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Neue Ethnizitäten*

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Meine Ausführungen konzentrieren sich auf den Versuch, eine signifikante Verschiebung in der schwarzen Kulturpolitik festzustellen und zu charakterisieren. Diese Verschiebung ist nicht bestimmbar in dem Sinne, dass es zwei klar unterscheidbare Phasen gibt – eine in der Vergangenheit, die nun zu Ende ist, und eine neue, die gerade beginnt –, welche wir sorgfältig gegeneinanderstellen können. Vielmehr sind es zwei sich beständig überschneidende und ineinander verwobene Phasen derselben Bewegung. Beide stehen in demselben historischen Kontext und haben ihre Wurzeln in der antirassistischen Politik und der Erfahrung der Schwarzen im Nachkriegsbritannien. Dennoch können wir zwei verschiedene ›Momente‹ identifizieren, deren Unterschied signifikant ist.

Es ist schwierig, diese Momente genau zu charakterisieren, doch würde ich sagen, dass Ersterem eine spezifische politische und kulturelle Analyse zugrunde lag. Politisch betrachtet ist es das Moment, in dem der Begriff ›schwarz‹ als Bezugspunkt für die gemeinsame Erfahrung von Rassismus und Marginalisierung in Britannien geprägt wurde. Für Gruppen und Gemeinschaften1 mit tatsächlich sehr unterschiedlichen Geschichten, Traditionen und ethnischen Identitäten wurde ›schwarz‹ zu einer organisierenden Kategorie für eine neue Politik des Widerstands. ›Die schwarze Erfahrung‹ beruht auf der Bildung einer gemeinsamen Identität über ethnische und kulturelle Differenzen zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften hinweg. Sie gewann als ein einziger und vereinheitlichender Rahmen die Hegemonie über andere ethnische/›rassische‹ Identitäten, obwohl Letztere dadurch natürlich nicht verschwanden. Kulturell betrachtet war diese Analyse in ihrer eigenen Formulierung eine Kritik an der Weise, wie Schwarze als sprachlos und unsichtbar gemachte Andere in den vorherrschenden weißen ästhetischen und kulturellen Diskursen positioniert wurden.

Diese Analyse bezog sich auf die Marginalisierung der Erfahrung von Schwarzen in der britischen Kultur; sie hatte ihren Platz an den Rändern der Gesellschaft. Sie war nicht zufällig, sondern die Konsequenz einer Reihe von ganz spezifischen politischen und kulturellen Praktiken, die die repräsentativen und diskursiven Räume der englischen Gesellschaft regulieren, beherrschen und ›normalisieren‹. Diese Praktiken formten die Existenzbedingungen einer Kulturpolitik, die entworfen wurde, um sich den herrschenden Repräsentationsregimes zu widersetzen, sie in Frage zu stellen und wenn möglich zu transformieren – zuerst in Musik und Stil2, später in der Literatur und den visuellen Medien. In diesen Räumen waren die Schwarzen typischerweise die Objekte, selten jedoch die Subjekte der Repräsentationspraktiken. Der Kampf um die Einflussnahme auf die Repräsentation wurde ausgehend von einer Kritik an dem Grad der fetischisierten, objektivierenden und negativen Gestaltung geführt, die die Repräsentation des schwarzen Subjekts so sehr prägen. Es ging nicht einfach nur um das Fehlen und die Marginalität der Erfahrung von Schwarzen, sondern um ihre vereinfachte und stereotype Darstellung.

Die sich aus der Kritik entwickelnden kulturellen Politikformen und Strategien hatten viele Facetten, ihre hauptsächlichen Ziele waren die beiden folgenden: Erstens, die Frage des Zugangs zum Recht auf Repräsentation durch schwarze Künstler und Kulturproduzenten selbst. Zweitens, der Kampf gegen die Marginalität, gegen die stereotype Qualität und die fetischisierte und naturalisierte Art der Bilder über die Schwarzen, durch die Entgegensetzung einer ›positiven‹ schwarzen Bildersprache. Grundsätzlich zielten die Strategien auf eine Veränderung dessen, was ich die ›Repräsentationsverhältnisse‹ nennen würde.

Ich habe den sicheren Eindruck, dass wir gerade dabei sind, in eine neue Phase einzutreten. Doch müssen wir uns absolut darüber im Klaren sein, was wir mit einer ›neuen‹ Phase meinen. Sobald wir von einer neuen Phase sprechen, denken viele sofort daran, dass dies zu einer Ersetzung der einen Art von Politik durch eine andere führt. Ich rede aber gerade nicht von einer derartigen Verschiebung. Politik entwickelt sich nicht notwendigerweise aus einer solchen Abfolge von Gegensätzen und Umkehrungen, obwohl einige Gruppen und Individuen Angst davor haben, die Frage in dieser Weise auf die ›politische Bühne‹ zu bringen. Die ursprüngliche Kritik an den ›Rassen‹- und Repräsentationsverhältnissen und die sich daraus entwickelnden Politikformen sind nicht verschwunden und können möglicherweise auch nicht verschwinden, solange die sie verursachenden Bedingungen – kultureller Rassismus und seine Dewsbury-Form3 – unter dem Thatcherismus nicht nur weiterbestehen, sondern neue Blüten treiben. Es ist nicht denkbar, dass die neue Phase der Kulturpolitik von Schwarzen die alte einfach ersetzen könnte. Wenn dennoch der Kampf vorwärtsgeht und neue Formen annimmt, so zerstreut, reorganisiert und repositioniert er allmählich die unterschiedlichen kulturellen Strategien im Verhältnis zueinander. Wenn dies als ›Bürde der Repräsentation‹ gefasst werden kann, würde ich Folgendes sagen: Schwarze Künstler und Kulturproduzenten haben heute nicht an einer, sondern an zwei Fronten zu kämpfen. Das Problem ist, wie man diese Verschiebung charakterisiert, wenn wir darin übereinstimmen, dass es tatsächlich eine solche Verschiebung gegeben hat und immer noch gibt und dass die Sprache der binären Oppositionen und Substitutionen nicht länger ausreichend ist.

Die Verschiebung kann am besten als ein Übergang vom Kampf um die Repräsentationsverhältnisse zu einer Politik der Repräsentation selbst beschrieben werden. Es wäre nützlich, eine solche ›Politik der Repräsentation‹ in ihre unterschiedlichen Elemente aufzugliedern. Wir alle benutzen heutzutage das Wort Repräsentation, doch wie wir wissen, ist dieser Begriff nur schwer zu fassen. Der Begriff kann einerseits einfach als eine andere Möglichkeit benutzt werden, darüber zu sprechen, wie man sich eine Wirklichkeit vorstellt, die ›außerhalb‹ der Mittel existiert, durch die die Sachen repräsentiert werden: eine Konzeption, die auf einer mimetischen Theorie der Repräsentation basiert. Andererseits kann der Begriff ebenso eine sehr konsequente Verschiebung dieser unproblematischen Vorstellung von Repräsentation bedeuten. Meiner Ansicht nach haben Ereignisse, Verhältnisse und Strukturen ihre Existenzbedingungen und realen Effekte außerhalb der diskursiven Sphäre; aber nur innerhalb des Diskursiven, und vorbehaltlich seiner spezifischen Umstände, Grenzen und Modalitäten, haben sie Bedeutung oder können innerhalb eines Bedeutungsrahmens konstruiert werden. Auch wenn wir den räumlichen Anspruch des Diskursiven nicht unbegrenzt erweitern wollen, spielen die Repräsentation von Sachen, die Kulturindustrien und kulturellen Repräsentationsregimes eine konstitutive und keine bloß reflexive, erst nach dem Ereignis auftretende Rolle. Das gibt den Fragen der Kultur und Ideologie und den Repräsentationsszenarien – Subjektivität, Identität, Politik – einen gestaltenden und nicht lediglich einen expressiven Charakter bei der Konstitution von sozialem und politischem Leben. Es ist der Schritt hin zu dieser zweiten Bedeutung von Repräsentation, der gerade stattfindet und die Repräsentationspolitik der schwarzen Kultur transformiert.

Dieses komplexe Phänomen ist erstens der Effekt einer theoretischen Begegnung zwischen schwarzer Kulturpolitik und den Diskursen einer eurozentrischen, zum großen Teil weißen kritischen Kulturtheorie, die in den letzten Jahren in so vielen Analysen die Repräsentationspolitik in den Mittelpunkt gestellt hat. Eine solche Begegnung ist immer extrem schwierig, wenn nicht sogar gefährlich. (Ich denke besonders an die Schwarzen, die auf die poststrukturalistischen, postmodernistischen, psychoanalytischen und feministischen Diskurse stoßen.) Zweitens markiert es das, was ich nur als ›das Ende der Unschuld‹ oder das Ende einer unschuldigen Vorstellung vom wesenhaften schwarzen Subjekt bezeichnen kann. Auch dieses Ende des wesenhaften schwarzen Subjekts ist etwas, das viele verstärkt debattieren, ohne dass sie mit dem ganzen Ausmaß der politischen Konsequenzen gerechnet haben dürften. Es geht hier um die Anerkennung der außerordentlichen Verschiedenheit der Subjektpositionen, der sozialen Erfahrungen und kulturellen Identitäten, welche zusammen die Kategorie ›schwarz‹ bilden – um die Anerkennung der Tatsache, dass ›schwarz‹ eine wesentlich politisch und kulturell konstruierte Kategorie ist, die nicht auf einem Ensemble von festen transkulturellen oder transzendentalen ›rassischen‹ Kategorien gründet und deshalb auch keine Garantien in der Natur findet. So wird die Erkenntnis der immensen Mannigfaltigkeit und Differenzierung der historischen und kulturellen Erfahrungen schwarzer Subjekte ins Spiel gebracht. Unvermeidlich führt dies zur Abschwächung und zum allmählichen Verschwinden der Vorstellung, dass ›Rasse‹ oder einige mit dem Begriff ›Rasse‹ verwandte Vorstellungen von schwarz entweder die Wirksamkeit von kulturellen Praktiken garantieren oder in letzter Instanz ihren ästhetischen Wert bestimmen.

Wir sollten es so klar wie möglich sagen: Filme sind nicht notwendigerweise deshalb gut, weil Schwarze sie machen. Sie sind nicht notwendigerweise ›in Ordnung‹, weil sie sich mit der schwarzen Erfahrung befassen. Wer erst einmal in eine Politik einsteigt, die vom Ende des wesenhaften schwarzen Subjekts ausgeht, stürzt kopfüber in den Strudel einer durchgehend kontingenten politischen Auseinandersetzung und Debatte, die ohne letzte Garantien auskommt: eine kritische Politik, eine Politik der Kritik. Wir können schwarze Politik nicht länger mit der Strategie eines simplen Musters von Umkehrungen machen, indem auf den Platz des bösen alten, wesenhaft weißen Subjekts das neue, wesentlich gute, schwarze Subjekt gesetzt wird. Diese Formulierung könnte als Drohung erscheinen, ein geschlossenes politisches Weltbild zerstören zu wollen. Sie könnte aber auch mit besonderer Erleichterung begrüßt werden, weil jetzt etwas verschwindet, was einmal als eine notwendige Fiktion erschien. Dass nämlich entweder alle Schwarzen gut oder dass wirklich alle gleich sind. Schließlich ist es doch eine Kernaussage des Rassismus, dass ›man die Unterschiede nicht erkennen kann, weil alle gleich aussehen‹. Das macht es nicht viel leichter, sich vorzustellen, wie eine Politik entwickelt werden kann, die mit den Unterschieden und durch sie arbeitet, die imstande ist, solche Formen von Solidarität und Identifikation aufzubauen, die einen gemeinsamen Kampf und Widerstand ermöglichen, ohne jedoch die reale Heterogenität der Interessen und Identitäten zu unterdrücken. Eine Politik, die wirkungsvoll politische Grenzlinien zieht, ohne welche die politische Auseinandersetzung unmöglich ist, aber dabei die Grenzen nicht verewigt. Für schwarze Politik hat dies eine Bewegung zur Folge, die Gramsci den Übergang vom ›Bewegungskrieg‹ zum ›Stellungskrieg‹ nannte, den Kampf um Positionierungen. Die Schwierigkeit, ein solches Politikkonzept zu entwerfen (und die Versuchung, dabei in eine Art von endlos gleitenden liberal-pluralistischen Diskursen hineinzuschlittern), sollte uns aber nicht von der Aufgabe entbinden, eine solche Politik zu entwickeln.

Das Ende des wesenhaften schwarzen Subjekts führt auch zu der Erkenntnis, dass die zentralen Themen der ›Rasse‹ historisch immer in einer Artikulation und Formation mit anderen Kategorien und Spaltungen erscheinen und sich beständig mit den Kategorien von Klasse, Geschlecht und Ethnizität überkreuzen. (Ich mache hier eine Unterscheidung zwischen ›Rasse‹ und Ethnizität, auf die ich später zurückkomme.) Filme wie Territories4, Passion of Remembrance5, My Beautiful Laundrette6 und Sammy and Rosie Get Laid 7 zeigen für mich ganz deutlich, dass dieser Wechsel bereits eingetreten ist und dass die Frage nach dem schwarzen Subjekt nicht ohne den Bezug auf die Dimensionen von Klasse, Geschlecht, Sexualität und Ethnizität dargestellt werden kann.

Differenz und Auseinandersetzung

Eine weitere Konsequenz dieser Politik der Repräsentation ist die langsame Erkenntnis von der tiefen Ambivalenz der Identifikation und des Begehrens. Gewöhnlich stellen wir uns Identifikation als einen einfachen Prozess vor, der um ein fixiertes ›Ich‹ strukturiert ist, das wir entweder sind oder nicht sind. Das Spiel mit Identität und Differenz, das den Rassismus konstruiert, erhält nicht nur dadurch seine Macht, dass Schwarze in die Position einer untergeordneten Spezies gebracht werden, sondern gleichzeitig auch durch unaussprechlichen Neid und Begehren. Dies anzuerkennen, verschiebt unsere bisherigen stabilen politischen Kategorien grundsätzlich, weil es einen Prozess von Identifikation und Anderssein impliziert, der viel komplexer ist, als wir ihn uns bisher vorstellten.

Natürlich operiert der Rassismus mit der Konstruktion von unüberschreitbaren symbolischen Grenzen zwischen ›rassisch‹ konstituierten Kategorien, sein typisch binäres Repräsentationssystem markiert, fixiert und naturalisiert unaufhörlich die Differenz zwischen Zugehörigkeit und Anderssein. Entlang dieser Grenzen entsteht das, was Gayatri Spivak (1987) die ›epistemische Gewalt‹ der Diskurse über den Anderen nennt – die imperialistischen, orientalistischen, exotischen, anthropologischen und folkloristischen Diskurse, und die über die Kolonisierten und die Primitiven. Konsequenterweise beruhte der antirassistische Diskurs oft auf einer Strategie der bloßen Umkehrung, indem er die ›manichäische Ästhetik‹ des kolonialistischen Diskurses auf den Kopf stellte. Die epistemische Gewalt ist jedoch, wie Fanon uns häufig erinnert hat, gleichzeitig Außen und Innen und funktioniert durch einen Aufsplitterungsprozess auf beiden Seiten der Teilung – drinnen wie auch draußen. Aus diesem Grund ist es nicht nur eine Frage von ›schwarzer Haut und weißer Haut‹, sondern von ›schwarzer Haut und weißen Masken‹ – der Internalisierung des Selbst als Anderes. So wie Männlichkeit immer Weiblichkeit in Form eines Doppels konstruiert – gleichzeitig Heilige und Hure – so konstruiert der Rassismus das schwarze Subjekt: edler Wilder und gewalttätiger Rächer. In dieser Dopplung vertreten sich Furcht und Begehren gegenseitig, spielen durch die Strukturen des Andersseins hindurch und verkomplizieren ihre Politik.

Neulich las ich mehrere Artikel über die fotografischen Texte von Robert Mapplethorpe, insbesondere über seine Darstellung der nackten, schwarzen Männlichkeit, die alle von schwarzen Kritikern oder Kulturproduzenten verfasst waren.8 Diese Abhandlungen beginnen korrekterweise damit, in Mapplethorpes Arbeit den bildlichen Ausdruck von Fetischisierung, die Fragmentierung des Bildes vom Schwarzen sowie seine Verobjektivierung als Formen der Aneignung durch den weißen schwulen Blick zu identifizieren. Bei der Lektüre wurde mir jedoch klar, dass sowohl bei der Produktion als auch beim Lesen der Texte noch etwas anderes passiert. Die anhaltende Beschäftigung mit der Arbeit von Mapplethorpe erschöpft sich nicht darin, dass er als weißer, fetischistischer, schwuler Fotograf gefasst werden konnte; dies deshalb nicht, weil seine Arbeit auch durch die heimliche Rückkehr des Wunsches geprägt ist – jene tiefe Ambivalenz der Identifikation, welche die Kategorien extrem problematisch macht, die wir eben angedacht und im Zusammenhang von schwarzer Kulturpolitik und schwarzen Kulturtexten diskutiert haben. Dies bringt die unerfreuliche Tatsache ans Licht, dass ein großer Teil schwarzer Politik, der sich direkt im Zusammenhang mit den Fragen von ›Rasse‹ und Ethnizität entwickelte, unter der Annahme formuliert wurde, dass die Kategorien von Geschlecht und Sexualität die gleichen bleiben würden, dass sie festgeschrieben und für immer abgesichert seien. Die neue Politik der Repräsentation stellt sie in Frage, sie überkreuzt die Fragen von Rassismus unwiderruflich mit Fragen der Sexualität. Dies ist es, was für viele unserer festen politischen Gewohnheiten an dem Film Passion of Remembrance so beunruhigend ist. Diese doppelte Brechung beinhaltet eine andere Weise von Politik, da sich radikale schwarze Politik häufig um bestimmte Konzeptionen von schwarzer Männlichkeit stabilisiert hat, die erst jetzt von schwarzen Frauen und schwarzen schwulen Männern in Frage gestellt werden. Auch in der Klassenfrage wurde schwarze Politik an bestimmten Punkten durch eine tiefe Abwesenheit oder, noch typischer, durch ein ausweichendes Schweigen untermauert.

Ein anderes, in die neue Politik der Repräsentation eingeschriebenes Element hat mit der Frage nach Ethnizität zu tun. Ich bin mir all der Gefahren bewusst, die mit dem Konzept der Ethnizität zusammenhängen, und habe mich selbst über die Tatsache geäußert, dass Ethnizität in Form einer kulturell konstruierten Bedeutung von Englischsein und einer besonders geschlossenen, ausschließenden und regressiven Form von englischer nationaler Identität einer der Kernbestandteile des heutigen britischen Rassismus ist (Hall 1978c). Ich bin mir auch sehr wohl darüber bewusst, dass sich antirassistische Politikformen oft im Widerstreit zur ›Multiethnizität‹ und zum ›Multikulturalismus‹ entwickelt haben. Andererseits denke ich, so wie sich die Politik der Repräsentation des schwarzen Subjekts verändert, werden wir einen erneuerten Streit über die Bedeutung des Begriffs ›Ethnizität‹ selbst erleben.

Wenn das schwarze Subjekt und die schwarze Erfahrung nicht durch die Natur oder andere wesenhafte Garantien stabilisiert werden, dann müssen sie historisch, kulturell und politisch konstruiert sein – der Begriff, der dies bezeichnet, ist der der ›Ethnizität‹. Dieser Begriff erkennt den Stellenwert von Geschichte, Sprache und Kultur für die Konstruktion von Subjektivität und Identität an, sowie die Tatsache, dass jeder Diskurs platziert, positioniert und situativ ist und jedes Wissen in einem Kontext steht. Repräsentation ist nur deshalb möglich, weil jede Ausdrucksweise immer innerhalb von Codes produziert wird, die eine Geschichte und eine Position innerhalb der diskursiven Formationen eines bestimmten Raumes und einer bestimmten Zeit haben. Die Zerstreuung der im ›Zentrum‹ stehenden westlichen Diskurse hat die Infragestellung ihres universalistischen Charakters und ihres übergreifenden Anspruchs, für alle zu sprechen, zur Folge, während sie selbst überall und nirgends sind. Die Tatsache, dass diese Begründung von Ethnizität mit Differenz im rassistischen Diskurs als ein Mittel entwickelt wurde, um die Realität von Rassismus und Unterdrückung zu leugnen, kann nicht bedeuten, dass wir es zulassen, dass dieser Begriff auf Dauer kolonisiert bleibt. Diese Aneignung wird erkämpft werden müssen, der Begriff wird von seiner Position im ›Multikulturalismus‹-Diskurs desartikuliert und umcodiert werden müssen, so wie wir eben erst den Begriff ›schwarz‹ von seinem Platz im System negativer Gleichsetzungen herauslösen mussten. Die neue Politik der Repräsentation setzt daher auch einen ideologischen Streit über den Begriff ›Ethnizität‹ in Gang. Um jedoch diese Bewegung weiter zu verfolgen, werden wir das Konzept der Differenz neu theorisieren müssen.

Es sieht so aus, als ob wir jetzt in den verschiedenen Praktiken und Diskursen schwarzer Kulturproduktionen damit beginnen würden, genau solche neuen Konzeptionen von Ethnizität zu sehen: eine neue kulturelle Politik, die Differenzen eher unterstützt als unterdrückt und die zum Teil von der kulturellen Konstruktion neuer ethnischer Identitäten abhängig ist. Differenz ist ebenso schwierig zu fassen wie Repräsentation und daher ein umkämpfter Begriff. Es gibt die ›Differenz‹, die eine radikale und unüberbrückbare Trennung verursacht. Und es gibt eine ›Differenz‹, die positional, konditional und konjunkturell ist und eher Derridas Begriff der différance entspricht, obwohl wir, wenn wir daran interessiert sind, Politik zu machen, den Begriff nicht ausschließlich durch ein endloses Gleiten des Signifikanten bestimmen können. Wir haben immer noch eine Menge Arbeit vor uns, um den Begriff Ethnizität, so wie er im herrschenden Diskurs funktioniert, von seinen Äquivalenzen mit Nationalismus, Imperialismus, Rassismus und dem Staat zu entkoppeln, die die Anknüpfungspunkte sind, an denen eine charakteristische britische oder (genauer gesagt) englische Ethnizität gebildet worden ist. Trotzdem denke ich, dass ein solches Projekt nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist. In der Tat ist die Entkopplung der Ethnizität von der Gewalt des Staates in einigen neuen Formen kultureller Praktiken enthalten, wie sie zum Beispiel in Filmen wie Passion und Handworth Songs9 vorkommen. Wir beginnen darüber nachzudenken, wie eine weniger zwangsförmige und stärker differenzierte Konzeption von Ethnizität repräsentiert werden kann, um diese gegen die befestigte, hegemoniale Konzeption des Englischseins zu setzen, die unter dem Thatcherismus so vieles in den dominanten politischen und kulturellen Diskursen stabilisiert hat und die sich, da sie hegemonial ist, überhaupt nicht als Ethnizität darstellt.

Dies markiert eine reale Verschiebung des Gegenstandes der Auseinandersetzung, da es nicht mehr nur noch um den Streit zwischen Antirassismus und Multikulturalismus geht, sondern um die Vorstellung von Ethnizität selbst. Damit hängt die Aufteilung des Begriffs der Ethnizität zusammen: einerseits in die dominante Vorstellung, welche diesen mit Nation und ›Rasse‹ verknüpft, andererseits in die, von der ich denke, dass sie der Anfang einer positiven Konzeption von Ethnizität an den Rändern und in der Peripherie ist. Das ist sozusagen die Anerkennung dessen, dass wir alle von einer bestimmten gesellschaftlichen Position aus sprechen, aus einer bestimmten Geschichte heraus, aus einer bestimmten Erfahrung, einer bestimmten Kultur, ohne durch diese Position wie ein ›ethnischer Künstler‹ oder Filmemacher eingeschränkt zu werden. In diesem Sinne sind wir alle ethnisch verortet, unsere ethnischen Identitäten sind für unsere subjektive Auffassung darüber, wer wir sind, entscheidend. Doch diese Erkenntnis schließt ein, dass eine solche Ethnizität nicht, wie es das Englischsein war, dazu verdammt ist, nur durch Marginalisierung, Enteignung, Verdrängung und das Vergessen anderer Ethnizitäten zu überleben. Dies ist genau eine Politik der Ethnizität, die auf Differenz und Verschiedenheit basiert.

Der letzte Punkt, von dem ich denke, dass er in dieser neuen Repräsentationspolitik enthalten ist, hat mit dem Bewusstsein zu tun, dass die Erfahrung der Schwarzen eine Erfahrung der Diaspora ist und dass dies Konsequenzen für den Prozess des Durcheinanderwerfens, des Wiederzusammensetzens, der Hybridisierung und des ›Schneidens und Mixens‹, kurz, einen Prozess der kulturellen Diasporaisierung (um einen hässlichen Begriff zu prägen) mit sich bringt. Im Falle des hier diskutierten jungen schwarzen britischen Films und seiner Filmemacher/innen wird die Erfahrung der Diaspora sicherlich grundsätzlich gespeist und gestärkt durch die Herausbildung des Dritte-Welt-Films, die afrikanische Erfahrung, die Verbundenheit mit der afrokaribischen Erfahrung und das tiefverwurzelte Erbe komplexer Repräsentationssysteme und ästhetischer Traditionen der asiatischen und afrikanischen Kultur. Doch trotz dieser reichen kulturellen ›Wurzeln‹ arbeiten die neuen kulturellen Politikformen auf neuem, recht unterschiedlichem Terrain – insbesondere, was die Auseinandersetzung darüber angeht, was es heißt, ›britisch‹ zu sein. Die Verbindung dieser kulturellen Politikformen zur Vergangenheit, zu ihren unterschiedlichen ›Wurzeln‹ ist weitreichend, doch komplex. Sie kann nicht einfach oder unvermittelt sein. Wie uns das der Film Dreaming Rivers ins Gedächtnis ruft, ist sie durch Erinnerung, Phantasie und Verlangen komplex vermittelt und umgeformt; oder ihre Verbindung ist, wie uns sogar ein explizit politischer Film wie Handworth Songs klar verdeutlicht, intertextuell – vermittelt durch eine Vielfalt anderer ›Texte‹. Daher kann es auch keine einfache ›Wiederkehr‹ oder ›Wiederentdeckung‹ einer ursprünglichen Vergangenheit geben, die nicht durch die Kategorien der heutigen Zeit hindurch erfahren wird: Es gibt für kreative Aussagen keine Basis in einer einfachen Reproduktion von traditionellen Formen, die nicht durch neue Technologien und Identitäten der Gegenwart transformiert sind. Das wurde durch einen Film wie Blacks Britannica schon früh und kürzlich durch Paul Gilroys wichtiges Buch There Ain’t no Black in the Union Jack (1987) erneut signalisiert. Vor fünfzehn Jahren haben wir uns oder zumindest ich mich nicht darum gekümmert, ob im Union Jack schwarz vorkommt. Nun tun wir es nicht nur, wir müssen es auch tun.

Übersetzt von Joachim Gutsche und Dominique John

* Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag auf der Konferenz Black Film, British Cinema im Februar 1988, die vom Institute of Contemporary Arts in London organisiert wurde.

1 Der Begriff Community bezeichnet im Englischen eine Gemeinschaft, die sich räumlich auf den gemeinsamen Stadtteil oder die Nachbarschaft beziehen kann. Gleichzeitig verweist er darüber hinaus auf einen sozialen, kulturellen und/oder politischen Zusammenhang. Siehe zum Beispiel die Black oder Gay Community. Im Folgenden wird der Begriff im Deutschen mit Gemeinschaft übersetzt, ein Ausdruck, der immer noch besser als Gemeinde, Gemeinwesen oder Stadtteil für die Wiedergabe des Englischen geeignet ist. (A. d. Ü.)

2 Der Begriff des Stils stammt aus der Subkulturforschung des CCCS (vgl. Clarke u. a. 1979). Die verschiedenen subkulturellen Jugendstile, von den Teds und Mods bis zu den Skinheads und Punks, »wurden als symbolische Lösungen für das Problem der Generationen- und Klassenherrschaft und als ein Mittel interpretiert, einen kulturellen Raum für Jugendliche zu markieren und zu erobern.« (Willis 1991, 110) Stilschöpfung bedeutet in diesem Kontext die Aneignung und Neukodierung von Alltagsgegenständen, Symbolen und Waren, die von den Jugendgruppen zur Konstruktion eigener Stile verwendet wurden (Kleidung, Sprache, Musik), und die Verbindung der aktiven »Organisation von Objekten mit Aktivitäten und Ansichten, welche eine organisierte Gruppen-Identität in Form einer kohärenten und eigenständigen Daseinsweise in der Welt produzieren.« (Clarke u. a. 1979, 104f.) (A. d. Ü.)

3 Die Stadt Dewsbury in Yorkshire geriet ins Zentrum der nationalen Aufmerksamkeit, als weiße Eltern ihre Kinder aus einer öffentlichen Schule mit hauptsächlich asiatischen Schüler/innen nahmen, mit der Begründung, dass ›englische‹ Kultur nicht mehr länger auf dem Lehrplan stehe. Der Auseinandersetzung um multikulturelle Erziehung von Seiten der Rechten lagen auch die Kontroversen um den Bradforder Direktor Ray Honeyford zugrunde (Gordon 1987).

4 Buch und Regie: SANKOFA (the Black Film and Video Group), GB 1984/85, vgl. das Interview mit Isaac Julien in Framework 26/27 (1985), 2–9 (A. d. Ü.)

5 Buch und Regie: SANKOFA, GB 1986, vgl. das Interview mit der Gruppe und den Artikel von Martina Attille in Framework 32/33 (1986), 92–103 (A. d. Ü.)

6 Buch: Hanif Kureishi, Regie: Stephen Frears, GB 1985 (deutsche Fassung: Mein wunderbarer Waschsalon) (A. d. Ü.).

7 Buch: Hanif Kureishi, Regie: Stephen Frears, GB 1987 (deutsche Fassung: Sammy und Rosie tun es) (A. d. Ü.)

8 Mercer (1987), vgl. auch mehrere Artikel in der Zeitschrift Ten.8, Nr. 22/1986 zu dem Themenschwerpunkt ›Black Experiences‹, herausgegeben von David A. Bailey.

9 Buch und Regie: The Black Audio Collective, GB 1986, vgl. das Interview mit der Gruppe und den Artikel von R. Auguiste: Some Background Notes in Framework 35/1988, 4–18. (A. d. Ü.)

Rassismus und kulturelle Identität

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