Читать книгу Perry Rhodan 3093: NATHAN - Susan Schwartz - Страница 6
Оглавление»Das Streben nach Weisheit
beginnt mit dem
aufrichtigen Verlangen,
etwas zu lernen.«
Anonyme Sammlung
altterranischer Weisheiten,
Kapitel 1: Das Buch der Weisheit
1.
Live und in Farbe
»Anzu?«, hörte sie, und sie wusste nicht, ob es zu ihrem Traum gehörte oder zur Wirklichkeit. Falls es da überhaupt einen Unterschied gab in Tagen wie diesen.
Wenn man davon absah, dass es Tage wie diese in ihrem Leben noch nie gegeben hatte und nie wieder geben würde.
Tage, in denen sie auf einem Planeten lebte, der in ein anderes Teiluniversum wechselte. Ein unerhörter, unfassbarer Vorgang, zu dem sie ihren Teil beigetragen hatte.
Und erneut: »Anzu!«, diesmal drängender. »Willst du es sehen?«
Also öffnete sie die Augen und seufzte, gerade so laut, dass es diese elende Kabinenpositronik wahrnehmen, aber vielleicht nicht als allzu entschieden interpretieren würde. »Was?«
»Den Nebel.«
»Welchen Nebel?« Die Worte fielen ihr schwer, so sehr war sie noch im Schlaf gefangen.
»Ich dachte«, ertönte die mechanische Stimme, »die Veränderung könnte dich interessieren.«
»Du dachtest?«
»Selbstverständlich nicht im menschlichen Sinn«, sagte der Kabinenrechner. »Wenn du Wert auf eine präzisere Formulierung legst, erkläre ich es für dich erneut und bezeichne es als eine Schlussfolgerung anhand deiner bisherigen Verhaltensweisen, die ich aufgrund meiner Programmierung so interpretiere, dass ...«
»Schon gut!«, unterbrach Anzu Gotjian, schlug die Decke zurück, setzte sich kurz auf die Bettkante und stand auf. Es war kühl in ihrer Kabine an Bord der TESS QUMISHA, und das Licht war so gedämpft, dass sie alles nur umrisshaft erkannte. »Ich verstehe, was du meinst.«
»Es war ein Versuch, die Sprachausgabe deiner Ausdrucksweise anzupassen, die ...«
»Ja, ich verstehe«, wiederholte Anzu. »Keine weitere Erklärung nötig. Also – von welcher Veränderung sprichst du?« Und hatte der Rechner tatsächlich von einem Nebel gesprochen? Oder war das noch Teil ihres Traums gewesen?
»Der Re-Transfer von Terra und Luna ins Heimatuniversum hat ein bislang unbekanntes Phänomen ausgelöst. Auch die alten Aufzeichnungen der ersten Versetzung berichten nicht davon.«
»Und das bedeutet ... was?« Anzu winkte ab. »Nein, sag es mir nicht! Ich will es sehen.«
»Ich kann ein Holo der Außenaufnahme projizieren, aber das würde es nur sehr unvollständig wiedergeben«, erklärte die Kabinenpositronik. »So jedenfalls beschreibt es Perry Rhodan in seiner Empfehlung an die Mannschaft, die lautet, nach Möglichkeit die TESS QUMISHA zu verlassen und es sich, ich zitiere seine Worte, live und in Farbe anzusehen.«
Und wer bin ich, dass ich Perry Rhodan widerspreche?, dachte sie. »Mehr Licht!«
Anzu sah sich in der Kabine um. Noch hatte sie sich nicht eingewöhnt; alles war neu und auf ganz eigene Weise wunderbar.
Sie verdrängte die bange Frage, die seit Tagen immer wieder in ihrem Verstand anklopfte und hastig winkend Aufmerksamkeit heischte: Würde sie sich wohl jemals eingewöhnen? Vielleicht starb sie demnächst sowieso, weil entweder die TESS oder wahlweise gleich die gesamte Erde unterging. Kein allzu unwahrscheinliches Szenario.
»Weg damit!«, befahl sie diesem düsteren Gedanken ebenso leise wie bestimmt.
»Bitte?«, fragte die Positronik.
»Vergiss es!« Anzu schaltete die Spracherkennung des Kabinenrechners ab. Wenn es ihr in den Sinn kam, etwas vor sich hin zu murmeln, wollte sie das gefälligst tun können, ohne dass irgendwelche Sensoren es wahrnahmen und darauf reagierten!
Sie verließ ihre Kabine in der TESS QUMISHA, dem Raumschiff, mit dem Perry Rhodan vor Monaten die – aus seiner Perspektive – andere Hälfte des Dyoversums erreicht und dort Terra und Luna gefunden hatte. Seine Heimat, die seit fast einem halben Jahrtausend verschollen gewesen war.
Welch eine Entdeckung für ihn – und welche bahnbrechende Erkenntnis steckte dahinter. Das bekannte Universum war nur ein Teil eines Zwillings; entstanden im selben Urknall und von Anbeginn der Zeit voneinander getrennt, nur in dem einen immateriellen Punkt der Zerozone miteinander verbunden.
Dorthin war die seit Jahrhunderten verschollene Erde entführt worden. Mit Rhodans Auftauchen und seinen Entdeckungen hatte der Prozess seinen Anfang genommen, der nun dem Höhepunkt entgegenstrebte: Terra und Luna kehrten zurück an ihren angestammten Platz.
Anzu war in jener anderen Hälfte des Dyoversums geboren, genau wie ihre Eltern und deren Eltern. Für sie war das Gefilde, das Rhodan als die Fremde ansah, das Zuhause. Dennoch hatte sie entschieden, die Rückreise ihres Heimatplaneten mitzumachen – im Unterschied zu Millionen Menschen, die sich auf den Mars oder sonstige Planeten im Solsystem des Zwillingsuniversums zurückgezogen hatten und dort zurückblieben.
Und so befand sich Anzu auf der Heimreise in ein Universum, das sie bisher nie gesehen hatte.
Ein Weg in die fremde Heimat.
Ob der Prozess des Re-Transfers der gesamten Erde und ihres Mondes freilich problemlos ablaufen würde, wusste niemand. Woher auch? Und konnte ein derart kosmisches Geschehen, das auf einer nahezu unvorstellbaren Technologie basierte, einfach so funktionieren? War es nicht Torheit, von dieser Prämisse auszugehen?
All diese Fragen blieben müßig. Sie musste abwarten, so schwer es fiel, genau wie jeder einzelne Bewohner der Erde und des Mondes.
Abwarten und es miterleben.
In der TESS QUMISHA bewohnte sie das Quartier eines Mannschaftsmitglieds, das dieselbe Entscheidung wie Anzu getroffen hatte ... nur dass es für Tergén exakt das Gegenteil bedeutete. Er war mit Rhodan angereist, hatte aber beschlossen, nicht in seine Heimat zurückzukehren, sondern in der für ihn fremden Hälfte des Dyoversums zu bleiben. Sie hatte ihn in den letzten Wochen vor dem Aufbruch kennen- und schätzen gelernt und bedauerte sehr, ihn für immer verloren zu haben. Manchmal dachte sie, er hätte der Mann fürs Leben sein können – nur dass sie weder auf eine feste Bindung und nicht einmal auf eine Romanze gesteigerten Wert legte.
Das war immerhin eine nützliche Einstellung, um in eine ungewisse Zukunft zu gehen. Sie half, den einzigen Menschen, der diese Einstellung ändern könnte, ein ganzes Universum weit zurückzulassen.
Zumal zu dieser Zukunft eine unbestimmte, überwältigende Mutantengabe gehörte, die von einem fremdartigen Lebewesen in ihr geweckt worden war.
Anzu erreichte eines der Laufbänder, die die größeren Korridore der TESS QUMISHA durchzogen. Sämtliche Technologie auf hyperenergetischer Basis war im Schiff – und auf ganz Terra – vorläufig stillgelegt worden, da es seit zwei Tagen verstärkt zu Ausfällen kam. Seit Beginn der Versetzung.
Antigravschächte und andere Maschinen, die zum Alltag gehörten wie das Atmen, fielen plötzlich weg. Ein seltsames Gefühl, eine bizarre Erfahrung, dass all das nicht ständig verfügbar blieb. Es hinterließ eine gewisse Leere, aber auch die Frage, wie sehr man davon abhing. Und ob man ohne diese Annehmlichkeiten leben konnte, die gar nicht so selbstverständlich waren, wie sie auf den ersten Blick schienen.
Immerhin musste Anzu das Schiff trotzdem nicht zu Fuß durchqueren. In einer Situation wie dieser half das gute alte Laufband.
Sie ließ sich vorwärtstragen bis zu dem zentralen Notfall-Treppenabgang, der vertikal durch die TESS führte. Dort ging sie nach unten, Stufe um Stufe, Deck um Deck. Warum auch nicht? Es schadete nicht, die Grenzen der Technologie zu spüren und allzu eingefleischte Gewohnheiten zu sprengen.
Nach einigen Minuten erreichte sie das untere Ende der Schiffshülle. Die TESS parkte auf dem Landefeld des Aldebaran Spaceport in Terrania City, wo sie die gesamte Dauer des Re-Tranfers verbringen würde. Sämtliche Schiffe und Gleiter auf ganz Terra waren derzeit gelandet – insgesamt voraussichtlich vier Tage, von denen noch die Hälfte bevorstand.
Eine gespenstische Zeit.
Keine Hypertechnologie, keine Raumschiffe in der Luft, ein Himmel ohne Fluggefährte und ...
»Anzu«, hörte sie.
Und da es sich diesmal nicht um die künstliche Stimme einer Maschine handelte, wandte sie sich um und lächelte. »Du bist es«, sagte sie erfreut.
Iwa Mulholland stand am Ausgang des Treppenabgangs, am Beginn des Korridors, der zu einem Außenschott führte. Die dunklen, metallisch wirkenden Haare der Mutantin lagen dicht am Kopf, glatt nach hinten gekämmt.
Iwa war weder Mann noch Frau, sondern beides und mehr als das; aber jeder nahm sie so wahr, als gehörte sie zum eigenen Geschlecht – für Anzu war sie eindeutig weiblich. Wie konnte man beim Anblick dieser schmalen, eher blassen und ... anmutigen Gestalt zu einem anderen Ergebnis kommen? Diese Frage ging ihr durch den Kopf, doch sie wusste, dass ein Mann sie genauso stellen würde – nur vom entgegengesetzten Standpunkt aus.
Es gab nur ein Fazit: Iwa war eben ... Iwa. Völlig egal, ob manche in ihr Iwán sahen. Was zählte, war der Mensch, und den fand Anzu großartig; immer großartiger, je besser sie ihn kennenlernte.
»Du willst dir den Nebel ansehen?«, fragte Iwa.
Also doch – Nebel. Anzu erklärte kurz, dass sie nur wusste, dass sich irgendetwas abspielte, von dem Rhodan empfahl, es sich mit eigenen Augen anzusehen.
Iwa lächelte; eine scheue, blasse Geste. »Genau. Der Nebel.« Sie streckte die Hand aus. »Komm!«
»Eine Schmerzensteleportation nach draußen?«, fragte Anzu. »Willst du dir das wirklich antun? Wir können zu Fuß ...«
»Der Raumhafen steht voll mit Leuten. Perry gibt ein Interview, direkt vor dem Schiff. Er erzählt alles, was er über die Phänomene des Re-Transfers weiß ... also nahezu nichts. Wahrscheinlich weicht er so geschickt aus, dass es kaum jemandem auffällt, erklärt die Hintergründe zur Versetzung, zur Drehscheibe der Staubfürsten und zum Staub-Faktotum. Was eigentlich jeder inzwischen wissen sollte. Ich beneide ihn nicht, und ich mag mich nicht durch die Menge quetschen. Du etwa?«
Ehrlich gesagt wollte sie das nicht. Wortlos ergriff sie Iwas Hand, und die Mutantin nahm Anzu mit auf einen Wehgang.
*
Im nächsten Augenblick war es vorbei; nein, scheinbar im selben, als es begann.
Anzu musste die Überraschung verdauen, plötzlich im Freien zu stehen, unter großen Kastanienbäumen, am Ufer eines Sees, an dessen anderem Ende Schilfgras wucherte. Dahinter lag die Landschaft in Nebel. Ein leichter Wind wehte, und die Sonne brannte auf der Haut. Es roch süßlich, und Blütenstaub kitzelte sie in der Nase.
Illustration: Swen Papenbrock
Der Ortswechsel selbst überraschte sie nicht. Iwa war mit ihr schmerzensteleportiert ... und für die meisten Menschen wäre es normal gewesen, dass sie die Zeitspanne, die dieser Vorgang beanspruchte, nicht miterlebten. Aber Anzu war kein normaler Mensch.
Nicht mehr, seit sie im Moment einer solchen Teleportation gestorben war und ihr Todesmoment sich unendlich hingezogen hatte.
Und schon gar nicht mehr, seit das Staub-Faktotum in der Tiefe des Erdmantels ihre Mutantengabe geweckt hatte.
Seitdem erlebte Anzu die Zeit in der seltsamen Landschaft des Wehgangs stets aktiv mit. »Was war dieses Mal anders?«, fragte sie.
Vor ihnen flog eine Arkon-Ente mit flatterndem Flügelschlag heran und landete platschend im eben noch spiegelglatten Wasser des Sees, keine zehn Meter entfernt. Das Tier plusterte sein regenbogenfarbenes Gefieder und gab das typisch dumpfe Krächzen von sich, das angeblich bei manchen Menschen Schwindelanfälle auslöste.
»Ich weiß nicht.« Iwa war hörbar verblüfft. Sie stand leicht gekrümmt und atmete schwer – nach einer Schmerzensteleportation brauchte sie stets einen Moment Erholung. »Du warst während der Passage bewusstlos, ich habe dich mitgeschleppt. Alles ist für mich wie immer verlaufen. Nur eben dein Zustand nicht.«
»Hm.« Anzu setzte sich auf den Boden. Vor ihren Füßen krabbelte eine Spinne und verschwand zwischen Grashalmen.
Ob ihre Bewusstlosigkeit damit zusammenhing, dass sie ihre Paragabe schon einige Tage lang nicht mehr angewendet hatte? Oder eher eine Woche. Mindestens.
Ein Punkt, über den sie nicht nachdenken wollte. Also wandte sie die beste Methode für den Umgang mit unliebsamen Themen an: Sie lenkte ab. »Was gibt es hier eigentlich zu sehen? Der Nebel auf der anderen Seite des Sees kann ja wohl kaum das Phänomen sein, das Perry Rhodan für so sehenswert hält.« Sie versuchte, unbeschwert zu klingen.
»Doch«, sagte Iwa trocken.
Also sah Anzu noch einmal hin; diesmal genauer.
Den Nebel fand sie durchaus schön. Sie mochte herbstliche Stimmung über Landschaften. Es hatte etwas Erfrischendes; vielleicht lag es daran, dass sie in dieser Jahreszeit geboren war. Ihre Mutter – die sie niemals wiedersehen würde, weil auch sie bald ein Universum weit entfernt leben würde – hatte sie stets Novemberkind genannt.
Erstaunlich jedoch, dass der Nebel nicht aufhören wollte, egal wohin sie schaute. Er zog sich in alle Richtungen am Seeufer entlang – nein, auf der rechten Seite begann er erst einige Schritte jenseits des Ufers auf der Wiese, auf der linken schon über der Wasseroberfläche. Immer reichte der Blick Anzus Schätzung nach 100 Meter, ehe er sich im diesigen Grau verlor.
Dabei war es im frei liegenden Bereich seltsamerweise nicht etwa düster wie an einem nebligen Tag; ganz im Gegenteil leuchteten sämtliche Farben. Wahrscheinlich war ihr der Nebel deshalb nicht gleich aufgefallen.
Sie hob den Blick. Auch der Himmel verschwand im Nebel.
Woher kam dann die Helligkeit? Gerade hatte Anzu geglaubt, im Sonnenlicht zu stehen. Nein, sie hatte es nicht nur geglaubt, sie spürte die Hitze nach wie vor auf der Haut.
Seit dem Beginn des Re-Transfers vor zwei Tagen bewegte sich die Erde zwar auf unbestimmte Weise von der Sonne weg, doch es war hell geblieben – zumindest tagsüber. Denn sogar der Tag-Nacht-Wechsel blieb, ein deutliches Indiz dafür, dass die Erde auf ihrer Reise eben nicht den Raum, sondern die Grenze zwischen den Hälften des Dyoversums passierte. Es ging nicht um messbare Entfernungen im Normalraum.
Der Journalist Doran Terfen war mit dem markigen Satz quasi über Nacht berühmt geworden, dass Terra zwar jahrhundertelang verschwunden gewesen war, sich jedoch stets am selben Ort befunden hatte.
Wissenschaftlich mochte es nicht korrekt ausgedrückt sein, aber auf eine seltsame, verwirrende Art entsprach es der Wahrheit. Dem, was alle fühlten. Die aktuelle Reise ging schließlich vom Solsystem ... zum Solsystem.
»Faszinierend, nicht wahr?«, fragte Iwa. »In der freien Natur sieht man das Phänomen am besten. Deshalb habe ich dich hergebracht.«
»Wie weit erstreckt sich der Nebel?«
»Er ist überall. Auf ganz Terra, und soweit wir wissen, ebenso zwischen Terra und Luna, und auf dem Mond sowieso. Es sind bereits Sonden Richtung Luna unterwegs, und auch NATHAN hat für Aufnahmen und Ortungen Roboteinheiten losgeschickt. Bislang gleicht sich das Ergebnis an jedem Ort. Der Blick geht bis in eine Entfernung von einhundertvier Metern. Außerhalb der Atmosphäre exakt genauso wie innerhalb.«
»Einhundertvier Meter?«, wiederholte Anzu ungläubig. »Es lässt sich so genau bestimmen?«
»Wenn wir ein Stück gehen, verschiebt sich für uns auch der frei liegende Bereich. Alles dahinter verschwindet in diesem gräulich-diffusen Etwas. Künstliches Licht ändert nichts daran. Geht in einhundertfünf Metern Entfernung ein Scheinwerfer an, bemerkt man es nicht. Aber trotz dieser rein optischen Barriere sind die Farben im Freiraum frischer und lebendiger.«
»Perry hatte recht. Das sollte man wirklich mit eigenen Augen sehen. Es ist ...« Sie suchte das richtige Wort.
»Ja?«, fragte Iwa.
»Schön«, sagte Anzu.
»Findest du?«
»Du nicht?«
»Es hat etwas Bedrohliches«, urteilte die Mutantin. »Manchmal kommt es mir so vor, als wäre der diffuse Horizont aus der Landschaft der Schmerzensteleportation in die Wirklichkeit geschwappt.«
»Vielleicht war ich während des Wehgangs deshalb ohnmächtig, weil ich meine Gabe habe verkümmern lassen.« Die Worte rutschten Anzu einfach über die Lippen, ohne dass sie darüber nachdachte.
»Du hast sie verloren?«, fragte Iwa erschrocken.
»Wäre das so schlimm?«
Die Mutantin stand im Gegensatz zu Anzu noch immer, beugte sich aber nun herab und packte sie an der Schulter. »Ja! Es ist deine Gabe! Ein Teil von dir.«
»Oder ein Geschenk des Staub-Faktotums? Das ich vielleicht gar nicht wollte?«
»Du wolltest es sehr wohl! Und das Faktotum hat lediglich etwas in dir geweckt, das schon vorher in dir war.« Iwas Finger krallten sich schmerzhaft fest um das Schultergelenk. »Versuch es!«
»Ich ...«
»Jetzt!«
Also gut. Anzu schüttelte den Griff ab, streckte den rechten Arm aus, öffnete die Finger leicht und senkte sie tiefer. Sie konnte durch Materie hindurchgreifen, sobald sie sich darauf konzentrierte. Es erinnerte an die Fähigkeit der legendären Paddler, denen die Menschheit einst in Andromeda begegnet war, und sie hatte diese Gabe eigentlich schulen wollen. Alle waren begeistert von dieser Idee gewesen. Nur Anzu selbst nicht.
Ihr kleiner Finger stieß zuerst längs auf das Erdreich.
Und blieb darauf liegen.
Er drang keinen Millimeter ein.
Auch nicht, als Anzu Gewalt ausübte und drückte.
Und noch immer nicht, als sie die Muskeln so fest anspannte, dass sie zitterten.
*
Anzus Gabe kehrte nicht zurück.
Und ebenso wenig verschwand der allgegenwärtige Nebel.
Weder an diesem Tag noch an den nächsten beiden. Oder am fünften, als der Re-Transfer eigentlich hätte beendet und Terra im Heimatuniversum angekommen sein sollen.
Am sechsten Tag rückte der Nebel bis auf 86 Meter heran, und am siebenten begannen die Erdbeben.