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HOMÖOPATHIE UND IMPFUNG

»Primo nihil nocere« (»zuerst einmal keinen Schaden zufügen«)

Teil des ärztlichen Versprechens

Die Kontroverse

Vermutlich gibt es kein anderes Thema, das die Gemüter mehr erhitzt, wenn es um die medizinische Versorgung unseres Nachwuchses geht, als die Debatte: Impfen – pro und contra. Homöopathen werden dabei im Allgemeinen ins Lager der Impfgegner abgeschoben, Schulmediziner dagegen sehen das Impfen in aller Regel als eine der großen Segnungen der Medizingeschichte an. Kaum einem der wild Debattierenden scheint dabei bewusst zu sein, dass die Impfung diejenige schulmedizinische Behandlungsmethode ist, die der Homöopathie für lange Zeit am nächsten stand. Mit diesem Kapitel möchte ich nicht in den Disput eingreifen, sondern lediglich die Parallelen und Diskrepanzen zwischen homöopathischer und schulmedizinischer Therapie am Beispiel der Pockenimpfung darlegen.

Das Ähnlichkeitsprinzip in Homöopathie und Schulmedizin

Der Grund für das, neben der etablierten Schulmedizin lange Zeit eher stiefmütterliche, Dahinvegetieren der Homöopathie war sicher nicht das Ähnlichkeitsprinzip. »Similia similibus curentur« (»Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden«) stellt den zentralen Grundgedanken der homöopathischen Heilmethode dar. Auch dieses Buch kommt immer wieder auf das Ähnlichkeitsprinzip zurück, wird ihm doch in der modernen Homöopathieforschung größte Wichtigkeit beigemessen. Diesem Wirkprinzip zufolge vermag eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Krankheitssymptome hervorruft, einen Kranken mit denselben oder ähnlichen Symptomen zu heilen. Genau wegen dieses Prinzips haben die Gegner der Homöopathie diese Heilmethode immer wieder abschätzig belächelt und deren Vertreter verspottet. Das sei ja, als ob man bei einer Verbrühung gleich noch einmal heißes Wasser hinterherkippe, anstatt zu kühlen, oder bei einem Bienenstich den Gestochenen noch einmal von einer Biene stechen ließe, wird da gelästert.

Dabei vergessen die Spötter eines: Das Ähnlichkeitsprinzip ist auch der Schulmedizin nicht fremd! So scheint es kaum jemand aufgefallen zu sein, dass Edward Jenner, der »Urvater« der Impfung, und Samuel Hahnemann, Gründer der Homöopathie, nicht nur in derselben Epoche lebten, sondern dass die Erkenntnisse beider Männer über das Ähnlichkeitsprinzip im selben Jahr veröffentlicht wurden.

1796 veröffentlichte Hahnemann im Journal der praktischen Arzneikunde seine Erfahrungen mit der Chinarinde. Sechs Jahre zuvor musste dieser im Selbstversuch erkennen, wie er, der Gesunde, beim Einnehmen von »vier Quäntchen guter China« Symptome entwickelte, die stark an das »Wechselfieber« (heute würde man von Malaria sprechen) erinnerten, gegen das das Mittel eigentlich eingesetzt wurde. Daraufhin unternahm Hahnemann noch eine ganze Reihe weiterer Tests (Arzneimittelprüfungen genannt) mit anderen Mitteln, bevor er mit seiner neuen Heilmethode an die Öffentlichkeit trat.

Im Mai desselben Jahres führte Edward Jenner in England seine erste Pockenimpfung an einem Jungen durch. Ihm wird die bahnbrechende Entdeckung zugeschrieben, dass bei Bauern, welche die weniger gefährlichen Kuhpocken durchgemacht hatten, eine erhöhte Resistenz oder gar völlige Immunität gegen die weitaus gefährlicheren »Blattern« bestand. Daraus folgerte er: Durch eine künstlich herbeigeführte Infektion mit Kuhpocken könne ein Schutz gegen die Pocken entstehen. Dies war die Geburtsstunde der modernen Impfung und Immunisierung – und (!) ein ganz typisches Beispiel für das homöopathische Ähnlichkeitsprinzip.

Die hohen Verdünnungen der Homöopathie

Warum, mag man nun ein wenig verblüfft fragen, hat die Homöopathie in der Medizin dann eher ein Außenseiterdasein geführt, während die Immunisierung durch Impfung bis heute von etablierter Seite als eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin bejubelt wird? Dafür lassen sich mehrere Gründe anführen, doch der wichtigste dürfte sicherlich in den extrem hohen Verdünnungen der homöopathischen Mittel liegen. Hahnemann wurde rasch klar, dass er bei der Anwendung giftiger und infektiöser Stoffe mit starken Reaktionen rechnen musste – sowohl in der Testung (Arzneimittelprüfung) am Gesunden als auch bei der Anwendung am Kranken. Da er seinen Beruf als Arzt schon einmal an den Nagel gehängt hatte, weil er die recht brutalen Heilmethoden seiner Zeit, wie den schwächenden Aderlass und die Behandlung mit stark giftigen »Antibiotika« (damals wurden hochtoxische Quecksilberverbindungen verwendet), nicht verantworten konnte, nahm er bei seiner neuen Heilmethode das »primo nihil nocere« (»zuerst einmal keinen Schaden zuzufügen«) des ärztlichen Versprechens sehr ernst. Also verdünnte er die Ausgangssubstanz. Er verdünnte und verschüttelte, verdünnte und verschüttelte, bis er die Avogadro´sche Zahl (6.0221351 x 1023) überschritten hatte.

Avogadro, ein italienischer Physiker, hatte Anfang des neunzehnten Jahrhunderts berechnet, ab welchem Verdünnungsgrad kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr vorhanden ist. Seither weiß man, dass ab der 12. Centesimalpotenz (C12) oder der 24. Dezimalpotenz (D24) chemisch gesehen nichts mehr enthalten ist. Das bedeutet: Homöopathen arbeiten bei Potenzen bis zur C12 mit zunehmend weniger Molekülen, ab der C12 – naturwissenschaftlich gesehen – mit keinem einzigen Molekül der Ausgangssubstanz, also mit »nichts«. Der etablierten Medizin war und ist das bis heute entschieden zu wenig. Da halfen auch all die Erfolgsmeldungen der Homöopathie nichts, beispielsweise bei den Typhus- und Choleraepidemien jener Zeit, in denen sie hervorragende Resultate erzielte. Denn wo nichts (oder kaum was) drin ist, da kann auch nichts (oder nur wenig) sein, das hilft.

Die Pockenimpfung – effektiv, aber reich an Nebenwirkungen

Edward Jenner war schon eher ein Vertreter der alten Schule und daher weniger zimperlich. Er impfte seinen ersten Probanden, den bereits erwähnten Jungen, mit einem Filtrat aus dem Hautausschlag der Kuhpocken. Nur sechs Wochen später infizierte er ihn dann mit den echten Pocken. Der Versuch glückte, der Junge überlebte und wurde nicht krank. Jenners Sohn und viele andere hatten dagegen weniger Glück. Vom Vater im zehnten Lebensmonat eigenhändig geimpft, wurde das Kind nach der Impfung schwachsinnig und starb mit 21 Jahren. Auf dem eigenen Sterbebett soll der englische Arzt deshalb seine Entdeckung noch infrage gestellt haben.

Doch die Pockenimpfung hatte offensichtlich Erfolg – mit ihr gelang beinahe die Ausrottung dieser gefährlichen Erkrankung. Und: Sie stellt ein klassisches Beispiel für die Richtigkeit des homöopathischen Ähnlichkeitsgesetzes dar! Jedoch war sie – da nicht ausreichend abgeschwächt – bis zum Schluss mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, die man jedoch von medizinischer Seite in Kauf nahm, um der Seuche Herr zu werden. Das Motto der Gesundheitsbehörden war: lieber ein paar Schwachsinnige, Dahinsiechende und etliche impfbedingte Todesfälle als eine Epidemie mit Unmengen von Toten. Verständlich, könnte man vielleicht sagen und dennoch wurden Tausende von Menschen Opfer des Impfstoffs. Deshalb wurde die ehemalige Pflichtimpfung mit der »offiziellen« Ausrottung der Pocken umgehend aus dem Verkehr gezogen.

Wie kann eine »Placebomedizin« neben der Schulmedizin so erfolgreich sein?

Zurück zur Homöopathie: Für den naturwissenschaftlich aufgeklärten Geist des 19. und 20. Jahrhunderts war es klar, dass die Homöopathie »reinster Hokuspokus« sein musste. Hahnemann und Co. hatten es mit dem »primo nihil nocere« einfach zu weit getrieben. Mögliche positive Effekte eines homöopathischen Mittels wurden als reiner Placeboeffekt abgetan. Die Frage ist, warum wirkt sie dann bei Kleinkindern und Tieren? Sollten sich Eltern und Tierhalter die positiven Effekte wirklich nur einbilden? Wenn dem tatsächlich so wäre, muss man sich fragen, warum sich dann diese angebliche »Placebomedizin« trotz allem so erfolgreich neben der Schulmedizin halten konnte und kann? Vielleicht für eine Weile von ihr in den Schatten gestellt, aber doch seit 200 Jahren präsent. Ärzte können mittlerweile sogar eine Fachausbildung zum Homöopathen absolvieren, was ihr Studium um einige Jahre verlängert – nur um als Experte für und mit dem großen »Nichts« zu arbeiten?

Mittlerweile gilt die Homöopathie als wichtigste Alternative zur etablierten Medizin. Seit einigen Jahren reitet sie auf einer Welle breiter öffentlicher Akzeptanz: Hinz und Kunz, junge Mütter mit ihren Kindern, Ökos, ja sogar tüchtige Geschäftsleute sowie Omas und Opas, also das ganze Spektrum der Bevölkerung geht heute nicht nur in den Bioladen, sondern auch zum Homöopathen. Anfangs haben viele Mediziner ihre Patienten noch lauthals ausgelacht, wenn sie die Einnahme homöopathischer Mittel eingestanden. Heute ist man vielfach aufgeschlossener. Gefragt nach einem möglichen Sinneswandel, versuchen die ehemaligen Gegner das Gesicht zu wahren. Man besinnt sich wieder auf das alte, scheinbar vergessene »primo nihil nocere«. Nicht dass man nun als Naturwissenschaftler unbedingt an die Homöopathie glaube. Aber bei vielen banalen oder viralen »Wehwehchen«, zu deren Behandlung früher ein Antibiotikum (»unter uns, eher als Placebo oder weil danach gefragt wurde«) verordnet wurde, täte es ein homöopathisches Mittel genauso, nach dem Motto: »Wenn es hilft, dann ist es gut, schaden tut’s sicherlich nicht.« Das eigene Immunsystem sei einfach nicht zu übertreffen. Klingt aus solchen Worten ein neuer therapeutischer Realismus heraus? Oder schlimmer gar, das indirekte Eingestehen therapeutischen Versagens? Vielleicht ist es erlaubt, die Fragestellung einmal umzudrehen: Falls die Homöopathie wirklich nur auf einem reinen Placeboeffekt beruhen sollte, was sagt dies über Zustand, Effizienz und Wirksamkeit der etablierten Medizin und ihrer Medikamente aus, wenn sich so etwas »Schamanenhaftes«, das mit dem »Nichts« arbeitet, neben ihr so erfolgreich halten kann? Mit den großen Errungenschaften der modernen Medizin kann es ja nicht so weit her sein. Die Schulmedizin kann also nur hoffen, dass sich die Homöopathie als eine effektive Heilmethode erweist. Ansonsten würde sie selbst, so etabliert sie auch dastehen mag, ein recht trauriges Bild abgeben.

Wie es aussieht, hat die etablierte Medizin noch einmal Glück gehabt, denn die Forschungsergebnisse der letzten Jahre in Bezug auf die Wirksamkeit der Homöopathie sind viel versprechend und aufregend. Dies lässt auf weitere Untersuchungen hoffen. Die Neugier nicht vieler, doch zumindest einiger Wissenschaftler ist geweckt. Sie stehen heute kurz davor, erklären zu können, warum und wie das »Nichts« in den homöopathischen Mitteln wirkt. Für skeptische und dennoch aufgeschlossene Naturwissenschaftler ein höchst spannendes Thema!

Zusammenfassend lässt sich somit sagen: Homöopathie und Immunisierung durch Impfung scheinen auf einem ähnlichen Wirkprinzip zu beruhen. Während beide Methoden heute mit abgeschwächten Ausgangsstoffen arbeiten, um gefährliche Reaktionen zu vermeiden, erfreut sich nur die Impfung größter offizieller Anerkennung. Die Homöopathie dagegen wird von offizieller Seite weitgehend als Placebomedizin abgetan. Dennoch gewinnt sie in der Bevölkerung zunehmend an Popularität. Die etablierte Medizin muss sich also fragen, in welchem Zustand sie sich befindet, wenn sich eine Heilmethode hartnäckig neben ihr halten kann, die angeblich nur auf wirkungslosen Zuckerkügelchen basiert. Oder sind Homöopathika vielleicht doch viel effektiver als bisher gedacht oder erlaubt?

In den kommenden Kapiteln werde ich im Detail auf die neuen Erkenntnisse in der Homöopathieforschung eingehen. Zuerst soll aber das geschichtliche und wissenschaftliche Fundament, auf dem die Homöopathie steht, umrissen werden. Anschließend sollen klinische Studien am Menschen verdeutlichen, dass homöopathische Mittel bei vielen Beschwerden eine weit bessere Wirkung aufweisen als ein Placebo. Neue physikalische Erkenntnisse über potenziertes Wasser als möglichen Informationsspeicher scheinen den Transfer von Information auf Zellkulturen und lebende Organismen zu erlauben. Was geht hier vor sich? Um das alles verstehen zu können, muss man die chemischen Erklärungsmodelle verlassen und sich in die moderne Biophysik begeben. Zudem existieren eindeutige Hinweise, die besagen, dass Homöopathika bei Zellkulturen und lebenden Organismen Wirkungen zeigen, bei denen weder ein Placebo noch Suggestion eine Rolle spielen. Welche Konsequenzen haben diese modernen Erkenntnisse zur Homöopathie für Gesundheitswesen, Behandler und Patienten? Zur Beantwortung dieser Fragen gibt es mittlerweile Erklärungsmodelle, auf die ich im Folgenden eingehen werde.

Empirische Erfolge bei Homöopathie und Aspirin®

Der überzeugte Homöopathieanwender könnte nun den Kopf schütteln und sagen: »Mir ist das alles egal. Ich weiß, dass die Homöopathie funktioniert – das reicht mir.« Nun, es mag so sein wie mit dem Aspirin®. Jahrzehntelang konnten sich die Wissenschaftler nicht erklären, warum es so erfolgreich bei Kopfschmerzen war. Dies ließ die meisten Schulmediziner völlig kalt, denn empirisch war der Erfolg gesichert. Der große Unterschied ist jedoch: Eine Tablette Aspirin® enthält 500 mg Acetylsalicylsäure, eine chemische Substanz, von der man wusste, dass sie biochemisch irgendetwas anstellen würde. Dem gegenüber enthält eine homöopathische Tablette – nach gängiger naturwissenschaftlicher Meinung – ab einer bestimmten Verdünnung bzw. Potenz nichts mehr, was noch irgendetwas bewirken könnte. Das scheint so nicht länger haltbar zu sein. Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse dürften somit nicht nur das Bild der Homöopathie, sondern auf Dauer auch das der Schulmedizin revolutionieren. Für die Anhänger der Homöopathie ist das beginnende 21. Jahrhundert deshalb eine aufregende Zeit.

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