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4.6. Neuansätze in der Lehre des Ba’al Schem Tov

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Der Chassidismus war die erste mystische Bewegung des Judentums, die tatsächlich in einen Konflikt mit dem aktiven Handeln geriet. Der Sabbatianismus setzte für seine interne Diskussion kein aktives Tun voraus, da er ja festgelegt hatte, dass das Gebot im messianischen Zeitalter nicht mehr notwendig sei und es insofern als Anzeichen jener Ära aufzugeben wäre. Die Abschaffung des religiösen Handelns war nur äußerliches Indiz für die historische Krise. Der Chassidismus gab das Handeln (inklusive der praktischen Gebote) nicht auf – […] der Konflikt mit dem konkreten Tun führt aber zum Kern des Chassidismus. (Schatz, Hasidism, S. 43)

Der Besch“t als Teil des EstablishmentsIn der Person des Ba’al Schem Tov fanden sich die Ideale der Chassidim ‚alter Schule‘ mit den Fähigkeiten eines Ba’al Schem bzw. eines praktischen Kabbalisten zusammen. Wiewohl keiner angesehenen Familie entstammend, gelang es Israel ben Eli’eser, die Anerkennung eines Kreises von Gelehrten zu erreichen und schließlich (ab ca. 1740) als Gemeindekabbalist von Międzyboż Anstellung zu finden.

Das Leben des Israel ben Eli’eser, soweit man es überhaupt rekonstruieren kann, lässt eher auf eine etablierte Existenz im Rahmen der geltenden religiösen Maßstäbe schließen. Die Grenzen zwischen den Frommen ‚alter Prägung‘ und den ‚neuen‘ Chassidim im Gefolge des Ba’al Schem Tov waren eben bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts noch durchaus fließend (Hundert, Apta, S. 59).

Die Gründe für seine bedeutende Funktion innerhalb des werdenden Chassidismus müssen daher vor allem in seiner (charismatischen) Persönlichkeit – was ex post facto schwer zu fassen ist – oder |58|in seiner Lehre gesucht werden. Für Letzteres sprechen immerhin einige Besonderheiten seiner hauptsächlich in den Werken seiner Anhänger überlieferten Sentenzen. So wandte sich der Ba’al Schem Tov dezidiert gegen eine harte Askese und Gottesdienst in Freudepropagierte stattdessen einen Gottesdienst in Freude. Dieser wird durch das Konzept der Avoda be-Gaschmi’ut (des Gottesdienstes in Körperlichkeit) begründet, das gleichfalls auf den Besch“t zurückgeführt wird. Es nimmt dezidiert die gesamte physische Existenz des Menschen als Feld religiöser Aktivität in den Blick. Nicht nur in Gebet, Gebot und Studium sollte dem Ewigen gedient werden, sondern in der gesamten Palette menschlichen Tuns.

PanentheismusZur Begründung der Avoda be-Gaschmi’ut erfährt die gesamte weltliche Wirklichkeit, die panentheistisch als vom Ewigen durchdrungen gedacht wird, eine durchgreifende Spiritualisierung. Letztlich kann aus der göttlichen Präsenz in Allem auch eine Infragestellung der materiellen Realität (Akosmismus) abgeleitet werden, was späterhin von einem Teil der Anhänger des Ba’al Schem Tov tatsächlich auch denkerisch in Angriff genommen wird. Die unmittelbare Konsequenz dieser besonderen panentheistischen Grundkonstellation („Kein Ort ist leer von IHM“) besteht darin, dass dem Bösen keine ontische Bedeutung zugemessen werden kann. Es ist lediglich das weiter von seiner transzendenten Wurzel Entfernte, welches man durch Rückführung zu seinem Ursprung „aufheben“ kann und muss.

GebetspraxisVon den traditionell-jüdischen Formen religiöser Aktivität – dem Gebet, dem Gebot und dem Studium der Tora – wird, im Unterschied zu sabbatianischen oder frankistischen Gruppierungen, keine in Frage gestellt. Besondere Aufmerksamkeit widmete der Ba’al Schem Tov dem Gebet. Manche der frühen chassidischen Quellen konstatieren, die eigentliche Bedeutung des Besch“t habe in dessen besonderer, durch Gesten unterstützter Gebetspraxis bestanden. Er habe das Gebet als wichtigstes Mittel zum Erreichen der Devequt bzw. zu Seelenaufstiegen verstanden.

Betrachtet man die theoretischen Konzepte des Ba’al Schem Tov, so fällt auf, dass er sich (im Unterschied zu den Kabbalisten ‚alter Prägung‘) relativ wenig auf lurianische Denkansätze bezog. Sogar das sefirotische System trat als Bezugsrahmen hinter alphabetmystische Ansätze zurück.

Weniger im Leben als in der Lehre (und wohl auch in der konkreten spirituellen Praxis) des Ba’al Schem Tov lassen sich demzufolge diejenigen Neuansätze beobachten, welche die Entstehung der innovativen Strömung des osteuropäischen Chassidismus verstehen helfen.

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