Читать книгу Sea and Fall - Svea Dunnabey - Страница 4

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Kapitel II

Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen. Ich konnte mich nicht erinnern schon einmal solche Kopfschmerzen gehabt zu haben.

Was war passiert? Und wo war ich überhaupt?

Hektisch blickte ich mich im Zimmer um. Zwar sah das Zimmer auf den ersten Blick nicht wie ein Krankenhauszimmer aus, aber es schien eins zu sein. Der Fußboden war mit Laminat verlegt, oder war es PVC? Jedenfalls war es eine helle Holzmaserung, die dem Raum, zusammen mit den gelben Wänden, einen warmen Ton verlieh. Die Beleuchtung war sehr gedämpft und die Vorhänge, die den Raum verdunkelten, sahen sehr edel aus.

Alles in allem, sah dieses Zimmer überhaupt nicht nach einem Krankenhaus aus. Wenn ich nicht einen Tropf neben mir gehabt hätte und Monitore neben mir stünden, hätte ich gedacht, dass ich in einem Hotelzimmer gewesen wäre. Selbst die Bettwäsche war nicht typisch weiß, sondern dunkelblau mit goldenen Stickereien verziert.

Um mich herum standen etliche Blumensträuße. Weiße Rosen, rote Germini, gelbe und orangene Tulpen, ein paar Blumen deren Namen ich nicht kannte und meine Lieblingsblumen, wunderschöne weiße Lilien. Rechts neben den Blumensträußen standen dutzend Pralinenpackungen aufgetürmt. Allein beim Anblick wurde mir schlecht. Wenn ich die alle essen würde, könnte ich meinen Krankenhausaufenthalt direkt verlängern, um eine Entschlackungskur durchzuziehen. Ich grinste leicht, doch als mich der Schmerz durchfuhr, ließ ich es schnell sein. Am besten ich verzog keine Miene.

Plötzlich bewegte sich etwas an meinem linken Fußende. Ich versuchte mich ein wenig zu erheben, um zu sehen was oder besser wer das war, doch ich war zu schwach. Hatten diese Betten nicht immer solche Knöpfe, mit denen man es ganz einfach verstellen konnte?

Ich griff zu der Fernbedienung auf dem Nachtschrank, was eine Ewigkeit zu dauern schien und anstrengender war, als gedacht, doch ich schaffte es und war anschließend stolz auf meine Leistung.

Im nächsten Augenblick fuhr ich auch schon mit dem Kopfteil nach oben und schaute zum Fußende. Auf einem Stuhl saß ein Mann mit dunklen Haaren, dessen Kopf auf seinen Armen ruhte. Jacob. Erleichterung durchfuhr mich. Ich hätte ihn am liebsten schlafen lassen, doch da seine Position nicht gerade gesund aussah und ich wissen wollte, wo ich genau war, entschloss ich mich dazu, ihn zu wecken.

>> Jacob.<< flüsterte ich sanft.

Wer weiß, wie lange er schon da lag und wie lange ich überhaupt geschlafen hatte. Doch er rührte sich nicht, also wiederholte ich meine Anstrengungen, diesmal jedoch etwas lauter.

>> Jacob, wach auf!<<

Mit einem Ruck fuhr er hoch und sah sich verwirrt um. Ob es ihm auch so ging wie mir, dass er sich erst einmal einen Überblick verschaffen musste, um zu begreifen, wo er hier gelandet war?

Doch dann sah er mich, sah, dass meine Augen geöffnet waren und lächelte mich an.

>> Sarah! Du bist wach, endlich! Wie geht es dir?<< Während er das sagte, stand er auf und beugte sich zu mir.

>> Ich hab ziemliche Kopfschmerzen, aber sonst geht es glaube ich.<<

Ich merkte, wie mich das Sprechen anstrengte, wie sehr es mich auslaugte. Normalerweise war Sprechen doch das Leichteste der Welt und nun fühlte ich mich nach diesem einen Satz, als ob ich einen Marathon gelaufen wäre und jetzt aus dem letzten Loch pfiff.

>> Ich hole schnell einen Arzt, der soll mal einen Blick auf dich werfen. Du warst so lange weg, ich hatte schon Angst, du würdest gar nicht mehr aufwachen. Bin gleich wieder da und schön wach bleiben. Blamier mich nicht meine Süße.<<

Bevor ich überhaupt Fragen stellen konnte, war Jacob schon auf dem Gang verschwunden. Wie lange ich wohl bewusstlos gewesen war? Was war mit meinem Job? Wussten meine Kinder was passiert war? Was war mit dem anderen Fahrer? War er schwer verletzt oder sogar noch schlimmer? Panik keimte in mir auf und ich merkte, wie die Schmerzen immer schlimmer wurden. Beruhige dich, dachte ich und schloss die Augen. Dabei konzentrierte ich mich voll und ganz auf meine Atmung, doch der Schmerz wollte einfach nicht nachgeben.

Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und zwei Männer kamen auf mich zu. Jacob hatte anscheinend einen Arzt gefunden. Er war schon älter. Ich schätzte ihn auf Anfang 50. Seine kurzen Haare waren grau, fast schon weiß und sein Gesicht war durch viele interessante Falten, die sein Leben wiederspiegelten, gezeichnet. Insgesamt machte der Arzt einen sympathischen Eindruck auf mich, sodass ich mich wieder entspannte.

>> Ms Huber? Ich bin Dr. Welsh, ihr behandelnder Arzt. Schön, dass Sie wieder bei uns sind. Mr Harris, sagte mir, dass Sie über Kopfschmerzen klagen würden. Tut Ihnen sonst noch etwas weh, oder empfinden Sie irgendetwas als unangenehm oder störend?<<

>> Nur die Kopfschmerzen und ein wenig Übelkeit.<<

>> In Ordnung, ich werde Sie kurz untersuchen und ihnen erklären, was genau passiert ist und was wir festgestellt haben.<<

Ich nickte und dann fing Dr. Welsh auch schon an, sämtliche Fachausdrücke auf Englisch um sich zu werfen. Ich nickte immer eifrig und schaute hier und da mal verzweifelt zu Jacob, wenn ich dachte, dass Dr. Welsh meinen Blick nicht sehen konnte. Ich konnte wirklich gut Englisch sprechen und ich verstand auch so gut wie alles, aber wenn es um Fachausdrücke ging, musste ich passen.

Ich hatte nie die Leute verstanden, die ins Ausland ausgewandert waren, ohne die Sprache richtig zu beherrschen. Wie wollten sie in einem Land Fuß fassen, wenn sie sich über die einfachsten Dinge nicht verständigen konnten? Das konnte doch nur schief gehen und sogar gefährlich werden, wenn sie in eine Lage kämen, in der ich nun steckte. Und obwohl ich gutes Englisch sprach, saß auch ich nun in der Klemme und verstand nichts. Panik erfasste mich wieder einmal und ich verfluchte sie jetzt schon.

Ich musste irgendwie herausfinden, was ich hatte. Ich musste mir die Fachausdrücke merken und sie dann später nachschlagen.

In den nächsten 15 Minuten tastete Dr. Welsh mich weiter ab und überprüfte, wo ich Schmerzen hatte. An meinem linken Arm war ein Gips, den ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Der Arm war anscheinend gebrochen, aber immerhin war es wohl ein unkomplizierter Bruch. An meinen Rippen hatte ich allem Anschein nach eine leichte Prellung, ebenso wie an meinem Knöchel.

Nach der Untersuchung erzählte mir der Arzt, dass ich viel Ruhe bräuchte, kein Fernsehen anmachen und auch Musik sowie jegliche anderen Geräusche vermeiden sollte. Das schienen ja ganz aufregende Tage zu werden, dachte ich bei mir und schaute Jacob gequält an, doch der blickte nur ernst und besorgt drein.

Als Dr. Welsh endlich den Raum verlassen hatte, war ich erleichtert. Eine Schwester sollte mir gleich etwas zu trinken und Medikamente bringen, die meine Schmerzen lindern sollten, was ich kaum erwarten konnte.

>> Du hast riesiges Glück gehabt.<<

>> Was habe ich denn jetzt genau? Das mit den Prellungen und dem Arm habe ich verstanden, aber was ist mit meinem Kopf?<<

Jacob verstand sofort was ich meinte und holte sein Smartphone aus der Jackentasche hervor. Eilig tippte er etwas ein und hielt es mir dann vor die Augen. „Leichtes Schädelhirntrauma“ stand auf dem Display, nachdem er es in einen Übersetzer eingegeben hatte. Das klang alles andere als gut. Deshalb auch die Kopfschmerzen und Übelkeit.

>> Muss ich sonst noch was wissen?<<

>> Den Rest hast du verstanden, denke ich. Viel ausruhen, keinen Lärm und keine Aufregung.<<

Ich nickte und legte mich bequemer hin, damit Jacob auch mehr Platz hatte.

>> Schön, dass du da bist.<<

>> Ich lass doch mein Mädchen nicht im Stich.<<

Er grinste, wurde dann aber wieder ernst.

>> Julian war auch kurz da. Er war es, der mich angerufen hat.<<

Julian war mein Mann, jedenfalls noch, was sich allerdings in etwa drei Monaten ändern sollte.

>> Und Emma und Ben?<<

Das waren meine Kinder. Als ich gerade 17 gewesen war und mein Abitur machte, merkte ich, dass ich schwanger war. Kurz nach meinem Abschluss kam Emma dann zur Welt. Ein Jahr später heiratete ich Julian, da ich dachte, dass er der Mann fürs Leben wäre, immerhin hatten wir viel durchgestanden und waren immer noch unzertrennlich gewesen. Während meines Studiums, das ich kurz nach Emmas Geburt begann, wurde ich wieder schwanger. Ich wollte kein Einzelkind haben und wollte auch nicht, dass zwischen den beiden Kindern so viel Abstand war, weswegen zwei Jahre nach Emma dann Ben zur Welt kam.

>> Julian meinte, dass er sie angerufen hätte, aber erst einmal abwarten wolle, wie es mit dir weitergeht... Sieh mich nicht so an, er wollte die beiden nur nicht unnötig aufregen.<<

>> Wie lang war ich denn bewusstlos?<<

>> Etwa 30 Stunden. Ich bin sofort hierher gefahren, als Julian mich anrief. Du hast mich vor Pauls Familie gerettet.<<

>> Gern geschehen.<<

>> Aber nächstes Mal reicht auch ein Fake-Anruf.<<

Als ich grinste, merkte ich wieder die Schmerzen, diesen Stich, der quer durch meinen Kopf zu laufen schien. Wie eine Kettensäge, die mein Gehirn in zwei Hälften teilte.

Doch in dem Moment kam die Schwester mit dem Schmerzmittel herein und gab es direkt in meinen Zugang. Immerhin würde es so schneller wirken. Als sie den Raum verlassen hatte, redete Jacob weiter.

>> Ziemlich schnuckeliger Typ der dich da angefahren hat. Er war öfter hier, als du noch bewusstlos warst und hat dafür gesorgt, dass du dieses Zimmer hier bekommst.<<

>> Wieso?<<

>> Keine Ahnung. Erst warst du auf einer normalen Station in einem Zweibettzimmer, aber das schien ihm nicht zu gefallen und hat dich hierhin verlegen lassen. Scheint Geld und Einfluss zu haben. Die tanzen alle nach seiner Pfeife.<<

>> Mhm.<<

Ich merkte, wie das Schmerzmittel langsam zu wirken begann und ich müder wurde.

>> Möchtest du schlafen?<<

Ich nickte träge und hatte Mühe meine Augen offen zu halten.

>> Ok, dann ruh dich aus. Ich geh mich dann mal frisch machen und was essen. Soll ich dir was von zu Hause mitbringen?<<

>> Was zum Anziehen, Zahnbürste und so ein Zeug. Ach ja, kannst du vielleicht auf der Arbeit Bescheid geben?<<

>> Mache ich. Dann schlaf gut, Süße.<<

Nachdem er mir noch einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte, machte sich Jacob auf den Weg und ich fiel in einen tiefen angenehmen Schlaf.

>> Ist sie immer noch nicht wieder wach?<<

>> Doch sie war kurz wach, aber sie braucht viel Ruhe. Sie hatte starke Kopfschmerzen, weshalb sie etwas dagegen bekommen hat. Es ist gut, dass sie schläft, so holt sich ihr Körper was er braucht.<<

Wer redete da? Redeten sie über mich? Langsam versuchte ich aus meinem tiefen Schlaf aufzuwachen. Ich war zu neugierig, wer da gerade gesprochen hatte. Doch als ich aufwachte, konnte ich zunächst niemanden erkennen.

Der Raum schien leer zu sein. Das Sonnenlicht wurde weiterhin durch die Vorhänge ausgesperrt, sodass es immer noch angenehm dunkel war. Als ich das Bett ein wenig höher stellte, öffnete sich die Tür und ein großer Mann mit dunklen, längeren Haaren und einem kleinen Ziegenbart kam herein. Der Mann, der mich aus dem Auto gezogen hatte, schoss es mir durch den Kopf und irgendwie freute ich mich darüber, dass er hier war.

Er trug einen dunklen, dreiteiligen Nadelstreifenanzug, wobei er das Jackett über den Arm gelegt hatte. Das Hemd war hellblau, die Krawatte hingegen dunkelblau. Ich hatte schon immer etwas für Männer in schicken Anzügen übrig gehabt, vor allem für welche in Dreiteilern und wenn sie auch noch so durchtrainiert waren wie er, war ich verloren. Diese breiten muskulösen Schultern, die nicht zu übersehen waren, da er ja das Jackett nicht trug, faszinierten mich. Vor Verlangen biss ich mir auf die Lippe und malte mir seinen Körper darunter in Gedanken aus.

Schluss damit dachte ich mir und wendete den Blick von seinem Oberkörper ab, um ihm in die Augen zu sehen.

>> Hallo.<< begrüßte ich ihn eher krächzend, da meine Stimmbänder wohl noch nicht ganz aufgewacht waren. Er zuckte kaum merklich zusammen, als er mich auch schon freundlich anlächelte. Hatte ich ihn erschreckt?

>> Oh. Guten Morgen. Ich wusste nicht, dass Sie wach sind.<<

>> Ich hatte vorhin jemanden reden hören.<<

>> Dann haben Dr. Welsh und ich Sie geweckt? Das tut mir Leid, dass wollte ich nicht.<<

>> Schon ok.<<

Er grinste, was mich einfach nur umhaute und in mir ein leichtes ungewohntes Kribbeln entfachte.

>> Ich bin...<<

>> der Mann, der mich aus dem Auto befreit hat.<< beendete ich seinen Satz, nachdem ich mich wieder zusammengerissen hatte.

>> Richtig. Ethan Thatcher. Leider auch der Mann, weswegen Sie überhaupt den Unfall hatten.<<

>> Wie geht es dem Fahrer? Ist er schwer verletzt?<< Diese Frage beschäftigte mich schon die ganze Zeit, seitdem ich das erste Mal aufgewacht war.

>> Dem...<< begann er den Satz, unterbrach ihn jedoch und wurde auf einmal angespannter. >> Dem geht es zu meinem Missfallen blendend.<<

>> Ich verstehe nicht...<<

>> Ich hatte an dem Abend einen anderen Fahrer beauftragt, weil mein Fahrer, den ich sonst immer habe, einen Tag frei hatte. Jedenfalls hatte sich der Fahrer an diesem Abend wohl ein paar Drinks genehmigt. So etwas verurteile ich. Ich trinke gerne, wenn ich mich mit Geschäftspartnern treffe, weswegen ich einen Fahrer benötige, der nüchtern ist.<<

>> Wie viel hat er denn getrunken?<<

>> Viel zu viel. Er hatte eine ordentliche Menge Alkohol im Blut, sodass er nicht mehr befugt war Auto zu fahren. Er wird sich daher vor Gericht verantworten müssen. Aber viel mehr interessiert mich wie es ihnen geht. Dr. Welsh sagte, Sie hätten über starke Kopfschmerzen geklagt?<<

>> Es geht mir besser. Die Schmerzmittel wirken ganz gut.<<

>> Das freut mich. Es tut mir wirklich Leid, die Sache mit dem Unfall meine ich.<<

>> Sie konnten doch nichts dafür. Danke, dass Sie mir geholfen haben aus dem Auto herauszukommen.<<

>> Das war selbstverständlich.<<

>> Und wie geht es ihnen? Wenn ich mich recht erinnere hatten Sie Blut an der Stirn.<<

>> Mir ist nichts passiert. Alles heil, noch nicht einmal einen Kratzer.<<

>> Und ihr Anzug?<<

>> Was ist mit meinem Anzug?<<

Er blickte an sich herunter und begutachtete seine Kleidung, woraufhin ich schmunzeln musste.

>> Habe ich ihren Anzug mit Blut oder dergleichen beschmutzt, als Sie mich aus dem Auto gezogen haben? Dann bezahle ich die Reinigung.<<

Er sah mich ungläubig an, bevor er lachend den Kopf schüttelte.

>> Darüber machen Sie sich wirklich Gedanken?<<

>> Er sah teuer und edel aus.<<

>> Wenn ich so etwas trage, dann kann ich mir wohl auch eine Reinigung leisten.<<

>> Trotzdem würde ich es gern übernehmen, immerhin habe ich ihn beschmutzt.<<

>> Und wegen mir hatten Sie den Unfall, also Schluss jetzt. Sie sollten mehr an sich denken.<<

Er sollte weiterreden. Seine Stimme war einfach so angenehm, dass ich ihr stundenlang lauschen konnte. Dieser tiefe, gleichmäßige Bariton klang wie Musik in meinen Ohren.

>> Kann ich ihnen denn noch etwas Gutes tun?<<

>> Das haben Sie doch schon mit diesem Zimmer. Das wäre allerdings nicht nötig gewesen.<<

>> Doch, das war nötig. Sie sollen sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Das funktioniert nicht in Mehrbettzimmern, die aussehen, wie der Arbeitsraum eines Schlachters.<<

Ich musste lachen. Eigentlich hatte er Recht. Die Zimmer in den Krankenhäusern, sahen immer so steril aus, als ob man, falls mal jemand in solch einem Zimmer eine Sauerei, durch Blut oder ähnlichem anrichten würde, nur den Hochdruckreiniger holen müsste und es anschließend wieder lupenrein wäre.

Ich hasste Krankenhäuser, so sehr, dass ich schon eine Gänsehaut bekam, wenn ich nur an ihnen vorbeiging. Aber in diesem war es anders. Wahrscheinlich lag es daran, dass es überhaupt nicht nach einem Krankenhaus aussah, sondern eher nach einem Hotelzimmer. Ich wusste zwar noch nicht wie der Gang und der Rest aussah, aber das würde ich vielleicht heute noch herausfinden. Vorausgesetzt, ich durfte aufstehen und herumlaufen.

>> Danke.<<

>> Gern geschehen. Also noch irgendwelche Wünsche?<<

>> Im Moment nicht.<<

>> Gut. So gern ich jetzt noch weiter mit Ihnen plaudern würde, aber ich muss leider los. Die Arbeit ruft, aber ich werde heute Abend noch einmal vorbei kommen, wenn ich darf.<<

>> Ich möchte nicht, dass Sie sich solche Umstände für mich machen. Sie haben sicherlich sehr viel zu tun. Genießen Sie ruhig ihren Feierabend.<<

>> Und was ist, wenn ich meinen Feierabend nur in Ihrer Gesellschaft genießen kann?<<

Wie bitte? Flirtete er gerade mit mir? Sein Grinsen war umwerfend und ließ eine perfekte grade Zahnreihe aufblitzen. Dieser Mann sah einfach zu gut aus und das wusste er auch. Er war definitiv kein Typ Mann, auf den man sich einlassen sollte. Es konnte einfach nur schlecht ausgehen und das konnte ich einfach nicht gebrauchen. So sehr er mich auch reizte und meinen Bauch zum Kribbeln brachte, ich durfte nicht auf seine Charmeattacken hereinfallen.

>> Ich denke, da gibt es sicherlich noch bessere Möglichkeiten, aber Sie können gerne kommen, wenn sich nichts anderes ergibt.<<

>> Dann bis heute Abend Ms Huber.<<

>> Einen angenehmen Arbeitstag Mr. Thatcher.<<

Als er zur Tür ging, bewunderte ich seinen knackigen Hintern, der sich bei jedem Schritt unter der gespannten Hose des Anzugs abzeichnete. Beim Schließen der Tür sah er mich noch einmal lächelnd an und zwinkerte mir zu. Automatisch lächelte ich zurück und merkte erst jetzt, dass es mir überhaupt nicht Recht war, dass er ging. Nun war ich allein in diesem Zimmer und auf einmal fühlte es sich auch wie ein richtiges Krankenhauszimmer an. Die negativen Gefühle, die ich mit Krankenhäusern verband stiegen in mir auf und ich merkte, wie sich mein Magen zusammenkrampfte und mein Herz immer schneller schlug. Ich bekam eine Panikattacke. Ich musste hier unbedingt raus. Ich konnte mich doch auch zu Hause ausruhen. Eilig drückte ich auf den Knopf, damit eine Schwester zu mir käme.

Wenig später öffnete sich wieder die Tür und eine ältere Schwester kam zu mir ans Bett.

>> Was kann ich für Sie tun. Ms Huber?<<

>> Könnte ich vielleicht kurz einen Arzt sprechen?<<

>> Geht es ihnen nicht gut?<<

>> Doch, doch, ich würde nur gern wissen, wann ich nach Hause darf.<<

>> Ich werde Dr. Welsh später zu Ihnen schicken, aber im Moment operiert er noch.<<

Immerhin hatte sie nicht sofort gesagt, dass ich hier bleiben musste. Aber auch wenn sie das gesagt hätte, würde ich mich durchsetzen. Das hatte ich bisher immer getan. Ich würde hier nicht bleiben!

>> In Ordnung, vielen Dank.<<

Im Verlauf des Tages schlief ich immer wieder ein. Aber was sollte ich auch anderes machen. Ich durfte weder lesen noch fernsehen, geschweige denn aufstehen. Es war wirklich langweilig.

Jacob war noch einmal kurz vorbeigekommen, aber auch er musste zur Arbeit. Immerhin war es Montag und die Arbeit vom Wochenende konnte auf niemanden warten. Sogar Julian kam vorbei, aber auf ihn hatte ich wirklich keine Lust. Wir unterhielten uns nur kurz, klärten, dass er unsere Kinder anrief und Entwarnung gab. Sie mussten sich nicht extra auf den Weg zu mir machen.

Als wir nach Australien gekommen waren, war es der Wunsch von beiden gewesen auf ein Internat zu gehen. Emma war sehr sportlich und betrieb schon von klein auf Kunstturnen und Ballett, weswegen sie auf ein Sportinternat ging. So konnte sie täglich stundenlang trainieren und hatte dennoch Zeit für ihre Freundinnen.

Bei Ben war es etwas schwieriger gewesen. Im Alter von vier Jahren machten wir einen Intelligenztest bei ihm, da er sehr wissbegierig und den anderen Kindern in seinem Alter immer ein weites Stück voraus war. Dabei kam heraus, dass er hochbegabt war.

Zunächst ließen wir ihn auf eine normale Schule gehen, doch als nach ein paar Monaten die ersten Probleme auftraten, schickten wir ihn auf eine Schule für Hochbegabte. Ich wollte nicht, dass er unter seiner Hochbegabung leiden musste. Leider war diese Schule eine Stunde entfernt, sodass er viel Zeit für die Fahrerei opferte. Deshalb entschied auch er sich für ein Internat in Australien und war dort sehr glücklich.

An den Wochenenden kamen sie zu uns. Immer abwechselnd ein Wochenende zu ihrem Vater und anschließend ein Wochenende zu mir, es sei denn, es gab Wettbewerbe oder dergleichen.

Am Abend kam dann endlich Dr. Welsh, als ich schon gar nicht mehr mit ihm rechnete und ich schon etliche Panikattacken überstanden hatte.

>> Sie wollen wissen, wann Sie nach Hause gehen können?<<

>> Richtig. Ich kann mich doch auch zu Hause ausruhen.<<

>> Ich möchte Sie gerne noch ein bis zwei Tage hier behalten. Sie haben ein leichtes Schädelhirntrauma. Das sollten Sie nicht unterschätzen. Sie haben immer noch starke Kopfschmerzen und auch die Übelkeit ist ein Indiz dafür, dass wir Sie weiter beobachten sollten.<<

>> Aber ich kann mich doch zu Hause ausruhen und wenn ich merke, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, komme ich wieder.<<

>> Ms Huber...<<

In diesem Moment klopfte es an der Tür und Ethan kam herein.

>> Mr Thatcher.<< begrüßte ihn Dr. Welsh mit einem Nicken, bevor er sich wieder zu mir drehte und fortfuhr.

>> Ms Huber, ich rate ihnen dringend davon ab. Seien Sie vernünftig.<<

>> Wovon raten Sie ab?<< mischte sich Ethan ein.

>> Dass ich nach Hause gehe.<< antwortete ich scharf, da mir die Antwort von Dr. Welsh überhaupt nicht gefiel. Eigentlich war ich nicht sauer auf Ethan, auch nicht auf Dr. Welsh, aber es gefiel mir einfach nicht, hier bleiben zu müssen.

>> Ms Huber möchte gern entlassen werden, aber das halte ich für keine gute Idee. Sie war lange bewusstlos, was ein Zeichen dafür ist, dass ihre Verletzungen massiv waren. Wir sollten sie lieber noch ein paar Tage beobachten, um sicher gehen zu können, dass alles in Ordnung ist.<<

>> Sie wird hier bleiben.<<

Ich glaubte mir fielen gleich die Augen heraus. Ungläubig starrte ich Ethan einen Moment an, bevor ich meine Fassung wiedererlangte. Ethan und Dr. Welsh unterhielten sich, als ob ich überhaupt nicht anwesend wäre. Das ging zu weit. Auch wenn er es nett meinte und viel für mich getan hatte, aber das ging definitiv zu weit!

>> Das entscheide immer noch ich. Ich kann selbst Entscheidungen treffen!<< fauchte ich Ethan an.

>> Dann triff auch die richtigen Entscheidungen!<< Bei seinem Ton zuckte ich ein wenig zusammen. Ich hätte nie gedacht, dass er so wütend klingen und dabei so sexy aussehen konnte.

>> Du hattest einen schweren Autounfall. Ich musste sehen, wie du bewusstlos wurdest und erst gute 30 Stunden später wieder zu dir kamst. Das, zusammen mit deinen Schmerzen, zeigt doch, dass dein Körper noch Ruhe braucht und die hast du hier. Die wirst du nicht zu Hause haben.<<

>> Das kann ihnen doch egal sein.<<

>> Ist es aber nicht!<<

>> Aber....<<

>>Kein „aber“ Sarah! Du bleibst hier!<<

Dabei klang er so aufgebracht und angespannt, dass ich mich ein wenig vor ihm fürchtete. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Wenn ich ihn so betrachtete, war er insgesamt sehr angestrengt, wahrscheinlich war jeder Muskel in seinem Körper auf Hochspannung und kurz davor zu explodieren, wenn ich ihm noch weiter Paroli bot. Dabei fiel mir auf, dass er mich zum ersten Mal Sarah genannt hatte, was mir gut gefiel.

>> Wann darf ich denn wenigstens aufstehen Dr. Welsh?<< fragte ich, um Ethan zu beruhigen.

Ich würde mich nicht gegen den Willen des Arztes entlassen, auch wenn ich es noch so sehr wollte und ich wollte es nicht mit einem wütenden Ethan zu tun bekommen. Dieser Gedanke machte mir mehr Angst, als ein Aufenthalt im Krankenhaus und das sollte was heißen.

>> Sie können es gleich einmal versuchen, aber nur zur Toilette und dann wieder direkt ins Bett.<<

>> Danke.<<

Ethan stand immer noch unter Hochspannung neben mir und beäugte mich kritisch. Er hatte sich keinen Zentimeter gerührt. Atmete er überhaupt noch? Wir sahen uns die ganze Zeit über entschlossen in die Augen, als ob Leben und Tod davon abhinge, wer zuerst dem Blick ausweichen würde.

Als die Tür sich schloss und Dr. Welsh draußen war, atmete er hörbar aus, ohne jedoch den Blick abzuwenden. Eine Zeitlang standen wir reglos da und starrten einander an. Ich wusste nicht warum, aber ich wollte nicht diejenige sein, die die Ruhe unterbrach. Er sollte sich zuerst äußern, immerhin war er es, der sich in meine Angelegenheiten eingemischt hatte.

>> Du bleibst so lange hier bis Dr. Welsh grünes Licht gibt. Versprich es mir!<<

>> Ich werde erst einmal hier bleiben, aber zu Hause würde ich auch nichts anderes machen, als mich auszuruhen.<<

>> Nein. Nicht erst einmal. Du bleibst hier! Er muss sein OK geben. Du redest ihm da nicht hinein.<<

>> Bei allem Respekt Mr Thatcher, aber das ist mein Leben, mein Körper. Ich kann selbst entscheiden, was ich mache.<<

Die Luft um uns herum schien vollkommen elektrisiert zu sein und ich konnte nicht erklären, warum ich mich so gegen ihn auflehnte. Eigentlich wollte ich das gar nicht. Ich würde auf jeden Fall hier bleiben, aber das wollte ich entscheiden und nicht er.

>> Warum möchtest du unbedingt hier raus, Sarah? Erklär es mir.<<

Wieder sprach er mich mit meinem Vornamen an, aber diesmal sanfter, fast verzweifelt. Auch sein Blick war freundlicher geworden, weshalb ich im übertragenden Sinn einen Schritt auf ihn zuging und ihm mein Herz ausschütte.

>> Ich hasse Krankenhäuser, ich weiß, dass dieses Zimmer nicht danach aussieht, aber allein der Gedanke in einem zu sein, erzeugt in mir Übelkeit und Panikattacken. Wenn ich auf den Flur gehen würde oder auf die unteren Etagen, die richtig nach Krankenhaus aussehen und riechen, würde es noch schlimmer werden. Solange ich Besuch habe, hält es sich in Grenzen, aber wenn ich allein hier bin und Zeit habe darüber nachzudenken und ich habe hier eine Menge Zeit, halte ich es kaum aus. Ich darf mich ja noch nicht einmal mit Fernsehen oder Lesen ablenken. Ethan, ich muss hier einfach raus.<<

Ich redete ihn bewusst mit seinem Vornamen an, um es ihm gleich zu tun und hoffentlich die Distanz zwischen uns zu überbrücken und an sein Mitgefühl und Verständnis zu appellieren. Es dauerte eine Weile bis er schließlich antwortete.

>> Verstehe. Wäre es also einfacher, wenn du nicht alleine wärst, wenn immer jemand hier wäre?<<

>> Wahrscheinlich<<

>> Gut, dann werde ich morgen von hier aus arbeiten.<<

>> Wie bitte?<<

Das konnte unmöglich sein Ernst sein. Warum war dieser Mann so sehr daran interessiert, dass ich hier bliebe. Ich konnte ihm doch eigentlich vollkommen gleichgültig sein. Schon klar, es knisterte ein wenig zwischen uns, aber bei seinem Aussehen konnte er jede haben. Was also wollte er von mir?

>> Ich arbeite morgen von hier aus. Ich brauche nur meinen Laptop und mein Mobiltelefon. Dann bist du nicht alleine und ich kann sicher sein, dass du hier bleibst.<<

>> Wieso tust du das?<<

>> Das habe ich doch gerade gesagt.<<

Er schien sich zu entspannen, denn endlich ging er einen Schritt auf mich zu und setzte sich auf die Seite meines Bettes.

>> Nein, ich meine du hast sicher einen vollen Terminkalender. Deine Arbeit, deine Freunde und deine Familie. Es gibt sicher tausend wichtigere Dinge, als dafür zu sorgen, dass ich hier bleibe.<<

>> Nicht einen einzigen. Du bist gerade das Wichtigste.<<

Bei diesen Worten lächelte er so selbstsicher, dass es mir die Sprache verschlug.

>> Und meine Arbeit, ja die ist wichtig, da hast du Recht, aber wie gesagt, arbeiten kann ich auch von hier aus.<<

>> Wir kennen uns nicht einmal!<<

>> Dann lernen wir uns kennen. Meinen Namen kennst du ja schon. Was willst du noch wissen, Sarah?<<

Meinen Namen betonte er mit so viel Nachdruck und dabei so sexy, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.

>> Ob du geistesgestört bist...<<

Er lachte lauthals auf und schmiss dabei seinen Kopf in den Nacken. Das Lachen klang so ehrlich und aus tiefstem Herzen, dass auch ich grinsen musste.

>> Das könnte man denken, ja, da hast du Recht. Aber keine Angst, bisher ist nichts in dieser Richtung bekannt.<<

>> Vielleicht solltest du dich einfach noch einmal testen lassen, wo wir schon in einem Krankenhaus sind!<<

>> Vielleicht werde ich das tun.<<

Bei diesen Worten beugte er sich ziemlich nah zu mir heran und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Zum ersten Mal konnte ich ihm ganz tief in die Augen sehen. Sie waren genau wie beim Unfall strahlend grün, allerdings waren dazwischen blaue Sprenkel zu sehen. Sie waren einfach unglaublich, wie ein Ozean in den ich ein- und nie wieder auftauchen wollte.

Wir blickten uns immer tiefer in die Augen, als ob wir in dem jeweils anderen etwas lesen wollten, während wir uns immer näher kamen und sich beinahe unsere Lippen berührten.

Doch dann sprang er abrupt auf und fuhr sich mit der rechten Hand durch seine dunklen Haare. Irritiert sah ich ihn an und bemerkte den Wechsel, vom ruhigen, ausgeglichenen und selbstsicheren Mann zum Gegenteil. Was war passiert? Hatte ich was falsche gemacht?

>> Dann hole ich mal meine Sachen und lasse hier ein zusätzliches Bett für heute Nacht reinstellen.<<

Der Zauber war verflogen und ich schüttelte mich kurz innerlich, um den Schauer, der gerade noch über meinen Rücken gelaufen war, wieder loszuwerden.

>> Wie, auch heute Nacht?<<

>> Natürlich. Weiß ich, ob du heute Nacht nicht einen Fluchtversuch unternimmst, während die Nachtschwester einen Rundgang macht?<<

Mürrisch warf ich die Decke zurück und versuchte mich zu erheben. Immerhin hatte mir Dr. Welsh erlaubt auf Toilette zu gehen.

>> Was machst du?<<

>> Keine Angst ich haue nicht ab, ich will nur kurz ins Bad, dass hat Dr. Welsh erlaubt, falls du dich erinnerst.<<

Doch während ich mich aufrichtete und auf die Bettseite setzte, merkte ich, wie mein Kreislauf zusammenbrach. Ich hatte vergessen, dass ich seit mindestens zwei Tagen nur gelegen hatte.

>> Sarah!<<

Im nächsten Moment hielt Ethan mich auch schon fest und stützte mich auf seiner harten muskulösen Brust ab. An seiner Brust zu lehnen, dabei seinen Duft einzuatmen und die Muskeln zu spüren war himmlisch, sodass ich am liebsten die ganze Nacht in dieser Position verbracht hätte. Zärtlich strich er mir über den Rücken. Eine Geste die so intim war, doch zwischen uns so vertraut erschien, dass ich seine Berührungen einfach nur genoss.

>> Geht es wieder?<<

>> Mhm.<< seufzte ich, vollkommen entspannt, als er meinen Kopf in seine Hände nahm.

>> Soll ich dich ins Bad tragen?<<

>> Es geht schon, danke. Ich hab nur vergessen, dass ich eine Weile nur gelegen habe.<<

>> Ich helfe dir zum Bad zu kommen.<<

>> Hast du hier einen Bademantel gesehen?<<

Ich hatte nur dieses Krankenhaushemdchen an und ich wollte jetzt nicht unbedingt meinen blanken Hintern herzeigen. Schnell ging er zum Bad und half mir ihn anzuziehen.

>> Schüchtern?<< fragte er belustigt.

>> Nein, nur auf Gleichberechtigung bedacht und die ist ja gerade nicht gegeben, wenn du noch vollkommen bekleidet bist.<<

Er grinste und wollte gerade etwas sagen, als er es sich doch noch anders überlegte und lieber schwieg.

Wie ein Gentleman half er mir zur Toilette. Er musste mich ein wenig stützen, da mein Fuß doch ziemlich weh tat. Im Bad ließ er mich dann allein und kam erst wieder zu mir, als ich die Tür zum Zimmer öffnete. Auf halber Strecke machte ich jedoch eine falsche Bewegung, weswegen mein Fuß höllisch schmerzte und ich laut fluchte. Ohne Vorwarnung packte mich Ethan und trug mich die letzten Meter zum Bett, als ob ich leicht wie eine Feder wäre. Er musste wirklich gut trainieren.

Als ich endlich wieder im Bett lag, war ich froh, dass er mir geholfen hatte. Ich war noch ziemlich wackelig auf den Beinen und so ausgepowert, dass ich mich erst einmal wieder ausruhen musste.

>> Brauchst du noch etwas? Sonst ruf ich schnell meinem Fahrer an, damit er mir ein paar Sachen bringt.<<

Ich war zu müde zum Reden und schüttelte daher nur den Kopf. Dann war ich auch schon eingeschlafen.

Ich schlief tatsächlich bis zum nächsten Morgen durch und Ethan hatte seine Drohung wahr gemacht und bei mir übernachtet. Das Bett von ihm stand schräg gegenüber von meinem und war schon wieder ordentlich gemacht worden, während er am Tisch saß und allem Anschein nach arbeitete. Ich beobachtete ihn eine Weile, da ich eh noch keine Kraft hatte es mit ihm aufzunehmen.

Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und seine Stirn war gekräuselt. Vermutlich ärgerte er sich gerade über irgendetwas. Er hatte sich umgezogen. Der Nadelstreifenanzug von gestern musste einem klassischen schwarzen Anzug weichen. Wieder ein Dreiteiler, wobei er das Jackett nicht trug. Seine Haare waren ordentlich nach hinten frisiert und hinter die Ohren geklemmt. Ich hätte ihn zu gerne verschlafen in seinem Bett gesehen, wie er aussah, wenn er mal nicht perfekt zurecht gemacht war, aber wahrscheinlich war er dafür zu eitel und würde das nie zulassen.

Er strahlte eine vollkommene Ruhe aus, doch ich wusste, dass er im Inneren alles andere als ruhig war. Davon hatte ich gestern eine Kostprobe bekommen, als ich mich ihm wiedersetzt hatte. Die Kraft mit der er sich beherrschen musste, nicht auszurasten, wie angespannt er gewesen war, seine geballten Fäuste. Ja, er hatte auch eine dunkle Seite, die ich besser meiden sollte.

>> Willst du mich weiterhin mustern, oder sollen wir lieber frühstücken?<<

Wie konnte er das bemerkt haben? Er hatte die ganze Zeit auf seinen Bildschirm gestarrt, selbst als er gerade die Frage gestellt hatte, blieb sein Blick daran haften.

>> Ähm, Morgen. Ich hab zwar keinen Hunger, aber du kannst gern etwas essen.<<

>> Du musst etwas essen. Sonst wird dein Kreislauf nie besser.<<

>> Später vielleicht.<<

>> Ich hole jetzt Frühstück und wenn du das siehst, wirst du schon Hunger bekommen.<<

Er wartete noch nicht einmal auf eine Antwort von mir, verließ das Zimmer, um kurz darauf mit einem voll beladenen Tablett wieder aufzutauchen.

>> Am Tisch oder im Bett?<<

>> Am Tisch.<<

Ich zog mir den Bademantel über und stand vorsichtig auf. Mein Kreislauf blieb stabil und ich ging langsam zum Tisch, während Ethan schon alles gedeckt hatte.

>> Na, dass sieht doch heute schon besser aus. Setz dich. Möchtest du Kaffee?<<

>> Gerne. Mit Milch bitte, falls du welche hast.<<

>> Aber, natürlich.<< sagte er wieder voller Selbstsicherheit, dass ich die Augen verdrehen musste.

Das Frühstück duftete herrlich, aber ich hatte immer noch keinen Hunger, geschweige denn Appetit. Um ihn nicht zu verärgern, aß ich jedoch ein trockenes Brötchen und nippte hin und wieder an meinem Kaffee.

>> Du hast wirklich hier geschlafen?<<

>> Ja, aber du bist ja direkt eingeschlafen. Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt.<<

Als ich den Kopf schüttelte, fügte er hinzu

>> Gut, ich hab mir auch alle Mühe gegeben leise zu sein.<<

>> Als was arbeitest du eigentlich?<<

>> Dies und das. Grob gesehen, besitze ich etliche Immobilien, hier und im Ausland und investiere in erneuerbare Energien und in Unternehmen, die kurz vor der Insolvenz stehen, um sie dann wieder nach vorn zu bringen. Darin bin ich bescheiden ausgedrückt, recht erfolgreich. Außerdem gehören mir einige Patente.<<

>> Und das kannst du alles von hier aus steuern?<<

>> Fürs erste, ja. Und du?<<

>> Ich arbeite an der Universität.<<

>> Als Sekretärin?<<

Irritiert hob ich eine Augenbraue und sah ihn nachdenklich an. Sah ich wie eine Sekretärin aus? Dieser Beruf war nichts Schlechtes und ich bewunderte die Sekretärinnen, die es schafften ihrem Vorgesetzten jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und so schnell zu tippen, wie dieser redete. Aber sah ich aus wie eine Sekretärin? Anscheinend bemerkte er meine nachdenkliche Reaktion, was ihm sichtlich unangenehm war.

>> Also, keine Sekretärin?<< fragte er daher sehr vorsichtig.

>> Nein.<<

>> Soll ich raten?<< fragte er, als ich ihm einer Antwort schuldig blieb, da ich immer noch bei dem Gedanken war, dass ich eine Sekretärin wäre.

>> Ich bin Doktorandin der Mathematik.<<

Seine Augen weiten sich für einen kurzen Augenblick, eine Reaktion die ich so gut wie bei jedem entdeckte, wenn sie es zum ersten Mal hörten. Niemand glaubte, dass eine junge Frau wie ich es war, ja ich dachte ich war noch jung, egal was Lydia gesagt hatte, Mathematik studiert hatte und dann auch noch ihren Doktor darin gemacht hatte.

>> Wow.<<

>> Ich gebe Kurse für Studierende, die Lehrer werden wollen und für welche, die die reine Mathematik interessiert.<<

>> Ich bin echt beeindruckt. Ich mochte Mathematik zwar auch immer sehr gerne, weswegen ich nun auch viel mit Zahlen zu tun habe, aber die „richtige“ Mathematik hat mich immer überfordert. Mit der ganzen Geometrie, Analysis und wie das alles heißt.<<

>> Das ist halt meine Welt.<<

>> So leicht irrt man sich.<<

Es entstand eine kurze Pause in der Ethan elegant und höllisch sexy von seinem Brötchen abbiss, bevor er mich wieder musterte.

>> Kommst du aus Brisbane?<< fragte er mich, als ich gerade an meinem Kaffee nippte und nur mit dem Kopf schüttelte.

>> Woher denn?<<

>> Aus Hamburg in Deutschland.<<

>> Wirklich? Und seit wann lebst du hier?<<

>> Seit fast zwei Jahren.<<

>> Gefällt es dir hier?<<

>> Auf jeden Fall. Ich liebe es und werde hoffentlich für immer hier bleiben.<<

Er grinste und blickte nach draußen, als er seinen Kaffeebecher nahm und einen Schluck trank.

>> Und du kommst aus Australien?<<

>> Hier geboren und auch immer hier geblieben, außer für Urlaube oder Dienstreisen.<<

Während wir weiter aßen, unterhielten wir uns noch eine Weile über Belanglosigkeiten, bis wir schließlich fertig waren.

Ethan räumte den Tisch ab und ich machte mich ein wenig frisch. Während des Tages arbeitete er immer wieder, telefonierte, schrieb Mails und ließ sich ab und an durch mich ablenken.

Er hatte Recht. Ich hatte keine Panikattacken mehr und auch keine Übelkeit, weil ich im Krankenhaus war. Er lenkte mich geschickt davon ab. Zudem lernte ich ihn besser kennen.

Er war 33 Jahre alt und hatte zwei Geschwister. Eine Schwester und einen Bruder, die beide älter waren als er. Seine Eltern waren immer noch glücklich verheiratet und das sogar seit bald 40 Jahren.

Er war sehr sportlich, als Ausgleich zu seinem Beruf, wo er fast den ganzen Tag saß. Entweder ging er ins Fitnessstudio oder ans Meer, was allerdings nicht direkt vor seiner Tür lag, um schwimmen oder noch lieber Kitesurfen zu gehen. Als ich ihn mir dann in Badeshorts vorstellte, wurde mir ganz heiß. Ich konnte wirklich nicht leugnen, dass mich dieser Mann anmachte.

Er las mir sogar ein paar Zeitungsartikel vor, weil ich so tat, als interessierte mich, was in der Welt so vor sich ging und ich selbst ja nicht lesen durfte. Eigentlich wollte ich aber nur seiner Stimme lauschen und schloss dabei die Augen. Nach ein paar Artikeln über die amerikanische Außenpolitik, einen Kriminellen in Brisbane und irgendeinem seltenen Fisch vor der Küste schlief ich jedoch ein.

Gegen vier wachte ich wieder auf, als Jacob zusammen mit Dan ins Zimmer kam und ich die Tür hörte.

>> Hi Süße.<<

>> Hi.<<

Jacob sah irritiert zu dem anderen Bett, das neben mir stand und dann zu Ethan, der am Tisch saß und den Laptop gerade ein Stück zur Seite schob und ihn anschaute.

>> Jacob, Dan, das ist Ethan, der Mann aus dem anderen Wagen.<<

>> Wir kennen uns bereits.<< fiel mir Jacob immer noch irritiert ins Wort, als er sich zu mir wandte und sich auf mein Bett setzte. Dan küsste mich kurz auf die Wange, bevor er auf dem Stuhl neben meinem Bett Platz nahm und mich mitfühlend ansah.

>> Ich wollte gerade zu dir, als Jacob meinte, dass du einen Unfall hattest.<<

>> Es geht mir gut Dan.<<

>> Weiß Alex schon Bescheid?<<

>> Nein und ich wüsste auch nicht was ihn das angeht.<<

>> Ich glaube schon, dass er das gerne wissen würde, immerhin...<<

>> Dan! Du hast ihn gesehen und auch Lydia. Du hast gehört, was sie zu mir gesagt hat, also bitte sag ihm nichts. Ich möchte keinen unnötigen Ärger mit den beiden.<<

Er schüttelte frustriert den Kopf, weshalb ich ihn weiterhin fixierte. Er sollte mir bestätigen, dass er Alex nichts sagen würde. Lydia war einfach zu eifersüchtig, weshalb wir uns eine Zeit lang nicht sehen sollten. Außerdem hatte er mich verletzt, da er mich verraten hatte und das wollte ich nicht jetzt schon mit ihm besprechen.

>> Ist gut.<<

>> Bevor ich es vergesse, ich soll dich von Susan grüßen und dir gute Besserung wünschen.<<

>> Danke.<<

Susan war eine Arbeitskollegin und inzwischen auch gute Freundin von mir, mit der ich oft die Mittagspause verbrachte.

>> Ich gehe mir kurz einen Kaffee holen, dann könnt ihr in Ruhe reden. Soll ich dir was mitbringen?<< mischte Ethan sich ein, als er aufstand und zur Tür ging.

>> Nein, danke.<<

Er nickte und schloss die Tür hinter sich, als Jacob sich auch schon wie ein Panther auf mich stürzte.

>> Übernachtet er etwa hier?<<

>> Ja. Ich wollte mich gestern selbst entlassen, weil ich Krankenhäuser doch so hasse und Panikattacken hatte, aber er bestand darauf, dass ich hier blieb, also leistet er mir Gesellschaft, damit ich abgelenkt bin und nicht daran denke, wo ich hier bin.<<

>> Einfach so?<<

>> Ich weiß auch nicht, wieso er das macht, aber ich finde es nett.<<

>> Also seid ihr ein Paar?<< fragte Dan, als Jacob kurz Luft holte.

>> Nein. Quatsch. Schau ihn dir an. Jemand wie er, kann sich die Frauen aussuchen und hat wahrscheinlich jeden Abend eine andere. Was soll er mit mir wollen?<<

>> Im Ernst Sarah?<< fragte Jacob frostig.

>> Jemand wie er steht bestimmt auf Püppchen. So eine schöne Blondine, die nicht so klein ist wie ich. Immerhin ist er zwei Meter groß und ich nur 1,67. So eine wie Lydia würde er wahrscheinlich nehmen und nicht so eine wie mich.<<

>> Na, dass wollen wir gleich mal sehen.<<

Ich sah Jacob fragend an, weil ich ihm nicht ganz folgen konnte, als Dan mich unterbrach.

>> Lydia sieht langweilig aus. So aalglatt und gewöhnlich. Keine Ahnung was er an ihr findet, aber ich weiß, dass er sie sofort fallen lassen würde, wenn er wüsste, dass du ihm noch eine Chance geben würdest.<<

>> Ich weiß, aber das mit uns ist vorbei und das habe ich ihm am Wochenende auch gesagt. Er soll nach vorne sehen und wenn Lydia die Richtige für ihn ist, dann sollten wir das akzeptieren Dan.<<

Er zuckte mürrisch mit den Schultern, als Ethan wieder hereinkam und sich mit seinem Kaffee hinsetzte. Wir unterhielten uns noch einige Minuten über Belanglosigkeiten, als meine Kopfschmerzen wieder schlimmer wurden und ich neue Tabletten nahm.

>> Dann lassen wir dich jetzt besser wieder allein, dann kannst du dich ausruhen.<<

>> Danke, dass ihr hier wart.<<

>> Gute Besserung Sarah. Ruf an, wenn du etwas brauchst.<<

>> Mache ich und grüß Laura und die Kinder von mir.<<

Dan umarmte mich noch kurz und küsste mich erneut auf die Wange, als er zur Seite trat, damit Jacob sich noch verabschieden konnte.

>> Ruf mich an, wenn du entlassen wirst, dann hole ich dich ab. Ok?<<

>> Das brauchst du nicht Jacob.<<

>> Ich möchte es aber. Ich werde dich abholen, dann fahren wir nach Hause und genießen die Zeit zusammen. Ich habe es schon abgesprochen. Ich kann mir ein paar Tage frei nehmen, dann lassen wir es uns richtig gut gehen.<<

>> Das sollst du aber nicht, deine Arbeit...<<

>> Keine Widerrede Süße. Du bist mein ein und alles. Also ruh dich aus und wir sehen uns spätestens morgen wieder.<<

Er beugte sich vor und strich mir mit seinem Daumen über die Wange, als er mich plötzlich auf den Mund küsste. Zu spät merkte ich, was er damit bezwecken wollte, als ich mich daran erinnerte, was er zum Thema Ethan und mir gesagt hatte. „Das wollen wir doch mal sehen, was er von dir will.“ waren seine Worte gewesen.

Innerlich versank ich im Boden, sodass ich am liebsten mit Dan und ihm mitgegangen wäre, doch ich würde mich Ethan stellen müssen. Wahrscheinlich kümmerte es ihn nicht die Bohne, da er nichts von mir wollte, doch mich störte dieser Auftritt gewaltig.

An der Tür drehte sich Jacob noch einmal um und zwinkerte mir zu, was mich noch wahnsinniger machte.

Ich traute mich nicht zu Ethan zu sehen, doch im Augenwinkel sah ich, dass er mich fixierte, weshalb ich einmal tief durchatmete und meinen Kopf zu ihm herumdrehte.

>> Gibt es in dem Kaffeeautomaten auch Alkohol?<< fragte ich, um die Situation ein wenig aufzulockern und für mich erträglicher zu machen, doch er verzog keine Miene.

>> Ich wusste nicht, dass du vergeben bist.<<

>> Bin ich auch nicht. Jacob ist nur ein guter Freund und mein Mitbewohner.<<

>> Küsst du alle Mitbewohner und guten Freunde?<<

>> Nein.<<

>> Aber?<<

Er ließ wirklich nicht locker, was mich noch roter werden ließ, wenn das überhaupt noch möglich war. Beschämt schloss ich die Augen und rieb mir mit den Händen über mein Gesicht.

>> Er war nur ein wenig überrascht, dass du hier übernachtest und den Tag hier verbringst und...<<

>> Und was?<<

>> Ethan können wir das nicht einfach lassen? Er ist nicht mein Freund und fertig.<<

>> Jetzt bin ich aber neugierig.<<

>> Damit wirst du leben müssen.<<

Das tat er allerdings nicht. Stattdessen kam er auf mich zu und setzte sich auf mein Bett. Sein Geruch stieg mir sofort wieder in die Nase und seine Augen waren auf die kurze Distanz so hypnotisierend, dass ich alles um mich herum ausblendete. Mein Bauch kribbelte wild und mein Blut geriet höllisch in Wallung, dass ich mich am liebsten auf ihn gestürzt hätte.

>> Also warum?<<

>> Du wirst nicht aufgeben oder?<<

>> Mhm Mhm. Ich setze mich immer durch.<<

>> Dieses Mal nicht.<<

>> Sicher?<<

Er war nun nur noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, sodass ich immer willenloser wurde und einknickte.

>> Sie meinten, dass du mehr von mir wollen würdest, wenn du das hier machst, was allerdings nicht sein kann. Aber das wollten sie mir nicht glauben.<<

>> Wieso kann das nicht sein?<<

>> Sieh dich an. Du kannst jede haben und wahrscheinlich hast du das auch. Da passe ich nicht rein.<<

>> Warum nicht?<< fragte er heiser und mit gerunzelter Stirn. Es fehlte nicht mehr viel, bis sich unsere Lippen berühren würden, da er immer näher kam, wobei wir uns weiterhin tief in die Augen sahen.

>> Weil ich nichts Besonderes bin. Du bist in einer anderen Liga.<<

>> Glaubst du das wirklich?<<

>> Sagte ich doch gerade.<<

>> Und wenn ich sagen würde, dass du etwas Besonderes bist?<<

>> Dann würde ich dich zum Optiker, zum Psychologen und zum Lebensberater schicken.<<

Er lachte und fiel ein Stück nach vorn, sodass sich unsere Schläfen berührten, als er mir sanft mit seinen Fingern über den Arm strich.

>> Ich glaube da sollte ich dich lieber hinschicken. Ich hätte nicht gedacht, dass eine so wunderschöne Frau, wie du es bist, zu wenig Selbstvertrauen hat.<<

>> Na immerhin hast du es umso mehr.<< neckte ich ihn zurück, während er mit dem Finger über meine Schulter strich und nun meinen Hals hinaufwanderte, bis er zu meinen Lippen gelangt war.

>> Du bist wunderschön Sarah, sinnlich und etwas Besonderes. Ich denke eher, dass du in einer höheren Liga spielst, als ich, falls es so etwas wirklich geben sollte.<<

Ethan blickte gerade auf meine Lippen und neigte sich weiter nach vorn, als unser vermeintlicher Kuss durch Dr. Welsh unterbrochen wurde, der noch einmal hereinschaute. Abrupt zog sich Ethan zurück, während ich immer noch das Prickeln an den Stellen fühlte, wo Ethan mich berührt hatte. Am liebsten hätte ich Dr. Welsh zum Mond geschossen, da ich nichts sehnlicher wollte, als Ethan zu küssen, doch dieser Moment war nun vorbei.

Ich atmete tief durch und konzentrierte mich auf Dr. Welsh, während Ethan sich wieder einmal verzweifelt durch die Haare fuhr und aus dem Fenster sah. Was ging ihm wohl grade durch den Kopf? Zu gern hätte ich seine Gedanken gelesen, da ich aus ihm einfach nicht schlau wurde, doch dann begann Dr. Welsh mich zu untersuchen.

Zu meiner Überraschung sagte er, dass ich am nächsten Morgen nach Hause gehen könne. Trotzdem sollte ich mich noch mindestens eine Woche ausruhen. Ethan fragte etliche Male nach, ob es auch wirklich in Ordnung wäre, dass ich so schnell entlassen würde, ob es nicht besser wäre, noch ein paar Tage hier zu bleiben. Doch Dr. Welsh war auf meiner Seite.

Abends aßen wir Nudeln mit grünem Pesto und unterhielten uns über Reisen, die wir schon unternommen hatten. Mir fiel auf, dass er noch nicht viel von Europa gesehen hatte, aber dafür kannte ich Amerika nicht.

Die Situation vom Nachmittag war zum Glück kein Thema mehr zwischen uns, obwohl ich immer wieder daran denken musste, wie wir uns fast geküsst hatten. Ich wusste nicht, was er wirklich über mich dachte, wahrscheinlich war ich für ihn nur ein Abenteuer, eine von vielen, aber das war etwas, womit ich umgehen konnte.

Das ich auch etwas von ihm wollte, konnte ich nicht leugnen, zu sehr hatte ich auf seine Berührungen reagiert. Meine Haut brannte an den Stellen, wo er mit dem Finger drüber gestrichen hatte, während mein Puls sich so stark beschleunigt hatte, dass ich Angst hatte zu hyperventilieren. Er war nun mal ein Bild von einem Mann und so heiß, dass ich ihm am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte. Aber die Situation war verflogen und somit brauchte ich mir darüber auch keine Gedanken mehr zu machen.

Nachdem er darauf bestand wieder im Krankenhaus zu schlafen, ging ich gegen elf Uhr abends ins Bett, während er noch ein wenig arbeiten wollte.

Obwohl ich früher eingeschlafen war, war er morgens wieder früher wach und saß wie aus dem Ei gepellt am Tisch.

Wir frühstückten ausgelassen, bis die Schwester kam und mir meinen intravenösen Zugang herauszog. Das Zeichen, dass ich über den Berg war und nun nach Hause gehen konnte. Trotzdem wollte ich vorher noch duschen. Es klappte auch alles recht gut, obwohl ich den Gips hatte, aber der war durch eine Mülltüte geschützt.

Auch das Anziehen bereitete mir keine Probleme, ebenso wenig wie das Haare kämmen, obwohl es schon ein wenig wehtat. Meine Haare reichten schließlich bis zu meinem Hintern, aber so lange ich nur mit der rechten Hand kämmte, funktionierte es. Zum Glück gab es einen Fön, sonst hätte ich bis abends warten können, bis meine Haare trocken gewesen wären.

Ich schaffte es jedoch nicht mir einen Zopf zu machen. Dafür hätte ich beide Hände gebraucht. Als ich es versuchte, fluchte ich laut, da ich mit dem linken Arm eine falsche Bewegung machte und mir ein ziehender Schmerz durch den Knochen fuhr. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis sich die Tür öffnete und Ethan zur Stelle war.

>> Was ist passiert?<<

>> Nichts. Ich kann mir nur keinen Zopf machen.<< Ich deutete auf meinen eingegipsten Arm.

Da schaute er zuerst auf meinen Arm und dann auf meine Haare im Spiegel, blieb eine Zeitlang reglos stehen und ging schließlich näher auf mich zu. Kurz vor mir blieb er stehen und strich mir die Haare zurück.

>> Ich wusste gar nicht, dass du so lange und schöne Haare hast.<<

>> Die Schwestern hatten mir ja auch einen Zopf gemacht.<<

Ich schaute zu ihm auf, was ein ganzes Stück war, da er gute 30cm größer war. Unsere Augen trafen sich und sofort war wieder dieses Knistern zwischen uns. Die Farbe seiner Augen hypnotisierte mich, zog mich in ihren Bann, bis ich vollkommen willenlos war. Zusammen mit seinem unfassbar atemberaubenden Duft konnte ich ihm definitiv nicht wiederstehen.

Er griff mir mit der Hand in die Haare und zog meinen Kopf zu sich heran, während er mir in die Augen sah.

>> Ich sollte das eigentlich nicht tun.<< sagte er sanft, während er mit den Fingern der anderen Hand über meine Wange strich. Es fühlte sich so schön und gut an, dass ich meinen Kopf ein wenig hineinlegte.

>> Es wäre besser für dich, aber ich kann nicht anders.<<

Bevor ich überhaupt die Sätze verstand, berührten seine Lippen auch schon meine. Sie fühlten sich so sanft und weich an. Er küsste mich so zärtlich, als ob ich jeden Moment zerbrechen könnte. Das Kratzen seines Ziegenbarts bot dabei einen köstlichen Kontrast, der mir zeigte, wie männlich und rau er doch sein konnte. Als er seine Hand in meinen Rücken legte, um mich noch näher an sich heranzuziehen, berührte auch ich ihn am Rücken. Unsere Zungen fanden sich, als ich den Kuss erwiderte, tanzten und spielten miteinander.

Ganz langsam wurde sein Kuss fordernder, wilder und ich ließ mich mitreißen. Ich wollte ihn, es war mir egal, dass er nicht gut für mich war, dass er Schwierigkeiten bedeutete. In diesem Moment wollte ich einfach begehrt werden und seinen starken muskulösen Körper spüren. Das Knistern was immer wieder zwischen uns gewesen war, während wir im gleichen Raum gewesen waren, die Blicke, die wir uns ab und an zugeworfen hatten und mein geheimes Verlangen nach ihm, wollten Erlösung finden.

Ich ließ meine Hände über seine Brust und seinen Bauch wandern, seitlich vorbei und dann über seinen Rücken hin zu seinem knackigen Hintern gleiten. Ich packte seinen geilen Arsch und zog ihn dichter an mich heran, merkte sofort seine Erektion, die gegen meinen Bauch drückte und wurde noch geiler. Er stöhnte leise auf, als er sich keuchend von meinen Lippen losriss.

>> Verdammt, ich will dich!<< stöhnte er.

>> Dann nimm mich!<<

Er ließ seine Zungenspitze über meine Lippen gleiten und drang dann aggressiv damit in meinen Mund ein, um meine Zunge zu einem neuen aufregenden Tanz mitzureißen. Der Kuss wurde immer heftiger, während er seinen harten Schwanz an mir rieb und schwer zu atmen anfing. Auch ich atmete immer schneller und merkte, wie feucht ich war, wie bereit ich für ihn war. Als ich mit meiner Hand über seine ausgebeulte Hose strich, stöhnte er erneut. Es machte mich verdammt geil, dass er so stark auf mich ansprang. Doch plötzlich löste er sich von mir, sprang regelrecht weg, als ob er gerade aus einem Albtraum aufgewacht wäre.

Er stand nun einen Meter entfernt von mir und mied jeglichen Augenkontakt. Was hatte ich falsch gemacht? Hatte ich irgendwas falsch verstanden? War ich zu weit gegangen? Bevor ich darüber nachdenken oder fragen konnte, öffnete sich die Tür zum Zimmer und eine Schwester kam herein.

>> Miss Huber, hier sind ihre Entlassungspapiere.<< sagte eine freundliche Stimme, die zu der Krankenschwester gehörte. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe ich antworten konnte.

>> Oh. Ähm. Danke<< stammelte ich.

Als sie draußen war, schaute ich zu Ethan, der immer noch keinerlei Regung zeigte. Mindestens zwei Minuten, die sich anfühlten wie zehn, standen wir unbeirrt da. Bis ich schließlich das Wort ergriff.

>> Dann pack ich mal meine Sachen zusammen.<< unterbrach ich die Stille, die lediglich durch unsere immer noch ungleichmäßigen Atmungen unterbrochen wurde.

Wir redeten kein einziges Wort mehr, bis wir fertig waren mit Packen. Es war eine peinliche Stille in der es keine richtigen Worte gab. Ich wollte einfach nur noch nach Hause. So heiß und aufregend die Situation auch gerade noch gewesen war, so frostig und distanziert war sie nun.

Ich musste immer wieder über seinen Geschmack nachdenken, als er mich geküsst hatte. Es war eine Note aus Minze und irgendetwas Süßem. Dazu sein animalischer Geruch. Ich biss mir auf die Lippe, um endlich auf andere Gedanken zu kommen. Doch meine Gedanken kehrten immer wieder zu dem absolut geilen Kuss zurück.

Er wusste, wie er eine Frau küssen musste, er hatte seine ganz spezielle Taktik aus Entschlossenheit, Willenskraft und Zärtlichkeit. So wurde ich bisher noch nie geküsst und ich wollte es definitiv noch einmal spüren. Aber wem machte ich etwas vor? So wie wir gerade miteinander umgingen, würde das nie mehr der Fall sein.

>> Ich bring dich schnell nach Hause.<< sagte er ausdruckslos in die Stille hinein. Schnell. Er hätte auch einfach sagen können, dass er mich nach Hause brächte, aber dass er mich schnell nach Hause brächte... Das bedeutete, dass er mich schnell loswerden wollte. Es schnell hinter sich bringen wollte.

>> Nein, brauchst du nicht, ich nehme mir ein Taxi.<<

>> Quatsch, dass ist das Mindeste was ich für dich tun kann.<<

>> Du hast schon genug für mich getan.<< fuhr ich ihn an. Er sollte mich einfach in Ruhe lassen.

>> Ich mache es aber wirklich gern.<<

>> Ethan! Bitte! Ich bin hier geblieben, wie du es wolltest, habe mich ausgeruht, wie du es wolltest und auf den Arzt gehört, so wie du es wolltest. Also lass mich bitte endlich wieder selbst entscheiden und ein Taxi nehmen!<<

>> Sarah! Das eben im Bad....<<

>> War eine Ausnahme<< unterbrach ich ihn und fuhr nach einem Seufzer fort.

>> Es wird nicht mehr vorkommen.<<

Er schaute mich einen kurzen Moment durchdringend an, bevor er nickte.

>> Kann ich dich wirklich nicht mitnehmen?<<

>> Es ist wirklich lieb von dir, aber ich möchte lieber ein Taxi nehmen. Mach’s gut Ethan.<<

>> Pass auf dich auf.<<

Wir umarmten uns nicht einmal. Ich war schon fast aus der Tür heraus, als Ethan meinen Gang noch einmal unterbrach.

>> Sarah?<<

Ich hielt inne, obwohl ich es eigentlich nicht wollte und blickte noch einmal zu ihm zurück.

>> Falls irgendetwas ist, egal was oder du etwas brauchst, dann ruf mich an, ich habe meine Nummer in deinem Mobiltelefon gespeichert.<<

Ich nickte nur und schloss die Tür. Während ich über den Flur ging, wurde mir schlecht. Aber diesmal kam es nicht daher, dass ich in einem Krankenhaus war, sondern wegen Ethan.

Ich fuhr schnell mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und ging zielstrebig zu den Taxen. Als ich endlich mit dem Taxi in Richtung meiner Wohnung fuhr, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Warum war ich so enttäuscht? Ich wollte keine Beziehung, ich genoss die Freiheit. Wollte selbstständig sein. Oder hatte sich das nun alles geändert, seit ich ihn kennengelernt hatte? Er war nett, lieb, sah verdammt gut aus und hatte leider auch einen genialen Humor, der mich viel zum Lachen gebracht hatte und mitfühlend war er auch, aber er war auch eitel, selbstverliebt und unglaublich verschlossen, wenn es um mehr als alltägliche Dinge ging, die man auch überall nachlesen konnte.

Zwar war ich auch verschlossen gewesen, er wusste nichts von Julian, geschweige denn von Emma oder Ben, aber was hatte er zu verbergen? Er hatte seine Wut nur unter Aufbietung all seiner Willenskraft unter Kontrolle gehalten. Warum war es ihm überhaupt so wichtig gewesen, dass ich im Krankenhaus blieb? Er kannte mich doch überhaupt nicht.

„Du bist das Wichtigste zur Zeit in meinem Leben“ hatte er so oder so ähnlich gesagt. Da kannte er mich noch überhaupt nicht. Was sah er in mir? Und warum war er dann eben so abweisend und kühl zu mir gewesen? Vor allem nachdem wir so stark aufeinander gewirkt hatten? Er wollte mich im Bad, genauso wie ich ihn. Er konnte seine Lust nicht unter Kontrolle halten, nahm sich was er wollte.

Ich spürte noch immer seinen harten Schwanz an meinem Bauch, wie er sich an mir rieb. Er fand mich attraktiv, daran gab es keinen Zweifel und auch persönlich kamen wir gut miteinander aus, was also lief da schief? Was hatte ich falsch gemacht? Kaum hatte ich seinen harten Penis angefasst, hatte er sich von mir losgerissen. Wollte er nicht, dass ich ihn anfasste? Ich kam da nicht weiter.

Irgendwas hatte er doch vorher zu mir gesagt. Irgendwas mit „Er solle das lieber nicht tun, dass es besser für mich wäre, aber das er nicht anders könne“. Was bedeutete das? Dass er sich die ganze Zeit vorher zurückgehalten hatte und bei dem Anblick von mir mit offenen Haaren, frisch geduscht im Bad, plötzlich nicht mehr wiederstehen konnte? Und wieso wäre es besser für mich, wenn er sich zurückhielte? Was verbarg er?

Die Gedanken kreisten wieder und wieder in meinem Kopf herum. Ich versuchte alles bis ins kleinste Detail zu analysieren, doch ich wurde einfach nicht schlau aus ihm und seinem Verhalten. Die Kopfschmerzen kündigten sich wieder an. Ich sollte mich doch ausruhen, das hieß wohl auch, nicht so viel nachzudenken.

Als das Taxi endlich in meine Straße einbog, entschloss ich mich dazu Ethan zu vergessen, dass es zwar nett mit ihm gewesen war, es aber besser für mich und meinen Seelenfrieden wäre, wenn ich ihn abschriebe. Er bedeutete nun einmal Ärger und anscheinend auch viel Kummer, beides Sachen auf die ich verzichten konnte und sollte.

Sea and Fall

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