschriftsmappe für Frau Müller fertig.

Sam war mit dem Verlauf des heutigen Tags sehr zufrieden, brauchte nun aber etwas frische Luft.

Bevor er ging, fragte er bei Frau Müller und Frau Schmidt nach, ob die Dienstanweisungen bereits raus gegangen seien, was diese bejahten und meinte, dass er jetzt die Kinderklinik und dort Dr. van der Hogh aufsuchen wollte.

Eigentlich ging es Sam dabei gar nicht um einen expliziten Besuch der Kinderklinik, sondern eher darum etwas Luft zu schnappen und den Stress abzubauen. Er ließ sich deshalb auf dem Weg zur Kinderklinik auch viel Zeit, sprach mit Touristen und Patienten aus allen Kliniken und erreichte so gegen 17 Uhr dann die Kinderklinik.

Von Dr. van der Hogh wollte Sam wissen, ob er die Dienstanweisung erhalten hat und wie weit seine klinikinternen Umstrukturierungen gediehen sind. Van der Hogh erzählte, dass Olga Pawlowa auf Vorschlag des Pflegepersonals als Oberschwester ernannt werden soll und damit unter anderem auch für Dienstplangestaltung, Verbandsmaterial, Urlaubsplanung und vieles mehr im Pflegebereich zuständig sein soll. Daraufhin meinte Sam, ob es nicht sinnvoller wäre jemanden anderes aus der Pflege, die zu 100% hinter dem Chefarzt steht, zu suchen und gegebenenfalls auszubilden lassen. Van der Hogh nahm diesen leichten Einwand von Sam nachdenklich zur Kenntnis.

Besonders stolz präsentierte Dr. van der Hogh Sam sein neues Behandlungskonzept, welches in wesentlichen Teilen gegenüber dem bisher geltenden Konzept verbessert wurde. Sam meinte, dass ein Behandlungskonzept zu überarbeiten die eine Sache sei, aber bevor man dieses neue Konzept umsetzt, muss die Geschäftsleitung und die Kostenträgerseite dieses absegnen. Dann ist natürlich auch die Frage der zusätzlichen Kosten zu klären, meinte Sam.

Als Sam wieder im Verwaltungsgebäude eintraf erwartete ihn bereits Mark Schreiber, um mit Sam zum Testessen in der Orthopädie zu gehen. Herr Arnold war nicht gekommen, da er sich an einem anderen Klinikstandort aufhielt.

In der Orthopädie angekommen, setzten Sam und Schreiber sich an einen Tisch, an welchem bereits Patienten saßen. Während des Essens unterhielten beide sich mit den Patienten über die Qualität des Essens, die Qualität der Behandlungen und den Aufenthalt allgemein. Da Sam und Mark Schreiber auf zwei Patienten gestoßen sind denen es rund um gut in der Klinik gefällt und für auch Sam und Schreiber das Essen ok war, verließen sie die Klinik und gingen nach Hause.

Mariella hatte den ganzen Tag Zeit um sich um das Haus und den Garten zu kümmern. Gleichzeitig hatte sie beim Umzugsunternehmen angefragt, ob der Umzugstermin nicht um 2 oder 3 Wochen vorgezogen werden könne. Sie hatte Glück. Der Umzug würde nun statt im November, bereits in wenigen Tagen, am 10. Oktober, einem Donnertag, also in knapp 3 Wochen, stattfinden.

Sam wird über diese Entwicklung sicherlich froh sein, dachte sie noch, als sie in den Garten ging. Schade dass meine Waschmaschine noch nicht da ist, dann könnte ich endlich die Wäsche von der Rundreise und davor waschen. Ok, was nicht geht, geht halt nicht und so ging sie durch den Garten und schnitt die Sträucher zurück, die total verwuchert waren und schon lange keine vernünftige Pflege bekommen hatten.

Dabei sah Mariella aus dem Augenwinkel, wie sie von Frau Fliege beobachtet wurde. Nachdem Mariella sich umdrehte, sah sie Frau Fliege am Fenster stehen und zu ihr blicken.

Mariella grüßte sehr freundlich und fragte, wie es ihr denn gehen würde. Frau Fliege sah sich kurz um, als ob sie sich vergewissern wollte, dass niemand merkt, dass sie jetzt mit Mariella Grün spricht. Da niemand in der Nähe zu erblicken war, meinte sie nur kurz, sie käme schnell runter und raus.

Nachdem Frau Fliege bei Mariella war, vergewisserte sie sich nochmals, dass niemand in der Nähe ist und sie sehen konnte.

Die beiden Frauen begrüßten sich nun per Handschlag und Frau Fliege meinte, dass sie froh sei, dass endlich wieder jemand neben an wohnen würde. Dann fragte sie: „Sie arbeiten wohl beide in der Klinik?“

Mariella antwortete darauf, dass sie Lehrerin sei und nur ihr Mann Samuel in der Klinik arbeiten würde. „Ist ihr Mann Arzt?“ fragte Frau Fliege worauf Mariella erwiderte, dass Sam der neue Geschäftsführer der Klinik sei.

Beide Frauen tauschten sich dann darüber aus, wo man denn vernünftig einkaufen könne und was man einiger Maßen gut auf dem Klinikgelände bekommen würde.

Vom Italiener auf dem Klinikgelände riet Frau Fliege total ab, das sei ein zugezogener und dabei gar kein Italiener, „irgendwas anderes.“ Mariella meinte, dass das Essen aber recht gut sei und sie sehr gerne italienisch essen würde. Als ein Auto zu hören war, ging Frau Fliege in Richtung eines Busches und tat so als ob sie den Busch schneiden würde; erst nachdem das Auto vorbei gefahren war, kam sie wieder zu Mariella.

Mariella war das natürlich aufgefallen und so fragte sie Frau Fliege, was das denn gerade war, ob sie das Auto kannte. Frau Fliege wurde etwas fahrig und meinte, „nein, das kenne ich nicht, aber ich muss jetzt sofort reingehen, weil ich was auf dem Herd stehen habe.“ Sie reichte Mariella nochmals kurz die Hand und verschwand im Haus.

Mariella fand das Verhalten der Frau etwas komisch, aber sie dachte nicht weiter darüber nach und schnitt weiter ihre Büsche und Sträucher.

Gegen 16 Uhr meinte Mariella, dass sie noch schnell ein paar Kleinigkeiten in dem Laden auf dem Gelände einkaufen muss, zog sich kurz um und ging los. Im Laden war außer einer jungen Verkäuferin, die auch kassierte niemand zu sehen und so kaufte sie ohne Probleme die Dinge die sie noch brauchte.

Als sie zu Hause war und alles eingeräumt hatte, setzte sie sich vor den Fernseher und entspannte sich. Nach einer viertel Stunde klingelte das Telefon und Frau Müller-Tonfeld rief an um Mariella zu fragen, ob sie nicht Lust hätte am morgigen Dienstag wieder drei Vertretungsstunden zu übernehmen und ob sie bis zu ihrem vollen Arbeitsantritt am 1. Oktober noch mehrere Vertretungsstunden übernehmen könnte. Mariella entgegnete ihr, dass sie gerne diverse Vertretungsstunden übernehmen würde, aber nicht in der Woche des Umzuges am 10.10. und auch nicht mindestens 1 Woche danach, weil sie da ihren Haushalt aufs laufende bringen müsste.

Karin Müller-Tonfeld akzeptierte die Einschränkungen, die Mariella ihr nannte und kam Mariella auch noch in der ersten Woche ihres Arbeitsantrittes so entgegen, dass Mariella ohne große Probleme den Umzug und die Folgearbeiten erledigen konnte.

Und so verabredeten sich Mariella und Karin Müller-Tonfeld für den nächsten Tag um 8 Uhr für die Vertretungsstunden, außerdem sollte Mariella nun auch den Vorsitzenden des Montessorivereins, Bernd Tonfeld, den Ehemann von Karin Müller-Tonfeld, kennen lernen.

Nachdem Sam gegen 19 Uhr zu Hause eintraf, freute sich Mariella und erzählte ihm auch gleich, dass sie den nächsten Tag wiederum Vertretungsstunden übernehmen würde und dass der Umzug auf den 10.10.2002 vorgezogen werden konnte. Auch von der Begegnung mit Frau Fliege erzählte Mariella. Sie war richtig aufgedreht, so dass Sam gar nicht zu Wort kam. Erst als Mariella kurz Luft holen musste, bremste Sam seine Mariella ein wenig und fragte sie ob sie nicht Lust hätte nach Berlin zu fahren oder doch lieber in einem sehr großen Supermarkt am Stadtrand von Berlin einkaufen gehen wollte. Obwohl sie bereits eingekauft hatte, meinte Mariella, dass sie gerne in einen großen Supermarkt wollte. Man könnte etwas Vorräte an Essen und Trinken einkaufen.

Sam hatte von seiner Sekretärin, Frau Müller, den Tipp erhalten im A 10-Center bei Wildau und Königswusterhausen gut einkaufen zu können. Außerdem sei der A 10-Center 24 Stunden geöffnet und sehr gut in 30 Minuten erreichbar. Und so machten Mariella und Sam sich auf diesen A 10-Center zu besuchen. Dort angekommen waren beide sehr beeindruckt von dem riesigen Einkaufszentrum und den vielen Parkplätzen davor. Sie stellten das Auto ab und gingen hinein. Vor ihnen lag eine richtige Einkaufsmall, wie sie es bisher nur aus Amerika kannten. Auf eine Länge von über 100 Metern fanden sich viele kleinere und größere Läden, Cafe’s, Restaurants und am Ende einen sehr großen Supermarkt einer bekannten Einzelhandelskette vor, den sie dann auch betraten.

Endlich konnten sie mal wieder richtig gemeinsam Lebensmittel und Getränke einkaufen und auch noch die ihnen bekannten Marken wählen.

Nach dem Einkaufen verweilten Sie noch in einem Eiscafe, welches sich in der Mitte der Mall befand.

Während Mariella und Sam es sich gut gehen ließen, hat sich in der Gaststätte „Zur Heimat“ wieder das selbsternannte Zentralkomitee unter Leitung von Elvira Poppe versammelt. Poppe konnte kaum Ruhe in die Versammlung bringen. Besonders Olga Pawlowa, Dr. Dr. Bergovic und Dr. phil. Karola Kociekowa stritten lautstark miteinander.

So viel wie Poppe verstehen konnte ging es vor allem um diesen Samuel Grün und um Mark Schreiber, die gerade dabei waren die eingefahrene und an die alte Ordnung angelehnte Klinikorganisation über den Haufen zu werfen. Während Olga Pawlowa und Bergovic über Grün und Schreiber schimpften und beide extrem angriffen, war es komischerweise Dr. Kociekowa, die beide doch vehement verteidigte. Auch Scharner stellte sich eindeutig auf die Seite von Kociekowa.

Elvira Poppe nahm das alles mit zu Schlitzen verengten Augen zur Kenntnis und ließ dann einen Schrei los, der sofort für Ruhe sorgte.

„So, jetzt beruhigen wir uns erstmal wieder“, sagte sie in strengem Ton, „und widmen uns erstmal unserem Jahrestag und vor allem unserem Gast.“

„Kapitänleutnant Fliege, sie sind im Besitz eines Kapitänpatents und können eine größere 30-Meter Yacht steuern und navigieren. Ist das richtig?“ fragte Poppe.

Herr Fliege stand auf, salutierte und sagte: „Jawohl, Frau Generaloberst“.

„Gut“, sagte Poppe, „dann werden sie das Schiff steuern, welches unseren Gast auf der Ostsee, vor Stralsund abholt.“

„Zu Befehl!“ entgegnete Fliege stramm stehend.

„Scharner und Dr. Dr. Bergovic, sie werden mit an Bord gehen, weil unser Gast sie beide kennt.“ bestimmte Elvira Poppe.

„Scharner, sie werden anschließend die Limousine fahren und unseren Gast, mit Bergovic und Fliege, sicher und unbemerkt hierher bringen“, erklärte Elvira Poppe in einem scharfen Befehlston.

Paul Scharner schnellte hoch und rief: „Zu Befehl!“

Elvira Poppe musste leise in sich hinein lachen. Für sie waren diese Leute nur Schwächlinge und Versager, aber sie musste mit ihnen klar kommen.

„Nachdem diese Sache geklärt ist, Sachstandsbericht über die Organisation der Jahrestagsfeier, Frau Fliege!“ sagte Poppe.

Frau Fliege erklärte, dass das Komitee zur Organisation der Jahrestagsfeier mehrfach zusammen gekommen ist und die Feier minutiös geplant hat. Den entsprechenden Plan legte sie sofort Poppe vor und ging zurück an ihren Platz, neben ihrem Ehemann.

„Kommen wir nun zur Mohnfeldklinik. Kociekowa was gibt es Neues. Ich weiß, dass Bergovic als leitender Chefarzt abgesetzt wurde. Wie geht es nun weiter?“ wollte Poppe wissen. Kociekowa erhob sich kurz, um sich dann auf Handzeichen von Poppe sofort wieder zu setzen.

„Also die Geschäftsleitung hat bestimmt, dass es zukünftig keinen ständigen leitenden Chefarzt mehr geben wird. Die Leitungsfunktion wird jährlich von einem anderen Chefarzt wahrgenommen, allerdings ohne Dr. Dr. Bergovic. Es werden einige neue Stellen für ein Medizincontrolling geschaffen. Es geht da vor allem um Ärzte und Apotheker und wohl um einen Qualitätsbeauftragten. Die Stellen werden in den nächsten Tagen ausgeschrieben und sollen zum 1. Januar 2003, oder schneller, besetzt sein. Die stellvertretende Verwaltungsleiterstelle ist ausgeschrieben und bis heute sind etwa 50 Bewerbungen aus ganz Deutschland eingegangen. Die Vorauswahl und Auswahl treffen die Herren Grün und Schreiber persönlich. Ich habe kein Mitspracherecht. Der Bewerbungseingang läuft auch nicht über mich, sondern über das Sekretariat Frau Müller und Frau Schmidt, die die wichtigsten Daten aufnehmen und ich mache nur noch eine Zusammenfassung.“ erläuterte Dr. phil. Karola Kociekowa.

„Kociekowa sehen sie eine Möglichkeit bei den Stellen für das Medizincontrolling Leute von mir, beziehungsweise natürlich von uns, zu platzieren?“ fragte Elvira Poppe.

„Ich denke schon“, antwortete Kociekowa.

„Gut dann möchte ich so schnell wie möglich die Ausschreibung auf meinem Tisch haben!“ entgegnete Poppe.

„Nun zu euch Pawlowa und Bergovic. Ich erwarte von euch dass ihr die Füße still haltet. Und das tut was von euch verlangt wird, egal ob das von Grün, Schreiber oder einem der Chefärzte ist. Ist das klar? Ich dulde in diesem Fall vorläufig keine Widerrede. Die Jahrestagsfeier und unser Ehrengast haben absoluten Vorrang vor allen persönlichen Animositäten!“ sprach Elvira Poppe. Im Raum wagte sich keiner einer Widerrede. Pawlowa und Bergovic nickten nur noch.

„Frau Fliege, was gibt es neues bei Ihren Nachbarn?“ wollte Poppe wissen.

Unsicher und etwas eingeschüchtert erklärte Frau Fliege, dass sie nichts über ihre neue Nachbarschaft wissen würde, nur dass er morgens joggt und sie Lehrerin sei.

Poppe grinste sie an und meinte, „mehr haben sie heute nicht erfahren, als sie mit Frau Grün gesprochen haben?“

Ihr Ehemann zuckte zusammen und sah sie fragend an.

„Nein, ich musste schnell wieder ins Haus, weil ich was auf dem Herd hatte“, sagte Frau Fliege ganz leise und zitternd.

„In Ordnung, lassen wir es dabei bewenden. Scharner und Buhler ihr sorgt auch weiterhin für eine lückenlose Überwachung. So etwas wie auf Juist möchte ich nicht noch mal erleben. Scharner sie haben sich wie ein Schuljunge wegschicken lassen. Was sollte das?“ hetzte Poppe.

Zitternd sagte Scharner „was sollte ich tun. Grün ist mein Chef und der hat mich weggeschickt.“

Poppe sah Scharner sehr scharf an und sagte nur noch: „Damit ist die Sitzung beendet.“

Die Versammlung löste sich sehr schnell auf und die ZK-Mitglieder verdrückten sich zum Teil eingeschüchtert wieder in ihre Wohnungen. Das Ehepaar Fliege diskutierte auf dem Heimweg immer noch darüber, warum Frau Fliege sich hinreißen ließ mit Frau Grün zu sprechen.

Als Sam und Mariella mit ihren Einkäufen wieder zurück waren, luden sie das Auto aus und bemerkten, wie die Nachbarn Fliege versuchten leise und unbemerkt an Sam vorbei zu kommen. Sam hatte aber die glänzenden Knöpfe, der Uniform des Herrn Fliege, bereits gesehen, tat aber so als ob er die beiden nicht bemerkt hätte. Sam dachte nur noch „Aha heute ist Montag, Uniformtag“. Zu Mariella sagte er aber nichts. Sam lud weiter aus und blieb dann so lange im Haus, bis er die Nachbartüre zugehen hörte. Nachdem alles in die Wohnung geschafft war, verschloss Sam das Auto und ließ sich im Wohnzimmer neben Mariella auf die provisorische Couch fallen.

Die ganze Anspannung des Tages fiel von ihm ab. Er nahm Mariella in seine Arme und küsste sie intensiv. Dann zog er Mariella auf sich und sie küssten sich weiter. Sam’s Hände streichelten dabei über den schönen Körper von Mariella und beide wurden dabei immer erregter.

Irgendwann schob Sam Mariella leicht von sich, stand auf und trug sie in ihr Schlafzimmer, wo sie sich heiß und innig liebten. Sam mochte den Körper seiner geliebten Frau. Ihre Wahnsinns Beine, den wunderschönen Po, ihren tollen Busen und er mochte sie gerne streicheln und sich in sie versenken.

Spät in der Nacht sind Mariella und Sam Arm in Arm eingeschlafen und am Morgen gemeinsam aufgewacht.

Sam wollte endlich mal wieder joggen gehen und so machte er sich fertig und lief los. Mariella ging unter die Dusche, wusch sich die Spuren der heißen Nacht vom Körper und bereitete das Frühstück vor.

Nachdem Sam wieder zurück war, ging auch er schnell unter die Dusche, frühstückte und kurz vor 8 Uhr gingen beide aus dem Haus. Sam in sein Büro und Mariella zur Schule.

Im Büro angekommen, wollte Sam den heutigen Tag gerne etwas ruhiger als die letzten Tage angehen.

Zunächst sagte er Frau Müller, dass er am 9. und 10. Oktober nicht da sein werde, weil an diesen Tagen der große Umzug von Bad Liebenzell in die neue Wohnung stattfinden wird und eventuell bereits vorliegende Termine verlegt werden müssen. Im Büro kümmerte Sam sich wie immer zunächst um die Post und die Unterschriften um dann anschließend mit Frau Müller die Tagestermine zu besprechen.

Auf Sam’s Programm standen heute nur zwei Termine; zum Einen mit Mark Schreiber, mit dem er das weitere Vorgehen und vor allem die finanzielle Absicherung der Einrichtung des Medizincontrollings abstimmen wollte und zum anderen mit Frau Meier-Schönfeld, mit der er über das Beschwerdemanagement und die Auswertung von Patientenfragebögen der Klinik sprechen wollte. Nachdem Sam und Mark Schreiber sich sehr gut verstanden und bereits auf einander eingespielt waren, haben beide gemeinsam beschlossen die fünf wichtigsten Hauptbeleger, also die für die Klinik wichtigsten Krankenkassen, einzuladen und um eine außerordentliche Pflegesatzverhandlung zu bitten. Die Einrichtung eines Medizincontrollings würde da sich nicht nur auf die brandenburgische Mohnfeldklinik, sondern auch auf die anderen Standorte positiv auswirken, aber leider auch höhere Kosten verursachen.

Sam und Mark Schreiber waren sich jedoch darüber einig, dass die Kostenträger das Medizincontrolling abnicken werden, weil es ja auch für die Krankenkassen nur von Vorteil sein kann, wenn die Kliniken dadurch eine höhere medizinische Qualität und Effizienz abliefern können. Entsprechende Andeutungen hatten die Vertreter der Krankenkassen bereits bei der Qualitätsoffensive von Sam und Schreiber vor wenigen Tagen angedeutet und die Vertreter der Krankenkassen sind sofort darauf angesprungen. Um die künftig entstehenden Kosten genau zu kalkulieren, wurde noch Frau Dr. Kociekowa dazu gerufen um die genaue Kostenkalkulation zu erstellen. Nach etwa 30 Minuten lag diese Kostenkalkulation beiden vor und sie nickten sich zu, da sie mit weitaus höheren Kosten gerechnet hatten.

Frau Müller wurde beauftragt die Termine mit den Krankenkassen zu koordinieren und entsprechende Räumlichkeiten im Haus freizuhalten. Anschließend besprach Sam mit Frau Meier-Schönfeld noch die Anforderungen an ein gutes Qualitätsmanagement und was sie noch alles für die Konferenz der Chefärzte und Verwaltungsleitungen am kommenden Donnerstag vorzubereiten hatte.

Während dessen hielt Mariella in der Montessorischule wieder ihren Vertretungsunterricht und lernte in den Pausen dann endlich auch den Vorsitzenden des Vereins Montessorischule e.V., den Ehemann von Karin Müller-Tonfeld, Bernd Tonfeld kennen. Für Mariella war die Person Bernd Tonfeld nicht gerade das gelbe vom Ei, aber er war nun mal ihr Chef. Bernd Tonfeld hatte nach Auffassung von Mariella überhaupt keine Ahnung wie der Unterricht an einer allgemein bildenden Schule funktioniert, denn er hatte die ganze Zeit irgendwelche Expansionsideen, allerdings ohne dabei groß Rücksicht auf Unterricht und Schule zu nehmen.

In Mariellas Augen war Bernd Tonfeld ein Schaumschläger, der, wenn er nicht mehr weiter wusste nur noch mit Anglizismen um sich warf, die er selbst nicht verstand. Außerdem hatte er auch wenig Ahnung von den Abläufen einer Schule, da er aus der Werbebranche kommt. Aber Mariella wusste auch, dass sie sich mit ihm arrangieren musste, weil er ihr oberster Chef ist. Mit seiner Frau, Karin Müller-Tonfeld, kam sie wesentlich besser aus, obwohl die genauso wenig Ahnung von Schule hatte wie ihr Mann, aber im Gegensatz zu ihm weiß seine Frau, dass sie von Schulorganisation und vor allem Pädagogik wenig bis keine Ahnung hat.

Mariella machte es unwahrscheinlich Spaß mit den Kindern in der Schule zu arbeiten und zu lernen.

Was Mariella nicht wusste, dass sie auch in der Schule und auch zu Hause ständig unter Beobachtung stand. Heute war wieder ein Mitarbeiter von Thomas Buhlmann ständig in Mariellas Nähe. Besonders die Gespräche mit der Schulleiterin und auch mit deren Mann waren für den ehemaligen Stasi-Mitarbeiter sehr interessant. Sein Richtmikrofon und ein dazugehöriges Aufnahmegerät zeichnete alles auf und am Abend würde er wieder Elvira Poppe, der er sehr ergeben war, genauesten Bericht erstatten und zu Hause seinen schriftlichen Observationsbericht mit seiner alten Erika-Schreibmaschine unverfolgbar abtippen.

Nach Schulschluss ging Mariella nach Hause, macht sich frisch, aß etwas und wollte dann versuchen herauszufinden, wo man denn die Wäsche waschen lassen könnte. Die Waschmaschine, da war sich Mariella darüber im Klaren würde erst beim großen Umzug mitkommen. Der bisherige Vorrat an ihrer und auch Sam’s Kleidung fast aufgebraucht war.

Sie ging deshalb in den Garten und hoffte, dass die Nachbarin, Frau Fliege, vielleicht in der Nähe war. Aber nachdem Mariella im Garten angekommen war, war weit und breit, wie sie meinte, niemand zu sehen.

Na gut, dann mache ich einfach mal einen Besuch bei meinem Göttergatten im Büro und frage dann dort die Sekretärinnen wo es denn in der Nähe eine gute Wäscherei gibt.

Gesagt, getan machte sich Mariella fertig, und ging spazierend Richtung Klinikverwaltung. Auf dem Weg dahin, traf Mariella auf eine Busreisegruppe, die einige Tage in und um Berlin unterwegs waren. Dass die Reisegruppe aus Süddeutschland war, fiel Mariella erst auf, als sie gedankenverloren an der Gruppe vorbei ging und grüßte, wie sie es von zu Hause aus gelernt hatte, und diese Menschen aus der Reisegruppe sie auch noch dazu freundlich zurück grüßten. Mariella blieb stehen und fragte woher denn die Gruppe kommen würden und was diese denn auf dem Klinikgelände unternehmen würde.

Von einer freundlichen älteren Dame erfuhr sie, dass der Bus aus der Nähe von Pirmasens sei und sie einen Kegelausflug nach Berlin und die Umgebung machen würden. Die Frau meinte noch viel sagend dazu, „dann ist es ja auch ein Muss hierher zu kommen, wo doch die ganzen Grosskopfeden wie Honegger und seine Kumpane hier gelebt haben. Wissen sie das denn nicht?“

Mariella meinte, dass sie schon davon gehört haben würde, aber erst seit ein paar wenigen Tagen auch hier wohnen würde. Die ältere Frau rief kurz entschlossen ihren Reiseführer herbei und fragte, ob Mariella bei der Besichtigungsfahrt nicht mit machen könnte. „Die Frau wohnt hier, kennt sich aber überhaupt nicht aus. Außerdem ist unsere Else gestern krank geworden und heute nicht dabei, der Platz aber bereits bezahlt“, sagte die Frau zu ihrem Reiseleiter. Der stimmte zu und die ältere Frau und eine weitere nahmen Mariella einfach am Arm, hakten sich unter und zogen sie mit. Bei der Besichtigungstour, die mit einem kleinen Straßenbahn ähnlichen Gefährt stattfand, erfuhr Mariella nun, wer und was alles auf dem heutigen Klinikgelände war und stattfand. Besonders interessant fand Mariella, dass ihre neue Schule früher die Poliklinik für die ganzen Bewohner war und heute größtenteils leer steht. Als sich Mariella nach der zwei stündigen Rundfahrt von den Keglern aus Pirmasens verabschiedete, wurde ihr die historische Tragweite des Klinikgeländes erst bewusst.

Nachdenklich ging Mariella dann die wenigen Schritte von Endpunkt der Rundfahrt zur Klinikverwaltung und sah nachdem sie auf ihre Uhr blickte, dass Sam in Kürze sicherlich Feierabend haben würde.

Mariella betrat das Verwaltungsgebäude und anschließend das Sekretariat von Sam und traf ihn gerade dabei an, wie er sich von den beiden Damen verabschiedete.

Sam freute sich über die unerwartete Abholung durch Mariella und stellte sie den beiden Sekretärinnen noch persönlich vor. Dabei kam Mariella dann endlich zu ihrem eigentlichen Besuchszweck und fragte die Sekretärinnen nach einer guten Wäscherei. Frau Müller meinte, dass in Wandlitz eine Wäscherei sei, aber in Bernau die Wäscherei kenne sie persönlich und könne diese nur empfehlen, außerdem hätte diese Wäscherei bis 21 Uhr geöffnet.

Mariella und Sam bedankten sich für die Auskunft und gingen beschwingt nach Hause.

Auf dem Heimweg erzählte Mariella von ihrer Begegnung mit dem Vereinsvorsitzenden Bernd Tonfeld und vor allem von der Reisegruppe aus Pirmasens, die sie einfach zu der Besichtigungstour mitgenommen hatten. Sie erzählte auch, dass das Gebäude der heutigen Montessorischule früher die Poliklinik der DDR-Führung gewesen sei und in der kardiologischen Klinik früher das Kino und ein Club gewesen war. Mariella sprudelte förmlich die neuen Erkenntnisse aus dem Mund. Als sie zu Hause waren, überlegte Mariella ob sie die Sache mit der Wäscherei in Bernau heute noch machen sollten und Sam meinte, dass das doch auch ein Grund sein könnte sich mal die Stadt näher anzusehen. Also packte Mariella ihre Wäsche zusammen und fuhr mit Sam nach Bernau. An der Wäscherei angekommen waren, stellten beide fest, dass außer der Wäscherei noch ein kleines Einkaufszentrum in dem Gebäude war und so gingen sie, nach dem die Wäsche versorgt war, gut gelaunt hinein.

In dem Einkaufszentrum fanden Sam und Mariella eine Reihe von größeren und kleinen Geschäften und auch einen sauberen Lebensmittelmarkt, der die Marken führte, die Sam und Mariella aus Süddeutschland bereits seit Jahren kannten.

Da auch ein kleines Cafè vorhanden war, trank Sam einen Kaffee und Mariella aß ein kleines, aber wie sie versicherte, sehr gutes Eis.

Danach fuhren beide, nun doch etwas müde nach Hause. Sam setzte sich in den Garten und rauchte in aller Stille seine Pfeife und Mariella stellte den Fernseher an.

Als sie dann gegen 23 Uhr zu Bett gingen und das Licht im Haus ausging, war auch für ihren unsichtbaren Beobachter Dienstschluss. Noch schnell Elvira Poppe angerufen und den Bericht getippt, hatte auch er endlich Feierabend.

Nachdem Elvira Poppe den telefonischen Bericht über Mariellas Tagesablauf hörte, kam ihr die Idee auch auf Mariella einen Romeo aus ihrer Kartei anzusetzen. Sie überlegte, ob sie auf Sam und Mariella oder nur auf einen der Beiden jemanden ansetzen sollte. Poppe wog dabei das jeweilige Für und Wider ab, stellte aber dann fest, dass es sinnvoller wäre wenn nur eine Person des Ehepaares Grün angreift und dieser Angriff muss auf Samuel Grün zielen, damit er aus Brandenburg verschwindet. Würde sie Mariella angreifen, könnte das bedeuten, dass nur Mariella weg ist und Samuel Grün sich scheiden lässt aber in der Klinik bleibt, also war der Angriff auf Samuel Grün beschlossen. Per Email verständigte Elvira Poppe sofort ihr Mitarbeiter von der Beschattung, dass ab sofort nur noch Samuel Grün Zielperson sei und sich alle Aktivitäten auf diesen zu beschränken habe. Danach ging sie mit einem spöttischen Lächeln zu Bett.

Der nächste Morgen, ein Mittwoch, begann für Sam und Mariella sehr sonnig. Sam joggte, duschte und frühstücke und war pünktlich um 8 Uhr im Büro.

Mariella hatte für heute keine Vertretungsstunden vereinbart und hatte somit den ganzen Tag frei, den sie zu einem ausgiebigen Stadtbummel in Bernau nutzen wollte.

Sam’s Arbeitstag war geprägt von der Vorbereitung der sehr wichtigen Konferenz der Chefärzte und der Verwaltungsleitung in der brandenburgischen Mohnfeldklinik. Diese Konferenz wurde von Sam gemeinsam mit Mark Schreiber, Dr. Kociekowa, Katrin Meier-Schönfeld und den beiden Sekretärinnen Müller und Schmidt vorbereitetet. Es wurden verschiedene computeranimierte Präsentationen, in denen das 10-Punkte-Programm von Sam und Mark Schreiber das zentrale Thema war, erstellt, Jahresterminpläne ausgearbeitet und Räumlichkeiten zum Teil in den Kliniken der Mohnfeld-Gruppe, aber auch in den Hotels der Mohnfeld-Gruppe fixiert.

Als die Vorbereitungen weitestgehend abgeschlossen waren, wurde noch Dr. van der Hogh zu Sam und Schreiber gerufen um den Stand seiner Reorganisation zu hören.

Am Ende eines langen Arbeitstages verständigten Sam und Mark Schreiber sich darauf, zunächst mit einer großen Gemeinschaftskonferenz zu beginnen und später in die Bereiche Medizin und Verwaltung aufzuteilen.

Nachdem Sam und Mark Schreiber auch noch die Termine für die anstehenden Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen abgesegnet hatten, konnte Sam endlich Feierabend machen und nach Hause gehen.

Auf dem Nachhauseweg klingelte auf einmal Sam’s Handy. Mariella meldete sich und fragte Sam, ob er nicht Lust hätte sie in Bernau, im dortigen Einkaufszentrum abzuholen, die Wäsche sei fertig und außerdem hätte sie noch einige schöne Dinge gesehen, die sie gerne für die neue Wohnung haben wollte. Also fuhr Sam nach Bernau und traf sich mit Mariella in dem Cafè des Einkaufszentrums. Anschließend kauften sie in dem dortigen Möbelgeschäft verschiedene Kommoden und Schränkchen, die beiden sehr gut gefielen, in dem Supermarkt verschiedene Schnellgerichte für den Abend (Pizza usw.) und auch eine Handtasche in die sich Mariella verliebt hatte.

Wieder in der Wohnung angekommen, machte Mariella gleich das Abendessen, während Sam noch das eine oder andere Schränkchen aufbaute.

Beim Essen erzählten Sam und Mariella, was sie den Tag über alles erlebt hatten, danach legten sie sich im Arm haltend auf das Sofa vor dem Fernseher und ließen streichelnd den Tag ausklingen.

Als Sam am nächsten Morgen in seinem Büro erschien, waren alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in hektischer Betriebsamkeit.

Frau Müller rannte gefolgt von Dr. Kociekowa ständig zwischen Kaffeeküche und großem Besprechungsraum hin und her, Kaffeekannen und Gebäck und süße Teilchen auf einem Tablett. Frau Schmidt dirigierte unterdessen Paul Scharner und zwei seiner Helfer beim Aufstellen von Tischen und Stühlen und den IT-Techniker beim vorbereiten des Computers und des Beamers. Sam musste aufpassen, dass er nicht von den fleißigen Helfern über den Haufen gerannt wurde.

Auch Mark Schreiber, der die Oberaufsicht führt, war voll in Action. Sam zog sich in sein Büro zurück und checkte seine Mails. Er tätigte noch mehrere Anrufe, als bereits die ersten Chefärzte und Verwaltungsleiter eintrafen. Die Räumlichkeiten sind gerichtet und fertig, meldet Frau Müller und ging sofort in den großen Besprechungsraum. Sam ging ebenfalls in den Besprechungsraum und gemeinsam mit Mark Schreiber durch die Reihen der Chefärzte und der Verwaltungsleute und nehmen an dem von Frau Müller für Sam und Schreiber ihre vorgesehenen Plätze ein.

Sam eröffnet die Konferenz mit kurzen Worten und erklärte den Anwesenden, weshalb die Konferenz einberufen wurde. Sam erläutert, dass die Mohnfeld-Klinik-Gruppe, nach dem Rücktritt von Dr. Dr. Bergovic, derzeit keinen leitenden Chefarzt mehr hat und dass diese Funktion in der bisherigen Art nicht mehr besetzt wird. Er führte weiter aus, dass der Aufsichtsratsvorsitzende, wie auch Mark Schreiber und er selbst, die Funktion des leitenden Chefarztes nicht völlig aufgeben werden, sondern dass diese Funktion zukünftig vor allem nur noch beratenden Charakter haben wird. Weiter erläuterte er, dass zukünftig in Abstimmung mit allen Geschäftsführungsorganen der leitende Chefarzt aus der Mitte aller Chefärzte kommen wird und die Funktion jährlich wechseln wird.

„Insofern, meine Damen und Herren Chefärzte, schlage ich in Abstimmung mit Mark Schreiber übergangsweise für das Jahr 2002 und anschließend für das Jahr 2003 Herrn Privatdozent Dr. Kaul aus unserer Leipziger Klinik als leitenden Chefarzt vor,“ erklärte Sam und fragte in die Runde, „gibt es ihrerseits Einwände dagegen?“ Nachdem keine Einwände vorgebracht wurden, verkündete Sam, dass ab sofort Dr. Kaul die Funktion leitender Chefarzt wahrnehmen wird.

Privatdozent Dr. Kaul bedankte sich kurz für das ihm entgegen gebrachte Vertrauen.

„2004 wird der leitende Chefarzt aus der Reihe der Chefärzte der brandenburgischen Klinik, und 2005 wieder von außerhalb kommen und so wird es Reih umgehen“, erklärte noch Mark Schreiber zusätzlich.

Als nächstes erläuterte Mark Schreiber das von ihm und Sam entwickelte 10-Punkte-Programm, dessen Kernpunkte die Einführung einer zukunfts- und qualitätssichernden Abteilung Medizincontrolling mit Sitz in der brandenburgischen Mohnfeldklinik sein wird. Dieses Medizincontrolling wird aus verschiedenen Komponenten zusammengesetzt sei, erklärte Mark Schreiber.

„Zum einen werden wir eine Arztkomponente, eine Apothekerkomponente und eine Qualitätsmanagementkomponente einrichten, die für alle Kliniken gleichermaßen zuständig sein wird.

„Das Medizincontrolling in Verbindung mit dem derzeitigen Controlling wird unter anderem“, übernahm nun Sam das Wort, „die Behandlungskonzepte und die Ablaufprozesse in den einzelnen Kliniken unter die Lupe nehmen und auf eine straffe Ablauforganisation und die Reduzierung der Medikamentenkosten ausgerichtet sein. Jeder Qualitätsbericht den die Kliniken erhalten ist, so lange die Berichtersteller die Umstellung noch nicht vorgenommen haben, grundsätzlich dem Medizincontrolling vorzulegen, die diese Berichte auswerten und an die Geschäftsleitung weitergeben.“

Nun übernahm wieder Mark Schreiber das Wort und sprach direkt den neuen leitenden Chefarzt Dr. Kaul an: „Es werden neue Patientenfragebögen erstellt, die in jeder Klinik gleich sind. Hierzu werden ein Arzt, ein oder zwei fähige Psychologen benötigt, die diese Fragebögen sinnvoll erstellen. Hinzu kommt noch Frau Meier-Schönfeld, die den nichtmedizinischen Teil zu verantworten haben wird. Die fertigen Fragebögen sind in jeder einzelnen Klinik auszuwerten und die Ergebnisse der Geschäftsleitung monatlich vorzulegen. Wir erwarten von der Gruppe auch ein einheitliches Auswerteschema“, erklärte Mark Schreiber.

Nachdem Schreiber seine Ansprache beendet hatte, meinte er lächelnd, „wir machen nun eine kleine Pause von etwa 15 Minuten, damit sie in Ruhe miteinander die Änderungen diskutieren können. Es gibt ja sicherlich genügend Diskussionsstoff.“

Mark Schreiber, Sam, Dr. Kociekowa und die beiden Sekretärinnen verließen nun den Raum, um sich kurz zu besprechen und anschließend gleich wieder in den Besprechungsraum zu gehen. Dort herrschte entspannte Ruhe, statt der von Sam und Schreiber erwarteten heftigen Diskussionen wurden medizinische oder auch private Dinge besprochen. Bezüglich der für die Chefärzte doch gravierenden Änderungen gab es keinerlei Diskussionen. Die Chefärzte und Verwaltungsleiter tranken in Ruhe ihren Kaffee und unterhielten sich leise.

Als Sam und Mark Schreiber wieder saßen, fragte Schreiber lächelnd in die Runde, ob es noch Redebedarf geben würde. Nachdem sich keiner meldete, übernahm wieder Sam das Wort und erklärte, dass diese Konferenz nun monatlich einmal stattfinden würde und die Teilnahme an der Konferenz für jeden der Anwesenden Pflicht sei. Anschließend bat er Frau Schmidt den erarbeiteten Konferenzplan auszuteilen und an die Runde gerichtet, „stimmen sie Ihren Urlaub auf diesen Plan ab, eine Vertretung wird nur und ausschließlich in besonderen Ausnahmefällen akzeptiert. Ein Fehlen ist eine Dienstverletzung und kann zu arbeitsrechtlichen Folgen führen.“ In der Runde kam nun leises Murren auf, aber keine Widerrede.

Mark Schreiber erklärte, dass nun die Konferenz in zwei Teile geteilt wird und die Verwaltungsleute sich im Kleinen Konferenzraum zusammen finden werden, die Leitung des Verwaltungskonferenz übernahm Mark Schreiber, während Sam weiter mit den Chefärzten über das 10-Punkte-Programm sprach.

Gegen 16 Uhr wurden dann beide Konferenzen beendet und die Chefärzte und Verwaltungsleute verabschiedeten sich, wobei viele meinten, dass eine derartige Regelung schon lange überfällig gewesen sei. Schreiber und Sam konnten bei allen, egal ob Chefärzten oder Verwaltungsleuten eine Aufbruchstimmung feststellen.

Nachdem alle Anderen weg waren, setzten Sam, Schreiber, Dr. Kociekowa, Frau Meier-Schönfeld und die beiden Sekretärinnen sich noch zusammen und ließen den Tag Revue passieren. Dabei kam, wohl bedingt durch den guten Verlauf, auch eine gewisse Heiterkeit und Lockerheit auf. Sam und Mark Schreiber schrieben noch eine gemeinsame Email über den Verlauf der Konferenz an Klaus-Johann Mohnfeld und dessen Bruder Uwe-Karl Mohnfeld um die Herren auf dem Laufenden zu halten.

Kurz bevor Sam dann sein Büro verlassen und Feierabend machen wollte, kam bereits die Antwort der Mohnfeld Brüder mit einem dicken Lob für Sam und Schreiber. Allerdings teilten sie auch mit, dass Bergovic versucht hatte sie telefonisch zu erreichen aber von den Mohnfelds direkt an Sam und Schreiber verwiesen worden sei.

Die erste Hürde für eine neue funktionierende Klinikorganisation war nun genommen und es galt sich auf die nächsten großen Hürden, die Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen, vorzubereiten. Da die neue Geschäftsleitung selbst den terminlichen Druck für die Pflegesatzverhandlungen aufbaute, waren sich Sam, Mark Schreiber und Katrin Meier-Schönfeld auf die kommenden Aufgaben bestens vorbereitet. Sie hatten nunmehr vier Wochen Zeit alles vorzubereiten und auch visuell aufzubereiten. Ein Grundsatz von Sam hieß, durch Bilder lassen sich die komplexesten Themen am leichtesten verkaufen.

Aber für heute machte Sam endlich Feierabend und ging nach Hause. Auf seinem Heimweg traf er Lou Berger, mit dem er sich noch kurz unterhielt und auf ein schönes Glas Wein für den morgigen Freitagabend einlud, damit Lou Berger endlich auch mal Mariella kennen lernen konnte. Lou meinte noch, ob es ok sei, wenn er seine neue Freundin auch mitbringen würde. Für Sam war es ok und so ging Sam nach Hause.

Während Sam die Konferenz hatte, war Mariella nicht untätig geblieben, sie baute die noch nicht fertigen Schränkchen zusammen und platzierte die Kommoden an den richtigen Stellen und räumte, soweit es ihr möglich war auch gleich ein. Mariella hatte sich für heute einen Haushaltstag vorgenommen und wollte maximal noch im Garten arbeiten. Und so ging sie heute nicht aus, sondern arbeitete im Haus und im Garten bis Sam zu Hause war.

Sam erzählte Mariella von der Konferenz und welche Chancen und auch Risiken die neue Struktur haben würde. Außerdem erzählte er Mariella von seiner Einladung an Lou Berger und dessen neuer Flamme, die am morgigen Abend zu Besuch kommen würden.

Da Sam die neue Flamme von Lou Berger selbst noch nicht kannte, meinte er sei mal gespannt, was für eine Frau Lou mitbringen würde.

Sam überprüfte noch schnell seinen Weinvorrat und war sich sicher dass der ausreichend sei. Mariella meinte allerdings, dass sie gerne ein paar Häppchen machen würde und ob Sam noch in der Lage ist, nach Bernau, in das Einkaufszentrum zu fahren, oder ob sie morgen Vormittag hier auf dem Gelände einkaufen soll. Sam war aber so müde und geschafft von dem Tag, dass er meinte, dass Mariella doch auf dem Gelände der Klinik einkaufen könnte. Sie aßen beide zu Abend und legten sich eng umschlungen auf ihr Sofa vor den Fernseher.

Am nächsten Morgen, dachte Sam, endlich Wochenende und endlich mal ausruhen und schlafen. Nach dem Joggen, das ihn immer erst richtig wach macht, dem Duschen und Frühstücken ging Sam ins Büro.

Als er im Büro ankam bemerkte er, dass auch Frau Müller und Frau Schmidt einen recht kaputten Eindruck machten. Gleiches galt auch für Mark Schreiber. Sam brach den Bann und sagte: „heute machen wir alle um 12 Uhr Feierabend und erholen uns endlich mal richtig von den Anstrengungen der letzten Tage.“ Auf einmal sah Sam in die glücklichen Gesichter der Sekretärinnen und auch Mark Schreiber meinte, „man kann nicht ständig mit 100% fahren. Eine gesunde Pause ist auch wichtig.“ Und so verabredeten sie sich alle um 12 Uhr Feierabend zu machen.

Sam ging in sein Büro und checkte seine Emails, sah die Post durch und diktierte einen Bericht über die Konferenz vom Vortag. Anschließend bat er Mark Schreiber und Dr. Kociekowa zu sich ins Büro um die Stellenausschreibungen für das Medizincontrolling in Auftrag zu geben.

Mark Schreiber informierte dann auch gleich Dr. Kociekowa darüber, dass die Stellenausschreibungen in den jeweiligen Fachzeitschriften bereits in der nächsten Woche erscheinen sollen. Dr. Karola Kociekowa machte sich dementsprechend sofort an die Arbeit und stellte die Stellenausschreibungen in den Jobportalen der jeweiligen Fachzeitschriften ein.

Anschließend machte sie auch noch Kopien der Stellenausschreibungen für Elvira Poppe, der sie die Kopien auch sofort persönlich überbrachte.

Elvira Poppe sah sich die Stellenausschreibungen an und fragte, wie denn die Besetzung erfolgen würde. Kociekowa meinte: „Die Arztstelle wird sicherlich von der Geschäftsleitung, die Apotheker- und Verwaltungsstelle bestimmt von ihr ausgewählt und der Geschäftsleitung zur Einstellung vorgeschlagen.“

Poppe nickte und meinte, ob Kociekowa bereits eine Idee hätte, wen sie auswählen könnten.

Dr. Kociekowa hatte schon vor einigen Monaten von Poppe eine Liste von Romeos und Schwalben bekommen, die als IM oder als direkte MfS-Mitarbeiter tätig waren. Natürlich hatte sie bereits ihre Listen durchgesehen und auch für die Apothekerstelle und die Verwaltungsstelle mehrere brauchbare Damen gefunden.

Zu Poppe meinte Kociekowa, „klar da sind einige mit dabei, hier die Namen und Kontaktdaten. Wollen Sie Frau Generaloberst sich mit den Damen selbst in Verbindung setzen oder soll ich das übernehmen?“

Poppe antwortete barsch auf die Frage von Kociekowa, „lass mal sehen Mädel, wen du da rausgesucht hast. Hoffentlich wird es diesmal nicht wieder so ein Griff ins Klo wie beim letzten Mal, als wir Schreiber angreifen wollten. Nun, das können wir ja jetzt wieder ausbügeln. Also keine Fehler, kapiert?“

Dr. Karola Kociekowa lief kurz rot an und meinte, dass die Fehler nicht noch einmal passieren würden; sprach es und verschwand schnell aus dem Büro von Poppe.

Auf dem Weg in ihr Büro, dachte Kociekowa, „der werde ich’s auch noch mal zeigen. Irgendwann mach ich die fertig.“

Als Kociekowa auf Höhe ihres Büros war, bekam sie gerade noch mit, wie sich die Herren Samuel Grün und Mark Schreiber von ihren Sekretärinnen in das Wochenende verabschiedet haben.

Ihr reichte es auch und räumte schnell ihren Schreibtisch auf und machte ausnahmsweise an diesem Freitag auch schon um 12 Uhr Feierabend. Die Überheblichkeit der Elvira Poppe ging ihr heute total auf den Keks.

Sam Fatal

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