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Meine Geschichte beginnt vor etwa siebzig Jahren, in meiner Kindheit. Ich war ein Einzelkind, und meine Mutter starb, als ich drei Jahre alt war. Ich habe keine Erinnerung an sie. Heutzutage würde sich ein Vater vielleicht bemühen, das Kind allein großzuziehen, zumindest bis er eine zweite Frau findet, aber damals waren die Zeiten ganz anders, und obwohl er mir sehr zugeneigt war, hatte er keine Ahnung, wie man einen kaum den Windeln entwachsenen Jungen versorgte, daher wurden eine Reihe von Kindermädchen und dann Gouvernanten eingestellt. Sie waren alle durchaus freundlich und gutwillig, alle tüchtig, und auch wenn ich mich nur wenig an sie erinnere, verspüre ich eine allgemeine Wärme ihnen gegenüber und der Art, wie sie mich ins Knabenalter führten. Doch meine Mutter hatte eine Schwester, verheiratet mit einem wohlhabenden Mann, der einen beträchtlichen Landbesitz in Devon hatte, daher verbrachte ich von meinem siebten Lebensjahr an viele Ferien bei ihnen, und es waren idyllische Zeiten. Mir wurde erlaubt, mich frei zu bewegen, ich genoss den Umgang mit den einheimischen Jungen – meine Tante und mein Onkel hatten keine Kinder, doch mein Onkel hatte einen erwachsenen Sohn aus erster Ehe, dessen Mutter im Kindbett gestorben war – und die Gesellschaft der Pächter, der Dorfbewohner, der Pflüger und Schmiede, Pferdeknechte und Heckenschneider und Grabenbauer. Ich wuchs gesund und robust auf, weil ich so viel Zeit im Freien verbrachte. Doch wenn ich nicht im Freien war, wurde mir im Haus eine ganz andere Erziehung zuteil. Meine Tante und mein Onkel waren kultivierte Menschen, erstaunlich belesen, und besaßen eine hervorragende Bibliothek. Mir wurde erlaubt, diese Bibliothek genauso zu durchforschen, wie ich den Landsitz durchforschte, und ich folgte ihrem Beispiel und wurde ein unersättlicher Leser. Meine Tante war jedoch auch eine große Kunstkennerin. Sie liebte englische Aquarelle, fand aber auch einen breit gefächerten, wenngleich traditionellen Geschmack an alten Meistern, und obwohl sie es sich nicht leisten konnte, Bilder berühmter Künstler zu kaufen, hatte sie eine gute Sammlung unbedeutenderer Maler erworben. Ihr Mann zeigte wenig Interesse an diesem Gebiet, war aber durchaus bereit, ihre Leidenschaft zu finanzieren, und als Tante Mary bemerkte, dass ich schon früh Gefallen an gewissen Bildern im Haus fand, ergriff sie die Gelegenheit, mit jemand anderem ihren Enthusiasmus zu teilen. Sie begann, mit mir über die Bilder zu reden und mich zu ermutigen, über die Künstler zu lesen, und ich begriff sehr schnell, welche Freude sie an ihnen hatte, und entdeckte meine eigenen Favoriten unter ihnen. Besonders gefielen mir einige der großen Seestücke und auch die Aquarelle der East-Anglia-Schule, die wunderbaren Himmel und flachen Moore – ich glaube, mein Kunstgeschmack hatte eine Menge mit meinem Vergnügen an der freien Natur zu tun. Für Porträts oder Stillleben konnte ich mich nicht erwärmen – Tante Mary allerdings auch nicht, und sie besaß auch nur wenige davon. Interieurs oder Bilder von Kirchen ließen mich kalt, und ein junger Knabe versteht noch nichts von dem Reiz der menschlichen Figur. Doch sie ermutigte mich, für alles offen zu sein, nicht ihren Geschmack nachzuahmen, sondern meinen eigenen zu entwickeln und immer darauf zu warten, von dem, was ich sah, überrascht und herausgefordert wie auch entzückt zu werden.

Meine nachfolgende Liebe zur Malerei verdanke ich ausschließlich Tante Mary und diesen glücklichen, prägenden Jahren. Als sie starb, gerade als ich nach Cambridge kam, hinterließ sie mir viele der Bilder, die du jetzt hier hängen siehst, und auch andere, von denen ich einige verkauft habe, um neue zu erwerben – wie sie es sich sicherlich von mir gewünscht hätte. Sie war eine unsentimentale Frau, und sie hätte gewollt, dass ich meine Sammlung lebendig halte, um den Erwerb neuer Gemälde zu genießen, wenn ich der alten überdrüssig geworden war.

Kurz gesagt, an die zwanzig Jahre oder länger wurde ich zu einem recht erfolgreichen Kunsthändler, ging regelmäßig zu Auktionen, und während ich meinen Spaß dabei hatte, häufte ich im Laufe der Zeit mehr Vermögen an, als es mir mit meinem akademischen Gehalt je möglich gewesen wäre. Zwischen meinen Ausflügen in die Welt der Kunst stieg ich natürlich langsam auf der akademischen Leiter nach oben, etablierte mich hier im College und veröffentlichte die Bücher, die du kennst. Mir fehlten die regelmäßigen Besuche in Devon, nachdem meine Tante und mein Onkel gestorben waren, und ich konnte meine Verbindung zu einem ländlichen Leben nur durch regelmäßige Wanderferien aufrechterhalten.

Ich habe dir in groben Zügen meine Vorgeschichte skizziert, und du weißt jetzt ein bisschen mehr von meiner Liebe zu Bildern. Aber was dann eines Tages geschah, würdest du nie erraten, und vielleicht wirst du die Geschichte nicht glauben. Ich kann nur wiederholen, was ich dir am Anfang versichert habe. Sie ist wahr.

Das Gemälde

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