Читать книгу Die Mauer in meinem Kopf - Sybella Jersch - Страница 9

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Kapitel 3

Der Krankenhausalltag

Nur sehr langsam begann ich mich an die neue Situation zu gewöhnen. Das Krankenhaus ist eine Welt für sich. Mit seinen eigenen Regeln und seinen eigenen Abläufen.

Die Klinik ist so gebaut, dass man eine Art Innenhof im Gebäude gelassen hat. Wenn ich also auf den Flur trat, konnte ich hinauf oder hinab auf die anderen Stationen schauen, da alles verglast ist.

Ich hatte mein Zimmer im dritten Stock. Dort waren Patienten untergebracht, welche keine Gefahr für sich oder andere darstellten. Wir durften uns frei bewegen.

Es gab aber auch geschlossene Stationen.

Im Stock über mir waren psychisch Kranke, welche eine Straftat verübt hatten. Die nahmen schon mal einen Stuhl und schmissen ihn gegen die Türe, schrien herum und warfen Plastikflaschen und Papier aus dem Fenster.

Im Stock unter mir waren Patienten mit nicht heilbaren Psychosen oder Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium.

Diese armen Menschen schrien Tag und Nacht um Hilfe, weil sie nicht mehr wussten, wo sie waren.

Dieses Schreien war wirklich furchtbar. Es begleitete einen den ganzen Tag und auch die Nacht. Die Nächte waren am schlimmsten. Zusätzlich hatte ich eine neue Mitpatientin in mein Zimmer bekommen. Jeden Abend von 22.00 Uhr bis 23.00 Uhr hatte sie die Angewohnheit, mit ihrem Mann am Handy zu streiten. Das Handy war auf Mithören gestellt, sodass wir anderen alles mitbekamen. Nach dem Streit legte sie sich ins Bett und war in fünf Sekunden eingeschlafen. Sie schnarchte, dass sich die Balken bogen. Dann, plötzlich, wachte sie auf, setzte sich auf die Bettkante und begann eine Tüte Chips zu essen. Hatte ich schon erwähnt, dass sie stark übergewichtig war?

Leider gab es auch viele dunkle Stunden. Stunden, in denen ich nicht mehr weiterwusste.

Eine der dunkelsten Stunden war, als ich alleine in meinem Zimmer war. Ich hatte das Gefühl, dass mir jemand in den Nacken hauchte. Tatsächlich spürte ich den Hauch wirklich. Ich spürte auch Hände, die sich an meinen Schultern festhielten. Und ich hörte ganz deutlich ein Stöhnen. Es war so unfassbar schrecklich. Es fühlte sich alles so real an, dass ich glaubte, meinem Verstand zu verlieren. Dann begann das Zähneklappern, die unkontrollierten Krämpfe, bis schließlich mein ganzer Körper ein einziger Klumpen voller Krämpfe war. Ein Arzt wurde gerufen und er gab mir eine Spritze. Nach kurzer Zeit löste sich der Klumpen wieder in Hände, Füße und Körper auf, und ich fiel in einen tiefen Schlaf. An einem anderen Tag waren wir walken. Ich fühlte mich gut und von einer Sekunde auf die nächste wurde mir schwindelig und ich fiel einfach um. Sie brachten mich sofort auf mein Zimmer und ich wurde versorgt.

Alles brach immer aus dem Nichts hervor. Nie konnte ich mir sicher sein, nie ohne Angst vor dem nächsten Krampfanfall leben. Ich hatte mich selbst verloren. Ich traute mir selbst nicht mehr. Ich verfiel wieder in eine tiefe Depression. Meine schlimmste Angst war, verrückt zu werden oder schon zu sein.

Die Tage erschienen mir wie eine lange Perlenkette. Perlen, die aneinandergereiht waren. Eine Perle glich der anderen. Verbunden mit einem dünnen Faden. Zerbrechlich. Und wenn der Faden riss, war alles kaputt und man musste mühselig die Perlen wieder an einem neuen Faden aufziehen.

So vergingen die ersten zwei Wochen. Endlich durfte ich an diesem Wochenende zum ersten Mal nach Hause. Mein Mann und ich freuten uns sehr. Endlich wieder Privatsphäre. Endlich wieder Zweisamkeit. Endlich wieder etwas Normalität.

Aber meine Krankheit hatte mich in ihrem Griff. Und nichts mehr war „normal“.

Die Mauer in meinem Kopf

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