Читать книгу Frühlingserwachen - Tanja Bern - Страница 6
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ОглавлениеEin seichter Wind umweht mich. Es ist noch Januar, doch die Bö ist mild wie im Frühling. Die Dämmerung bringt Zwielicht und feinen Nebel mit sich. Dennoch bleibe ich sitzen, warte auf Ethan, obwohl ich mittlerweile so sehr friere, dass mein Körper leicht zittert.
Ich habe mich auf eine Trockenmauer gesetzt und schaue mir die Umgebung an. Ein alter Hof ist in der Nähe, Wiesen umrahmen ihn. Der Fluss rauscht hinter mir, und ein Wäldchen beginnt am Ende der Mauer. Ich stelle mir vor, wie die Bäume ausschlagen, Vögel in ihnen singen, während der Duft von Wildblumen mich umweht.
Ein Lächeln umspielt meine Lippen, denn irgendwie fühle ich mich diesem Ort verbunden.
Etwas stupst mich an den Arm, und ich schrecke abrupt aus meinen Träumereien. Mein Herz rast, ich sehe einen schwarzen, kleinen Schatten von der Mauer springen. Verdutzt beuge ich mich nach hinten, erkenne eine zierliche Katze mit pechschwarzem Fell. Nur ihre Pfötchen sind weiß, als trüge sie kleine Sneaker-Socken. Sie beäugt mich mit ihren grünen Augen, in denen eine Spur Gold schimmert.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, sage ich sanft und halte ihr die Hand hin.
Zaghaft kommt sie näher, schnuppert an mir. Ihr Köpfchen schmiegt sich in meine Handfläche.
„Das Gleiche möchtest du wohl auch sagen, was?“
Die Katze gurrt leise, miaut mich an, was mich zum Lachen bringt. Sie sieht so süß und zierlich aus, aber ihr Maunzen hört sich an wie das Meckern von einem Ziegenlämmchen. Sie lässt sich ausgiebig kraulen. Mir fällt auf, dass sie recht mager ist.
Unerwartet versteift sie sich und fixiert etwas auf der Wiese. Die kleine Jägerin springt von der Mauer, verharrt still im hohen Gras, um dann einen großen Sprung zu wagen. Ich zucke zusammen, als ein leises Fiepen ertönt.
Die Schwarze schaut sich noch einmal zu mir um, in ihrem Maul trägt sie eine Maus. Dann trabt sie in Richtung Hof davon.
„Zumindest wirst du heute Abend nicht hungrig sein, kleine Freundin“, flüstere ich ihr zu.
Ich beobachte das Wohnhaus des Gehöfts, erwarte, dass jeden Moment im Inneren die Lichter angeschaltet werden. Doch es bleibt dunkel, der Ort scheint verlassen zu sein.
Das Geräusch eines Autos ist zu hören, ich sehe Ethans Land Rover den Schotterweg entlangkommen. Die Scheinwerfer blenden mich kurz, deshalb wende ich mich ab. Er steigt aus, die Autotür schlägt zu, seine Schritte nähern sich. Mir fällt es schwer, zu ihm aufzuschauen, ich beobachte noch immer den alten Hof.
Dann umfängt mich Wärme, Ethan hat mir eine Wolldecke mitgebracht.
„Danke“, wispere ich.
„Du frierst doch immer so schnell.“
Er setzt sich neben mich, ich spüre, dass er mich ansieht. Noch kann ich seinem Blick nicht begegnen.
„Hierher bist du noch nie geflüchtet“, sagt er mit heiserer Stimme.
„Weil ich zuerst nicht wollte, dass du mich findest. An allen anderen Orten hättest du mich aufgespürt.“
„Ja, das ist wahr. Ich habe dich schon gesucht.“
„Entschuldige, ich wollte nicht, dass du dich sorgst.“
Im Augenwinkel erkenne ich, dass er sich umsieht. „Warum gerade hierher?“
„Ich … ich weiß nicht. Es ist schön hier, oder?“
„Ja, in der Tat. Das müsste die Farm von Ray Brody sein.“
„Ist er verreist? Alles sieht so verlassen aus.“
„Nein, er ist vor einigen Wochen verstorben.“
„Oh nein …“
„Kanntest du ihn?“
„Nein, aber gerade war eine kleine Katze hier. Sie ist jetzt ganz allein.“
„Ich glaube, um die brauchst du dir keine Sorgen machen. Der alte Ray hat ihr bestimmt auch kein Katzenfutter gekauft. Wahrscheinlich ist sie von Anfang an wegen der Mäuse hier.“
„Trotzdem …“ Ich wage es, Ethan anzusehen. „Kanntest du ihn?“
„Nur sehr flüchtig aus dem Pub.“
„Was wird jetzt aus seinem Hof?“
Ethan zuckt mit den Schultern. „Wenn ich es richtig verstanden habe, interessiert sich sein Sohn nicht wirklich dafür, er lebt in Dublin.“
Ich ziehe die Decke enger um mich, senke den Kopf. „Wir meiden das Thema, Ethan.“
Für eine Weile herrscht Stille zwischen uns. Nur sein Atmen ist hörbar.
„Ich verstehe es nicht“, beginnt er. „Ich war wirklich sehr vorsichtig, das bin ich immer, hab nie ohne …“ Ethan bricht ab.
Ich verstehe trotzdem, was er meint.
„Wir beide sind nicht immer vorsichtig gewesen“, werfe ich ein.
„Mit dir ist es was anderes, Sínead.“
„Wäre ich also schwanger, wäre das kein Problem für dich?“, hake ich skeptisch nach.
„Dann hätte ich eine Familie“, flüstert er.
Jetzt drehe ich mich ganz zu ihm um, schaue ihn völlig überrascht an. Er vergräbt das Gesicht in seinen Händen.
Mir wird bewusst, dass wir zuweilen wirklich unvernünftig waren. Ich vertrage keine hormonelle Verhütung, deshalb habe ich immer auf Kondome zurückgegriffen. Bei Ethan war ich zuweilen nachlässig, was mir bei Thomas wirklich nie passiert ist.
„Wie handhabte Megan das Thema in eurer Beziehung?“
„Angeblich hat sie die Pille genommen. Wie sie mir jetzt sagte, hat sie die Tablette aber zwischendurch vergessen. Ich bestand aber sowieso immer auf eine zusätzliche Verhütung. So sehr vertraute ich ihr nicht.“
„Und trotzdem ist sie schwanger.“
„Ja.“
„Es gibt also nur zwei Möglichkeiten. Entweder eines der Kondome war nicht in Ordnung, oder sie lügt dich an.“
Ethan streicht sich durchs Gesicht.
„Ich glaube nicht, dass sie lügt.“
„Du kennst sie besser als ich.“
„Sie wollte mich anfangs raushalten.“
Ich verziehe unwillig das Gesicht. „Es dir zu verheimlichen wäre unfair gewesen. Wenn sie wirklich die Wahrheit sagt, ist es auch dein Kind.“
Ethan flucht leise und bettet den Kopf auf die verschränkten Arme, die er auf den Beinen abstützt. Ich ahne, dass die Situation weitaus komplizierter ist.
„Warum hat sie ihre Meinung geändert? Wieso hat sie es dir jetzt trotzdem erzählt?“
„Sie braucht meine Hilfe. Angeblich hat sie zurzeit keine Wohnung, keinen Job und ist ziemlich mittellos.“
„Das musst du mir bitte näher erklären. So einfach kann der Arbeitgeber nicht kündigen, wenn man schwanger ist.“
„Sie hat schon länger keinen Job, und sie wohnte in einer WG. Mit ihrer Mitbewohnerin gab es nun Streit, und sie musste gehen.“
„Was ist mit ihren Eltern?“
Ethan zuckt in einer hilflosen Geste mit den Schultern. „Ihre Mutter lebt nicht mehr, und das Verhältnis zu ihrem Vater ist miserabel.“
Nun entschlüpft mir ein Fluch. „Was erwartet sie denn jetzt von dir?“
Er schweigt, was mich alarmiert.
„Ethan?“
„Sie hat sich nicht konkret ausgedrückt. Aber ich kann sie ja schlecht auf die Straße setzen.“
Mir ist nicht mehr kalt. Eine Hitzewelle durchschießt meinen Körper, als mir bewusst wird, was er gesagt hat.
„Sie … sie wird bei dir einziehen?“
Er starrt mich mit geschocktem Ausdruck an. „Um Gottes willen, nein!“
Ich bin völlig verwirrt. Ethan greift nach meiner Hand.
„Sínead, diese Sache ändert nichts daran, dass ich dich liebe. Ich meine es ernst. Ich habe Megan etwas Geld gegeben. Sie wird erst einmal in einer Pension unterkommen.“
Seine klaren Worte schenken mir pure Erleichterung, und ich verschränke meine Finger mit den seinen. „Und das nickt sie einfach so ab?“
„Na ja, ich denke, sie hat es sich anders vorgestellt. Ich glaube, sie hat schon gehofft, mich zurückzugewinnen.“
Ich bin ihm dankbar für seine Ehrlichkeit.
„Sie braucht eine eigene Wohnung, wenn das Baby da ist.“
Ethan weicht mir aus, sieht zu Ray Brodys Hof, der nur noch schemenhaft zu erkennen ist.
„Was hast du dir überlegt?“, frage ich leise, weil ich ahne, dass er bereits etwas ausgeheckt hat.
„Ich könnte mit dir nach Hause gehen.“
Er betont es so besonders, dass ich sofort begreife, was er meint. „Ins Haus deiner Eltern?“
„Ja. Wir hätten dort viel mehr Platz.“
„Und Megan bekommt deine kleine Wohnung.“ Die ich in der kurzen Zeit als mein Zuhause angenommen habe.
Seit dem Tod seines Vaters vor einigen Monaten hat sich Ethan geweigert, das Haus auch nur zu betreten. Ein mulmiges Gefühl erfasst mich. An diesem Ort warten Erinnerungen, die teilweise sehr schmerzlich sind. Seine Mutter hat in dem Haus ihre letzten Tage verbracht, bevor sie den Kampf gegen den Krebs verlor. Dort hat Ethan seinen Vater vorgefunden, bereits tot.
„Wir könnten alles umbauen und renovieren“, schlägt er vor. An seinem Tonfall erkenne ich, dass er selbst nicht recht überzeugt ist.
Ich senke den Kopf, scharre mit den Turnschuhen kleine Gräben in die Wiese zu meinen Füßen. Wenn ich mir vorstelle, dass wir in Ethans Elternhaus ziehen, es komplett umbauen und nach unseren Wünschen gestalten, sträubt sich etwas in mir, das ich überhaupt nicht einordnen kann.
„Was ist denn, Sínead, ich hatte gedacht …?“
Ich weiß einfach nicht, wie ich ihm meine Gefühle dazu erklären soll.
„Bitte rede mit mir“, fleht er.
„Gib mir ein bisschen Zeit, ja? Ich … ich muss erst mal über alles nachdenken, es verdauen.“
Stille herrscht zwischen uns.
Ethan atmet schließlich durch, murmelt ein: „Okay.“
Ich stehe auf, um zu signalisieren, dass ich gehen möchte. Er folgt meiner Bewegung, greift nach dem Fahrrad.
„Ist sie noch … in der Wohnung?“, frage ich unsicher.
„Nein.“
Ich schaue ein letztes Mal auf die alte Farm. Dieser Ort berührt mich auf besondere Weise, aber ich verstehe nicht, warum.
„Dann lass uns nach Hause gehen“, sage ich und reiße mich von dem Anblick los.
Spät abends liege ich mit Ethan auf unserer Schlafcouch. Diese Megan-Sache nagt an mir. Die Vorstellung, dass Ethan ein Kind mit einer anderen Frau bekommt, hat mich erschüttert.
Ich lausche seinem Atem, doch das Geräusch schenkt mir heute keinen Frieden. So sehr fürchtete ich, dass eine Romanze unsere Freundschaft zerstören könnte. Jetzt hat etwas ganz anderes einen Riss in unsere noch so frische Liebesbeziehung entstehen lassen.
Ich drehe mich auf die andere Seite und starre durch die Ritzen des Rollos. Das Licht der Straßenlaterne blitzt hindurch, und ich fühle mich durch die diffuse Helligkeit gestört. Seufzend stehe ich auf, gehe zu der kleinen Küchenzeile, die sich im selben Raum befindet. Ich sehne mich nach einem Tee, doch der Wasserkocher ist so laut, dass Ethan aufwachen würde. Also stöpsle ich das Gerät aus und nehme es mit ins frühere Schlafzimmer.
Mein Blick fällt auf die Wandregale, die Ethan extra für meine Bücher angeschraubt hat. Ich sehe auf den Schreibtisch, den er mir gekauft hat, damit ich auch hier meine Gravierarbeiten ausführen kann.
Ich verharre, umklammere den Wasserkocher. Noch nie hat Ethan so etwas für eine andere Frau getan, seine Single-Wohnung war ihm immer heilig, keine seiner Freundinnen durfte dort einziehen, da war er rigoros. Ich weiß, dass eine Beziehung deshalb zerbrochen ist, weil sich Ethan geweigert hat, mit ihr zusammenzuziehen. Und nun baut er Regale für mich, kauft eine Zweierschlafcouch und einen Tisch, der ausschließlich für mich gedacht ist.
Mir kommen die Worte in den Sinn, die er geantwortet hat, als ich ihn auf dieses Thema angesprochen habe. Ethan hatte gerade die Couch für uns gekauft, und ich begriff, dass er mich bei sich haben wollte.
Weil ich nur auf dich gewartet habe.
Nach all den Jahren, in denen wir uns immer nah waren, sollte ich ihm vertrauen!
Ich schüttle meine Starre ab und schließe den Kocher an eine Steckdose, warte darauf, dass das Wasser brodelt. Mit dem heißen Gerät gehe ich zurück in die Wohnküche, bereite mir einen Tee zu, der mich hoffentlich beruhigt. Als Lichtquelle dient mir die kleine Lampe der Dunstabzugshaube.
Während ich darauf warte, dass der Tee zieht, komme ich um eine Frage nicht herum.
Wie stelle ich mir meine Zukunft vor?
Für Thomas war es immer sonnenklar, dass wir heiraten und unser Leben einfach so weiterläuft. Mein Albtraum, den ich überwunden habe, indem ich die Verlobung löste.
Ethan hat hier in dieser Wohnung einen Übergang für mich geschaffen. Aber wo führt es mich am Ende hin? Seit ich in Ethan meinen Partner gefunden habe, ist dieser besondere Traum wieder aufgeflammt. Jahrelang hatte ich ihn tief vergraben. Nun träume ich wieder davon, einen Ferienhof zu führen, Pferdetouren anzubieten, Gäste zu bewirten.
Ethan hat mit dem Vorschlag, ein richtiges Zuhause in seinem Elternhaus entstehen zu lassen, diesen Traum bröckeln lassen. Ich bin nicht abgeneigt, das in Betracht zu ziehen. Ich liebe diesen Ort wegen der Kindheitserinnerungen, und dass er solch einen Schritt mit mir wagen möchte, lässt ein Glücksgefühl in mir auflodern. Aber es ist ein Stadthaus, mitten in Galway.
Ich nippe an meinem Kräutertee, gehe zurück zur Schlafcouch und beobachte Ethan. Ich setze mich auf die Bettkante, streiche zart über seine Wange. Wir waren immer ehrlich zueinander, konnten uns jedes Geheimnis anvertrauen. Warum ist es plötzlich so schwierig, ihm zu sagen, wie schwer es mir fiele, wenn ich mich entscheiden müsste?
Ethan erwacht, reibt sich über die Augen. Ich erkenne die Wahrheit, als er mich ansieht.
Es ist nicht mehr nur mein persönlicher Traum, Ethan ist nun ein Teil davon.
Er fragt nicht, warum ich nicht schlafen kann. Wortlos richtet er sich in eine Sitzposition auf. Unsere Probleme sind mir auf einmal egal, wir kriegen diese Sache mit Megan hin … irgendwie. Ich falle ihm in die Arme, und er zieht mich an sich. So bleiben wir sitzen, rühren uns kaum, sind der Anker des jeweils anderen.
„Bitte verlass mich deswegen nicht“, flüstert er.
Ich löse mich nur so viel von ihm, um ihn anschauen zu können. Das erste Mal seit vielen Jahren sehe ich Tränen in seinen Augen schimmern. Selbst beim Tod seines Vaters habe ich ihn nicht weinen sehen. Er war wie gelähmt, stand bei der Beerdigung wie unter Schock, aber er wahrte die Fassung.
Es erschreckt mich, ihn nun so hilflos zu erleben.
„Ethan …“ Ich lege meine Hand an seine Wange, er blinzelt rasch die Tränen fort. „Ich würde dich nie einfach verlassen.“
„Ich möchte keinen Rückschritt machen.“
„Ich doch auch nicht! Trotzdem müssen wir uns der neuen Situation anpassen.“
„Mag sein, aber Megan steht nicht zwischen uns. Ich empfinde gar nichts für sie.“ Seine Stimme klingt aufgeregt, ich spüre, dass er wirklich Angst hat, mich zu verlieren.
„Doch, sie steht zwischen uns, ganz egal, was du fühlst. Sie bekommt dein Kind.“
„Das ist wahr“, sagt er leise und weicht meinem Blick aus.
Mein Herz beginnt rascher zu klopfen, als ich mich dazu entschließe, mit ihm meine Gedanken wegen seines Elternhauses zu teilen. „Aber ich bin nicht nur deshalb so unruhig. Es geht auch um … Ich …“ Warum fehlen mir nur die Worte? Es ist wie verhext.
„Was denn, Sínead?“
„Ich … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.“
„Sag mir doch einfach, was du möchtest.“
„Was ich möchte …“ Nun schießen mir die Tränen in die Augen, und ich senke die Lider. „Ich möchte dich an meiner Seite wissen, wenn ich aus unserem Haus gehe und auf die Pferdeweiden sehe. Eine Katze soll mir um die Beine streichen, und ich wünsche mir, auf weites Land zu schauen.“
„Dein Traum.“
„Er ist untrennbar mit dir verbunden. Doch jetzt könnte alles umgeworfen werden.“
Ethan fasst mich an den Armen. „Nichts wird umgeworfen. Wir haben doch noch gar nicht über die Zukunft geredet.“ Da dämmert es ihm. „Es ist wegen dem, was ich gestern gesagt habe, oder? Wegen meinem Elternhaus.“
Ich nicke betreten.
„Rede mit mir, Sínead. Ich bin nicht Thomas.“
Erschrocken schaue ich ihn an. „Das weiß ich doch!“
„Manchmal habe ich das Gefühl, er hat es irgendwie geschafft, deinen Träumen jegliche Hoffnung zu nehmen.“
„Wie meinst du das?“
„Früher warst du so sicher, wie deine Zukunft aussehen soll. Mit Thomas hast du das alles vergraben, warum auch immer. Selbst jetzt wagst du nicht, mit mir vernünftig darüber zu reden. Die ganze Zeit tun wir so, als wäre alles nur eine Idee, die dir als Kind eingefallen ist und nun keine Priorität mehr hat.“ Er atmet durch und nimmt meine Hand. „Aber so ist es nicht, oder?“
Meine Sicht verschleiert sich. „Ich habe Thomas einmal davon erzählt. Er hat mich ausgelacht, es als unsinnigen Kindertraum abgestempelt. Ich denke, ich habe ihm damals geglaubt.“
„Thomas ist nicht hier.“
„Aber das Gefühl, das er mir dazu gegeben hat. Es ist noch in mir … verankert.“
„Dann hol den Anker wieder hoch ins Boot.“
Verdutzt begegne ich seinem Blick, auf seinen Lippen liegt ein sanftes Lächeln.
„Und dann?“
„Reden wir mal ernsthaft über die Zukunft. Mein Angebot war nur eine erste Idee, diese neue Situation in den Griff zu bekommen. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich dort leben will. Der Gedanke bereitet mir ehrlich gesagt Unbehagen. Und wer sagt, dass du keinen Gegenvorschlag machen darfst?“