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Der Bärenbach
ОглавлениеAls die ersten zwei Jäger zum Bach kamen, verschwand die Sonne gerade hinter den Hohen Bergen.
Der Himmel hatte die gleiche Farbe wie die Rosen in der Ebene, und die Schneeflecken hoch oben leuchteten wie riesengroße Lagerfeuer. Aber auf dem Hang hinter dem Bach ragte der Wald empor, dicht und dunkel.
Der Bach war gerade so breit, daß ein Junge einen großen Stein bis ans andere Ufer werfen konnte. Sein Wasser war still und klar.
Die Jäger hatten ihre Pferde angehalten. Einer von ihnen zeigte nun quer über den Bach.
Zwischen zwei Pappelstämmen stand ein riesiger Bär: ein Grizzly.
In den Wäldern unterhalb der Hohen Berge, wo der Schnee nie schmilzt, gab es zu dieser Jahreszeit zwei Arten von Bären: den Schwarzen Bären und den Grizzly. Der Schwarze Bär drehte einem meistens das Hinterteil zu. Er wollte seine Ruhe haben. Aber ein Grizzly trat nie zur Seite. Er hatte ein starkes und mutiges Herz. Und wenn er gestört wurde, konnte es vorkommen, daß er Menschen anfiel.
Das Volk hegte großen Respekt vor dem Grizzly. Sie nannten ihn „Richtiger Bär“, und sie töteten ihn nicht, wenn sie es vermeiden konnten. Dies würde großes Unglück mit sich bringen.
Der Richtige Bär stand jetzt zwischen den hellgrauen Stämmen und starrte mit gesenktem Kopf zu den Jägern herüber. Seine kleinen Augen blitzten vor Wut. Aber er zeigte nicht die Zähne.
Die Jäger stiegen von ihren Pferden und gingen ganz langsam zu den Steinen am Uferrand hinunter.
Der Bär bewegte sich nicht.
Sie blieben lange so stehen und starrten einander über das rieselnde Wasser an. Tier und Mensch prüften gegenseitig ihre innere Stärke.
Schließlich machte der Bär eine ausladende Bewegung mit dem Kopf; dann verschwand er langsam und würdevoll in die Dunkelheit des Waldes.
Die Jäger lächelten.
„Ein gutes Zeichen“, sagte der eine. Er hieß Zwei Federn.
„Er hat uns an seinem Bach willkommen geheißen“, sagte der andere. „Am Bärenbach. Vielleicht wollte er auch zeigen, daß er unser Helfer ist.“
Das Volk hatte viele Helfer unter den Tieren. Büffel, Wolf, Adler, Biber und der Richtige Bär waren die wichtigsten.
Die Jäger knieten nun am Bach nieder und tranken lange zusammen mit ihren Pferden. Sie waren weit über die gelbgebrannte Ebene geritten. Nun wußten sie, daß sie den richtigen Platz für das Winterlager ihres Volkes gefunden hatten.
Auf dem leichten Abhang hinter dem Bach gab es eine saftige Weide für die Pferde. Und das Wichtigste von allem: Vielleicht würde ja eine der kleinen Büffelherden, die es noch gab, dieses geschützte Tal aufsuchen, wenn die ersten Winterstürme über die Ebene fegten. Ganz sicher würden Adlerfuß, der Medizinmann, und Schwarzer Adler, der Häuptling, finden, daß dies ein guter Lagerplatz sei.
Menschen und Tiere waren müde nach dem langen Ritt über die Ebene.
Als sie den Lagerplatz erreichten, bemalten die Frauen ihre Gesichter mit heiligen Farben. Dann baten sie die Sonne und den Großen Geist um neue Kräfte. Es kostete sie jedoch viel Zeit und Mühe, die großen Zelte aufzurichten und sich in dem neuen Lager mit allem zurechtzufinden.
Die älteren Jungen kümmerten sich um die Pferde.
Zwei Federn und die anderen Jäger überprüften ihre Waffen. Sie sangen Lieder von Büffeln und Wölfen, die Glück für die Jagd bringen sollten. Dann machten sie sich auf den Weg durchs Tal in Richtung Norden. Hoch über ihnen wachten die Berge.