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Einleitung
ОглавлениеWie Bäuerinnen auf einem Hof mit ihren Familien, mit den Tieren und der Natur leben, davon haben viele Menschen – und bei weitem nicht nur in städtischen Gebieten – kaum eine Vorstellung, höchstens vielleicht Vorurteile.
Schweizer Bäuerinnen eine Stimme und eine Bühne in der Öffentlichkeit zu geben: Das ist das Ziel dieser Lebensgeschichten. 13 Frauen erzählen von ihren Freuden und Sorgen, ihren Träumen und ihrer oft harten Lebensrealität in der Landwirtschaft des 20. und 21. Jahrhunderts. Obwohl die porträtierten Frauen in verschiedenen Kantonen der Schweiz leben, ja eine sogar nach Queensland in Australien ausgewandert ist, und alle aus unterschiedlichen Generationen stammen, so gibt es doch einen roten Faden im Buch. Es sind die Erinnerungen an einen Ort, der sie verbindet: Sie sind ehemalige Absolventinnen der Bäuerinnenschule im Benediktinerinnenkloster Fahr – am Rand der Stadt Zürich. Sie haben dort, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, Ende des letzten Jahrhunderts oder erst vor ganz wenigen Jahren, ihre bäuerliche Grundausbildung absolviert.
Selbst «Ehemalige» der Bäuerinnenschule, die im Sommer 1983 im Kloster Fahr fürs Leben lernen durfte, aber keine aktive Bäuerin wurde, nahm es mich sehr wunder, wie Frauen in der Landwirtschaft heute denken und ihr Leben gestalten.
Mit Unterstützung der Fahrer Schwestern, besonders der Gartenfachfrau Schwester Beatrice Beerli, ging ich auf die Suche nach geeigneten Interviewpartnerinnen: Es sollten Frauen mit verschiedenen Tätigkeitsgebieten sein, ältere, jüngere, solche aus dem Berggebiet, Bio-Bäuerinnen, mit kleinen oder erwachsenen Kindern, die eigene Produkte im Hofladen verkaufen und Direktvermarktung betreiben, Agro-Tourismus anbieten oder ausgefallene Tiere züchten, Frauen, die geschieden sind – oder heute im Ausland leben.
Wir standen vor der Qual der Wahl, denn über 4000 Frauen haben im Verlaufe von 69 Jahren im Kloster Fahr den zwanzigwöchigen Kurs besucht.
Der Schweizerische Bauernverband definierte vor Jahresfrist in seinem Leitbild die Bäuerinnen als «naturnah, unternehmerisch und regional verwurzelt» – diese drei Begriffe treffen fast lückenlos auch auf die dreizehn Porträtierten zu.
Mein Oral-History-Projekt führte mich zu spannenden Frauen. Die Gespräche mit ihnen waren offen und sehr herzlich. Sie schenkten mir ihr Vertrauen. So entstanden berührende und bewegende Lebensgeschichten von engagierten Bäuerinnen, die ich bewundere; einerseits für ihre grosse Arbeitsleistung und ihr oft selbstloses Engagement für Familie und Betrieb, andererseits für ihre positive und lebensbejahende Einstellung – trotz allem. Es sind starke, eigenständige Frauen, die sich für die Landwirtschaft einsetzen und Zuversicht ausstrahlen … in einer heilen harten Welt.
Zwei Bäuerinnen, mit denen ich Gespräche geführt habe, sind im Buch nicht vertreten. Sie zogen ihre Texte vor Drucklegung leider zurück. Während sich bei der einen ihr Umfeld am Schluss stark in die Texte einmischte, kamen bei der anderen, die vor zwei Jahren ihren Mann auf tragische Weise verloren hat, alle Gefühle wieder hoch. Es war ihr einfach zu viel, als sie schwarz auf weiss ihre eigene Geschichte las; sie wollte sie nicht mehr veröffentlicht sehen. Dies gilt es zu akzeptieren.
Nach all den Begegnungen mit den Frauen darf ich sagen: Schweizer Bäuerinnen haben etwas zu sagen. Und sie verdienen es, dass sie gehört werden und dass sie für ihr Engagement und ihre Arbeit Verständnis, ja Anerkennung bekommen.
Susann Bosshard-Kälin
Egg bei Einsiedeln, Anfang 2014