Читать книгу Winterreise - Tanja Bern - Страница 6
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ОглавлениеIch steige die Treppe hinauf, und mit jedem Schritt werde ich langsamer. Es widerstrebt mir, Thomas schon heute gegenüberzutreten. Mit Unbehagen bleibe ich auf den Stufen stehen und überlege, was ich ihm sagen soll.
Die Wohnungstür wird aufgerissen, und ich dränge mich instinktiv nah ans Geländer.
„Sorry, bin spät dran!“ Meine Schwester Maeve wirft mir ein verschmitztes Lächeln zu, während sie an mir vorbeistürmt.
„Coole Haarfarbe“, rufe ich ihr hinterher. Ich warte einen Moment und lächle sie an, als sie noch einmal durch das Geländer zu mir hochlugt.
„Ja? Gefällt es dir?“ Sie zupft an ihrem fliederfarbenen, kurzen Schopf.
„Ist viel besser als das Pink.“
„Mum findet es furchtbar, aber Daddy ist begeistert.“
„Das wundert mich jetzt nicht. Aber nun geh, sonst kommst du zu spät. Bandprobe, oder?“
Maeve nickt, salutiert wie ein Soldat und huscht hinaus.
Ich bin wieder allein und sehe auf die Tür, die nur angelehnt ist. Gitarrenklänge hallen dumpf zu mir herunter. Ich höre Thomas auflachen. Mum hat ihn wohl aufgeheitert, vielleicht auch Hoffnungen in Bezug auf mich gemacht.
Mit einem tiefen Atemzug schließe ich die Augen und horche in mich hinein. Was will ich? Wie möchte ich mein zukünftiges Leben verbringen? Und vor allem, soll Thomas ein Teil davon sein?
In mir formt sich ein klares Nein, stattdessen geistert Ethan in meinen Gedanken herum. Ethan?
Ich schüttle den Kopf und vertreibe die inneren Bilder, reiße mich zusammen und gehe schließlich nach oben in die Wohnung. Meine Jacke hänge ich an einen freien Garderobenhaken und schlüpfe aus meinen Winterstiefeln. Noch hat mich niemand bemerkt, deshalb gehe ich zu meinem Vater ins Wohnzimmer.
„Hey Dad.“
Er hält in seinem Gitarrenspiel inne und sieht zu mir auf, streicht sich mit der rechten Hand das lange, zottelige Haar hinters Ohr. Ich setze mich zu ihm auf die Couch.
„Weißt du, dass Thomas überall nach dir gesucht hat?“
Ich zucke mit den Schultern und lehne mich zurück. Meine Finger streichen über den abgewetzten Stoff des Sofas. Es fühlt sich vertraut an.
„Was ist passiert, Kleines?“
„Thomas hat mich vor die Wahl gestellt. Ihn zu heiraten oder zu gehen, wenn ich nicht sicher bin,“ antworte ich leise.
Dad brauche ich nichts weiter zu erklären. Er legt seufzend den Arm um mich, und seine Wärme hüllt mich direkt ein. Für einen Moment genieße ich seine Nähe und seinen stillen Trost.
„Ich fürchte, ich muss da jetzt mal was klären.“
„Ja, da kommst du wohl nicht drum herum.“
Zurück in dem kleinen Korridor, der alle Zimmer miteinander verbindet, werfe ich einen Blick in den Spiegel. Meine braunen Locken stehen durch die Feuchtigkeit in alle Richtungen ab, und ich bändige sie mit einem Zopfband. Rasch wische ich die Spuren zerlaufener Wimperntusche fort. Thomas soll nicht sehen, dass ich geweint habe.
„Sínead.“
Ich fahre herum.
Thomas steht in der Küchentür, sieht mich entgeistert an. „Ich habe dich überall gesucht!“
„Warum?“, bringe ich nur hervor.
„Warum? Sínead! Was ich gesagt habe, sollte dich nur aufrütteln. Ich konnte doch nicht ahnen, dass du …“
„… dass ich genau das tue, was du wolltest?“, unterbreche ich ihn.
Er fixiert mich mit prüfendem Blick. „Lass uns reden, ja?“
„Ist nicht schon alles gesagt?“
Meine Worte lassen ihn die Stirn runzeln. „Ich glaube, hier ist nicht der geeignete Ort dafür. Lass uns einen Tee trinken gehen“, antwortet er schließlich.
Schweigend laufen wir die Quay Lane zu einem urwüchsigen Tearoom hoch, den ich sehr mag. In meiner Jugendzeit haben Ethan und ich hier viele Nachmittage verbracht, gelacht, geredet und von unserer Zukunft geträumt.
Die Türglocke erklingt, als wir das Cupán tae betreten. Wir suchen uns einen der hinteren Tische aus, und plötzlich bin ich mir in einer Sache sicher: Thomas gehört nicht zu meinem zukünftigen Leben.
Selbstsicher winkt er die Bedienung heran, wir bestellen Tee, und während wir warten, dass der andere das Gespräch wieder aufnimmt, schweigt Thomas, und ich sehe mich um.
Die antike Holztheke wirkt wie aus einer anderen Zeit, darauf stehen Kuchen und Kekse. Die Wand dahinter wird von einem riesigen Regal beherrscht, in dem all die wunderbaren Teesorten lagern. Für einen Augenblick vergesse ich den Grund unseres Hierseins und genieße den Pfefferminzduft, der mit einem Hauch Himbeere den Raum erfüllt.
Als man uns den Tee bringt, streiche ich nervös die weiße Tischdecke glatt, gieße mir den schon fertigen Früchtetee aus dem Kännchen in die verzierte Porzellantasse.
Thomas ahmt es mir nach, pustet in die Tasse, nimmt einen Schluck. Dann eröffnet er endlich das Gespräch. „Also, wollen wir mal nicht um den heißen Brei reden. Wie ich schon sagte, sollten dich meine Worte nur irgendwie aufwecken.“ Er lächelt milde. „Damit du weißt, was du an mir hast.“
Soll das ein Scherz sein?
„Ich habe natürlich nicht vor, mich von dir zu trennen“, fährt er mit seinem Monolog fort. „Bitte versteh das nicht falsch. Wir sollten aber darüber reden, was in letzter Zeit mit dir los ist.“ Dann sieht er mich abwartend an.
Ich versuche, das Zittern meiner Hände zu unterdrücken, nehme einen Schluck Tee, suche Worte. „Ich bin unglücklich, Thomas. Du drehst alles so, wie es dir gerade passt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob du mich oder meine Wünsche auf irgendeine Art ernst nimmst. Du bestimmst lieber über mich.“
„Das ist doch gar nicht wahr! Außerdem bin ich hier und höre mir an, was du zu sagen hast.“
„Und ich bin gegangen, weil du mich vor die Wahl gestellt hast.“
„Ich sagte dir doch schon, dass ich das nur gesagt …“
„Aber du hast es gesagt, und ich habe reagiert.“
„Es tut mir leid, Sínead.“ Er streckt die Hand aus, will mir über die Wange streichen.
„Nicht!“, sage ich und weiche seiner Berührung aus.
Thomas zieht die Hand zurück, er wirkt verwirrt und verletzt. An seinem Gesichtsausdruck sehe ich, dass er nun endlich den Ernst der Lage begreift. „Du hast zu Hause gefordert, dass ich um dich kämpfe!“
„Und du bist in die Bar gegangen, Thomas. Mit den Worten, dass du ja sehen wirst, ob ich noch da sein werde.“
Er schnauft unwillig auf. „Das wirfst du mir vor? Du hast indirekt unsere Verlobung gelöst, indem du geschwiegen hast!“
„Ganz genau.“
„Wie, ganz genau? Was meinst du damit?“
„Dass ich die Verlobung gelöst habe“, antworte ich leise.
„Du … löst die Verlobung?“, wiederholt er fassungslos.
Mein Herz beginnt zu rasen, ich kämpfe darum, die Tränen zurückzuhalten. Mein Gefühl jedoch beharrt darauf, dass ich das Richtige tue. „Ja …“
Thomas starrt mich an, ich zwinge mich dazu, seinem Blick standzuhalten. Er steht so hastig auf, dass der Stuhl über den Boden schleift und ein lautes Quietschgeräusch macht. Ohne ein weiteres Wort verlässt er das Cupán tae, und ich bleibe aufgelöst zurück.
Ist meine Entscheidung richtig? Es fällt mir schwer, das zu beurteilen. Ich weiß aber, dass die Beziehung mich todunglücklich gemacht hat, und das ging so weit, dass ich seinen Heiratsantrag nur angenommen habe, weil ich mich nicht getraut habe, nein zu sagen.
Trotzdem trifft mich dieses harsche Ende unserer Beziehung. Ich senke den Kopf, versuche zu vertuschen, dass ich meine Tränen nicht aufhalten kann. Es sind zum Glück noch nicht viele Gäste in dem Teehaus, das ich eigentlich so liebe. Ob ich hier je wieder reingehen kann, ohne an diesen furchtbaren Tag zu denken?
Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Jemand stellt mir einen Teller hin, von dem einer der speziellen Cupán tae-Scones verführerisch duftet.
Verdutzt blicke ich auf. Die Besitzerin des Cafés lächelt mich an. „Geht aufs Haus.“
Ich kann nur ein leises Danke hauchen, weil ich direkt einen Kloß im Hals habe.
Die Süßigkeit schenkt mir ein bisschen Trost. Diese Scones werden in Tee getränkt und sind für mich das Leckerste, was in Galway zu finden ist. Das Gebäck ist schon aufgeschnitten, mit Butter und Himbeermarmelade bestrichen. Schlagsahne steht in einem Töpfchen auf dem Teller, und ich nehme auch davon.
Ich wünschte, Ethan wäre hier. Aber ich will ihn nicht behelligen, also kämpfe ich mit meiner Fassung.
Im Radio erklingen die ersten Töne von Ed Sheerans „Galway Girl“, und ich lächle traurig. Ich liebe dieses Lied. Es lässt etwas in mir erklingen, denn früher hat Ethan mich so genannt.
Ich reiße mich zusammen, esse meinen Scone auf und gehe zur Theke. Dort bestehe ich darauf, zumindest die beiden Tees zu bezahlen.
Wind kommt auf und weht einige Papierschnipsel vor mir her. Ein bestimmter Duft steigt mir in die Nase. Ich rieche den Charakter des Hafens: Fisch, Algen und ein Hauch der Schiffsausdünstungen. Ein schneller Blick zum Himmel bestätigt meine Ahnung. Lebt man hier, lernt man, dass der Regen nicht lange auf sich warten lässt, wenn sich die Gerüche der Stadt intensivieren.
Ich biege in die Einkaufsstraße ein, höre eine irische Fiddle und weiß sofort, dass es Fergus’ Spiel ist. Noch sehe ich meinen Bruder nicht, erspähe ihn dann aber unweit unseres Souvenirshops. Als er mich sieht, hält er inne und lässt die Fiddle sinken.
„Du gehst mit Thomas und kommst alleine zurück? Das ist nicht gut. Alles in Ordnung?“
Ich küsse ihn auf die Wange. „Ja, alles gut. Komm lieber rein, es wird regnen.“
Fergus seufzt ergeben auf. „Ich muss noch durchhalten. Dahinten kommt eine Touristengruppe, und ich brauch unbedingt ein bisschen Geld fürs Wochenende.“ Er zwinkert mir zu und setzt das Instrument wieder an. Die ersten Töne von „Down by the Sally Gardens“ erklingen. Ich weiß, dass er das Lied nicht gerne spielt, bei den Urlaubern kommt es jedoch jedes Mal gut an.
Die ersten Tropfen fallen vom Himmel, und ich ziehe seinen offenen Koffer unter unser Vordach. Er folgt mir, ohne innezuhalten, spielt kunstvoll und fehlerfrei. Fergus lockt die Touristen zu sich, sie hören mit versonnenen Gesichtern zu, einige spannen ihre Regenschirme auf.
Ich gehe in den Laden zu Mum, die mich argwöhnisch ansieht. Sie hat mir heute freigegeben, aber um mich abzulenken, werde ich ihre Schicht übernehmen. Sie setzt an, etwas zu sagen, doch ich schüttle den Kopf. Nicht jetzt!
Sie akzeptiert es mit zusammengezogenen Augenbrauen.
Der Regenguss lässt die Urlauber in unserem Laden Schutz suchen. Fergus zwinkert Mum verschwörerisch zu, während er den Song zu Ende spielt, und flüchtet dann ebenfalls zu uns ins Geschäft. Fast liebevoll legt er seine Fiddle zurück in den Koffer.
Die Fremden nutzen die Zeit, um unseren keltischen Schmuck, die Pullover aus irischer Wolle und all die Figuren anzuschauen. Ethan und ich haben uns früher immer ausgemalt, was geschähe, wenn all die Feen und Kobolde aus Kunststein lebendig werden würden. Wahrscheinlich hätten sie den ganzen Laden in ihrem Übermut verwüstet.
Fergus geht zu Mum an die Kasse und zeigt unauffällig auf die Gruppe, die er zu uns gelotst hat. Mit einem Augenrollen steckt sie ihm einen Schein zu, und ich muss mir ein Auflachen verkneifen. Was habe ich nur für einen gerissenen Bruder. Mum fällt immer wieder darauf rein.
Ich gehe zu den Bildern mit irischen Landschaften, richte sie so aus, dass sie sofort gesehen werden, ordne die Shamrock-Shirts nach Größen, kontrolliere die Tassen und Teller, auf denen irische Symbole aufgedruckt sind. Manchmal gehen einige von ihnen kaputt, und ich muss sie aussortieren.
Eine ältere Frau nähert sich mir, lächelt scheu. „Hast du Tasse mit Harfe?“, fragt sie in gebrochenem Englisch.
Zielsicher greife ich hinter die Schaf-Tassen und zeige ihr eine, auf deren Keramik in Smaragdgrün und Gelb wunderschöne Verzierungen sind. In der Mitte thront die keltische Harfe.
Mit einem verzückten Ausruf nimmt sie das Souvenir entgegen und bedankt sich überschwänglich.
Ich sehe ihr nach. Manchmal wünsche ich mir, Galway durch die verliebten Augen der Urlauber zu sehen. Für sie scheint die Stadt ein Ort voller Zauber zu sein.
*
Am späten Nachmittag fahre ich, um Ruhe zu finden, mit dem Fahrrad nach Salthill, um mich mit Ethan zu treffen. Im Sommer bei schönem Wetter ist der Sandstrand immer gut besucht. Jetzt im Dezember ist es der Ort, der mich mit Frieden erfüllt. Badetouristen gibt es nicht.
Der sonst so weiße Sand schimmert grau vor Feuchtigkeit. Seetang liegt am Ufer, wird vom Wasser hin- und herbewegt. Mutton Island versinkt fast im Nebel, wie eine Geisterinsel, die nur manchmal schemenhaft zu sehen ist. Der Freizeitpark Leisureland mit seinen Hotels und Pubs liegt weiter im Westen. Ich entferne mich von den Häusern und gehe bis zu den Wellenbrechern Richtung South Park. Es sind Felsen, die man zum Schutz gegen stürmischen Seegang in Richtung Atlantik aufgeschichtet hat. Möwen nutzen den Ort im Meer als Ruheplatz, Muscheln haften fest an dem glitschigen Gestein.
Ich laufe ein Stück über die asphaltierte Promenade bis zu einer kleinen Treppe, die zum Strand hinunterführt. Mich zieht es direkt ans Wasser.
Die Brandung ist heute wild und ungezähmt. Wellen schäumen an die Küste, die Gischt benetzt mein Gesicht. Möwen kreisen über mir, ihre Rufe hallen wie ferne Stimmen über den Strand.
Ich liebe die reduzierten Geräusche von Salthill im Winter.
Ich ziehe meine Schuhe aus, kremple mir die Hosenbeine auf und wate in die Wellen. Das Wasser befeuchtet trotzdem meinen Jeanssaum, aber das ist mir egal. Krebse huschen davon, als ich einen der Felsen hochklettere.
Ethan kommt den Strand herauf und hat Whiskey dabei. Ich muss lachen.
„Nach deiner Nachricht habe ich gedacht, das könntest du gebrauchen“, sagt er verschmitzt und hebt die Flasche mit der honigfarbenen Flüssigkeit an.
„Du weißt einfach immer am besten, was mir guttut.“
Ich rücke ein Stück zur Seite, damit er neben mir auf meinem Lieblingsfelsen Platz nehmen kann. Bevor er sich setzt, nimmt er den geschulterten Rucksack ab.
„Was hast du noch mitgebracht, Ethan?“
„Unter anderem zwei Gläser. Wir werden den guten Whiskey nicht aus der Flasche trinken.“ Triumphierend holt er zwei kleine Wassergläser hervor und schraubt die Flasche auf, um uns einzugießen.
Ich nehme mein Glas und schwenke die Flüssigkeit hin und her, fröstle aufgrund einer kalten Bö.
„Darf ich auf unser neu gewonnenes Single-Leben anstoßen? Oder käme das jetzt blöd?“
Ich antworte nicht, sondern proste ihm zu. Unsere Gläser klirren aneinander, und ich nehme einen vorsichtigen Schluck. Der Whiskey rinnt brennend meine Kehle herunter und schenkt mir wohlige Wärme.
Wir schauen schweigend aufs Meer, nippen an unserem Alkohol, und das erste Mal an diesem Tag fühle ich wieder inneren Frieden.
„Wie geht es dir, Sínead?“, fragt er dann leise.
„Ach, ich weiß es selbst nicht. Alles fühlt sich seltsam an.“
Ich sehe, dass ihm etwas auf dem Herzen liegt. Sein Daumen streicht immer wieder über das Glas, mit der Sohle seiner Trekkingschuhe schleift er über den Fels, und ab und zu zupft er an seinem Stoppelbart.
„Was willst du mich fragen, Ethan?“
Verdutzt begegnet er meinem Blick. „Verdammt, du kennst mich gut.“ Er lacht leise. „Komm mit mir auf die Tour.“
„Auf Sylvies Abenteuer-Tour?“
„Du würdest mal was anderes sehen, auf andere Gedanken kommen. Warst du in den letzten Jahren überhaupt mal raus aus Galway?“
„Nicht wirklich.“
„Dann komm mit. Deine Mum gibt dir bestimmt ein paar Tage frei, … wenn ich sie nett frage.“
Belustigt schnaufe ich auf. Aber er hat recht. Ethan wickelt Mum mit Leichtigkeit um den Finger.
Ich stelle mir vor, wie wir tagelang auf Entdeckungstour sind, uns womöglich ein Zimmer teilen. Der Gedanke lässt mein Herz höherschlagen. Vorfreude flammt in mir auf. Allerdings mischt sich auch eine unbestimmte Angst dazwischen, die ich nicht verstehe.
Oder die ich nicht verstehen will.
„Sínead?“
Ich nehme noch einen großen Schluck Whiskey, vertreibe damit die negativen Gefühle. „Ich überlege es mir.“
In dem Moment bricht sich eine Welle nah an dem Felsen und schwappt über unsere Beine. Ich schnappe erschrocken nach Luft, denn das Wasser ist eisig. Ethan flucht leise.
Aber dann grinst er. „Sogar das Meer will dir einen Schubs geben“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
„Sehr witzig“, grummle ich.
Der Zauber des Ortes ist für den Augenblick vorbei, mir wird binnen Sekunden eiskalt. Wir stehen auf und klettern zurück auf den Strand, meine Jeans trieft vor Nässe. Ihm merkt man nichts an, er ist hartgesottener als ich.
Ethan sieht mit einem prüfenden Blick zu mir rüber. „Komm, ich fahr dich nach Hause.“
„Und mein Fahrrad?“
„Das kriege ich hinten in den Wagen rein.“
„Okay.“
Auf dem Weg zum Land Rover zittere ich wie Espenlaub. „Und du bist dir wirklich sicher, dass ich auf deiner Tour nicht erfriere?“
Ethan hängt mir seine Jacke um die Schultern. „Nicht, wenn ich bei dir bin.“