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Es machte dem Fräulein Rendl nichts aus,....

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Es machte dem Fräulein Rendl nichts aus,....

..... dass der Zug nur langsam vorwärts kam, denn sie genoss die Fahrt durch die malerische Landschaft, die da gleichsam an ihr vorbeigetragen wurde. Sie liebte die Natur und bedauerte sehr, dass ihr die Arbeit so selten Zeit gelassen hatte, an den Wochenenden einfach aus der Stadt zu fahren um eine kleine Wanderung zu unternehmen. Den Akt hatte sie schon am Abend auswendig gelernt, und so konnte sie sich ganz der Schönheit der goldenen Feldern, der saftig-grünen Wiesen und der langsam in Berge übergehenden sanft geschwungenen Hügel erfreuen.

Fast bedauerte sie es, als der Zug am späten Vormittag in der kleinen Kreisstadt ankam, aber mit einem Ruck riss sie sich aus den Tagträumen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – und so saß sie eine viertel Stunde später in der staubigen Urkundensammlung des gemütlichen, kleinen Kreisgerichtes und suchte nach Unterlagen über einen Gutshof, der keinen Besitzer zu haben schien. Sie stöberte mit ihren geschickten Händen und ihrem wachen Geist in alten Folianten und dicken Aktenordnern und bald schon wurde sie fündig. Da fuhr ein eiskalter Blitz durch ihre Adern.

Der Hof in Weizenheim war offensichtlich schon seit mehreren Jahrhunderten im Besitz einer Familie Rendl. Wieder einmal war ihr schmerzlich bewusst, wie wenig sie über ihren Vater und seine Familie wusste – genau genommen so gut wie gar nichts. Der Mutter hatte es immer sichtliches Herzeleid bereitet über ihn zu sprechen und die Tanten wollten oder konnten nichts sagen. Sie hatten immer mehr oder weniger gekonnt das Thema gewechselt wenn sie Fragen über ihre Herkunft stellte, so dass sie es bald bleiben ließ. War sie hier vielleicht gar auf entfernte Verwandte getroffen, die ihr etwas über ihren Vater erzählen konnten? Unfug! Sie rief sich zur Ordnung. Rendls gab es zwar nicht gerade wie Sand am Meer, so selten war der Name aber auch wieder nicht.

Sie studierte die Urkunden weiter und da stand es klar zu lesen: Der letzte Inhaber des Hofes hieß Wilhelm Rendl und hatte vor rund 25 Jahren den Hof bedingt an einen Gerald Höfinger und dessen Nachkommen veräußert. Das war ungewöhnlich und die junge Notariatsanwärterin hatte ihre privaten Gedanken schon wieder vergessen und war ganz in juristischen Winkelzügen gefangen. Eine halbe Stunde und einige Akten später schien ihr alles klar: Das gar nicht so unbedeutende Gut würde in einigen Jahren an den Höfinger-Bauern fallen, wenn bis dahin kein ehelicher direkter Nachkomme des Wilhelm Rendl Anspruch auf das Gut erhob und eine auf dem Grund lastende Schuld in einer für Theresia Schwindel erregenden Höhe beglichen wurde.

Sie schüttelte den Kopf: Eheliche direkte Nachkommen! In welchem Jahrhundert lebte sie eigentlich. Über solche Bestimmungen hatte sie zwar in einer Fußnote in den Lehrbüchern gelesen aber nur darüber geschmunzelt. Nichts desto weniger, sei wusste dass der Vertrag hieb und stichfest war, da galt noch uraltes Landrecht von dem sie als Stadtkind wusste, dass sie es nie verstehen würde.

„Wie auch immer“ sagte sie zu sich, aber doch so laut, dass der alte Gerichtsbeamte von seinen Büchern aufblickte und ihr einen freundlich-fragenden Blick zuwarf. „Alles gefunden, wonach sie suchen, junges Fräulein?“ fragte er. Theresia lächelte zurück, schloss bestimmt die dicken Wälzer dass es nur so staubte und nickte. „ Danke, ich glaub schon. Darf ich mir von der Urkunde eine Kopie machen? Und dann brauch ich noch eine Grundbuchsabschrift von dem Gut.“ Der Beamte nahm die Urkunde entgegen und schickte den Gerichtsdiener zum Kopieren, während er auf einem Formular die notwendigen Daten ausfüllte und sich Theresias Legitimation aushändigen ließ. „Ah, der Bangwieser hat wieder eine neue Notariatsassistentin, und was für eine hübsche noch dazu. Aber sagen sie: Rendl, das ist ein häufiger Name hier, besonders in der Weizenheimer Gegend, haben sie Verwandte hier?“ „Das“, sagte Theresia Rendl, „würde ich auch gerne wissen.“

Während sie mit forschem Schritt auf den Bahnhof zusteuerte spielte sie kurz mit dem Gedanken noch ein paar Stunden in dem malerischen Städtchen zu verbringen. Die Sonne lachte so freundlich und der Brunnen plätscherte so lauschig als wollte er sie, ganz speziell sie, zum verweilen einladen. Aber dann dachte sie daran, dass sie nur einen kurzen Bericht an das Landgericht verfassen musste um ihren ersten selbstständigen Fall in Rekordzeit erledigt zu haben. Sie konnte zufrieden mit sich sein, und sie hoffte dass Clemens würde es auch sein. Sie zuckte zusammen. Hatte sie gerade den Dr. Bangwieser mit seinem Vornamen angesprochen. Selbst wenn es nur in Gedanken war, fühlte sie sich ertappt. Trotzdem würde sie gleich zurückfahren und weiterarbeiten. Das könnte sie von einigen Fragen in ihrem Kopf ablenken.

Am Bahnhof angekommen machte sie es sich in einem Wartehäuschen bequem, nach dem Fahrplan musste der Zug zurück in einer Viertel Stunde kommen. Bald darauf kam der rundliche kleine Bahnhofsvorsteher vorbei, schmunzelte und zupfte an seinem Schnurrbart. „Na wen haben wir den da?“ fragte er. „Wenn sie auf den Zug in die Hauptstadt warten da muss ich sie enttäusche, heute geht bestimmt keiner mehr“ Theresia war verdattert, sie hatte den Fahrplan gestern vor dem Schlafen gehen genau studiert und erzählte dies dem Vorsteher auch in sehr bestimmten Tonfall. „Ach, Kinderl, das war doch der Winterfahrplan, den haben wir seit zwei Wochen umgestellt, tut mir leid. Der nächste Zug geht erst morgen aber du bist ja noch jung, du hast noch Zeit.“.

Nachdenklich kratzte sich Theresia an der sommerbesprossten Nase. Vielleicht war es Bestimmung, vielleicht war es Fügung. „Sagen Sie, geht vielleicht noch ein Zug nach Weizenheim?“. Der rundliche Vorsteher blätterte kurz in seinem Fahrtenbuch . „Freilich, der Regionalzug um 15.15 Uhr auf Bahnsteig 2, aber der ist ein rechter Bummler, der braucht eine gute Stunde.“. „Macht nichts, ich bin ja noch jung und habe Zeit“ sagte lächelnd die angehende Notarin, packte ihr schlichtes Köfferchen und ging zum Bahnsteig 2, ihrem Schicksal entgegen.

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