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Repetitorium und Vertiefung

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I. Das Verlöbnis ist das ernsthafte wechselseitige Versprechen zweier Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts, künftig die Ehe miteinander eingehen zu wollen, wodurch ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis begründet wird[53]. Zum Verlöbnis, vgl. insbes.: §§ 1297, 1298 bis 1302.

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II. Zur Rechtsnatur eines Verlöbnisses werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die insoweit vertretenen Theorien[54] können für die Frage relevant werden, ob ein wirksames Verlöbnis trotz beschränkter Geschäftsfähigkeit eingegangen werden kann.

1. Familienrechtliche Theorie (MM)

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Nach der familienrechtlichen Theorie ist das Verlöbnis ein Vertrag eigener Art (sui generis). Gefordert wird danach keine Geschäftsfähigkeit i.S.d. §§ 104 ff., sondern eine besondere Verlöbnisfähigkeit in Form einer individuellen geistigen Reife bzw. Ehemündigkeit[55].

2. Tatsächlichkeitstheorie (MM)

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Nach der ebenfalls früher vertretenen Tatsächlichkeitstheorie ist im Verlöbnis kein Rechtsgeschäft, sondern nur ein rein soziales Verhältnis zu sehen mit der Folge der Unanwendbarkeit der rechtsgeschäftlichen Vorschriften[56].

3. Lehre von der Vertrauenshaftung (MM)

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Die Lehre von der Vertrauenshaftung sieht im Verlöbnis ein gesetzliches Rechtsverhältnis, das keine Rechtspflicht zur Eheschließung, sondern einen gesetzlichen Vertrauensschutz der Partner zueinander begründet[57]. Infolgedessen wird lediglich eine konkrete Einsichtsfähigkeit gefordert.

4. Vertragstheorie (h.M.)

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Nach der von der herrschenden Meinung vertretenen Vertragstheorie[58] ist das Verlöbnis ein Vertrag i.S.d. §§ 145 ff. mit der Folge, dass die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB daher grundsätzlich anwendbar sind, so dass auch Geschäftsfähigkeit i.S.d. §§ 104 ff. erforderlich ist. Aufgrund der Höchstpersönlichkeit des Verlöbnisses sollen die Stellvertreterregelungen der §§ 164 ff. nicht gelten (zu den Höchstpersönlichkeitsvoraussetzungen bei der Eheschließung vgl. § 1311). Z.T. wird auch vertreten, dass die §§ 119 ff. wegen der spezielleren Rücktrittsvorschriften der §§ 1298 ff. verdrängt werden[59].

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III. Die wichtigsten Wirkungen des Verlöbnisses bestehen darin, dass

1. die Verlobten berechtigt sind, Eheverträge i.S.v. § 1408 abzuschließen, die ihre Rechtswirkungen allerdings erst mit der Eheschließung entfalten[60],
2. die Verlobten berechtigt sind, Erbverträge und Erbverzichtsverträge, vgl.: §§ 2275 III, 2276 II, 2279 II, 2347 I 1 abzuschließen und
3. den Verlobten im Prozess ein Zeugnis- und Eidesverweigerungsrecht zusteht, vgl.: §§ 383 I Nr. 1 ZPO, 52 I Nr. 1, 61 StPO.

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IV. Es bestehen Unterhaltsansprüche zwischen Verwandten i.S.d. §§ 1601 ff., wozu insbesondere die Unterhaltspflicht zwischen Eltern und ihren Kindern gehört[61].

Zudem schulden sich Eheleute und Lebenspartner:innen (i.S.d. LPartG) gegenseitig Unterhalt.

Darüber hinaus können Unterhaltsansprüche unter nicht miteinander verheirateten Eltern aus Anlass der Geburt eines Kindes bestehen, vgl. § 1615l.

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V. Welchen Unterhaltsanspruch ein Ehegatte bzw. Lebenspartner inne hat, richtet sich nach der jeweiligen zeitlichen Phase, in der sich die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft befindet. Es ist insoweit zu unterscheiden: zwischen Familienunterhalt i.S.d. §§ 1360, 1360a bzw. § 5 LPartG bei bestehender häuslicher Gemeinschaft, Trennungsunterhalt nach § 1361 bzw. § 12 LPartG für den Zeitraum zwischen Trennung und Scheidung/Aufhebung der Lebenspartnerschaft und nachehelichem Unterhalt i.S.d. §§ 1569 ff. bzw. § 16 LPartG für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung bzw. Aufhebung.

1. Familienunterhalt

Bei bestehender häuslicher Gemeinschaft hat jeder Ehegatte/Lebenspartner – unabhängig vom Güterstand – einen Anspruch darauf, dass der andere Ehegatte/Lebenspartner einen angemessenen Beitrag zum Familienunterhalt leistet, vgl. §§ 1360, 1360a, § 5 LPartG.
Art und Umfang der Unterhaltsleistung richten sich nach der Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, vgl. §§ 1360a, 1360 S. 2.

2. Trennungsunterhalt

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Bei Getrenntleben kann ein Ehegatte/Lebenspartner vom anderen den nach den Lebensverhältnissen (Erwerbs- und Vermögensverhältnissen) der Ehegatten/Lebenspartner angemessenen Unterhalt verlangen, vgl. § 1361, § 12 LPartG. Zweck des Trennungsunterhaltes ist es, zumindest für eine gewisse Zeit, möglichst den „Status quo“ zu halten und einen wirtschaftlich bedingten sozialen Abstieg zu vermeiden, da trotz der Trennung das Eheband noch fortbesteht und nicht voraussehbar ist, ob die Ehe tatsächlich geschieden bzw. die Lebenspartnerschaft aufgehoben wird (dazu: § 15 LPartG) oder ob es zur Versöhnung der Ehegatten/Lebenspartner kommt[62].
Der nicht erwerbstätige Ehegatte kann nur unter den Voraussetzungen des § 1361 II darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen. Insoweit sind insbesondere auch Alter, Krankheit und ggf. Inanspruchnahme durch die Kinder zu berücksichtigen.
Beim Trennungsunterhalt werden an die Erwerbsobliegenheit weniger strenge Voraussetzungen geknüpft als nach der Scheidung, so dass im ersten Trennungsjahr den vor der Trennung längere Zeit nicht Erwerbstätigen jedenfalls keine generelle Erwerbsobliegenheit trifft, sofern die Ehe nicht nur von kurzer Dauer war[63].

3. Nachehelicher Unterhalt

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Für die Zeit nach der Scheidung geht der Gesetzgeber in § 1569 grundsätzlich davon aus, dass der geschiedene Ehegatte seinen Unterhalt selbst erwirtschaften soll. Das Prinzip der wirtschaftlichen Eigenverantwortung wird jedoch durch den Grundsatz der nachwirkenden Mitverantwortung bzw. der nachehelichen Solidarität eingeschränkt, so dass u.U. auch für die Zeit nach rechtskräftiger Scheidung ein Unterhaltsanspruch bestehen kann[64]. Für die Lebenspartner ergibt sich Entsprechendes aus § 16 LPartG.
Durch die Änderung des § 1570 (mit Wirkung zum 1.1.2008) wird heute die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Kinder betreuenden Elternteil zu einem wesentlich früheren Zeitraum für zumutbar gehalten. Ab Beginn des 4. Lebensjahres hat insofern eine Einzelfallprüfung zu erfolgen[65].
Die Vorschriften über den nachehelichen bzw. Geschiedenenunterhalt finden bei Aufhebung einer Ehe gemäß § 1318 II grundsätzlich nicht zugunsten des bösgläubigen, täuschenden oder drohenden Ehegatten Anwendung.

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VI. Trotz der spezifischen Anspruchsgrundlagen im Unterhaltsrecht gilt bei der Prüfung jeweils das folgende Grundschema, das in der konkreten Falllösung variiert werden kann:

1. Unterhaltsbeziehung
2. Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten a) Bedarf b) Keine eigene Deckungsfähigkeit
3. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten
4. Rangfolge
5. kein Ausschluss bzw. keine Minderung des Unterhaltsanspruches
6. Art der Unterhaltsgewährung
7. ggf.: Bezifferung der genauen Höhe des Unterhaltsanspruches

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VII. Zur Frage des Unterhaltsverzichts in einem Ehevertrag hat der BGH am 11. Februar 2004 klargestellt, dass eine zu einseitige Lastenverteilung unzulässig ist und aufgrund von Sittenwidrigkeit zur Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung führen kann. Insbesondere ist der „Kernbereich“ der unterhaltsempfangenden Person ausreichend zu berücksichtigen[66].

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VIII. Kontrollfragen

1. Nennen Sie die Theorien und ihre Inhalte, die zur Rechtsnatur des Verlöbnisses vertreten werden! Wann wird diese Streitfrage relevant? (Rn. 185 ff.)
2. Welche Wirkungen resultieren aus einem Verlöbnis? (Rn. 190)
3. Nennen Sie die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus § 1298 I 2? (Rn. 111 ff.)
4. Wie wird die fehlende Einklagbarkeit der Eheschließung i.S.v. § 1297 prozessual ergänzt? (Rn. 110)
5. Welche Unterhaltsarten existieren unter Ehegatten? (Rn. 192 ff.)
6. Ist es für ein gleichgeschlechtliches Ehepaar möglich, mit Geburt des von beiden gewünschten Kindes gemeinsam Eltern im rechtlichen Sinne zu werden? (Rn. 148 ff.)
7. Was versteht man unter der Differenzmethode im Unterhaltsrecht? (Rn. 166)
8. Nennen Sie einen möglichen Grund, der die Aufhebung einer Ehe rechtfertigen könnte! (Rn. 174)
9. Was ist u.a. im EGBGB geregelt? (Rn. 107, 182)
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