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Die Blauröcke

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Die grauen Gänse flogen hoch und machten sich auf den Weg nach Süden.

Der Boden unter den Baumwollbäumen am Bach entlang war gelb von Blättern, und die eßbaren Beeren, die noch an den Sträuchern hingen, waren schwarz und runzelig.

Der Winter nahte. Und man fürchtete ihn – aus vielen Gründen.

Einer der Gründe war, daß man nicht genug Vorrat an getrocknetem Fleisch besaß.

Die Büffel, die größten Helfer des Volkes, waren aus den Ebenen und Tälern verschwunden. Wo der Boden einst schwarz von fetten Büffeln gewesen war, lagen nur noch ihre Knochen herum.

Daran waren die weißen Menschen schuld. Diese Diebe und Eindringlinge hatten mehr Büffel getötet, als man zählen konnte. Dabei ging es ihnen nicht um die Häute und das Fleisch der Tiere.

Dies war schwer zu verstehen. War es nicht der Wille des Großen Geistes, daß der Büffel dem Menschen Nahrung und Wärme spenden sollte? Niemand im Lager von Schwarzer Adler, kein richtiger Mensch, konnte darüber Zweifel hegen.

Aber man wußte, daß in anderen Lagern, weiter östlich, Menschen, richtige Menschen, auch viel mehr Büffel getötet hatten, als nötig gewesen wäre. Sie hatten es getan, um das Wasser des weißen Mannes gegen die Häute einzutauschen.

Auf dieses Feuerwasser folgten böse Träume. Sie brachten die Menschen um ihren Verstand.

Erwachsene Männer führten sich auf wie Narren. Sie prügelten sich. Sie töteten ihre Freunde. Sie verkauften ihre Waffen und Pferde, um immer mehr von diesem Feuerwasser zu bekommen. Sie verkauften sogar ihre Frauen. Ihre Zelte waren schmutzig, und sie liefen in Lumpen herum. Viel Böses kam von den Weißen.

Der zweite Grund, warum das Volk am Bärenbach den Winter fürchtete, waren die Blauröcke, die Krieger der Weißen. Die Blauröcke töteten nicht nur Büffel, sondern auch Menschen. Sogar Frauen und kleine Kinder, die noch nicht das Laufen gelernt hatten.

Alle wußten, was geschehen war, als die Blauröcke vor acht Wintern das Lager von Schneller Läufer am Großen Bärenfluß überfallen hatten.

Sie waren in der grauen Morgendämmerung gekommen, als die meisten noch in ihre Schlafhäute gerollt lagen. Im Lager waren Frauen, Kinder und alte Männer. Viele waren krank. Die jungen Männer waren auf der Jagd.

Die Blauröcke hatten hoch auf die Zelte gezielt, damit die Pfosten zersplitterten und die Häute auf die Feuer herabfielen und zu brennen begannen. Wer sich hinauswagte, wurde mit Kugeln oder mit langen Messern getötet. Die wenigen, die überlebten, würden nie vergessen, wie die kleinen Kinder in den brennenden Zelten schrien. Später stellte sich heraus, daß die Blauröcke das falsche Lager überfallen hatten. Schneller Läufer besaß ein Dokument, ein Papier mit Schriftzeichen. Dieses bewies, daß sein Volk mit den Weißen in Frieden lebte. Als er es aber vorzeigte, tötete ihn einer der Blauröcke.

Im Lager am Bärenbach sprach man voller Zorn über die Blauröcke. Man hatte gute Gründe zu fürchten, daß sie kommen würden. Als sie noch in der Ebene waren, hatten sich ein paar junge Jäger aufgemacht und waren nach Osten geritten – in das Gebiet, das die Weißen die „Agentur“ nannten.

Einige Tage später waren sie wieder da. Bevor sie ins Lager ritten, hatten sie sich ihre Gesichter weiß angemalt und Federn ins Haar gesteckt. Sie hatten Siegeslieder gesungen.

Im Schutz der Dunkelheit hatten sie von den Weißen sechs Pferde erobert. Große und kräftige Tiere, von denen jedes mindestens zehn Zeltpfosten ziehen könnte. Solche Pferde brauchten sie.

Schwarzer Adler, der Häuptling, hatte aber vor Wut gekocht. Er hatte den jungen Jägern befohlen, sofort zur Agentur zu reiten und die Pferde zurückzugeben. Sonst würden die Blauröcke kommen, und sie würden sich nicht damit zufriedengeben, nur die gestohlenen Tiere zu holen.

„Laß sie kommen!“ hatten die jungen Jäger geantwortet. „Wir können uns verteidigen.“ Schwarzer Adler hatte dann gesagt, daß ihre Rede töricht sei, daß die Weißen genauso zahlreich seien wie die Blätter eines Baumes. Die jungen Jäger hatten ihre Fäuste geballt. „Die Weißen haben uns unsere Jagdgründe weggenommen“, hatte einer von ihnen gesagt. „Die Weißen haben unsere Büffel getötet. Warum sollten wir ihnen nichts wegnehmen? Wir haben das Recht, ihre Pferde zu nehmen.“

Schwarzer Adler jedoch hatte seinen Befehl wiederholt, und die Jäger hatten das Lager verlassen und die Pferde mitgenommen. Aber sie waren nicht nach Osten zur Agentur geritten.

Im Lager am Bärenbach hatte man nun Angst, daß die Blauröcke kommen würden, um das Volk für den Pferdediebstahl zu bestrafen. Zwar waren die Diebe nicht mehr im Lager, aber das würde die Blauröcke nicht beeindrucken. Sie schossen erst und fragten dann.

Warum sollte das, was dem Stamm von Schneller Läufer widerfahren war, nicht auch hier geschehen können?

Kleiner Wolf und die Blauröcke

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