Читать книгу Tommy Löwenfreund, der mutigste Junge der Welt - Sylvia Englert - Страница 5

2. Geschichte, in der Tommy einen Zahn zieht und mit Zuckerwatte die Zirkusvorstellung rettet

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Zu Hause angekommen, warf Alex seinen Ranzen in eine Ecke und schrie: „Papa! Ich habe einen Jungen mit einem Löwen getroffen!“

Sein Papa war gerade in der Küche und bastelte an der Deckenlampe herum, während auf dem Herd Spaghettisoße blubberte. Niemand konnte Dinge so gut reparieren wie Alex´ Papa. „Ein Junge mit einem Föwen? Was soll denn das sein?“

„Einem Löwen!“, brüllte Alex. „Sooo groß! Und braun! Und mit riesengroßen Zähnen! Und ganz und gar echt! Auf der Straße!“

„Auf unserer Straße?“, sagte sein Papa und fiel vor Schreck fast von der Leiter. Mit einem „Plopp“ plumpsten drei Schrauben in die Soße.

Alex machte sich gleich daran, sie herauszufischen, und bei einem ordentlichen Teller Spaghetti beruhigte sich sein Papa wieder. Und er fand es eine gute Idee, zusammen in den Zirkus zu gehen. Am liebsten hätte Alex sofort wieder seine Jacke angezogen und wäre zur Gänsewiese gerannt. Doch er und Papa mussten noch darauf warten, dass Mama von der Arbeit heimkam.

Dann konnten sie endlich los. Alex hielt die drei Eintrittskarten fest in der Hand.An diesem Nachmittag roch es auf der ganzen Gänsewiese nach Popcorn und Zuckerwatte, Stroh und Tieren. „Hereinspaziert! Staunen Sie über den mutigsten Jungen der Welt!“, rief vor dem Zelteingang ein Clown und schwenkte ein Plakat. Darauf war ein Junge mit einem Löwen zu sehen. Moment mal, das waren doch Tommy und Brüllmähne!

Seine Eltern wollten schon auf ihre Plätze, aber Alex durfte noch ein bisschen herumlaufen. Er bewunderte die vielen Zirkuswagen, die rot und gelb bemalt waren und auf denen „Circus Ferinelli“ stand. Nur Tommy konnte er nirgends entdecken.

Doch, da war er! Tommy hockte auf dem Dach eines Wagens und winkte Alex fröhlich zu. Sein Wohnwagen sah anders aus als die anderen. Er war über und über mit Handabdrücken in Blau, Grün und Orange bedeckt und sah lustig und bunt aus.

„Komm hoch, Alex!“, rief Tommy und reichte Alex eine Hand, damit er es aufs Dach hinauf schaffte.

„Bist du wirklich der mutigste Junge der Welt?“, fragte Alex und lugte nach unten. Der Boden war ziemlich weit weg! Aber es war schön hier. Das Dach war warm von der Sonne und man konnte über das ganze Zirkusgelände schauen.

„Ach, ich weiß nicht.“ Tommy sah verlegen aus. „Es gibt bestimmt in Hinterindien oder Vorderasien scharenweise Kinder, die noch viel mutiger sind als ich! Nur haben sie vielleicht gar keine Lust, im Zirkus aufzutreten, weil sie ständig damit beschäftigt sind, Giftschlangen mit der Hand zu fangen, freche Wirbelstürme an Bäume zu binden oder so was.“

„Ach so“, sagte Alex. „Wo ist eigentlich Brüllmähne?“

Tommy deutete auf einen Käfigwagen. Tatsächlich, darin lag der große Löwe. Er hatte den Kopf auf die Pfoten gelegt und sah missmutig aus. „Leider muss er vor dem Auftritt im Käfig bleiben, weil die Zuschauer sonst ganz blass werden und nach der Polizei rufen.“

Das Wort „Auftritt“ hatte Tommy wohl an etwas erinnert, denn er rief: „Jetzt hätte ich´s fast vergessen – ich muss noch mein Kostüm anziehen!“, und sprang mit einem Satz vom Wagen. Dann half er Alex, vom Dach herunterzukommen, und schlüpfte geschickt durchs Fenster in den bunt bemalten Wohnwagen. Alex rannte zurück ins Zirkuszelt. „Da bist du ja endlich!“, sagte seine Mama. „Es geht gleich los!“

Ja, tatsächlich, die dicke Zirkusdirektorin mit den unglaublich vielen Locken begrüßte die Zuschauer. Die Vorstellung begann! Alex lachte über drei Ziegen, die als Piraten verkleidet auftraten, und über den Clown, der versuchte, ein Lama zu zähmen, was aber immer wieder schiefging. Er staunte über einen Hund, der buchstabieren konnte, und darüber, dass die Zauberin einen Zwerg durchsägte. Er bewunderte die Akrobaten und die schönen weißen Pferde. Trotzdem wurde Alex langsam ungeduldig. Wann trat endlich Tommy auf?

Schließlich wurde um die Manege herum ein Gitter aufgebaut, und die Zirkusdirektorin verkündete: „Und jetzt, meine Damen und Herren, sehen Sie das berühmteste Mitglied unserer Truppe: Tommy, den mutigsten Jungen der Welt und jüngsten Raubtierbändiger aller Zeiten!“

Schon stürmten Tommy und Brüllmähne in die Manege. Brüllmähne sprang auf ein Podest, brüllte und fauchte und hieb mit den Vorderpfoten um sich. Tommy stand ganz nah vor ihm und blickte ihm in die Augen. Alex´ Herz klopfte. Das sah ziemlich gefährlich aus! Doch bestimmt würde Brüllmähne Tommy nie etwas tun, er war ja sein Freund.

Jetzt begann Tommy zu singen und Brüllmähne sprang im Rhythmus dazu über Tommy hinweg. „Ooooh!“, machte das Publikum.

Doch dann hörte die Musik auf, und Brüllmähne schien auf einmal krank zu sein, er krümmte sich zusammen und blickte elend drein.

„Er hat Zahnschmerzen“, verkündete Tommy. Alle Leute im großen Zirkuszelt hielten den Atem an, als er Brüllmähne befahl, das Maul aufzusperren, und mit einer Taschenlampe hineinleuchtete. Dabei war fast sein ganzer Kopf zwischen Brüllmähnes Reißzähnen. Jetzt ließ sich Tommy eine riesige Zange bringen und strengte sich mächtig an, um Brüllmähne den kranken Zahn zu ziehen. Das Zirkusorchester spielte einen Trommelwirbel. Triumphierend zeigte Tommy den gezogenen Zahn vor, der so aussah, als wäre er aus Plastik. Ach so, die beiden hatten nur so getan!

Alex klatschte, bis ihm die Hände wehtaten, und sein Papa sagte: „Du hast ja wirklich einen tollen neuen Freund. In seinem Alter habe ich keine Löwen gezähmt, sondern Kaninchen!“

Nach Tommys Auftritt war erst einmal Pause. Alex´ Mama war in so guter Stimmung, dass sie drei Portionen Zuckerwatte spendierte, für jeden von ihnen eine. Leider konnte Alex sie nicht überreden, auch noch etwas am Spielzeugstand zu kaufen, zum Beispiel einen dieser tollen Leuchtstäbe.

Nach der Pause kam eine Nummer mit einer Elefantendame namens Mimi und ihrem Dompteur. Doch diesmal ging alles schief. Ein Zuschauer in der ersten Reihe schwenkte vor lauter Begeisterung einen Leuchtstab direkt vor Mimis Gesicht. Mimi machte einen Satz nach hinten, flappte mit den Ohren und trompetete vor Schreck. Ihr Dompteur fiel von ihrem Rücken, bekam den Mund voller Sägemehl und konnte nur noch „Mmpf!“ sagen. Vielleicht sollte das „Ganz ruhig, Mimi!“ heißen, aber Mimi verstand bestimmt kein Wort. Sie trampelte los. Überall sprangen Zuschauer auf und rannten weg.

Erschrocken duckten sich Alex und seine Eltern. Zum Glück lief Mimi nicht in ihre Richtung.

Unter Mimis riesigen Füßen gingen Stühle und Bänke der ersten Reihe zu Bruch, überall flogen Holzteile herum. „Nur keine Panik, meine Damen und Herren! Nur keine Panik!“, rief die Zirkusdirektorin, aber niemand hörte zu. Drei Männer, die wie Tierpfleger aussahen, versuchten Mimi mit einem Seil einzufangen. Doch das klappte nicht und Mimi sah noch ängstlicher aus als vorher.

Mama packte Alex´ Hand und sprang auf. Da stand plötzlich Tommy vor ihnen, diesmal ohne Brüllmähne. „Ihr wollt schon gehen?“, sagte er und sah enttäuscht aus. „Bleibt doch noch ein bisschen! Mir wird schon was einfallen!“

Tommy zwickte sich in die Nase, vielleicht konnte er so besser nachdenken. Dann leuchteten seine Augen auf. „Gebt mir eure Zuckerwatte!“, sagte er, und in Windeseile hatte Tommy von allen Leuten in der Nähe Zuckerwatte eingesammelt. So viel davon trug er, dass er fast aussah wie eine dicke, rosa Wolke.

Damit rannte er auf die wilde Mimi zu. Alex hielt den Atem an. Jetzt stand Tommy direkt vor ihren stampfenden Füßen.

Zuerst passierte gar nichts. Doch dann schnupperte Mimi. Und schnupperte noch mal. Jetzt sah sie schon nicht mehr ganz so erschrocken aus. Vorsichtig streckte die Elefantendame den Rüssel aus und Tommy hielt ihr eine Zuckerwatte hin. Mimi stopfte sie ins Maul und fraß sie auf. Mit Stiel. Dann schnaufte sie. Es klang sehr zufrieden.

„Wenn du jetzt wieder lieb bist, kriegst du noch eine“, sagte Tommy, und Mimi schnupperte gierig. Ganz ruhig folgte sie Tommy zurück in die Manege. Erleichtert klatschten und jubelten die Zuschauer. Mimis Dompteur hatte sich inzwischen erholt und brachte seine Elefantendame zurück in ihren Stall.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie bekommen natürlich sofort neue Zuckerwatte – kostenlos!“, verkündete die Direktorin. „Und dann geht die Vorstellung weiter.“ Schon trugen die Zirkusleute die kaputten Bänke hinaus. Alle anderen Zuschauer rutschten ein bisschen zusammen, damit jeder einen Platz fand.

Und Alex dachte ganz für sich: Tommy kann sagen, was er will. Ich jedenfalls finde, er ist doch der mutigste Junge der Welt!

Tommy Löwenfreund, der mutigste Junge der Welt

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