Читать книгу Perry Rhodan Neo 196: Entscheidung auf Kahalo - Susan Schwartz - Страница 9

5.

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Schnüffeln. Wittern.

Fremdkörper.

Er hielt inne und duckte sich tiefer ins Dickicht. Ein Windhauch wehte von der Schneise herüber, er sah ein kleines Raumschiff landen. Für einen kurzen Moment durchzuckte ihn wilde Freude.

Sie kommen mich holen!

Aber nein. Das Schiff war viel zu klein. Außerdem bezweifelte er, dass überhaupt noch jemand von ihm wusste. Viel zu viel Zeit war vergangen, seit sie ihn allein zurückgelassen hatten.

Warum habt ihr mich ausgesetzt? Es wäre leichter gewesen, mich zu töten!

Du wirst Verwendung finden, eines Tages. Wir verschwenden nichts, nicht einmal dich. Bis dahin wirst du hier Wache halten. Niemand darf das Areal betreten!

Das war wörtlich gemeint gewesen – auch er selbst hatte die Station nicht betreten dürfen, sondern hatte seinen Posten davor beziehen sollen. Aber da er nun mal vor Ort war und Zeit keine Rolle spielte, hatte er sich nicht in dieses Dasein gefügt. Sondern stattdessen versucht, die Anlage zu überlisten, wieder und wieder.

Dies war das echte, das eigentliche Kahalo. Die Anlage beim galaktozentrischen Sonnensechseck war eine Ablenkung. Hochwertig, aber nicht mehr als eine Täuschung. Dort konnte man nur Zugriff auf den Sechsecktransmitter nehmen – nicht auf die komplette Transmitterkette. Das war nur auf diesem Planeten möglich. Die alten Memeter hatten um die Bedeutung natürlich gewusst – sie hatten die Sonnentransmitter schließlich geschaffen. Das wahre Kahalo zu finden, hatte lange gedauert. Es lag nahe am Soltsystem, der Heimat der Memeter und später der Liduuri.

Das hatten sie ihm verraten, bevor sie ihn weggeworfen hatten wie ein Stück Abfall. Er konnte sich an vieles nicht mehr oder nur undeutlich erinnern. Dies jedoch würde er nie vergessen.

Die Erbauer hatten die Anlage gut gesichert. All seine Versuche, in sie einzudringen, waren gescheitert. Bis zum gegenwärtigen Tag. Er hatte bereits teuer dafür bezahlt, doch es gab keinen anderen Ausweg. Er musste hineingelangen, wenn er jemals entkommen wollte, von einer Welt, in der es nur ihn und Pflanzen gab. Aber nicht das kleinste bisschen Fleisch.

Er hatte trotzdem überlebt. Doch nun war dieses Raumschiff gelandet, und er überlegte, was er unternehmen sollte.

Ein Robotschiff? Oder ist Fleisch an Bord? Saftiges, zartes, weiches, warmes Fleisch, mit dickflüssigem Blut gefüllt?

Das wäre die Erlösung schlechthin. Die Zähne ins Fleisch schlagen und es in großen Brocken verschlingen ... Haut und Knochen gleich mit, er benötigte dringend mineralische Versorgung. Sein Metabolismus konnte zwar fast alles verwerten und lange Fastenzeiten ertragen, doch nicht lebenslang. Von den Steinen, die er mit seinen Kegelzähnen zermahlte, konnte er nur wenige verwenden, weil sie sogar für ihn auf Dauer zu giftig waren. Boden und Gestein des Planeten waren stark mit Sulfidmineralien durchsetzt, die sich unverdaulich in ihm anreicherten. Die Folge war eine langsame Degeneration, nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Sein Planhirn arbeitete nur noch in Schüben, die nicht vorhersagbar waren und immer seltener wurden.

Wie konnte das sein, mochte sich ein imaginärer Beobachter fragen, bei dieser perfekten Lebensform? Das war einfach zu erklären: Er war nicht vollkommen, hatte nicht mal annähernd die Mindestgröße eines Artgenossen. Er war missgebildet, missgestaltet, schwächlich. Grund genug, um ihn mit einer undankbaren Aufgabe zu betrauen und ihn auszusetzen. Und dieser Steinklumpen hatte seine miese Ausgangslage nicht gerade verbessert.

Ja, es stand schlecht um ihn. Sehr schlecht. Deshalb blieb ihm nur, den unverhofft angebotenen Ausweg anzunehmen. Mit diesem fremden Raumschiff, das wortwörtlich aus heiterem Himmel herabgekommen war. Kein Zweifel, dass der Insasse – oder auch mehrere? – vorhatte, die Station zu betreten. Wollte er sie zerstören? Das war sehr wahrscheinlich.

Das würde der Wächter keinesfalls zulassen. Aber er könnte die Situation vielleicht endlich zu seinem Vorteil ändern.

Er überlegte, ob er abwarten sollte, bis der Neuankömmling seine Absichten offenbarte. Sollte es dem Fremden gelingen, die Station zu betreten, könnte er ihm folgen und endlich auch hineingelangen.

Aber was dann? Benötigte er diesen Weg überhaupt noch, wenn doch ein offensichtlich gut ausgestattetes Raumschiff zur Verfügung stand? Sicherlich konnte es einige Hundert oder sogar Tausende Lichtjahre Distanz überwinden. Wozu also sich mit der Station abgeben? Klüger wäre, direkt das Raumschiff zu erobern, die Sternarten aufzurufen, ein Ziel auszusuchen und – leb wohl, Gefängnis!

Keinesfalls würde er nach TASCHVAAHL zurückkehren. So gut funktionierte sein Verstand noch, um diese Entscheidung zu treffen. Der Gedanke an Rache lag zwar nahe, aber um sie auszuüben, war er sowohl seinen Schöpfern als auch den Artgenossen körperlich zu sehr unterlegen – und ohne sein voll funktionsfähiges Planhirn auch nicht in der Lage, stattdessen eine List auszutüfteln, um den physischen Nachteil zu kompensieren. Sein Weg würde daher genau in die andere Richtung führen. Es gab Hunderte, Tausende Welten da draußen, in denen er als der mächtige Eroberer auftreten konnte. Und anschließend alles nachholen würde, was er so lange Zeit hatte entbehren müssen.

Er stieß ein Zischen aus, seine Zunge fuhr über die dünnen, breiten Lippen. Warum noch warten? Besser, er nahm den Plan sofort in Angriff und verlor keine Zeit. Wer auch immer sich in diesem kleinen Raumfahrzeug aufhielt, war ihm in jedem Fall unterlegen. Nur die Artgenossen und vielleicht die Schöpfer waren gleichwertig oder überlegen; ansonsten gab es niemanden, der es mit ihm aufnehmen konnte. Und das Boot bot keinen ausreichenden Platz für einen großen Körper, vielleicht gerade noch so für ihn.

Geduckt schlich er sich bis an den Rand des Blutwalds, die freie Sicht ermöglichte ein scharf konturiertes Bild. Äußerlich wirkte das Raumschiff nicht sonderlich gefährlich. Besaß es überhaupt Offensivwaffen? Und wie sah es mit der Defensivkapazität aus, war ein Schutzschirm aktiv?

Unruhig ging er am Waldrand auf und ab. Die Aussicht auf Nahrung setzte ihm immer heftiger zu, sein Mangel wurde ihm umso bewusster.

Die Einsamkeit hatte ihm nichts ausgemacht, seine Art mied ohnehin die Nähe anderer. Aber diese Eintönigkeit, die Aussichtslosigkeit ... das hatte ihm zugesetzt.

Bei dem fremden Raumschiff tat sich weiterhin nichts. Es stand einfach da.

Es wartete auf ihn, entschied er. »Höre meinen Namen, du lächerliches kleines Boot«, murmelte er. »Gorwall wird dich in Besitz nehmen.«

Dann stürmte er los.

Ich war gerade eingedämmert, als das Situativ von einem heftigen Schlag getroffen wurde. Ich spürte nichts davon in meinem Sessel, doch die Wucht des Treffers wurde über die Außenmikrofone übertragen.

»Hat da jemand geklopft?«, murmelte ich schlaftrunken.

»Nicht weiter von Bedeutung«, antwortete die Amme.

»Doch nicht etwa Hak Gekkoor?«

»Definitiv nicht.«

»Aber was war es dann? Gibt es hier doch Tiere? Bin ich nicht allein?«

»Ruh dich aus. Umso schneller wirst du es erfahren.«

Die Amme ging mir allmählich gehörig auf die Nerven. Sie schien sich nicht im Geringsten für das zu interessieren, was in ihrem Umfeld geschah. Ihre Programmierung war offensichtlich nur nach innen gerichtet, auf die Behandlung eines Reisenden. Darauf, mich zu versorgen.

Oder sie wollte mich »schonen«, damit ich mich besser erholte, bevor ich nach draußen ging.

»Ich wäre entspannter, wenn du den Schutzschirm aktivieren würdest«, sagte ich.

»Das ist unter den gegebenen Umständen nicht erforderlich«, weigerte sich die Amme.

»Was für ein Blödsinn!«, fuhr ich auf. »Wofür denn sonst, wenn nicht zum Schutz, ist er gedacht? Aktiviere ihn sofort! Wir haben soeben einen Angriff erlebt.«

»Die Energiereserven müssen geschont werden, und wir befinden uns nicht in akuter Gefahr. Das Protokoll F-88-ZSX sieht vor, dass ...«

»Ich hab's verstanden!« Von einer solch fruchtlosen Diskussion bekam ich nur Kopfweh. Vielleicht hatte das Situativ bei den Sprüngen so kurz hintereinander und dem herausfordernden Dauereinsatz etwas abbekommen. Vielleicht war der Energieaufwand insgesamt zu hoch gewesen und wir mussten derzeit auf Sparflamme laufen.

Die Gerätewand fuhr plötzlich zurück, die Fesselfelder verschwanden unerwartet, und ich drehte verblüfft den Kopf.

»Du solltest Lockerungs- und Bewegungsübungen machen«, forderte die Amme mich auf. »Ich verschaffe dir etwas Freiraum.«

»Endlich!«, rief ich.

In meiner gedanklichen Vorstellung ließ ich schon mühelos meine Muskeln spielen, bewegte mich so federnd wie gewohnt.

In der grausamen Wirklichkeit indes brauchte ich mehrere Minuten, um mich überhaupt aufzurichten. Als ich endlich auf eigenen Füßen stand, bebten meine Oberschenkelmuskeln, und ich musste mich an der Sitzschale festhalten. Meine Finger zitterten ebenfalls.

»War es jedes Mal so?«, fragte ich keuchend, als hätte ich einen halben Stadtmarathon ohne vorbereitendes Training hinter mir.

»Das ist nicht von Bedeutung.«

Das war wohl wieder einmal schonend gemeint, und ich beließ es dabei. Diesmal war das Vergessen ein Segen, denn hätte ich mich vorher daran erinnert, hätte ich mich vermutlich gar nicht erst aus der Sitzschale gewagt.

Die Amme fuhr die Technik zurück, Aggregate verschoben sich und ich konnte mich zum ersten Mal richtig bewegen. Ich begann mit Übungen, die die Koordination der Muskeln verbesserten, ebenso die Durchblutung. Die Amme unterstützte meine Bemühungen mit belebenden Impulsen. Obwohl die Anstrengung nicht sonderlich groß war, geriet ich außer Atem und schwitzte. Der Zellaktivator sandte warme Wellen durch meinen Körper. Das heftige Muskelzittern ließ endlich nach, der Schweiß trocknete auf meiner Stirn.

»Gibt es hier einen Jacuzzi?«, fragte ich scherzhaft. Es würde guttun, die Muskeln zu entspannen und die Lebensgeister zu mobilisieren, und außerdem wäre ich danach sauber.

»Ich weiß nicht, was das ist«, gestand die Amme.

»Egal.« Ich winkte ab. »Amme, während ich mich in der nächsten halben Stunde damit beschäftige, Geist und Körper wieder vollends zu vereinen, hältst du Wache. Ich will alles wissen, was draußen vor sich geht. Vor allem möchte ich eine Aufzeichnung des Angriffs von vorhin sehen. Und ich verlange nochmals, den Schutzschirm ...«

»Abgelehnt. Das ist kontraproduktiv zu deiner Aufgabe. Es könnte vom Stationssystem falsch aufgefasst werden.«

»Na schön – solange ich dadurch nicht in Gefahr gerate, soll es mir egal sein«, gab ich nach. »Die Wandung ist extrem dick und sollte an diesem Ort als Schutz reichen. Aber du informierst mich, sobald Hak Gekkoor eintrifft! Dann ändern sich die Verhältnisse nämlich, und wir müssen alles einsetzen, was wir haben.«

Ich lauschte ein paar Sekunden, dann wurde meine Stimme scharf. »Ich erwarte die Bestätigung meines Befehls!«

»Befehl bestätigt.«

»Also dann, frisch ans Werk!«

Obwohl ich sehr müde war und mich lieber lang ausgestreckt und geschlafen hätte ...

Gorwall zog sich nach seinem Angriff sofort wieder in den Wald zurück. Bestimmt hatten Außenkameras ihn beobachtet und die Bilder nach innen übermittelt, aber das war ihm egal. Sollte der Insasse ruhig wissen, mit wem er es zu tun hatte.

Das Raumschiff hatte keine Waffe eingesetzt, weder defensiv noch offensiv. Es nahm ihn wohl nicht ernst. Das störte ihn nicht, im Gegenteil. Dadurch konnte er im passenden Moment besser angreifen.

Irgendwann musste der Insasse herauskommen. Um zu erledigen, weswegen er gekommen war. Oder um Schäden an seinem Transportmittel zu beseitigen.

Gorwall kannte seinen Gefängnisplaneten in- und auswendig, die Natur würde das bald auf ihre Weise regeln.

»Ich kriege dich«, flüsterte er. Es war ungewohnt, die eigene Stimme wieder zu hören. Seine einzigen Lautäußerungen, seit man ihn im Stich gelassen hatte, waren die der Wut und des Schmerzes gewesen. Doch das Sprechen verlernte man anscheinend nicht: Kehle, Zunge und Stimmbänder funktionierten einwandfrei. »Dann kann ich dir Fragen stellen, bevor ich dich eliminiere.« Darüber, wie der Stand der Dinge draußen im All war und welche Möglichkeiten Gorwall offenstanden, bevor er sich eine neue Welt aussuchte.

Vielleicht war der Reisende sogar noch von weiterem Nutzen? So verlockend der Gedanke an Fleisch auch war, Gorwall durfte sich davon nicht zu Unbedachtheiten verleiten lassen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon festsaß, es konnten Jahrzehnte, Jahrhunderte oder sogar noch mehr Zeit vergangen sein. Anfangs war er mühelos in der Lage gewesen, die Zeiten umzurechnen, doch seit sein Planhirn nicht mehr richtig funktionierte, konnte er nur noch in sinnloser Weise die Tage auf dieser Welt zählen. Deshalb hatte er irgendwann damit aufgehört – es war zu frustrierend.

Es fiel ihm schwer, sich in Geduld zu üben. Nach all der langen Zeit auf einmal berechtigte Hoffnung hegen zu dürfen, von diesem Schlammklumpen zu entkommen, verlieh ihm neuen Lebenswillen.

Nun galt es vor allem, Kräfte zu sammeln. Angesichts dieser Chance durfte er keinen Fehler begehen.

»Ich kriege dich«, wiederholte er mit einem Zischen. »Bald!«

Perry Rhodan Neo 196: Entscheidung auf Kahalo

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