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2 | Schlag Zwei – Methoden zur Verteidigung des Niveaus

Kurzes Interludium der Nützlichkeiten mit einem Hinweis zur Navigation in unübersichtlicher Wirklichkeit nebst (in unserem ersten historischen Exkurs) einem erhellenden Besuch auf der Agora von Athen, wo wir den Manager Kallikles und den Wissenschaftler Sokrates treffen.

Wie bereits skizziert, ist das Gelände, in dem wir in dieser Übergangsphase navigieren müssen, etwas unwegsam. Ertüchtigungen sind stets anstrengend. Und anstrengend ist auch der Aufstieg (für die armen Tropfe, die vom Wege abkamen) aus den Niederungen des Populären auf die Höhen der Kanzel. Wir sagen nur: Niveau! Gerade in Zeiten der Verdünnung und der Vereinfachung müssen wir das Niveau mit aller Kraft verteidigen. Die Rede von „Verständlichkeit“ und „Nachvollziehbarem“ ist grob fahrlässig,. Dies dann auch noch als „demokratische“ Tugenden hinzustellen, ist nachgerade gefährlich. Als sei der Geist an sich jemals demokratisch gewesen [vgl. Grundmann]! Da sind sich im Übrigen die Influencer in Wissenschaft und Management vollkommen einig. Wo kein Influencer, da kein Influence. Wo kein Nichtwissen, da kein Experte.

Betrachten wir kurz die tapferen Männer auf der Jagd nach dem Schnark. Sie machen es vor. Die Mannschaft vertraut ihrem Kapitän. Er ist der Experte. Er besorgt die Karte. Die Männer vertrauen ihm, weil er ihnen auf exzellente Weise erklärt, warum er auf der Karte, die er mit sich führt, die Komplexität dahingehend reduzierte, alles Land wegzulassen. Andernfalls könnten auch schreckliche Dinge passieren in den Köpfen der Nichtexperten. Kognitive Verzerrungen vermögen bleibende Schäden zu hinterlassen. Wir deuteten derlei Gefahren bereits an. Hier liefern wir die eindeutige Analyse eines exzellenten Experten, der sich an einer unserer Eliteuniversitäten ein ganzes Jahrzehnt lang mit dieser schwierigen Frage beschäftigt hat:

Aufgrund der Spezifika des Mediums Karte, das (zumindest in analogen Versionen) Ambivalentes kaum abzubilden vermag, emergiert dabei aber selbst bei Karten, die nur zu Illustrationszwecken appendiziert wurden, im Zuge der Transposition immer auch Neues: Karten zwingen zur Vereindeutigung oder konstruieren Zusammenhänge, die sachlich nicht bestehen. Gerade die Evidenz kartographischer Darstellung entfaltet ein in erkenntnistheoretischer Hinsicht problematisches Suggestionspotenzial.“ [Quelle: EinExzellenzcluster“]

Problematisches Suggestionspotenzial! Da haben wir’s!

Hätte man der Karte außer dem Meer auch noch Land hinzugefügt, wäre das Suggestionspotenzial und damit die Gefahr für unschuldige Nichtexperten ins Unermessliche gestiegen. Ein Kapitän, der diesen Namen verdient, hätte seine tapfere Mannschaft niemals solchen Gefahren ausgesetzt. Darum geht es uns hier. Das meinen wir.

Und nun folgen Sie uns zu dem kleinen Exkurs nach Athen. Wir bieten ihn hier dar aus unserer Reihe: „Die kleine Trickkiste“. Den Hinweis auf die nun folgende exzellente Geschichte verdanken wir dem Franzosen Latour [der auch seine guten Seiten hat], der für uns ein Werk des Meisters Platon [den Gorgias] analysiert. Wir haben uns erlaubt, das Stück hier nur kurz zusammenzufassen, als kleine Handreichung zwischendurch sozusagen. Das Stück zeigt uns nämlich, worum es dem Meister wirklich ging, wurden doch seine wahren Absichten so häufig fehlinterpretiert.

Sokrates und Kallikles auf der Agora

Wir lesen die Geschichte von Sokrates, dem Wissenschaftler und Kallikles, dem Manager, auf der Agora von Athen. Sie streiten sich darum, wer von ihnen beiden der Würdigere sei, das Volk zu regieren. Kallikles, der Manager, nimmt für sich in Anspruch, mehr zu besitzen als andere, sei sein gutes Recht. Die Masse sei grob und unverständig und könne sowieso nicht mit Geld umgehen. Sokrates, der Wissenschaftler, macht sich über soviel schnöde Erdgebundenheit lustig und erklärt, er sei der wahre Herrscher über das Volk. Aber nicht mit niederem Geld, sondern mit Geist und Geometrie. Mit ihnen könne er die irrationalen Triebe des Volkes in Schach halten. Selbst die Götter müssten vor den Gesetzen der Natur den Hut ziehen. [Spätere Erkenntnisse zum Wesen dieser „Gesetze“ tun hier nichts zur Sache.]

Wir sehen, dass Sokrates und Kallikles eigentlich gar nicht streiten mussten. Gemeinsam wären sie noch stärker gewesen. Denn in einem waren Sokrates und Kallikles sich immer einig: Ohne Nichtwissen keine Experten. Heute versteht man die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Management viel besser.

„Sokrates Anrufung der Vernunft gegen das unvernünftige Volk ist tatsächlich Kallikles’ Forderung nach einem ungleichen Anteil an der Macht nachgebildet“, erklärt uns Latour. Beide machen sie sich die Natur als Kumpanin zunutze, indem sie Geschichte in Natur verwandeln – so ist es, so war es immer. Gegen Gemachtes, gegen Interessen, gegen Geschichte mithin, kann das Volk rebellieren. Aber gegen Natur? Sich gegen die Natur und ihre Gesetze auflehnen? Ein Kallikles von heute würde sich „Pörksens Patentierter Plastikwörter“ bedienen, und ein zeitgenössischer Sokrates würde sich der einen wahren Methode befleißigen, der Wissenschaft zu ihrem Recht zu verhelfen. „Die Wahrheit tritt auf, und die Agora leert sich.“ 4

Wir hoffen, unser kleiner Exkurs war lehrreich für Sie.


Das Nichts nichtet und die Follwerschaft der Influencer

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