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2.3 Zeitliche Verfügbarkeit
Оглавление„Das Ende des Ölzeitalters hat begonnen. Dieser Erkenntnis müssen wir uns stellen.“
Dieses Zitat ist längst keine Forderung allein von Öko-Aktivisten mehr. Es wird mittlerweile auch von deutschen Politikern unterstützt, und auch die USA, die lange Zeit nichts von Klimawandel und erneuerbaren Energien wissen wollten, stimmen dem inzwischen zu.
Es ist allerdings noch so, dass die fossilen Energieträger den weitaus größten Anteil am Energieverbrauch ausmachen und der Gesamtenergiebedarf stetig weiter zunimmt. Daher ist absehbar, dass die natürlichen Vorkommen dieser Primärenergieträger weiter schrumpfen. Durch neue Bohrungen werden zwar immer wieder neue Öl- und Gasvorkommen entdeckt, aber Fakt ist, dass ein Barrel Öl oder eine Tonne Kohle kein zweites Mal verbrannt werden kann. Die Ressourcen schwinden definitiv, denn auch die Funde neuer Vorkommen werden seltener und zudem kleiner.
Die Diskussion über die genaue Bezifferung der zeitlichen Verfügbarkeit dieser Öl-, Gas- und Kohlevorkommen ist ein fortwährender Kampf unterschiedlicher Interessengruppen. Vertreter der Mineralölindustrie erklären seit Jahren, es seien noch ausreichend Reserven vorhanden und in absehbarer Zukunft (20 bis 40 Jahre) würde kein Mangel auftreten. Genau die gegenteilige Meinung vertreten Umweltverbände, indem sie sagen, in nächster Zeit (10 Jahre) würden die Reserven drastisch abnehmen.
Ironischerweise steht derzeit so viel Öl wie nie zuvor zur Verfügung. Während sich die weltweiten Reserven gemäß der Studie Oeldorado 2008 von ExxonMobil auf 178 Mrd. t beliefen, waren es 2008 rund 182 Mrd. t. Demgegenüber beliefen sich die Zahlen für das Jahr 1957 lediglich auf einen Bruchteil: 36 Mrd. t. Damals lag sowohl der Verbrauch als auch die Raffineriekapazität nur bei einem Viertel des heutigen Wertes.
Diese wundersame Vermehrung der Reserven hat unterschiedliche Ursachen:
– Früher wurde Öl nur in Wassertiefen von bis zu 75 m gefördert. Heute arbeitet man in bis zu 400 m tiefen Gewässern, mitunter sogar in 3.000 m Tiefe.
– Früher wurde nur 35 % des vorhandenen Öls aus den Lagerstätten gefördert. Heute ermöglicht die technische Weiterentwicklung eine Nutzung von bis zu 70%.
– Früher bei niedrigem Barrelpreis waren viele Lagerstätten nicht wirtschaftlich ausbeutbar. Heute lohnt sich auch der aufwendige Abbau von Ölschiefer und Ölsanden.
Sehr viel kritischer geht die Energy Watch Group an dieses Thema heran. Sie geht davon aus, dass der so genannte Mid Depletion Point (Punkt des größten Ölfördervolumens) bereits im Jahr 2006 überschritten wurde. Im Oktober 2007 gab die Forschungsgruppe der Ludwig-Bölkow-Stiftung bekannt, dass die weltweiten Ölfördermengen mittlerweile mit einigen Prozentpunkten pro Jahr rückläufig sind. Laut Industriedatenbank HIS (2006) werden die Weltölreserven zwar auf 1.255 Giga-Barrel geschätzt, aber für die Wissenschaftler gibt es stichhaltige Gründe, diese Zahl für einige Regionen und Schlüsselländer nach unten zu korrigieren. Ihrer Schätzung nach belaufen sich die Reserven nur auf 854 Giga-Barrel.
Gestützt werden diese Annahmen unter anderem durch die Aussage König Abdullahs von Saudi-Arabien, dem größten Ölproduzenten der Welt, der sagte:
„Der Ölboom ist vorbei und wird nicht zurückkehren. Wir müssen uns alle an einen anderen Lebensstil gewöhnen.“ Ganz anderer Meinung war hingegen lange Zeit die Internationale Energie Agentur (IEA). Sie bestritt bis 2007, dass eine grundlegende Änderung der Energieversorgung in naher oder weiterer Zukunft wahrscheinlich sei. Erst im World Energy Outlook 2008 skizzierte sie erstmals ein etwas anderes Bild: Ohne umfassende Investitionen in neue Fördervorhaben könnte es schon bald zu bedenklichen Engpässen kommen, warnte die IEA.
ABB. 8: STETIGES NICKEN DER „PFERDEKÖPFE“
Wie viel Öl tatsächlich noch vorhanden ist, ist nur schwer zu sagen. Anfang 2007 war im Brennstoffspiegel, dem deutschen Energiemagazin der Mineralölwirtschaft, zu lesen: „Nicht einmal die Ergiebigkeit der Quellen, aus denen heute Öl gefördert wird, ist wirklich bekannt.“ Weiter hieß es dort, dies läge daran, „dass die Mitglieder der OPEC auf Teufel komm raus schwindeln, wenn sie nach ihren Ölreserven gefragt werden. Sie geben sie zu hoch an.“ [Ottlik, 2007]
Der Hintergrund für eine derartige Verzerrung der Tatsachen ist, dass die Organisation Erdöl exportierender Länder (Organization of the Petroleum Exporting Countries, OPEC) über die jeweils erlaubte Fördermenge ihrer Mitglieder entscheidet. Für die Bestimmung der Fördermenge gibt es einen Berechnungsschlüssel, der sich nach der Größe der im Land vorhandenen Reserven bestimmt. „Je größer die Reserve eines Landes, desto höher die ihm zugebilligte Förderquote. Deshalb werden die Zahlen geschönt, um es zurückhaltend zu formulieren.“ [Ottlik, 2007]
In dieses Bild passt auch die Neubewertung des Mineralölkonzerns Shell Anfang 2004, der nach eigenen Aussagen seine Reserven falsch eingeschätzt hatte und die Mengenangabe um ein Drittel reduzieren musste.
Die Summe aller fossilen Energieträger verringert sich währenddessen unweigerlich mit jedem weiteren Tag, an dem auch nur ein Fahrzeug mit Benzin fährt oder ein Haus mit Kohle oder Gas geheizt wird. Die eigentliche Frage muss demnach nicht lauten, wie lange die Vorkommen tatsächlich noch reichen. Stattdessen sollte sich jeder Einzelne fragen, wie die noch existierenden Primärenergieträger im Sinne einer nachhaltigen Handlungsweise verantwortungsvoll und bewusst eingesetzt werden können.
Mineralöl, das so genannte schwarze Gold, gilt als hochwertiger Energieträger, weil es für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet ist (z. B. chemische Industrie, Textil- & Pharmaindustrie). Deswegen spielt die Überlegung eine wichtige Rolle, ob es für die Verfeuerung in Heizkesseln oder den Antrieb von Kraftfahrzeugen nicht einfach zu schade ist, gerade weil es nicht endlos viel davon gibt.
Erdgas inklusive diverser Folgeprodukte (z. B. Propan, Butan) ist genau wie Mineralöl ein endlicher, fossiler Primärenergieträger, wobei es im direkten Vergleich als nicht ganz so hochwertig angesehen wird. Die zeitliche Verfügbarkeit von Gas wird hingegen etwas höher angesetzt als bei Öl. Der Vorteil von Gas besteht darin, dass es als Übergangsprodukt fungieren kann für eine allmähliche Abkehr vom Mineralöl. Erdgas und auch Flüssiggas verursachen bei der Verbrennung deutlich weniger Schadstoffe und eignen sich daher gut für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (s. Kap. 4.4.5 Umrüstung). Außerdem können mit ihnen praktische Erfahrungen im Umgang mit Gasen gesammelt werden, um später einen ebenfalls gasförmigen Kraftstoff einzusetzen: Wasserstoff.
ABB. 9: DIE OFFIZIELL GRÖSSTEN ÖLLÄNDER 2009 [ÖLRESERVEN IN Mrd. t]