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Nummer 56: Am Waisenhaus

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Libell Libell Langsam war der Elektrowagen los gesurrt. Am Zaun des Schulhofes vorbei, folgte als nächstes das Firmengelände der Spedition Gonzalez. Vier Lastwagen, die den Hof zierten. Noch weiter kam Berry mit Fannie und Anne an den Halden vorbei. Na sagen wir mal, ehemalige Halden. Gegenüber dem Waisenhaus. Denn war auf ihnen nicht eine Baustelle entstanden? Wie aus einem heiteren Nichts? Wie Phönix aus der Asche? Mithilfe eines gelben Kranwagens wurden nämlich riesige Betonpflöcke aufgerichtet. Der Insasse war Kran Nilpferd. Ein, zwei Meter vom Kran entfernt Hugo Schmidt, mit einem Bauplan in der Hand. Auch war Schafbauer Fried anwesend.

Schafbauer Fried Dann kann ich meine Schafe hier also auch nicht mehr weiden lassen!

Hugo Schmidt Sehen Sie eigentlich nicht, dass ich zu tun habe?

Schafbauer Fried Wird ja immer heiterer!

Hugo Schmidt Ach, lassen Sie mich doch einfach in Ruhe!

Schafbauer Fried Unverschämt! Ja, einfach nur unverschämt seid ihr alle! ihr werdet von mir hören! Und beschweren werde ich mich! Jawohl, beschweren!

Libell Libell Vor dem Waisenhaus war gerade der Streifenwagen von Olias Frech herangerückt.

Schafbauer Fried Hallo, Herr Wachtmeister!

Libell Libell Schafbauer Fried stampfte hinweg. Über die Straße.

Helm Hops Kran Nilpferd war natürlich einer aus dem Nilpferdland. Und eigens für den beinahe ja schon wieder wie aus einem heiteren Nichts entstandenen Stadionnotstand gerufen worden. Kran Nilpferd konnte - wie alle Nilpferde aus Nilpferdland - aufrecht stehen. Wie ein Mensch. Bekleidet war er mit einer dunkelblauen Bauarbeiter– Kluft, dazu noch eine schicke Bauarbeiter– Mütze.

Hugo Schmidt Bei aller Eile – bitte auch ein klein wenig auf die Sicherheit achten.

Kran Nilpferd Was heißt Eile?

Hugo Schmidt Sicherheit und Stabilität.

Kran Nilpferd Immerhin soll ich noch eins hochziehen.

Hugo Schmidt Wie noch eins?

Kran Nilpferd Noch ein Stadion.

Hugo Schmidt Noch ein Stadion?

Kran Nilpferd Wenn ich' s doch sage.

Hugo Schmidt Unmöglich!

Kran Nilpferd Auf dem Parkplatz. Gegenüber der Kirche. Für das Kneipenteam.

Hugo Schmidt Ach, stimmt ja. Die haben ja auch gemeldet.

Libell Libell Auf der anderen Straßenseite inzwischen.

Schafbauer Fried Eine Unverschämtheit nach der anderen!

Olias Frech Was es nicht alles gibt!

Schafbauer Fried Na, dann schauen Sie sich das Schlamassel da drüben doch mal an!

Olias Frech Schlamassel?

Schafbauer Fried Der Bau da drüben!

Olias Frech Ach, das neue Stadion meinen Sie.

Schafbauer Fried Die schönen Wiesen!

Olias Frech Alles genehmigt.

Schafbauer Fried Eine Katastrophe!

Olias Frech Und ordnungsgemäß!

Schafbauer Fried Und meine Schafe? Wohin kann ich denn jetzt noch meine Schafe treiben?

Olias Frech Nicht doch, nicht doch! Wo Sie doch noch ihrer eigenen Wiesen haben.

Schafbauer Fried Ein Fußballstadion! Nicht zu fassen!

Olias Frech Alles ordnungsgemäß.

Schafbauer Fried Dann tun sie gefälligst was dagegen!

Olias Frech Wozu denn? Wo doch alles genehmigt ist.

Schafbauer Fried Unverschämt! Ihr seid! Alle nur unverschämt!

Libell Libell Olias Frech wollte sich abwenden.

Schafbauer Fried Ja, ja, die Polizei – dein Freund und Helfer!

Olias Frech Wie Sie mir aus der Seele sprechen.

Schafbauer Fried Wenn ich das nur höre!

Olias Frech Na, und ihr anderes Anliegen? Um das ich mich zu kümmern habe? Ist das nichts?

Schafbauer Fried Eine Katastrophe nach der anderen!

Olias Frech Wegen ihrem gerissenen Schaf?

Schafbauer Fried Unternehmen Sie gefälligst auch was gegen diesen unsäglichen Stadionmurks! Oder ich werde mich beschweren!

Olias Frech Dann tun Sie es doch.

Schafbauer Fried Worauf Sie Gift nehmen können.

Olias Frech Etwas, was ich ganz gewiss nicht machen werde.

Schafbauer Fried Und so etwas schimpft sich dein Freund und Helfer!

Olias Frech Sie sprechen mir aus meiner Polizeiseele,

Schafbauer Fried Wenn ich das nur höre!

Libell Libell Da unsere Vorstadt – Hauptstraße an dieser Stelle etwas enger wurde, war es für Berry und seinem Elektrokarren nicht so einfach, einfach den Streifenwagen zu umfahren. Stattdessen parkte er nun einfach hinter ihm. Beziehungsweise vor dem Waisenhaus. Kaum, dass Schafbauer Fried fort gestapft war, begab sich Olias bis vor den kleinen Vorgarten des Waisenhauses. Dort saßen an einem weißen Gartentisch auf einer am Mauerwerk des Hauses befindlichen weißen Gartenbank die Oberschwester Theresa, Beziehungsweise Hugo Eule.

Helm Hops Hugo Eule war die etwas jüngere und Kleinere der beiden Eulen. Im Gegensatz zu seinem Bruder Franz war bei ihm der Körperbau etwas gedrungener. Das Gefieder des Standvogels wirkte insgesamt etwas heller als das von Franz. Er verfügte über eine samtige Stimme.

Schwer einzuschätzen das Alter von Oberschwester Theresa. Nach wie vor ist sie die Leiterin des Hauses, und es gab keine Anzeichen, ob und wann sie den Führungsstab jemals in andere Hände gab. Mit ihrer Nickelbrille wirkte sie etwas streng, was sie allerdings nicht wahr. Beileibe, vor allem ihre Kleinen waren für sie ihr Ein und Alles. Wenn man bedenkt, dass die meisten von ihnen wirklich noch recht klein waren. Beim Gehen war Theresa im Übrigen auf einen Stock angewiesen.

Libell Libell Hugo Eule stand auf dem Tisch. Hielt beide Flügel hoch und weit auseinander. Um die war ein Wollfaden gespannt, die die Oberschwester zu einem Knäuel wickelte.

Berry Weckerknecht Fannie, kurble doch mal das Fenster runter.

Olias Frech Ach der – als ob der mir gerade gefehlt hat!

Berry Weckerknecht Das hat man nun davon, wenn man sich einmal an die Straßenverkehrsordnung hält!

Olias Frech Dass ich nicht lache.

Berry Weckerknecht Hallo - was kann ich denn dazu, wenn du mit deinem Wagen die Straße versperrst?

Olias Frech Nörgeln ohne Ende!

Oberschwester Theresa Ihr beide wollt doch nicht etwa zu mir?!

Berry Weckerknecht Ich eigentlich nicht.

Olias Frech Ich eigentlich schon.

Berry Weckerknecht Bei aller Wertschätzung!

Oberschwester Theresa Und was führt euch zu mir?

Berry Weckerknecht Eigentlich einfach nur vorbei. In den Wald.

Olias Frech Ich eigentlich auch.

Oberschwester Theresa Niemand hält euch auf!

Olias Frech Spurensuche.

Fannie Vandor Beerdigung!

Anne Hoch Fahrrad holen!

Oberschwester Theresa Eine ganze hübsche Menge. Was ihr vorhabt.

Anne Hoch Ja, ich brauch das Fahrrad für unser Fahrradrennen.

Fannie Vanor Ich muss zur Beerdigung einer Einzelameise.

Olias Frech Ich zum Hof von Schafbauer Fried.

Oberschwester Theresa Ja, ja, eure interessante Unterredung gerade eben!

Olias Frech Aber, Oberschwester! Nicht dass Sie uns belauscht haben.

Berry Weckerknecht Was nicht alles schon vorgekommen ist.

Oberschwestere Theresa Höchstens mit einem Ohr. Und eher unfreiwillig.

Hugo Eule Was für ein unangenehmer Kerl!

Oberschwester Theresa Du halt den Schnabel. Halt lieber mal die Flügel gerade!

Berry Weckerknecht Aber wo er recht hat, hat er recht.

Oberschwester Theresa Niemand ist nur schlecht.

Hugo Eule Na ja,

Anne Hoch Der hat vorhin sogar Fannie geohrfeigt!

Fannie Vandor Mann - halt doch einfach mal die Klappe!

Olias Frech Hoppla – das ist allerdings mehr wie starker Tobak!

Oberschwester Theresa Kann man gar nicht laut genug sagen.

Berry Weckerknecht Finde ich auch.

Olias Frech Am besten an deinen Vater wenden. Der soll´s zur Anzeige bringen. Dann kann ich mich auch ganz offiziell drum kümmern.

Fannie Vandor Keine Zeit!

Anne Hoch Was soll ich dann erst sagen?

Oberschwester Theresa Ich kann mich ja drum kümmern. Wenn du willst. Und mit deinem Vater sprechen.

Fannie Vandor Nein Danke. Nicht nötig.

Berry Weckerknecht Also Kinder schlagen. Geht gar nicht.

Anne Hoch Hörst du, Fannie?

Fannie Vandor Ach!

Oberschwester Theresa Genau darum geht es. Aber was wolltest du denn jetzt von mir?

Olias Frech Wie – ach ja. Wegen dem Schafbauer Fried. Eines seiner Tiere ist gerissen worden.

Berry Weckerknecht Gibt Schlimmeres – wie ich finde.

Anne Hoch Ja, Kinder schlagen zum Beispiel.

Oberschwester Theresa Und wieso kommen Sie damit zu mir?

Olias Frech Ob Sie vielleicht was gesehen haben.

Oberschwester Theresa Wie!

Olias Frech Ja, Sie. Oder Ihre Waisenkinder.

Oberschwester Theresa Wie bitte? Meine Kinder sollen gesehen haben, wie ein Schaf zerrissen worden ist?

Hugo Eule Kann ich jetzt meinen Schnaps haben?

Oberschwester Theresa Erst wenn die Wolle fertig aufgewickelt ist.

Olias Frech Könnte doch gewesen sein.

Oberschwester Theresa Oder haben wir was anderes vereinbart?

Hugo Eule Immer so streng.

Olias Frech Ich meine, so oft, wie die im Wald spielen.

Oberschwester Theresa So etwas wüsste ich aber.

Olias Frech Wie meinen Sie das.

Oberschwester Theresa So, wie ich es sage. Meine Kleinen hätten mir so etwa schon längst erzählt.

Olias Frech Was bedeutet, Sie können nichts bezeugen.

Oberschwester Theresa Tut mir leid. Aber ich glaube nicht, dass wir Ihnen weiterhelfen können.

Olias Frech Und auch nicht Frau Fuchs?

Oberschwester Theresa Wie Frau Fuchs?

Olias Frech Ob Ihre Waisenkinder vielleicht etwas von ihr gesehen haben.

Oberschwester Theresa Wollen Sie etwa andeuten, dass Sie sie im Verdacht haben?

Olias Frech Liegt das nicht nahe?

Anne Hoch Nee - die tut doch so etwas ganz bestimmt nicht.

Fannie Vandor Kannst du doch gar nicht wissen!

Anne Hoch Doch, das weiß ich sogar haargenau.

Oberschwester Theresa Also, in dieser Hinsicht kann ich beruhigen.

Olias Frech Inwiefern?

Oberschwester Theresa Nun spitzen Sie mal Ihre Ohren: Frau Fuchs war bei mir. Zu einer Tasse Kaffee.

Olias Frech Oh!

Oberschwester Theresa Sie verstehen!

Olias Frech Ja, natürlich.

Oberschwester Theresa Nichts für ungut.

Olias Frech Trotzdem Danke, Oberschwester. Danke für die Auskunft.

Hugo Eule Krieg ich jetzt meinen Schnaps?

Oberschwester Theresa Halt endlich mal deinen Schnabel!

Libell Libell Sowohl Polizeiauto wie auch Elektrowagen waren wieder angefahren. Das Waisenhaus und das neue Stadion hinter sich gelassen, erreichten sie bald schon die Wendeschleife für unseren Linienbus, an die unmittelbar ein Waldstück grenzte, wo sich unsere Straße so sehr verengte, so dass sie nur noch einspurig war.

Der Busfahrer Quak – Quak hatte es sich auf der Bank des Haltestellenhäuschens bequem gemacht. Indem er die Beine von sich gestreckt hatte und beim Schlemmen einer Leberwurststelle war. Dazu noch Kaffee aus einer Thermoskanne.

Olias mit seinem weitaus schnelleren Auto war bereits aus dem Augenschein, als sich am Wegesrand eine männliche Stimme meldete. Haargenau am Waldeingang, wenn man so wollte.

Männliche Stimme Hilfe!

Libell Libell Anne, die ja immer noch auf dem Kübel der Ladefläche hockte, erspähte offenbar einen alten Bekannten.

Anne Hoch Flockie!

Libell Libell Den sie erspäht hatte, war allerdings ein anderer, wie den, der gerufen hatte. Aber ich denke zur Abwechslung bist du mal wieder an die Reihe, Helm Hops

Helm Hops Ah - als ob ich nicht schon dabei wäre, liebe Libell Libell. Also, der, den Anne „Flockie“ gerufen hatte, war natürlich ein Hund.

Libell Libell Was für eine Überraschung.

Helm Hops Ah – ja, haargenau. Und bei Flockie handelte es sich tatsächlich um einen, kleinen, zotteligen Hund, mit einem kurzen Stummelschwanz. Mitnichten ist er der Hund von Schafbauer Fried.

Anders sah es mit dem aus, der um „Hilfe“ gerufen hat. Hierbei handelte es sich um Johann von Zwirbelbach– Kirrlacher. Seines Zeichens ein waschechter Fliegenpilz, der sein Gesicht naturgemäß auf dem Stil hatte. Unterhalb des Hutes, dazu noch Ärmchen an den Seiten.

Libell Libell Als Berry mit den zwei Mädchen an den Beiden vorbeifuhr, hatte Flockie gerade ein Bein angehoben.

Johann von Zwirbelbach- Kirrlacher Hilfe!

Anne Hoch Flockie –was machst du denn da!

Flockie Waff, waff.

Libell Libell Ja, waff, waff. Flockie konnte nicht sprechen. Im Gegensatz zu vielen anderen Tieren von uns im Wald. Hatte sein Herrchen ihm nicht beigebracht. Einfach nicht, Anne war vom Wagen runter geklettert, und versuchte nun; das Hündchen in die Hände zu bekommen. Was ihr nicht gelang. Irgendwie. Stattdessen lief Flockie in den Wald.

Anne Hoch Flockie – warte doch!

Libell Libell Doch er war schon verschwunden.

Johann von Zwirbelbach- Kirrlacher Danke, Anne, vielen Dank. Dass war Rettung in höchster Not.

Libell Libell Anne schaute noch immer dem Hündchen nach.

Anne Hoch Schon gut.

Johann von Zwirbelbach- Kirrlacher Wenn der mich nass gepinkelt hätte! Oh - nicht auszudenken! Ich wüsste nicht, ob ich das überhaupt überlebt hätte.

Quak-Quak Hör doch einmal auf zu meckern!

Libell Libell Offenkundig hatte der Busfahrer sein Mahl beendet. Stattdessen wedelte er mit ein paar Karten zu sich.

Johann von Zwirbelbach- Kirrlacher Ich weiß nicht, ob ich dazu jetzt noch Lust habe.

Quak-Quak Für eine Partie wird es ja wohl noch reichen.

Johann von Zwirbelbach- Kirrlacher Nach all der Aufregung!

Libell Libell Mau-Mau war etwas, was der Busfahrer in seinen Pausen öfters mit dem Fliegenpilz spielte. Meistens um ein paar Pfennige. Beziehungsweise Hosenknöpfe.

Sechs Gläser für Amalie

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