Читать книгу Homöopathie. Warum und wie sie wirkt - Sven Sommer G. - Страница 14
ОглавлениеDER GALILEO-EFFEKT IN DER HOMÖOPATHIE
Hahnemann: wie Galileo ein verkanntes Genie seiner Zeit?
Wiederholt sich die Geschichte?
Generell stellt sich die Frage, ob eine Außenseitermethode wie die Homöopathie überhaupt eine reelle Chance hat, eines Tages bewiesen zu werden, wenn die meisten Wissenschaftler bisher steif und fest behaupten, sie könne nicht wirken. Doch wie die Geschichte beweist, kann es mitunter etliche Jahrhunderte dauern, bis sich ein Wissen als selbstverständlich etabliert hat. Dies möchte ich am Beispiel des heliozentrischen Weltbildes verdeutlichen. Schon damals weigerten sich Wissenschaftler fast 250 Jahre lang umzudenken und einzugestehen, dass ihre Ansicht, alles drehe sich um die Erde (und damit um den Homo sapiens), falsch war.
Das kopernikanische Weltsystem
Der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543) stellte als Erster die Theorie eines heliozentrischen Weltsystems auf. Er ging davon aus, nicht die Erde, sondern die Sonne befinde sich im Mittelpunkt unseres Universums, während unser Planet sich um sich selbst drehe und um die Sonne kreise. Sein Hauptwerk »Über die Kreisbewegungen der Weltkörper« war zwar schon 1530 fertiggestellt worden, wurde jedoch erst nach seinem Tod veröffentlicht. Die meisten derer, die Kopernikus’ Theorie damals verstanden, konnten jedoch das Konzept einer sich bewegenden Erde, die nicht im Mittelpunkt alles Seins steht, nicht akzeptieren. Für mehr als ein halbes Jahrhundert gab es deshalb nur etwa zehn Befürworter des heliozentrischen Weltsystems. Der größte Teil von ihnen war übrigens außerhalb der Universitäten tätig. Darunter befanden sich der Deutsche Johannes Kepler (1571 – 1630) und der Italiener Galileo Galilei (1564 – 1642).
Ein verkanntes Genie seiner Zeit
Galileo Galilei, von der damaligen Wissenschaft vielfach nicht gewürdigt, entwickelte das heliozentrische Weltbild weiter. Doch damit nicht genug: Schon zu Beginn seiner Karriere erhielt er, damals gerade erst fünfundzwanzig Jahre alt, einen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität von Pisa, den er aber schon drei Jahre später wieder abgeben musste, weil seine Behauptung, die gängige Lehrmeinung des Aristoteles sei falsch und die Fallgeschwindigkeit sei proportional zum Gewicht eines Körpers, im Widerspruch zu den etablierten Gelehrten an der Universität stand. Natürlich sollte Galileo auch hier Recht behalten.
Als er allerdings 1613 eine Arbeit veröffentlichte, in der er die Richtigkeit der kopernikanischen Theorie voraussagte, teilte ein Professor der Universität Pisa dem Arbeitgeber Galileis, den Medici, mit, der Glaube an eine sich bewegende Erde sei ketzerisch. Drei Jahre später wurden kopernikanische Bücher der kirchlichen Zensur unterworfen und Galileo wurde aufgefordert, die Auffassung einer sich bewegenden Erde nicht länger zu vertreten. Galileo wagte sich erst Jahrzehnte später wieder an das Thema heran, als er den Dialog veröffentlichte, in dem er die kopernikanische Theorie in Bezug auf die Gezeiten neu diskutierte. Die Strafe folgte stante pede und er wurde von der Inquisition in Rom vorgeladen, welche ihn 1633 zwang, seiner »ketzerischen« Theorie abzuschwören. Die lebenslange Haft, zu der er verurteilt wurde, konnte zu ständigem Hausarrest abgemildert werden. Den »Dialog« musste er jedoch verbrennen und seine Verurteilung konnte damals an jeder Universität eingesehen werden.
Erst 1992 (!) gestand der Vatikan seinen Irrtum endlich ein, nachdem ihm zwanzig Jahre zuvor anhand der Prozessunterlagen die Hauptverantwortung für die Verurteilung zugeschrieben wurde. Galileo wurde daraufhin offiziell von der Kirche rehabilitiert. Die Beteiligung der damaligen etablierten Wissenschaft – man erinnere sich: Es war ja ein Kollege aus Pisa gewesen, der ihn an die Inquisition verraten hatte – wurde dagegen bis heute weder richtig aufgedeckt noch zugegeben. Nach der Unterdrückung der kopernikanischen Idee im Zuge des Kirchenprozesses gegen Galilei blieben nur noch ganz wenige heimliche Anhänger des heliozentrischen Weltsystems übrig. Die meisten Wissenschaftler nahmen damals das heute längst wieder vergessene Modell des Dänen Tycho Brahe (1546 – 1601) an, in dem zwar die Planeten um die Sonne kreisen, die Sonne sich aber weiterhin einmal pro Tag um die ruhende Erde dreht.
Newtons Himmelsmechanik zeigte endlich: Galilei hatte Recht
Erst Isaac Newton (1643 – 1727) verband die mathematische Physik Galileis mit den Kepler’schen Planetengesetzen und entwickelte das universelle Gravitationsgesetz. Dabei stehen alle Körper im Weltraum unter dem Einfluss der Schwerkraft. Dies veröffentlichte Newton 1687 in seinem Hauptwerk Principia Mathematica. Somit übernahmen Ende des 17. Jahrhunderts die meisten Wissenschaftler und Denker Englands, Frankreichs, Dänemarks und der Niederlande das kopernikanische System. Im restlichen Europa, also auch in Deutschland, sollte es noch weitere 100 Jahre dauern, bis sich das heliozentrische Weltsystem in den wissenschaftlichen Kreisen endgültig durchgesetzt hatte.1
Es verstrichen also gut zweihundertfünfzig Jahre, bis sich knapp vor Beginn des neunzehnten Jahrhunderts das Wissen etablierte, dass die Erde (und somit auch der Mensch) nicht im Mittelpunkt der Schöpfung steht. Die Kirche, aber auch die meisten Vertreter der damaligen Wissenschaft, konnten und wollten diese Erkenntnis lange Zeit nicht akzeptieren. Die Ideen von Kopernikus und Galilei waren ihnen einfach zu radikal. Selbst über die Jahrhunderte hinweg gab es hier nur ganz wenige aufgeschlossene Geister, die diese Ideen überhaupt verstanden. Die meisten damaligen Wissenschaftler besaßen weder den Weitblick noch den Mut, Erkenntnisse und Einsichten zu akzeptieren, die dem Wissen ihrer Zeit so weit voraus waren. Zudem stellte dieses neue Wissen eine Bedrohung für die damals vorherrschende Wissenschaft dar: Generationen altehrwürdiger Gelehrter hätten falsch gelegen und hätten eingestehen müssen, ihre Idee eines geozentrischen Weltbilds sei »out of date«. Das hätte das bisherige Verständnis von der Welt komplett auf den Kopf gestellt. Ganze Bücher hätten umgeschrieben werden müssen! Das konnte und durfte einfach nicht sein. Selbst als Newton es ihnen vorrechnete, dauerte es noch Jahrzehnte, bis sich das etablierte, was heute jedes Kind in der Schule lernt.
Fazit
Dem kritischen Beobachter eröffnet sich hier so manche historische Parallele zwischen der Entdeckung physikalischer Effekte von großen Himmelskörpern im Makrokosmos des Weltraums und der Erkenntnis von der Wirksamkeit kleiner Kügelchen im Mikrokosmos der homöopathischen Potenzen. Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts stellt sich somit wieder einmal die Frage, ob die Geschichte sich nicht vielleicht doch wiederholt.