Читать книгу Homöopathie. Warum und wie sie wirkt - Sven Sommer G. - Страница 12

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DER SKANDAL

»Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.«

(vermutlich) Winston Churchill

Lancet-Studie: Das Ende der Homöopathie – denn sie sei nur Placebo-Medizin …

Im Jahre 2005 kam der bisher letzte vermeintliche Vernichtungsschlag gegen die Homöopathie. Das renommierte Journal The Lancet veröffentlichte eine in der Zwischenzeit viel zitierte Studie, die der Homöopathie endlich den Garaus machen sollte. Wie ein Lauffeuer ging es daraufhin weltweit durch die Medien: Die journalistische Autorität auf dem Gebiet der Medizin kann zeigen, dass die Homöopathie nicht wirkt. Wer sich jedoch die Mühe machte, die Hintergründe dieser Studie zu beleuchten, der fing an, Fragen zu stellen: Warum verwendete das Journal eine Studie, die selbst von ihren Auftraggebern als problematisch bezeichnet wurde? Warum konnte man in derselben Ausgabe des Lancet in einem Nebensatz lesen, die WHO plane, einen Report zu veröffentlichen, der die Homöopathie auf gleiche Stufe mit der Schulmedizin stellen will? Und warum bediente sich ein bis dato seriöses Journal des Wortschatzes der Boulevardpresse? War das vielleicht nicht so sehr ein Vernichtungs-, sondern eher ein Verzweiflungsschlag gewesen? Hier die Details:

… oder WHO: Die Homöopathie ist genauso effektiv wie die Schulmedizin?

Im August 2005 veröffentlichte Lancet eine Studie, die zum 250. Geburtstag Hahnemanns den Totengesang für die Homöopathie einläuten sollte. In einer Metaanalyse des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern sei untersucht worden, ob Beweise aus klinischen Studien dafür vorlägen, dass die Wirksamkeit der Homöopathie über einen reinen Placeboeffekt hinausgehe. Die Analyse von A. Shang und Kollegen kam zu folgendem vernichtenden Ergebnis: Eine Untersuchung von insgesamt 110 Studien stütze ihre Ausgangshypothese, die klinischen Effekte der Homöopathie seien im Vergleich zu den Wirkungen der konventionellen Medizin nur unspezifische Placebo- oder Kontexteffekte. Das Team von A. Shang, das also von vornherein davon ausgegangen war, die Homöopathie könne nicht wirksam sein, fand sich in ihrer Annahme voll bestätigt.

Im Editorial zu der Studie gingen die Redakteure des Lancet sogar so weit, vom »Ende der Homöopathie« zu sprechen. Es müsse jetzt endlich Schluss damit sein, noch weiter Gelder in die Erforschung der Homöopathie zu stecken, hieß es da. Ärzte wurden aufgefordert, ihren Patienten geradeheraus und ehrlich zu sagen, dass die Behandlung mit homöopathischen Mitteln nichts anderes als Placebo-Medizin sei. Viele andere Medien griffen den Artikel aus dem Lancet auf und versuchten in der Formulierung, es den Redakteuren des englischen Wissenschaftsblattes gleichzutun. Die Beiträge ähnelten dabei weniger der Arbeit von Wissenschaftsjournalisten, sondern eher der von Theaterkritikern, die in blumenreichen Worten die Neuinszenierung eines alten Stückes verreißen, ja die gar von einem Illusionisten (Zauberer!) schrieben, der einen Preis für den Beweis der Homöopathie ausgesetzt hat.1

Endlich wurde einmal aufgeräumt mit dem, was nicht sein kann und auch nicht sein darf. Die homöopathischen Mittel mit ihren hohen Potenzen oder Verdünnungen, in denen chemisch und rechnerisch nichts mehr vorhanden ist, sind der schulmedizinischen Wissenschaft ja schon von Anbeginn ein Dorn im Auge gewesen. Denn da, wo chemisch gesehen nichts drin ist, da kann ja auch nichts wirken. Daran hat sich in den letzten 200 Jahren nichts geändert (wenn man einmal die Erkenntnisse der modernen Physik außer Acht lässt). Umso ärgerlicher war es, dass die Homöopathie in den letzten Jahren weltweit eine der begehrtesten Alternativtherapien geworden ist. Aber nicht nur das, immer mehr Studien wollten zudem die Wirksamkeit der Homöopathie belegen. Und so stolpert man dann in derselben Ausgabe des Lancet über den Hinweis zu dem Entwurf eines WHO-Reports, der für die Homöopathie mehr als positiv ausfällt: »Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Studien in den letzten 40 Jahren haben gezeigt, dass die Homöopathie dem Placebo überlegen und der konventionellen Medizin in der Behandlung von Menschen und Tieren gleichwertig ist.«

Ja, und nicht nur wirksam, sondern schlimmer noch – sogar günstiger als die konventionelle Behandlung soll sie sein, die Homöopathie. Für den Kritiker sind das natürlich Besorgnis erregende, wenn nicht gar unhaltbare Zustände. Da konnte man also nur von Glück reden, dass der Lancet diese neue Studie herausbrachte. Sie wurde in der Zwischenzeit immer wieder aufgeführt, um die Unwirksamkeit der Homöopathie zu untermauern. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Hintergründe der Studie genauer zu untersuchen. Interessanterweise haben weder die Redakteure des Lancet noch die meisten Journalisten der anderen Medien darüber berichtet. Stattdessen wurde mit der Studie eine Medienlawine losgetreten, welche die wieder aufkommende Homöopathie im Keim ersticken sollte.

Die Hintergründe zur Lancet-Studie: Das Schweizer Programm Evaluation Komplementärmedizin (PEK)

Die besagte Metaanalyse im englischen Lancet war schon vorab in der Schweiz bekannt geworden, und zwar im Programm Evaluation Komplementärmedizin (PEK) der Schweizer Bundesanstalt für Gesundheit, für die sie ursprünglich in Auftrag gegeben worden war. Die Schweizer hatten sich für das fünfjährige Projekt Ende der 90er Jahre entschieden. Ab 1999 wurden von der dortigen Grundversicherung die Kosten von folgenden komplementären Therapieformen getragen: Anthroposophische Medizin, Neuraltherapie, Phytotherapie, TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) und Homöopathie. Ende 2004 wertete man die Daten dann aus. Anhand von Wirksamkeit, möglichen Gefahren und Risiken (Sicherheit), Inanspruchnahme und Zufriedenheit der Patienten sowie Kosten und Wirtschaftlichkeit wurden die einzelnen Therapierichtungen im Vergleich zur konventionellen Medizin beurteilt. Der Schlussbericht des PEK wurde am 24. April 2005 veröffentlicht und in ihm ging man explizit auf die Metaanalyse, die später dann im Lancet wieder auftauchen sollte, ein.

Im Folgenden wird fast ausschließlich auf die Ergebnisse des Schweizer Schlussberichts für die Richtung Homöopathie Bezug genommen. Um die Wirksamkeit der Heilmethode bewerten zu können, wurden zuerst einmal systematische Reviews aus der Literatur herangezogen. Die meisten davon zeigten, dass die Homöopathie effektiv ist. Der HTA (Health Technology Assessment Report) von Prof. Dr. med. Peter Matthiessen und dessen Mitarbeitern kam zu dem Ergebnis: »In der Auswertung von 22 systematischen Reviews zur Homöopathie fanden 20 Arbeiten zumindest einen Trend zugunsten der Homöopathie.« Fünf Studien zeigten sogar einen deutlichen Beleg für deren Wirksamkeit. Auf dieser Basis stuften die Berichtsautoren die »Alltagswirksamkeit« der Homöopathie bei drei Möglichkeiten (wahrscheinlich, fraglich, unwahrscheinlich) als »wahrscheinlich« ein und folgerten, es gebe ausreichend Belege für eine klinische Wirksamkeit!

Von den 110 Studien zur Homöopathie wurden nur acht verwendet

In einem nächsten Schritt wurden nun von der Universität Bern integrierte statistische Auswertungen vorgenommen, bei denen die Ergebnisse mehrerer Studien in einer einzigen Zahl zusammengefasst wurden, darunter auch die hier infrage gestellte Metaanalyse von Shang et al. zur Homöopathie. Da die Methodik solcher Analysen äußerst komplex ist, soll an dieser Stelle versucht werden, die Vorgehensweise möglichst verständlich darzustellen.

Für die Analyse wurden 110 placebokontrollierte homöopathische Studien 110 Studien der konventionellen Medizin gegenübergestellt, die sich in ihrer methodischen Qualität ähnelten. Bei den meisten zeigte sich unter Verum, also unter der aktuellen Versuchsgruppe, eine bessere Wirkung als unter Placebo. Dann erfolgte eine Untersuchung der Ergebnisse auf Heterogenität. Dabei wird geprüft, ob die Ergebnisse der einzelnen Studien – unter der Annahme, dass alle Studien den gleichen Effekt messen – stärker voneinander abweichen, als dies aufgrund zufälliger Schwankungen zu erwarten wäre. Ein Heterogenitätsindex von 50 bis 75 Prozent zeigt dabei an, dass die einzelnen Studien Unterschiedliches messen oder Störfaktoren die Ergebnisse verfälscht haben. Da bei den homöopathischen Studien der Index um die 65 Prozent lag, zogen die Forscher aus Bern nur eine Anzahl der größeren Studien für die Analyse in Betracht. Denn hier spielt der Zufall eine geringere Rolle als in kleineren Studien, bei denen die Ergebnisse stärker um den »wahren« Wert schwanken können, d. h. in einzelnen kleinen Studien kann die Wirksamkeit überschätzt, in anderen unterschätzt werden.

Man spricht in solchen Fällen von einem »small study bias«, was bedeutet, kleinere Studien können ein eher verzerrtes Bild von der Wirksamkeit abgeben. Somit wurden von insgesamt 110, zumeist positiven Homöopathiestudien nur acht größere herangezogen und dann gepoolt (zusammengeworfen). Die Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus war dabei nicht signifikant. Dies bedeutet also: Nicht anhand von 110 Studien, sondern von nur acht beschwor der Lancet das Ende der Homöopathie herauf.

Eine vergleichbare Studie zeigt: Schulmedizin wirkt auch nicht!

Vielleicht war es den Redakteuren des Lancet vorenthalten worden, aber die Uni Bern hatte natürlich ebenso eine Metaanalyse für die Therapierichtung Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) erstellt. Hier zeigten die neun großen Phytotherapie-Studien übrigens eine deutlich bessere Wirkung als die Placebos. Doch nur zwei der insgesamt 89 schulmedizinischen Vergleichsstudien wurden, so der PEK-Schlussbericht, als methodisch hochwertig kategorisiert – und in diesen war der Effekt zufälligerweise nicht signifikant höher als ein Placebo. Würde man hier dieselben Maßstäbe des Lancet anlegen, könnte dies nur eines bedeuten: das Ende der konventionellen Medizin! Da nach dieser Metaanalyse die Schulmedizin nicht besser wirkt als Placebo-Medizin, wäre es folgerichtig, die Gelder für die schulmedizinische Forschung zu stoppen! Und Ärzte müssen ihren Patienten klar und deutlich sagen: Alles schulmedizinische Tun ist nur trügerische Scheinbehandlung! Da wird die Beschränktheit der Vorgehensweise nur allzu offensichtlich!

Der Kommentar im Schweizer Schlussbericht: Die Metaanalyse sei problematisch

Im Vergleich zum Editorial des Lancet war der Kommentar im PEK-Schlussbericht einer wissenschaftlichen Arbeit schon eher angemessen und sah die Metaanalysen zwar als technisch hochwertig, im Bezug auf die Frage der Wirksamkeit jedoch als problematisch an, denn »… Grundvoraussetzung für eine eindeutige Interpretierbarkeit der Ergebnisse solcher Analysen ist, dass alle Studien eigentlich den gleichen Effekt messen. In den vorliegenden Analysen wurden jedoch Studien zu den verschiedensten Interventionen bei verschiedenen Erkrankungen zusammengeworfen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Interventionen bei allen Erkrankungen gleich große Effekte [= Wirkung] haben. Vielmehr ist es unzweifelhaft, dass die Größe von Behandlungseffekten erheblich variiert. Was als klinisch relevanter Behandlungseffekt definiert wird, hängt außerdem grundsätzlich (unabhängig vom zu erwartenden Effekt der Intervention) von Erkrankung und Zielkriterium ab. All dies hat Auswirkungen auf die Größe bzw. Präzision von Studien: Erwartet man einen großen Effekt, kann die Studie deutlich kleiner sein, erwartet man dagegen einen kleinen Effekt, wird eine große, präzise Studie benötigt ... Werden nun Gruppen von Studien zusammengeworfen, die unterschiedlich große ›wahre‹ Effekte messen, wird ein asymmetrischer funnel plot [= hoher Heterogenitätsindex] entstehen, auch wenn kein small study bias besteht.«2

Will man also eine aussagekräftige Antwort erhalten, kann man nicht so einfach Studien über die unterschiedlichsten Beschwerden in einen Topf werfen. In den Analysen der Berner Universität sei es zudem nicht möglich gewesen, zu unterscheiden, ob nun ein hoher Heterogenitätsindex durch small study bias oder durch wahre Unterschiede in den Effektgrößen verursacht wurde.

»Im Falle der Homöopathie kann man argumentieren, dass die Plausibilität einer Wirkung homöopathischer Potenzen so gering ist, dass man alle homöopathischen Interventionen als Placebo interpretiert, ihr ›wahrer‹ Effekt im Vergleich zu Placebo also gleich Null ist.«2

Dies war ja übrigens auch die Annahme von A. Shang und seinem Team, die schon von vornherein davon ausgegangen waren, dass die Wirkungen der Homöopathie nur unspezifische Placebo- oder Kontexteffekte seien. Sollte diese Annahme aber zutreffen, dann sei die gesamte Heterogenität durch »small study bias« verursacht. Zu einem gewissen Grade wäre es in so einem Fall angemessen, so der Schlussbericht, alle Studien zusammenzuwerfen. Würde man aber alle 110 Homöopathiestudien in der Metaanalyse poolen, wäre die Wirksamkeit der Homöopathie eindeutig bewiesen!

Die PEK-Bewertung

»Bei bestimmten Indikationsgebieten hat die Schulmedizin gar keine Alternative zur Homöopathie oder nur Medikamente mit beträchtlich höherem Risikopotenzial.«2

Der Schweizer Ausschuss fasste die Ergebnisse zur Homöopathie wie folgt zusammen:

• Bei den Bewertungsberichten wurde die Homöopathie als »eingeschränkt wirksam«, in der Metaanalyse als »eingeschränkt nicht wirksam« bewertet.

• Beim Bewertungskriterium Sicherheit attestierte der Ausschuss der Homöopathie, dass das »klinische Schädlichkeitspotenzial« in der Hand ausgebildeter Fachkräfte zu vernachlässigen sei.

• Die Nachfrage für Homöopathie sei groß, die Zufriedenheit der Patienten uneingeschränkt belegt.

• Beim letzten und für die Schweizer wahrscheinlich wichtigsten Punkt, der Wirtschaftlichkeit und den Kosten, kam der Ausschuss zu einem »eingeschränkt positiven« Ergebnis. Die direkten Kosten bei der homöopathischen Behandlung lagen circa um ein Drittel niedriger als bei der schulmedizinischen, doch seien die Patienten, die zum Homöopathen gingen, im Allgemeinen jünger und gesünder als der Durchschnittspatient beim Schulmediziner. Trotz einer nachträglichen Abwertung schloss die Homöopathie aber immer noch leicht kostengünstiger ab als die Schulmedizin. Zwar seien die Konsultationskosten höher, doch die Kosten von Diagnostik und vor allem von Medikamenten seien demgegenüber wesentlich niedriger.

Vernachlässigt vom PEK wurden aber die Steuervergünstigungen und staatlichen Forschungsgelder der pharmazeutischen Industrie in der Schweiz, die in die Diagnostik- und Medikamentenkosten der schulmedizinischen Behandlung mit hineingerechnet werden müssten. Somit dürften unter dem Strich die homöopathischen Behandlungen deutlich günstiger ausfallen als die schulmedizinischen. Würden zudem die Kosten für iatrogene Erkrankungen mit einfließen, also die Kosten, die durch ärztliche Kunstfehler und vor allem durch Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten auftreten, dann dürfte die Kosten-Nutzen-Analyse eindeutig zugunsten der Homöopathie ausfallen. Eine erste solche Untersuchung aus den USA konnte beispielsweise 2001 zeigen, dass dort über 250.000 Menschen jährlich an iatrogenen Erkrankungen starben, was somit bei den Amerikanern die dritthöchste Todesursache nach Krebs und Kreislauferkrankungen darstellte.3 Eine aktuelle Studie zeigt noch bedenklichere Zahlen (siehe →hier). Die Toten sind dabei nur die Spitze eines morbiden Eisbergs. Nebenwirkungen von schulmedizinischen Medikamenten dürften mit großer Wahrscheinlichkeit zu extrem hohen Folgekosten führen. Der Schlussbericht der Schweizer kam zu folgendem Ergebnis: »Die insgesamt befürchtete Kostenzunahme in der Grundversicherung während der PEK-Laufzeit durch die Kosten für die KM [Komplementärmedizin] ist nicht eingetreten.«2

Die vollständige Schlussbewertung der Homöopathie

»Aus konventioneller, naturwissenschaftlicher Sicht gibt es für die Homöopathie keinen plausiblen Wirkmechanismus. Dennoch gilt das Fehlen von Plausibilität nicht als Beweis für die Unwirksamkeit und stellt kein zwingendes Kriterium innerhalb einer EBM [Evidence based medicine = Medizin, die auf einem Wirksamkeitsnachweis mittels klinischer Studien beruht] dar. Die in der Literatur analysierte Wirksamkeit führt in der Metaanalyse der placebokontrollierten Studien zu einem negativen und unter Einbezug des anderen Erkenntnismaterials im Rahmen des Bewertungsberichtes zu einem positiven Ergebnis[!]. Die Nachfrage für die Homöopathie ist in der Schweiz verhältnismäßig hoch. Das klinische Schädigungspotenzial der besonderen Arzneimitteltherapie ist in der Hand ärztlicher Grundversorger zu vernachlässigen. Die Klientel ist breit, dennoch bilden Kinder mit ihren typischen Erkrankungen und Frauen mit psychischen Störungen, Schwangerschaft und postmenstruellen Beschwerden Schwerpunktanwendungen. Diesen Indikationsgebieten stehen im konventionellen Bereich oft gar keine Alternativen oder nur medikamentöse Behandlungen mit einem beträchtlich höheren Risikopotenzial als Homöopathika zur Verfügung.«2

Politische Manöver von Lancet und Schweizer Bundesrat?

Nachdem die Schweizer Studiendaten ergeben hatten, dass Homöopathie und Pflanzenheilkunde der Schulmedizin gegenüber in der Praxis mindestens gleichwertig, wenn nicht in bestimmten Bereichen gar überlegen sind, und selbst der Schlussbericht mit typischer schweizerischer Zurückhaltung »vorsichtig positiv« zugunsten der Komplementärmedizin ausfiel, sollte es nachdenklich stimmen, dass der Schweizer Bundesrat in der Folge beschlossen hatte, alle komplementärmedizinischen Methoden (KM) aus der gesetzlichen Krankenversicherung auszuschließen. Seine Begründung: Die Wirksamkeit der komplementären Medizin sei durch diese eine Studie von A. Shang ja nun doch nicht wirklich belegt und damit könne die Alternativmedizin auch nicht wirtschaftlich sein. Der Schweizer Bundesrat kam also zu genau der entgegengesetzten Erkenntnis wie der Schlussbericht seines Expertenteams. Das wirft die Frage auf, ob diese Entscheidung, wie auch die recht dramatische redaktionelle Beurteilung der problematischen Metaanalyse im Lancet, nicht politisch motiviert war.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen haben klassische Naturwissenschaftler ein epistemologisches, also wissenschaftlichphilosophisches oder erkenntnistheoretisches Problem mit der Homöopathie. Und selbst wenn sich in immer mehr wissenschaftlichen Studien bestätigen sollte, dass die Homöopathie doch wirkt, dürfte es schwerfallen, nach 200 Jahren heftigsten Kampfes gegen diese Scharlatanerie plötzlich einzulenken und zuzugeben, man habe die ganze Zeit über falsch gelegen. Da ist es sicherlich erst einmal besser, Augen und Ohren gegenüber dem Fortschritt zu verschließen und mit einer dubiosen Analyse von nur acht Studien und großem Fanfarengetöse in einem renommierten Fachblatt das Ende der Homöopathie heraufzubeschwören.

Wenn die WHO dann auch noch plante, einen Report zu veröffentlichen, der Homöopathie und konventionelle Medizin gleichwertig nebeneinanderstellen will, und die Ergebnisse einer jahrelang laufenden Schweizer Studie diese Erkenntnisse zudem noch bekräftigen, dann ist das geradezu gefährlich. Nicht so sehr für die Ärzte, deren Mehrzahl nach wie vor heilen will. Sollte sich die Homöopathie als wissenschaftlich effektiv erweisen, könnte dies den für sie noch zusätzlichen Bonus haben, mehr für die aufwändigere Konsultation berechnen zu können. Sich Zeit für seine Patienten zu nehmen, würde endlich wieder einmal honoriert werden. Für die Krankenkassen sei es ebenfalls unproblematisch: Als wirtschaftlich orientierte Unternehmen wollen sie natürlich Behandlungskosten sparen, und da die Kosten-Nutzen-Analyse eindeutig zugunsten der Komplementärmedizin ausfällt, würden nicht nur von den privaten Versicherungen, sondern zunehmend auch von den öffentlichen Kassen, wie beispielsweise der Deutschen BKK, die Kosten für die homöopathische Behandlung übernommen werden.

Nein, am härtesten trifft es, das wird ja aus der Schweizer Studie offensichtlich, die Pharmaindustrie. Denn gerade bei den Kosten für Medikamente wird bei der Anwendung von Homöopathika jede Menge Geld gespart. Nun ist die Schweiz ja Ursprungs- und Heimatland etlicher großer Pharmakonzerne, die sicherlich mit Unbehagen beobachten dürften, wie billige Außenseitertherapien beginnen, ihre Marktanteile wegzufressen. Da könnte es dann schon sein, dass hier Druck auf die Politik ausgeübt wird, und es ist auch im Rahmen des Vorstellbaren, dass die Politik sich dadurch beeinflussen lässt. Auf jeden Fall wollte man ganz offensichtlich weitere Forschung zur Homöopathie unterbinden, das Vertrauen der Patienten erschüttern und den Zugang zu dieser effektiven und nebenwirkungsarmen Therapieform erschweren. Gegen die Entscheidung des Schweizer Bundesrates lief umgehend ein Volksbegehren und am 17. Mai 2009 hat sich eine überwältigende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung in einem Volksentscheid für die Verankerung der Komplementärmedizin (und damit auch der Homöopathie) in die Verfassung ausgesprochen.

Wissenschaftler und Ärzte wiesen die Lancet-Studie sofort zurück

Der schweizerische Verein homöopathischer Ärzte (SVHÄ) hatte bereits vor Publikation der Studie gravierende und formale Mängel an derselben offengelegt. Das Forschungsdesign werde der Homöopathie nicht gerecht. In einer Stellungnahme der British Faculty of Homeopathy, die die englischen Homöopathen vertritt, äußerte Dr. P. Fisher, klinischer Direktor des Royal Homeopathic Hospital in London, den Verdacht, die Analyse sei voreingenommen und versuche, die Homöopathie unglaubwürdig zu machen. »Die hochtrabende Zusammenfassung, Homöopathie sei nur Placebo-Medizin, basiert nicht auf 110 klinischen Studien, sondern nur auf acht.«4

Der Deutsche Zentralverband homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) schrieb in seiner Stellungnahme, etliche andere Metaanalysen und Übersichtsarbeiten seien zu genau dem gegenteiligen Ergebnis der Lancet-Studie gekommen.5 Ein ähnliches Ergebnis wie in der Schweizer PEK-Studie habe sich bereits in einer deutschen Studie gezeigt: Der Verlauf chronischer Erkrankungen unter homöopathischer Behandlung – Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie.6 Die Untersuchung zeige, dass die homöopathische Behandlung hinsichtlich der Effektivität der konventionellen Methoden mindestens gleichwertig sei, teilweise sogar überlegen.7

Auch etliche prominente amerikanische Wissenschaftler äußerten Kritik an der Studie im Lancet. Zwar sei die Metaanalyse des Berner Teams geeignet, Schlüsse über die Wirksamkeit der Schulmedizin zu ziehen, aber sie sei nur bedingt von Nutzen bei der Beurteilung der Homöopathie. Kriterien, wie sie für eine qualitativ hochwertige Homöopathie-Forschungsstudie notwendig wären und die das Wesen der homöopathischen Therapieweise berücksichtigten, wurden nicht beachtet. Man könnte es mit einer Studie vergleichen, die die Wirkung von Penicillin bei Patienten mit allgemeinen Symptomen einer Infektion testet. Selbst wenn die Qualität der Studie generell hochwertig wäre, sie würde nur bei einem sehr kleinen Teil der Patienten eine positive Wirkung zeigen, nämlich nur bei denen mit einer bakteriellen Infektion, die auf Penicillin anspricht. Eine Metaanalyse von solchen Studien zur Wirkung von Penicillin könnte hier dann auch nur unspezifische Placebo- oder Kontexteffekte nachweisen, da die Studien nicht die spezifische Natur des Wirkstoffs berücksichtigen, so Dr. Iris Bell von der Universität von Arizona.

Roy Rustum, renommierter Materieforscher der Penn State University, fand härtere Worte. Die Erörterungen zur Chemie seien wissenschaftlich falsch. »Der redaktionelle Inhalt des Lancet, soweit er sich auf die Homöopathie bezieht, stützt sich auf eine recht veraltete Idee aus dem neunzehnten Jahrhundert, dass die Aufnahme fremder Moleküle die einzige Art und Weise sei, wie die Eigenschaften von Wasser beeinflusst oder verändert werden können.« Das sei eine auf Avogadro beschränkte Erörterung der Chemie von Schulniveau. Damit bezieht er sich auf das schon erwähnte Argument, in der homöopathischen Hochpotenz könne gar nichts mehr wirken, da rechnerisch bei Verdünnungen über der Avogadro-Zahl (C12 / D24) keine Moleküle der Ausgangssubstanz zu finden sind. Rustum weiter: »Für einen Materiewissenschaftler ist diese Behauptung absurd, denn das fundamentale Paradigma der Materieforschung ist, dass die Beziehung zwischen Struktur und Eigenschaft das grundlegend Bestimmende für einfach alles ist.« Es sei einfach eine Tatsache, dass die Struktur von Wasser und damit auch sein Informationsgehalt auf zahllose Art und Weise geändert werden kann.8

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Metaanalyse von Shang et al. in Ausführung und Design zumindest problematisch war. Sie stützte sich zudem auf insgesamt nur acht Studien. Anhand dieser Daten forderte dennoch die Redaktion des Lancet das Ende der Homöopathie sowie das Ende weiterer Forschung zur Homöopathie und eine Aufklärung des Patienten über diese »Scheintherapie«. Was der Lancet aber verschwieg: Die Analyse wurde schon vorab im Rahmen des Schweizer PEK veröffentlicht, das fünf Jahre lang alternative Therapieverfahren getestet hatte. In deren Schlussbericht schnitt die Homöopathie durchaus positiv ab: Wirksamkeit, Sicherheit, Inanspruchnahme, Patientenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit seien zumindest eingeschränkt belegt. Dagegen fiel die Studie von Shang et al. und das Editorial des Lancet für die Homöopathie maximal rufschädigend aus. In diesem weltweit bekannten Fachblatt mit so starken redaktionellen Worten kommentiert, konnte man sich großer Verbreitung sicher sein. Und in der Tat griff die Presse »das Ende der Homöopathie« meist unkritisch auf und gab es weiter. War genau dies etwa beabsichtigt gewesen? War »der Tod der Homöopathie« weniger durch Fakten als durch Rufmord geplant gewesen? Doch wer zu solch drastischen Mitteln greift, hat oftmals Angst oder möchte etwas aus dem Weg räumen, was ihm zu unangenehm geworden ist.

So sei dann noch auf folgendes Paradoxon hingewiesen: Nur eine Woche nach der Veröffentlichung im Lancet stellten andere Forscher der Universität Bern, aus der ja auch die hier diskutierte Metaanalyse stammt, eine weitere, qualitativ hochwertige Studie vor, die zeigen konnte, dass bei hyperaktiven Kindern mit ADS (AufmerksamkeitsDefizit-Syndrom) die Homöopathie eindeutig hilft.9 Dies konnte nur bedeuten: Anders als für die Redakteure des Lancet ist für die Wissenschaftler der Universität Bern die Wirksamkeit der Homöopathie noch lange nicht ausgeschlossen! Und dann gab es in der Zwischenzeit auch noch die Studie der Berliner Charité, deren Professor Stefan Willich 2007 in der Berliner Zeitung schrieb: »Wir Schulmediziner müssen umdenken«. Eine Auswertung der Befunde von knapp 500 Patienten, die für ihre chronischen Beschwerden entweder homöopathisch oder schulmedizinisch behandelt wurden, deutet nämlich darauf hin, dass die Homöopathie bei vergleichbaren Kosten bessere Ergebnisse zeigt.10 Wobei dies nur eine von über 15 so genannten »Outcome«- oder Kohortenstudien war, die in den letzten Jahren alle eine deutliche Wirksamkeit der Homöopathie zeigen konnten.11 Und das Beste zum Schluss: 2008 kamen dann zwei Studien heraus12, die auf so deutliche Fehler der Metaanalyse von Shang et al. hinwiesen, dass selbst der Elsevier-Verlag, der das Journal The Lancet publiziert, in einer Pressemitteilung unter der Überschrift »Neue Beweise für die Homöopathie« mitteilte, die Metaanalyse, die behauptet hatte, die Homöopathie sei nur Placebo, wäre äußerst mangelhaft gewesen. Professor Egger, der federführend an der Lancet-Studie beteiligt war, habe es aber abgelehnt, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen.13

Homöopathie. Warum und wie sie wirkt

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