Читать книгу Die Klügere gibt nach - Tanya Huff - Страница 5

Zwei

Оглавление

»Staff Sergeant Kerr?«

»Jawohl, Sir.« Der Lieutenant, der außerhalb der Jägerbucht wartete, hatte die hellsten blauen Augen und Haare, die Torin je bei einem di’Taykaner gesehen hatte. Seine Uniform war perfekt gebügelt, seine Stiefel und Knöpfe auf Hochglanz gewienert, selbst sein Dämpfer blinkte und blitzte.

Er wirkte leicht enttäuscht, weil sie in allen Punkten mit ihm mithalten konnte.

»Ich bin Lieutenant Stedrin, General Morris’ Adjutant. Der General möchte Sie sofort sehen.«

Sie war fünfzehn Stunden unterwegs gewesen. Sie wollte duschen – wobei wollte vielleicht nicht das zutreffendste Wort war.

Stedrins Augen verdunkelten sich, als versuche er, ihre Miene genauer zu deuten. Dann trat er zurück und deutete nach rechts. »Zum Anbau für das Corps geht es hier entlang.«

Schweigend machten sie sich auf den Weg, heimlich beobachtet von der Mannschaft der Berganitan. Torin und ein Stabsfeldwebel nickten einander zu, als sie an seinem Arbeitstrupp vorbeikam, doch der Lieutenant hätte sich genauso gut durch ein leeres Schiff bewegen können. Sie fragte sich, ob er wohl kleinere Schritte gemacht hätte, wäre sie nicht groß genug gewesen, um sein Tempo zu halten, und kam nach einem kurzen Blick auf seine angespannten Kiefermuskeln zu dem Schluss, dass die Antwort wohl Nein lautete. Er war ganz bestimmt sehr beliebt bei den Krai.

»Der General hält viel von Ihnen«, verkündete Stedrin plötzlich in einem Tonfall, der nahelegte, dass der General der Einzige war, dem das so ging. »Er sagt, ohne Sie hätten wir die Silsviss wohl kaum als Verbündete gewonnen.« Die Pause war zu kurz für eine Antwort, aber andererseits zu lang, um sie als etwas anderes als eine bewusste Betonung zu werten. »Ich finde allerdings, das haben Sie jetzt ausreichend ausgenutzt. Verstanden, Staff Sergeant Kerr?«

»Jawohl, Sir.« Das erklärte auch, warum er es nicht bei einer Nachricht belassen hatte. Er hatte den langen Weg herunter zu Jägerbucht auf sich genommen, um sie zu warnen – entweder sie benahm sich, oder sie bekam es mit ihm zu tun. Diese überambitionierte Stock-im-Arsch-Attitüde war untypisch für di’Taykaner. Sie hätte gewettet, dass die ungenannte Hälfte seines Namens aus mindestens acht Buchstaben bestand – was bedeutete, dass seine Familie zu einer der unteren Kasten Taykans gehörte –, doch sie bemühte sich, unter der Last seines Blickes ein ausdruckloses Gesicht zu wahren.

»Ich habe den Eindruck, Sie nehmen das hier alles nicht ernst, Staff Sergeant.«

Sie machte einen Schritt nach vorn und überprüfte, dass das Kontrolllicht grün war, dann öffnete sie die Schleuse zwischen dem Marine-Anbau und der eigentlichen Berganitan. »Tut mir leid, Sir.«

»Was genau?«, verlangte er zu wissen und durchschritt die Luftschleuse mit der peniblen Vorsicht eines Mannes, der sehr wenig Zeit im Weltraum zugebracht hatte.

»Dass Sie einen falschen Eindruck gewonnen haben, Lieutenant.« Sie schloss die Schleuse und wandte sich zu ihm um. »Ich nehme grundsätzlich alles ernst, was ich tue. So sorge ich dafür, dass meine Leute am Leben bleiben.« Sie ließ nicht zu, dass er den Blickkontakt sofort unterbrach.

Der Lieutenant, dessen Haare eng am Kopf anlagen, wich einen Schritt zurück, öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Torin musste ihm zugutehalten, dass er mitbekam, wenn er einen Kampf nicht gewinnen konnte, und wartete geduldig, bis er seine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte. Das Abteil des Generals lag keine drei Meter den Gang entlang, und das Letzte, was er wollte, war, dass General Morris ihn fragte, warum er so aufgebracht sei.

Oder sich fragte, wo zum Teufel er gewesen war.

Sekunden bevor Torin das verbalisieren konnte, machte der di’Taykaner auf dem Absatz kehrt und marschierte den Gang entlang, elegant, aber so stocksteif, dass kein Zweifel daran bestand, dass dieses Thema noch nicht erledigt war.

***

»Sie sehen besser aus als bei unserem letzten Zusammentreffen, Staff Sergeant.«

»Danke, Sir.« Dasselbe galt für ihn. Als sie den General das letzte Mal gesehen hatte, hatte er zwei Veilchen gehabt, eine gebrochene Nase und einen schockierten Gesichtsausdruck – und für all das war im Grunde sie verantwortlich gewesen.

Angesichts seiner momentanen Miene dachte er wohl gerade weitgehend dasselbe. »Ja, nun, wir haben hier ein Problem, also lassen wir besser die Vergangenheit hinter uns, einverstanden?«

»Jawohl, Sir.«

Es war eher ein neutrales Geräusch als seine Zustimmung, doch General Morris nahm ihre Worte für bare Münze, lächelte und nickte – was Torin nervös machte. Verdammt, sie hasste lächelnde Generäle.

»Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich Sie von Lieutenant Stedrin habe herbringen lassen.«

Dem war zwar so, doch sie hatte keine Erklärung erwartet. Die Pause dehnte sich so lange, dass Torin den Eindruck bekam, der General wisse es auch nicht so genau. Sie wollte gerade ein weiteres »Jawohl, Sir« von sich geben, damit er weitersprach, als er die breiten Schultern straffte und sagte: »Sie werden auf dieser Mission die befehlshabende Unteroffizierin sein, und da ich Sie dafür persönlich ausgewählt habe, hatte ich das Gefühl, ich sollte Sie dem befehlshabenden Offizier persönlich vorstellen.« Er berührte den Rand seiner Komm-Einheit. »Lieutenant.«

»Sir.« Stedrins Stimme erklang so frisch und munter aus dem Schreibtisch, dass Torin klar wurde, er hatte nur auf den Anruf des Generals gewartet.

»Der Captain soll sich sofort in meinem Büro melden.«

»Jawohl, Sir.«

Generäle stellten Staff Sergeants nicht vor.

Staff Sergeants fragten Generäle nicht, was zum Teufel sie sich bei etwas dachten.

Leider.

General Morris lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die breiten Fingerspitzen aneinander, um Torin dann darüber hinweg anzusehen. »Wie sehr interessieren Sie sich für Politik, Staff Sergeant?«

»Gar nicht, Sir.«

»Sie tun einfach nur Ihre Pflicht?«

Den Sarkasmus von Zweisternegenerälen ignorierte man am besten.

»Jawohl, Sir.«

Er nickte und fuhr fort: »Wie Sie wissen, ist die Politik Teil meines Jobs. Das Machtgleichgewicht im Parlament ist im Augenblick stark gefährdet. Viele der älteren Spezies haben den Eindruck, die Föderation bemühe sich nicht ausreichend um eine diplomatische Lösung des Konflikts mit den Anderen – trotz der Tatsache, dass das einzige Ergebnis der Diplomatie bisher tote Diplomaten waren. Es ist sehr gut möglich, dass die Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Fraktionen zu einer Handlungsunfähigkeit der Regierung führen könnten, wie wir sie schon ’89 erlebt haben, als die Verteidigungsausgaben stagnierten und die Anderen den Großteil von SD38 eingenommen haben, einschließlich der Heimatwelt der Ba’tan. Es wäre schön«, fuhr er trocken fort, und Torin hatte den Eindruck, dass er ebenso mit sich selbst wie mit ihr sprach, »wenn sich diesmal die Dinge ohne einen so drastischen Tritt in unseren kollektiven Arsch wieder stabilisieren würden. Überraschenderweise machen in letzter Zeit die Krai den meisten Ärger, indem sie die verschiedenen Fraktionen gegeneinander ausspielen, damit das Militär endlich ihre Beschwerden zur Kenntnis nimmt, dass es nicht genügend von ihnen in Führungspositionen gibt. Sie beharren darauf, dass Kraioffiziere bessere Chancen brauchen, an Stellen zu dienen, wo die Beförderungswahrscheinlichkeit höher ist.«

»An der Front, Sir?«

Ihre Frage schien den General aus dem Konzept zu bringen. »Nein, nicht an der Front. Es geht ihnen um bessere Überlebenschancen.«

Wem nicht?

»Sir!«

Torin fragte sich, ob Stedrin wohl strammstand, wenn er den General über das Komm kontaktierte. Es klang jedenfalls so.

»Ja, Lieutenant?«

»Der Captain ist hier, Sir.«

»Schicken Sie ihn rein.« General Morris erhob sich, zog seine Uniformjacke zurecht und kam um den Schreibtisch herum, wobei er Torin einen fast entschuldigenden Blick zuwarf.

Scheiße. Das ist nicht gut. Sie stand gerade nicht stramm, deshalb drehte sie sich um neunzig Grad, als sich die Tür hinter ihr öffnete, um weder dem General noch dem eintretenden Offizier den Rücken zuzudrehen.

Er kam ihr bekannt vor. Das musste nichts heißen, da sich die Krai insgesamt in Hautfarbe und Größe nicht besonders unterschieden und einander außer für Spezies mit hoch ausgeprägtem Geruchssinn alle ziemlich glichen.

»Staff Sergeant Kerr, ich möchte Ihnen Ihren vorgesetzten Offizier auf dieser Mission vorstellen, Captain Travik.« Oh Scheiße.

Captain Traviks Rettung der belagerten Forschungsstation auf Horohn 8, bei der er wagemutig einen Belagerungsring der Anderen durchbrochen hatte, was die Sensoren der Station aufgezeichnet hatten, hatte öffentliches Interesse erregt und ihn berühmt gemacht. Man hatte ihn im gesamten Sektor gefeiert, und jedes Mal, wenn das Corps in irgendeiner beliebten Sendung Erwähnung fand, wurde sein Bild gezeigt, und der ständige Medienrummel hatte noch zu seinem Ruhm beigetragen, was sein Ego proportional hatte mitwachsen lassen.

Die meisten Marines, die unter dem Befehl des Cap­tains auf Horohn 8 gelandet waren, hatten nicht überlebt.

Für die Öffentlichkeit machte ihn dies noch mehr zum Helden.

Für das Corps, vor allem für die, die sich die Aufzeichnung genau angesehen hatten, machte es ihn zu einem waghalsigen Heißsporn, der gut darin war, die Medien zu manipulieren.

Jetzt stand er vor ihr.

Weil die Krai-Regierung mehr Krai in militärischen Führungspositionen wollte.

Torin sah den General an und hatte spontan noch ein paar weitere wenig schmeichelhafte Bezeichnungen für ihn parat.

***

Am frühen Abend Schiffszeit traten sie in den Susumiraum ein, nachdem die beiden letzten Mitglieder des Aufklärungsteams endlich eingetroffen waren. Den Daten aus dem Schreibtisch in Torins kleinem Büro zufolge stammten die zwölf Marines aus Sicherheitsgründen aus ebenso vielen verschiedenen Einheiten. Auf höchster Ebene hatte man entschieden, die Medien von dem Alien-Schiff fernzuhalten, und einzelne Marines, die sich durch den Sektor bewegten, galten als weit weniger auffällig als ein Trupp, der gemeinsam irgendwo ausrückte.

Aus militärischer Perspektive war das ineffizient, aber Torin konnte die Sicherheitsüberlegungen nachvollziehen. Sie hoffte nur, dass sie lange genug im Susumiraum bleiben würden, um ein richtiges Team aus ihren Leuten zu formen. Auch wenn sie alle dieselbe Spezialausbildung genossen hatten, würde es eine Weile dauern, drei verschiedene Spezies und zwölf verschiedene Persönlichkeiten zu einer reibungslos funktionierenden Einheit zu machen.

Allerdings würde es eine Gemeinsamkeit geben, sobald sie wussten, wer das Kommando führte.

Bringen wir es hinter uns.

***

»Staff Sergeant Kerr will uns alle in zehn Minuten sehen«, verkündete Corporal di’Marken Nivry und streckte den Oberkörper durch die Schleuse. »Zieht euch besser was an und kommt hier rüber.«

Die beiden tropfnassen Marines auf der Duschplattform warfen einander einen Blick zu, der bei beiden so identisch aussah, wie es die Physiognomie der Menschen und der Krai erlaubte.

»Morgen früh ist doch eine Einsatzbesprechung«, knurrte Werst und schaltete die Luftdüsen ein. »Kann sie nicht warten bis dahin?«

»Das muss sie nicht«, erinnerte Nivry ihn und verschwand.

Werst hob die muskulösen Arme über den Kopf, drehte sich und sah den Mann neben ihm finster an. »Was ist?«

August Guimond fuhr sich mit den Fingern durch das dichte blonde Haar, das die maximale beim Corps erlaubte Länge hatte, und lächelte breit. »Sie hat mein Gemächt gemustert.«

»Dirsrick anbol sa serrik tanayn

»Das ist Krai, nicht wahr?« Guimond schaltete die Luft ab und stieg von der Plattform. »Was bedeutet es?«

»Ungefähr ›Wen kümmert das schon‹.«

***

Torin sah sich in dem Abteil um. Fünf di’Taykaner, fünf Menschen, zwei Krai – eine für das Corps typische Verteilung. Die Ingenieure, Lance Corporal Danny Johnston und Corporal Heer, saßen nebeneinander, die Tablets in der Hand. Die beiden di’Taykaner, die der höchsten Kaste angehörten – die Gefreiten di’Por Huilin und di’Wen Jynett – schienen »Das Anwesen meiner Familie ist größer als das deiner Familie« zu spielen und sahen aus, als hätte sie sie in einem intimen Augenblick gestört. So lernten di’Taykaner einander nun einmal standardmäßig näher kennen, und keine zwei Minuten, nachdem sie wieder weg war, würden alle fünf in ihrem Gemeinschaftsabteil verschwinden. Kurz sah es aus, als habe Gefreiter di’Sarm Frii irgendwelche Zuckungen, doch dann sah sie die Ohrhörer, die das lange ockerfarbene Haar beinahe verbarg – wobei sein Haar sich in einem anderen Rhythmus zu bewegen schien als seine Hände und Füße.

Gefreiter August Guimond, einer der größten Menschen, die Torin je gesehen hatte, fand wohl seinem breiten Lächeln nach zu urteilen etwas oder jemanden ziemlich witzig.

Der Rest wartete mehr oder weniger aufmerksam darauf, dass sie zu sprechen begann. Der andere Krai, demnach der Gefreite Werst, hielt in beiden Händen einen Humpen sah. Krai bekamen das Aufputschmittel nur nach einer Sicherheitsüberprüfung, und angesichts seiner Auswirkungen auf Menschen war Torin froh zu sehen, dass Wersts Miene jedem schweren Schaden androhte, der versuchte, es ihm wegzunehmen.

Sie holte tief Luft, bemerkte, dass die Aufmerksamkeit ringsum wuchs, wartete, bis ein grobschlächtiger Blonder – Lance Corporal Lesli Dursinski – Frii genervt einen Ellbogenstoß verpasst hatte und begann. »Ich bin Staff Sergeant Kerr, Ihre befehlshabende Unteroffizierin auf dieser Mission. Wie Sie hat man mich von meinem Team, meinen Freunden und meinem Job weggeholt, und wie Sie weiß ich, dass das vollkommen bedeutungslos ist. Das Corps ruft – wir springen. Das ist Ihr neues Team …« Eine weit ausholende Geste ihrer Rechten. »… das sind Ihre neuen Freunde …« Gefolgt von einer ebenso weit ausholenden Geste ihrer Linken. »Mir ist egal, ob Sie einander mögen, aber Sie werden die Fähigkeiten der jeweils anderen respektieren und als Marines zusammenarbeiten. Wenn Ihnen das einmal Probleme bereitet, denken Sie daran, dass wir zu sechzehnt und dass da draußen über zweitausend Angehörige der Flotte sind.« Sie hob die linke Augenbraue und fuhr noch trockener fort: »Damit will ich keine Rivalität schüren, ich sage lediglich, dass sechzehn gut zusammenarbeitende Marines mit zweitausend Angehörigen der Flotte kein Problem haben sollten.«

»Immer her mit ihnen, Staff!« Die Gefreite di’Benti Orla war aufgesprungen. »Zweitausend Angehörige der Flotte schaffe ich vor dem Frühstück!«

Einer der Menschen, Corporal Harrop, lachte. »Ja, das habe ich auch schon gehört.«

Orla zeigt ihm den Mittelfinger, eine menschliche Geste, die die di’Taykaner begeistert übernommen hatten. »Leck mich!«

»Nach dem Frühstück.«

»Abgemacht.«

Als Harrop sie daraufhin verblüfft ansah, grinste Torin und schüttelte den Kopf. »Haben Sie schon einmal zusammen mit di’Taykanern gedient, Corporal?«

»Klar, Staff. Mit Hunderten.«

»Dann hören Sie auf, so verdammt überrascht zu schauen. Im Moment«, fuhr sie fort, denn nun hatte sie wieder die Aufmerksamkeit des gesamten Raums, »weiß ich über diese Mission nur wenig mehr als Sie. Wir werden als Erste ein Alien-Raumschiff betreten, das ein ziviler Bergungsbetrieb im Weltraum treibend gefunden hat. Morgen früh um 0900 findet drüben in der Berganitan die Einsatzbesprechung statt. General Morris möchte, dass wir alle daran teilnehmen.« Torin wartete die üblichen Beschwerden ab, aber nicht so lange, dass sie sich hochschaukeln konnten. »Ob er damit die zivilen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ebenfalls daran teilnehmen werden, beruhigen oder einschüchtern möchte, weiß ich derzeit nicht.«

Lance Corporal Ken Tsui lachte – in jedem Team gab es immer einen, der ihre Witze verstand –, und mehrere Marines lächelten.

»Bei der Einsatzbesprechung«, fuhr Torin fort, »werden wir auch unseren befehlshabenden Offizier, Captain Travik, kennenlernen.«

Johnstons Tablet knirschte, als er die Faust darum ballte. Sekunden später begannen elf der zwölf gleichzeitig zu sprechen.

»… serley Arschloch könnte nicht mal in einem nassen …«

»… hatte auf Horohn einen thytrin dabei …«

»… Teil dieses Scheiß-Medienzirkus …«

»… Drecksack versucht, bei mir diese Heldenscheiße abzuziehen …«

»… General Morris versucht, uns loszuwerden, verdammt …«

Torin verschränkte die Arme und sah quer durch den Raum Wersts in die Augen. Er nahm einen großen Schluck sah, doch sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Der Reihe nach bemerkten die anderen Marines ihre Haltung, und ihre Proteste verstummten.

»Schön, nachdem Sie das jetzt alles losgeworden sind«, sagte sie in die neuerliche Stille hinein, »sollten wir ein paar Dinge klarstellen. Erstens: General Morris versucht nicht, uns loszuwerden. Die Krai im Parlament wollen mehr hochrangige Offiziere, und Captain Travik war eine politische Entscheidung. Wenn der General kein neues ’89 erleben wollte, waren ihm die Hände gebunden.«

»Fick doch die Politiker«, murmelte jemand.

Torin schnaubte. »Danke, aber nein danke. Zweitens: Dies ist kein Medienzirkus. Bis wir genau wissen, womit wir es zu tun haben, gilt Sicherheitsstufe vier, und wir operieren unter Ausschluss der Medien – weswegen auch kein bestehendes Team eingesetzt wurde. Die Medien beobachten Truppenbewegungen, aber nicht einzelne Marines.«

»Staff?«

»Ja, Dursinski?«

»Warum unter Ausschluss der Medien?« Eine tiefe, senkrechte Sorgenfalte teilte die Stirn der Lance Corporal. »Gibt es etwas an diesem Schiff, das man uns nicht sagt?«

»Wahrscheinlich. Aber ich bin sicher, wenn Sie ein bisschen darüber nachdenken, fallen Ihnen allen zahllose Gründe ein, warum der Führungsstab den Zivilisten die Entdeckung dieses Schiffs vorenthalten möchte, bis wir wissen, worum es sich handelt.«

»Nun, wenn es ein Schiff der Anderen ist, könnte Lebensgefahr für potenzielle Medienvertreter bestehen.«

»Ich weiß Ihren Enthusiasmus zwar zu schätzen, Private Guimond, aber ich wollte die Gründe, die Sie sich vorstellen können, nicht hören

Mit schiefgelegtem Kopf wiederholte er lautlos ihre Worte, wobei sich seine Lippen bewegten. »Oh.« Sein Lächeln wurde leicht verschämt. »Sorry, Staff.«

»Schon gut. Drittens …« Sie ließ ihren ausdrucks- und emotionslosen Blick durch den Raum schweifen. »… Captain Travik ist Offizier des Marine Corps, und Sie werden seinen Befehlen, die ich an Sie weitergeben werde, gehorchen. Was Sie persönlich von ihm halten, ist irrelevant. Ist das klar?«

Im Chor riefen sie: »Jawohl, Staff.« Einige nickten. Werst trank noch einen Schluck.

»Gut. Treffen auf dem Gang um 0830. Bis dann.« Mit einer Hand an der Schleuse hielt sie inne und wandte sich noch einmal um. »Gefreite Orla.«

»Staff?« Die junge di’Taykaner schien überrascht, dass Torin sie ansprach.

»Das mit Ihrem thytrin tut mir leid. Falls Ihnen das hilft, ich gehe davon aus, dass Sie nur wenig Kontakt mit dem Captain haben werden.« Als Orla nickte, verließ Torin das Abteil und schloss die Schleuse hinter sich.

»Sie haben es ihnen gesagt?«

Torin wirbelte herum und konnte sich mit Mühe die Frage an Lieutenant Stedrin verkneifen, was er vor den Abteilen der Chargen zu suchen hatte. »Jawohl, Sir. Habe ich.«

»Warum?« Die Frage klang ebenso neugierig wie kritisch.

»Wenn sie morgen auf der Einsatzbesprechung herausgefunden hätten, dass wir von Captain Travik kommandiert werden, hätte das ihre gesamte Aufmerksamkeit beansprucht. Jetzt wissen sie es schon, können sich damit abfinden und werden sich morgen auf Informationen konzentrieren können, die für sie möglicherweise überlebensnotwendig sein werden.«

»Ich bezweifle, dass die Einsatzbesprechung so gefährlich sein wird, Staff Sergeant. Gute Nacht.«

»Gute Nacht, Sir.« Torin sah dem Lieutenant nach, bis er um die Ecke gebogen war und versuchte zu entscheiden, ob er den trockensten Humor im gesamten Sektor oder das schlechteste Taktikverständnis im gesamten Corps hatte.

***

»Du warst so schweigsam, Werst«, bemerkte Guimond, als die Horrorgeschichten und Klagen langsam versiegten. »Was denkst du darüber, unter Captain Travik zu dienen?«

»Warum willst du das wissen?«

»Ich wollte nur …«

»Glaubst du, ich würde ihn in Schutz nehmen, weil ich auch Krai bin?«

»Nein, ich …«

»Ich halte ihn im besten Fall für einen Selbstdarsteller und im schlimmsten für einen Mörder, in jedem Fall jedoch für ein Arschloch – aber wir werden mit ihm nichts zu tun haben.« Werst schaute finster in die Tiefen seines sah. »Unsere Ansprechpartnerin wird Staff Sergeant Kerr sein. Sie muss sich mit ihm herumschlagen.«

»Okay.« Guimond grinste. »Wie findest du sie?«

Werst zuckte die Achseln. »Chrick

»Was findest du denn nicht essbar?«, wollte Ken Tsui wissen und nahm sich noch ein Bier. »Sie ist keine Aufklärungsspezialistin.«

»Früher schon. Sie hat bei der Fünften Re’carta angefangen, Erstes Bataillon, Aufklärung. Ein halbes Dutzend Einsätze, dann verwundet, Beförderung zum Corporal, Versetzung. Was denn?«, fragte Nivry in den Raum hinein. »Ich habe mich über sie schlau gemacht.« Nivry hielt ihr Tablet hoch. »Das steht alles in der Datenbank im Anbau. Ich wette, sie hat alles über uns runtergeladen.« Niemand hielt dagegen.

»Ich habe gehört, der General habe sie persönlich ausgewählt«, bemerkte Johnston und kratzte seinen Bartschatten.

»Im Gegensatz zu uns, die wir zufällig ausgewählt wurden?«, schnaubte Nivry. »Die konnten dieses Team im gesamten Sektor zusammenstellen, da werden sie schon die besten ausgesucht haben.«

»Halten Sie sich etwa für einen Beweis dafür?«

»Aber sicher. Sieht das irgendjemand hier anders?« Sie machte eine Kunstpause und bekam tatsächlich eine Antwort.

»Er jedenfalls nicht.« Jynett verpasste dem di’Taykaner neben ihr einen Rippenstoß.

»Schleimerin«, grunzte Huilin und rieb an dem feuchten Bierfleck auf seinem Hemd.

»Faulpelz.«

»Bitte reißen Sie sich …«

»Entspannen Sie sich, Corporal, wir haben unseren FU1-Kurs gemeinsam absolviert. Die da …« Huilin prostete Jynett in einer übertriebenen Geste mit den Resten seines Bieres zu. »… war Kursbeste.«

Jynett stieß mit ihm an. »Was bedeutet, der arme Huilin musste sich mit dem zweitbesten Ergebnis zufriedengeben.«

»Das war Beschiss.«

Nivrys’ Augen leuchteten auf. »Das beweist doch, dass ich recht habe. Man hat uns ausgewählt, weil wir die besten sind. Staff Sergeant Kerr hat man wahrscheinlich ausgewählt, weil sie selbst mit Captain Travik als Handicap klarkommt.«

Auf der anderen Seite des Raumes sagte Corporal Harrop in einer der verbleibenden Menschensprachen etwas, das deutlich unhöflich klang. Alle sahen ihn an, und er übersetzte achselzuckend: »So gut ist niemand.«

Werst trank sein sah aus, erhob sich und warf den Becher in den Wiederaufbereiter. »Wäre aber besser, wenn sie es wäre.«

***

Craig Ryder hatte ein Full House, Könige und Dreier, als sein Schiff, das in einer der Shuttlebuchten der Berganitan lag, ihn informierte, dass es 0600 Uhr war. Er bestätigte per Zunge, dann hob er den Blick und schenkte seinen Mitspielern sein zweitschönstes Lächeln, das er als Ablenkung einzusetzen pflegte – aktuell von der schönen Tatsache, dass er jedem am Tisch mindestens einen Monatssold abgeknöpft hatte. »Tut mir leid, aber das ist die letzte Runde, Leute. Die Pflicht ruft.«

»Die Pflicht?« Eine der beiden das Spiel nur noch beobachtenden di’Taykaner, der schon lange ausgestiegen war, starrte ihn unter seinem wuchernden lavendelfarbenen Haarkranz hervor an. »Sie?«

»Zufällig muss ich in weniger als zwei Stunden an einer Einsatzbesprechung teilnehmen – ihr wisst ja, wie das ist –, und da möchte ich einen guten Eindruck machen.«

»Auf wen?«

»Natürlich auf die Person, bei der es mir am meisten bringt.«

»Nun, zufällig«, wiederholte Lieutenant Commander Sibley und klopfte mit seinen Karten auf die Tischkante, »bist du an der Reihe.«

Ryder lächelte jetzt direkt den Vakuumjockey an, und seine Miene bekam etwas Raubtierhaftes. »Richtig. Ich gehe mit deinen hundert mit und erhöhe um …« Ohne seinen Gegner aus den Augen zu lassen, nahm er einen Stapel Chips und warf sie in die Tischmitte. »… dreihundert.«

Die Krai zwischen ihnen warf einen Blick auf die Karten in ihrem rechten Fuß, nahm einen tiefen Schluck aus einem Bierbeutel und schüttelte den Kopf. »Ich bin raus.«

»Bleiben noch wir beide, Sibley.«

»Das könnte dir so passen«, murmelte der und starrte stirnrunzelnd auf sein Blatt.

Der zweite di’Taykaner machte einen Vorschlag.

Die beiden Menschen ignorierten ihn.

»Nun?«

»Warum nicht.« Sibley hob grinsend den Blick und schob seine letzten Chips in die Tischmitte. »Ich will sehen. Was hast du?« Ryder deckte seine Karten auf.

Sibley verging das Grinsen zwar nicht, doch es verrutschte leicht. »Das war’s dann wohl«, seufzte er und warf zwei Buben, zwei Zehner und eine Sieben ab.

Die Krai, die die ganze Nacht vorsichtig gespielt hatte, hatte noch ein paar Chips. Den Rest verstaute Ryder in seiner Gürteltasche. »Es ist immer schön, Geschäfte mit der Flotte zu machen.« Er hob sein Bier, um seinen Mitspielern mit großer Geste zuzuprosten, trank es aus und warf den leeren Beutel auf den Tisch. »Ich hoffe, es macht euch nichts aus, wenn ihr das Aufräumen übernehmt …« Es war beinahe eine Frage.

Doch ehe jemand antworten konnte, war er verschwunden.

Die Chips wogen angenehm schwer an seiner Hüfte, als er sich zu Shuttlebucht vier zurückbegab – nichts war besser, als die im Susumiraum vertane Zeit mit etwas Glück im Spiel auszugleichen. Später würde er runter zu QSM gehen und seinen Gewinn einlösen, aber im Augenblick musste er sein Schiff erreichen, ehe jemand in Flottengrau seinen Passierschein überprüfte und feststellte, dass seine Sicherheitsfreigabe diesen Teil der Berganitan nicht abdeckte.

Sie – die Analfixierten in Uniform, die den Laden hier schmissen – hatten ihn nicht dabeihaben wollen. Ihr Pech. Er allein wusste, wo es hinging, und er hatte nicht vor, diese Information einfach so preiszugeben. Seine Bewegungsfreiheit außerhalb der Shuttlebucht einzuschränken, solange er unbegleitet war, war eine kleinliche Rachemaßnahme ihrerseits gewesen. Die Sergeant-at-Arms hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihm einen Kontrollchip einsetzen würden, wenn sie ihn irgendwo antrafen, wo er nicht hingehörte.

Dennoch zog er es vor, auf fremdem Terrain zu spielen – es machte die Gegner unvorsichtig und sorgte dafür, dass er nicht für irgendwelche Schäden aufkommen musste, wenn ein Spiel aus dem Ruder lief. Was bei kleinen Spielchen unter Freunden nicht selten vorkam.

Ein paar Techniker der Frühschicht hoben die Köpfe von einer offenen Abdeckplatte, als er vorbeikam, doch er erreichte die Promise, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit zu erregen. Er hatte das großzügige Angebot, ihm Zugang zu den Systemen der Berganitan zu geben, abgelehnt – und weil er schon immer vorsichtig gewesen war, hatte er sein Implantat und sein Schiff extrem gut gesichert. Nachdem er wieder an Bord war, ergab eine schnelle Überprüfung, dass die Sicherheitsprotokolle bei beiden intakt waren. Offiziell hatte er die ganze Nacht tief geschlafen.

»Wäre das nicht Zeitverschwendung gewesen?« Er warf die Gürteltasche auf sein Feldbett und zog sich aus, um duschen zu gehen.

Er hatte es ernst gemeint, als er gesagt hatte, es sei ihm ein Vergnügen, Geschäfte mit der Flotte zu machen – die Vorstellung der Vakuumjockeys von Altersabsicherung war es, auf einen Inside Straight zu spekulieren. Wahrscheinlich eine Folge von zu viel Zeit in der Schwerelosigkeit. Er hatte das Gefühl, die Marines würden ihm nicht halb so viel Spaß bringen.

***

Torins Team war bereits eine ganze Zeit vor dem Beginn der Einsatzbesprechung am Start. Die zwölf Marines saßen in den hintersten beiden Reihen, und ihre Uniformen wirkten, als läge auf dem rückwärtigen Teil des Raumes ein mattschwarzer Schatten. Mit Ausnahme Guimonds trugen alle – auch die beiden Ingenieure – völlig ausdruckslose Mienen zur Schau, wie man sie sonst nur nach den Worten »Wir brauchen einen Freiwilligen für …« zu sehen bekam. Guimond hingegen wirkte fasziniert von allem, was er sah.

Sie hatte keinen Zweifel daran, dass jeder Einzelne von ihnen nicht nur genau wusste, wo die Ausgänge waren, sondern auch eine komplette Karte des Weges zurück zum Anbau und der Waffenkammer im Kopf hatte – Marines waren eben Marines, vor allem Aufklärungsspezialisten.

Als General Morris, Captain Travik und Lieutenant Stedrin eintraten, ließ sie sie strammstehen. Das sah nicht nach Exerzierplatz aus, aber zumindest standen alle mehr oder weniger gleichzeitig auf. Der General murmelte dem Captain etwas zu, der daraufhin zurück an Torins Seite tänzelte – anders konnte man seine Gangart nicht bezeichnen, auch wenn er zu einer Spezies mit opponierbaren großen Zehen gehörte.

»Das ist also mein Aufklärungsteam, ja, Staff Sergeant?«

Er hatte die Versammelten noch keines Blickes gewürdigt. Bisher hatte er nur sie angesehen. »Jawohl, Sir.«

»Ausgezeichnet.« Sein Lächeln zeigte fast so viele Zähne, dass man es als Herausforderung hätte deuten können – was deutlich relevanter gewesen wäre, wenn auch sie Krai gewesen wäre. »Ich nehme an, Sie haben ihre Akten durchgesehen, sie alle überprüft und sich überzeugt, dass es sich um die Besten handelt?«

»Man hat sie für diese Mission ausgewählt, weil sie die Besten sind, Sir.«

»Für mich gilt das jedenfalls.«

Sein heiterer Tonfall suggerierte, seine Worte seien ein Scherz gewesen. Torin beschloss, diesen nicht zu verstehen. »Jawohl, Sir.«

»Nun, ich bin nicht sicher, warum der General sie hier haben wollte – ich meine jetzt hier. Ich bin recht sicher, dass Sie in der Lage wären, sie im Anschluss an die Einsatzbesprechung ins Bild zu setzen, aber wir fragen nicht.«

Es gelang Torin, keine Miene zu verziehen. Wunderbar. Jetzt wird das schon zu unserem allgemeinen Motto.

»Sie sollen sich setzen. Wenn sie wollen, können sie sich Notizen machen. Wir beide unterhalten uns später.«

»Jawohl, Sir.« Nachdem er sich abgewandt und entfernt hatte, drehte sie sich ihrerseits um und befahl leise: »Rühren.« Die Mienen ihrer Teammitglieder reichten von ausdruckslos bis gelangweilt, als sie Platz nahmen. Es gab eine einzige gemurmelte Bemerkung, doch sie verstand sie nicht, also ignorierte sie sie. Alles in allem war das nicht schlecht gelaufen.

Ihren beiden kurzen Begegnungen nach zu urteilen schien Captain Travik eher ein Idiot zu sein als ein Ruhmsüchtiger, der über Leichen ging. Wobei sich das, wie sie wusste, nicht gegenseitig ausschloss. Wenn sie ihn in Aktion gesehen hatte, würde sie sich eine fundiertere Meinung bilden können.

Eine Reihe von Zivilisten traten ein, als sie Platz nahm, und die vorderen Reihen füllten sich rasch.

»Wir nehmen die aber nicht alle mit, oder, Staff?«, erkundigte sich Guimond. Seine Bassstimme dröhnte in ihr linkes Ohr.

Torin hoffte es selbst nicht, doch sie sagte nur: »Wir werden unsere Befehle befolgen, Guimond.«

»Ja, aber …«

»Wir finden es noch früh genug heraus.« Sie hörte seinen Stuhl knarren, als er sich wieder setzte. Er hatte Grund zur Sorge. Vor ihnen saßen acht oder neun Katrien, die alle gleichzeitig redeten, ein halbes Dutzend Menschen, drei di’Taykaner, drei Krai, vier Niln und ein Ciptraner – Letzterer saß allein, die Fühler flach an den Kopf gelegt, während ein Mittelbein an den Kontrollen des Atemgeräts herumfummelte, das in die Kiemen auf beiden Seiten seines Brustpanzers implantiert war. Die Katrien und die Niln stammten aus diesem Sektor, die Menschen, die di’Taykaner und die Krai hatte man wahrscheinlich wegen der Zusammensetzung des Militärteams ausgewählt, um nicht unnötig viele Spezies an der Mission zu beteiligen. Torin hatte noch nie einen Ciptraner gesehen, aber gehört, sie seien die Ausnahme von der Regel, dass nur in Gruppen lebende Spezies Intelligenz entwickelten.

Als Captain Carveg und die beiden anderen Offiziere, die die Berganitan repräsentierten, eingetroffen waren, es aber immer noch nicht losging, fragte sich Torin, auf wen sie noch warteten.

Er betrat den Raum um Punkt 0759, kam durch die Schleuse, als hätten sich sowohl die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch die Marines nur um seinetwillen jetzt in diesem Raum versammelt. Ein männlicher, menschlicher Zivilist. Knapp zwei Meter groß, mit breiten Schultern und muskulösen Armen, die selbst bei seinem sonstigen muskelbepackten Körper fast überproportioniert wirkten. Torin beobachtete mit zusammengekniffenen Augen, wie er vor den General hintrat. Sie wusste nicht viel über die Umgangsformen von Zivilisten, aber sie erkannte Attitüde, wenn sie sie sah. In diesem Augenblick sah sie sie. Im Überfluss.

Als er die Offiziere erreichte, lächelte er breit, spreizte die Finger und sagte so leise etwas, dass Torin es nicht hören konnte.

»Genau das ist mir auch passiert.« Captain Traviks Stimme übertönte problemlos die Hintergrundgeräusche des Raums. »So ist die Flotte, nicht imstande, zwei Punkte mit einer geraden Linie zu verbinden. Sie sollten zu den Marines kommen.«

Torin sah Captain Carveg an, die nicht den Eindruck machte, als habe sie das gehört. Wenn das Parlament unbedingt Krai befördern wollte, warum hat man dann nicht mit Carveg angefangen? Ein Captain der Kriegsflotte entsprach im Rang einem Colonel der Marines. Travik hatte noch einiges aufzuholen. Andererseits, sinnierte Torin, deren Blick zwischen den Offizieren hin und her wanderte, wenn Carveg bleibt, wo sie ist, kann sie sich einer Aufgabe widmen, die sie beherrscht, und wenn wir Glück haben, versetzen sie Travik irgendwohin, wo niemand an der Front ihn vermisst.

General Morris trat neben den großen Bildschirm an der Stirnwand des Raumes, und verschiedene Gespräche verstummten und wichen gespanntem Schweigen. »Wir alle wissen, warum wir hier sind«, begann der General ohne Vorrede. »Ein Schiff, das keiner bekannten Spezies gehört, wurde im Weltall treibend entdeckt. Es ist unsere Aufgabe – beziehungsweise, es wird unsere Aufgabe sein –, so viel wie möglich über dieses Schiff herauszufinden. Ich übergebe jetzt das Wort an Mr Craig Ryder, den ZBU, der die Entdeckung gemacht hat.«

ZBUs, zivile Bergungsunternehmer, trieben sich am Rand von Kampfzonen herum und sammelten den unvermeidlichen Schrott ein. Manches davon verkauften sie zurück ans Militär, den Rest an Wiederaufbereitungszentren. Da man im Weltraum wenig Profit erzielte, schafften selbst die besten kaum mehr, als ihre Spesen zu decken.

Wie alle Aasfresser leisteten sie wertvolle Dienste, und wie alle Aasfresser profitierten sie vom Unglück anderer. Da ein Großteil dieses Unglücks im Kampf Menschen widerfuhr, die nie Fremde waren, fand Torin den Mann, der jetzt an General Morris’ Seite trat, spontan unsympathisch.

»Danke, General.« Während der General zu dem Grüppchen von Offizieren zurückkehrte, wandte sich Ryder seinem Publikum zu. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, seine Nase war eindeutig mindestens einmal gebrochen gewesen und nicht angemessen medizinisch versorgt worden. Braunes Haar lockte sich über seinen Kragen, und er trug einen kurzen Bart – außergewöhnlich bei Leuten, die viel Zeit im Weltraum verbrachten und deshalb damit rechnen mussten, regelmäßig Raumanzüge zu tragen. Er hatte eine tiefe Stimme und einen Akzent, den Torin nicht recht zuordnen konnte. »Guten Tag. Ich hoffe, Sie verstehen alle, warum ich im Augenblick noch nicht bereit bin, genaue Koordinaten zu nennen, aber ich kann Ihnen versichern, dieses Schiff liegt fernab der üblichen Routen. Ich habe es zufällig entdeckt …« Sein Lächeln ließ auf weitere Geheimnisse schließen, die er für sich behalten wollte. »… dank einer kleinen Susumi-Fehlberechnung …«

Torin hörte mehrere fast keuchende Geräusche, und selbst der Ciptraner richtete seine Fühler auf.

Susumi-Fehlberechnungen führten üblicherweise zu Trauerfeiern. Dieser Typ hat das Glück eines H’san.

»… dank derer ich ein gutes Stück von dem System, das mein Ziel gewesen war, entfernt wiederaufgetaucht bin. Nachdem ich mich orientiert und die Hosen gewechselt hatte …«

Er hat den Sinn für Humor eines Zwölfjährigen.

Hinter ihr lachten Marines.

Er registrierte die Reaktion wie ein erfahrener Bühnenkünstler und fuhr fast nahtlos fort: »… dachte ich, es könnte nicht schaden, mich wenigstens mal umzusehen. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich in geringer Entfernung ein sehr großes, künstliches Objekt erfasste. Diese Überraschung war allerdings nichts im Vergleich zu der, die ich erlebte, als ich es mir genauer ansah und …« Er wandte sich halb dem Bildschirm zu und fuhr mit dem Daumen über die Videosteuerung. »… das hier fand. Der kleine Fleck rechts unten ist die Berganitan. Ich habe sie zum Größenvergleich in das Bild einkopiert.«

Es war knallgelb. Außerdem war es fast so groß wie die Stationen im äußeren Sektor und länger als breit – 20,76 mal 7,32 Kilometer. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Ende mit den Vertiefungen eine Art Schubantrieb darstellte, war hoch. Die Datenbank der Föderation identifizierte seine Zugehörigkeit als unbekannt, doch trotz der Farbe fand Torin, dass es viel weniger fremdartig aussah als viele andere Schiffe, die sie schon gesehen hatte.

Es waren eine Reihe von Luftschleusen erkennbar, je eine auf beiden Seiten oben am Bug, eine auf der Oberseite, eine Backbord auf etwa zwei Dritteln der Rumpflänge und eine auf der Unterseite im Heckdrittel. Es gab keine erkennbare äußere Bewaffnung. Leider hatten Luftschleusen im Gegensatz zu Waffen nur begrenzte Designmöglichkeiten. Möglicherweise sahen sie hier, ohne es zu wissen, genug Feuerkraft vor sich, um einen zweiten Urknall zu erzeugen.

Scans zeigten keine Energiesignaturen – tatsächlich zeigten sie überhaupt nichts innerhalb des Schiffs an, obgleich Ryder einräumte, dass seine Ausrüstung unter Umständen zu schwach war, um die gelbe Hülle zu durchdringen.

Das provozierte erwartungsgemäß Reaktionen der anwesenden di’Taykaner.

Wenn die Berganitan nach vier Tagen im Susumiraum eintraf, würde sie weitere Scans vornehmen, und dann würden die Marines an Bord gehen, um herauszufinden, was diese übersehen hatten.

Einfach. Unkompliziert.

Hätte es zumindest sein können, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht über jeden Punkt gestritten hätten – miteinander, mit Ryder und gelegentlich auch mit sich selbst. Als General Morris eine halbe Stunde später wieder vor den Bildschirm trat, der jetzt das Schiff aus einem Dutzend verschiedener Blickwinkel zeigte, hatte das keine erwähnenswerte Auswirkung auf den Lärmpegel.

»Glauben Sie, er befiehlt uns gleich, sie zu erwürgen, Staff?«

Torin grinste über Guimonds witzige Frage. »Das würde erklären, warum wir hier sind, aber irgendwie bezweifle ich es.« Sie wandte den Blick nicht vom Gesicht des Generals. Als er ihn mit zusammengekniffenen Augen erwiderte und nickte, erhob sie sich.

»MARINES, ACH-TUNG!«

Ihre Stimme erfüllte den gesamten Raum. Sie drang in jeden kleinsten Hohlraum, der nicht bereits von einem physischen Gegenstand oder einem Körper beansprucht war.

Zwölf Paar Stiefel knallten auf das Deck, als zwölf Marines aufsprangen. Diesmal war es wichtig, weswegen ihre Reaktion bilderbuchmäßig aussah.

Die anschließende Stille war voller Zögern und Unsicherheit. Die Augen in bepelzten wie in nackten Gesichtern starrten vom General zu der undurchdringlichen schwarzen Wand, die sich so plötzlich hinter ihnen erhoben hatte, und dann wieder zurück zum General. Craig Ryder und die Flottenoffiziere waren nicht mehr in Torins Sichtbereich, doch Captain Travik amüsierte das Unbehagen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler offenbar. Wenn Lieutenant Stedrin die Situation lustig fand, ließ er es sich nicht anmerken. Er stieg, Travik sank in Torins Ansehen.

General Morris ließ einen strengen Blick über die ersten drei Sitzreihen schweifen. »Ich möchte Sie alle daran erinnern, dass dies eine militärische Operation ist und bleibt, bis wir hundertprozentig sicher sind, dass es sich nicht um ein Schiff der Anderen oder einer ihrer Untertanenspezies handelt. Mr Ryders Scans und die Informationen, die wir ihnen entnommen haben, wurden in Ihre Labore oder auf Ihre Workstations hochgeladen, wo Sie sie so genau analysieren können, wie Sie möchten. Wenn Sie die vier Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler ausgewählt haben, die nach Sicherung des Schiffs als Erste an Bord gehen sollen, sollen sie sich bei Staff Sergeant Kerr melden, damit diese dafür sorgen kann, dass sie keine Gefahr für sich oder für ihr Team darstellen. Das ist alles.«

Der Ciptraner streckte seine unteren Beine aus und verließ den Raum.

Die verbleibenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler blieben noch kurz unschlüssig, wo sie waren, dann verließen die Katriens – allesamt laut trillernd – als Erste den Besprechungsraum.

Gleich darauf schob sich Captain Travik zwischen den Nachzüglern hindurch in den rückwärtigen Bereich des Raums.

»Staff Sergeant Kerr.«

»Sir.«

»General Morris möchte mit Ihnen sprechen, nachdem Sie das Team entlassen haben.«

»Jawohl, Sir.«

»Es war schön, die Angst vor dem Corps in den Augen dieser serley chrika zu sehen. Ich habe dem General empfohlen, die Zivilisten mithilfe der Marines unter Kontrolle zu halten.« Er klang, als glaube er das wirklich.

»Jawohl, Sir.«

Sie schickte das Team unter dem Kommando Corporal Nivrys zurück in den Marine-Anbau und folgte dem Captain in den vorderen Bereich des Raumes, wo General Morris mit Lieutenant Stedrin sprach.

»Staff Sergeant Kerr?«

Der Großteil ihrer Aufmerksamkeit galt nach wie vor dem General, aber dennoch drehte sie sich halb um und stellte fest, dass Craig Ryder sie anlächelte. Aus der Nähe sah sie jetzt, dass seine Augen sehr blau waren und dass die Geheimnisse, die sein Lächeln verhieß, einen seltsam intimen Unterton angenommen hatten.

Intim? Wo zur Hölle kam das denn her? Sie war dem Mann doch noch nie begegnet.

»Captain Travik sagt, Sie werden ihm bei dieser kleinen Exkursion behilflich sein.«

Torin warf dem Captain, der seine Zähne blitzen ließ, einen Blick zu. Möglicherweise hatte er Ryder genau das gesagt. Wortwörtlich.

»Ich bin Captain Traviks leitende Unteroffizierin, Mr Ryder, falls Sie das meinen.«

»Ach ja?« Ryder hob beide Brauen. »Nun gut. Als Captain Traviks leitende Unteroffizierin sollten Sie wissen, dass ich Sie beim ersten Betreten des Schiffs begleiten werde.«

»Nein, Mr Ryder, werden Sie nicht.«

»Doch, Staff Sergeant, wird er.«

Langsam drehte sie sich zum General um. »Sir?«

»Das war eine der Bedingungen dafür, dass Mr Ryder eingewilligt hat, uns zu dem Schiff zu führen. Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen. Da Mr Ryder mir zuvorgekommen ist, können Sie beide genauso gut die Diskussion jetzt und hier fortsetzen.« Der Gesichtsausdruck des Generals machte zumindest Torin deutlich, dass er die Einmischung seines Sicherheitsoffiziers guthieß. »Lieutenant …«

»Sir.« Der di’Taykaner begleitete den General aus dem Raum.

Nach kurzem Zögern eilte Captain Travik den beiden nach.

»Endlich allein.«

Torin drehte sich wieder um, diesmal ein wenig schneller. »Sind Sie wahnsinnig? Sie haben keine Ahnung, was in diesem Schiff auf uns wartet.«

Seine Augen blitzten. »Sie auch nicht.«

»Aber wir sind dafür ausgebildet, mit dem Unerwarteten, dem gefährlichen Unbekannten fertig zu werden.« Torin zügelte mit beiden Händen ihr Temperament. »Sie, Mr Ryder, nicht.«

»Ich beabsichtige, meine Investition zu schützen, Staff Sergeant.«

»Wovor? Wir wollen das Schiff nicht plündern.«

»Netter Versuch, aber ich habe schon mit den Marines zusammengearbeitet. Ob Sie das Schiff plündern wollen, werden Sie erst wissen, wenn Sie es sich genau angesehen haben. Um es ganz klar zu sagen: Ich werde mir alles ansehen, was Sie auch sehen. Akzeptieren Sie das am besten mit Anstand.«

»Mit Anstand?«

»Ohne große Diskussion. Widerspruchslos.«

»Mr Ryder, wenn Ihre Anwesenheit meine Leute in Gefahr bringt«, informierte ihn Torin so höflich wie möglich, »werde ich Sie persönlich erschießen.«

»Autsch.« Er lehnte sich auf den Absätzen nach hinten und hob in einer übertriebenen Kapitulationsgeste beide Hände. »Ich möchte Sie nicht kritisieren, Staff Sergeant, aber haben Sie je darüber nachgedacht, vielleicht etwas weniger rotes Fleisch zu sich zu nehmen?«

Als Ryder gleich danach der Staff Sergeant nachsah, die stocksteif durch die Schleuse verschwand, grinste er. »Ich scheine doch richtig gelegen zu haben – sieht aus, als würde ich jede Menge Spaß mit den Marines haben.«

Die Klügere gibt nach

Подняться наверх