Читать книгу Zarin der Vampire. Fluch der Liebe: Verrat, Rache, wahre Geschichte und düstere Erotik - Tatana Fedorovna - Страница 7
Frohe Botschaft
ОглавлениеNur zwei Wochen später standen die Roten bereits unmittelbar vor Jekaterinburg. Es wurde Zeit, das letzte Stück Heimat zu verlassen. In der Stadt machte sich nackte Panik breit. Die meisten Zivilisten begaben sich auf die sibirische Strecke. So bezeichnete man die alte Seidenhandelsstraße, welche direkt bis zum Hafen von Wladiwostok führte. Die Eisenbahn beförderte nur noch militärische Güter und Soldaten. Trotzdem setzten einige unbelehrbare Zivilisten noch immer auf das Mitleid des Militärs und harrten weiter am Bahnhof aus. Heimlich kletterten die ganz Dreisten auf die Dächer der Waggons, wurden jedoch konsequent von dort vertrieben.
Alle Fuhrwerke waren fort oder beschlagnahmt. Der Preis für Pferde stieg ins Unermessliche. Dazu beigetragen hatten die mit Geld um sich werfenden Soldaten, denn der Krieg und die Plünderungen hatten sie reich gemacht, die Zivilbevölkerung jedoch arm. Das kam den Bolschewiken zupass, die in ihrer Propaganda die Schuld an dem Preisauftrieb den Kapitalisten und ihren Helfern zuwiesen. Sie riefen dazu auf, alle Besitzenden und die fremden Soldaten gleich mit zu töten. Das sei nur gerecht. Niemand sollte reicher sein als die Allgemeinheit.
Den armen Russen klang das wie Musik in den Ohren. Sie durften morden und plündern, ohne eine Strafe zu fürchten. Im besten Fall bekamen sie dafür sogar noch einen Orden. Das war ganz nach ihrem Geschmack.
Durch die sich abzeichnende Niederlage Koltschaks gewann das Chaos zusätzlich an Fahrt. Die Polizei und jegliche staatlichen Institutionen lösten sich in Windeseile auf. Selbst die Reste seiner zu jungen Truppe hatte den Glauben an den Sieg verloren. Jeder wollte sich nur noch irgendwie retten. Fast kampflos kamen so große Teile Sibiriens wieder unter die Kontrolle der Roten.
Inzwischen hatte ich Tarpen davon überzeugt, dass man die Sokolows nicht den Feinden überlassen durfte; wiederholt hatte mein Liebster seinem General ins Gewissen geredet. Die Beweise, die der Staatsanwalt gesammelt hatte, konnten Wogen bis ins ferne Amerika werfen. Wie stand die Legion da, wenn sie eine Mitschuld daran trug, dass die Beweise für die Untat vernichtet wurden und die Mörder der Zarenfamilie davonkamen? Würde der Befehlshaber General Gajda einlenken? Sokolows Wissen und Beweise wogen vor einem internationalen Gericht schwer und waren die Grundlage einer Anklage gegen die Drahtzieher des Zarenmordes. Die Sokolows waren keine gewöhnlichen Zivilisten.
Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster meiner Suite. Mittlerweile hörte man den fernen Geschützdonner sehr deutlich. Die Kämpfe waren nur noch wenige Kilometer entfernt. Konnten der Staatsanwalt und seine Frau gerettet werden? Noch saßen sie hier fest. Die Mühlen mahlten mal wieder schrecklich langsam …
In der letzten Stunde vor unserer geplanten Abreise erhielt ich endlich die erbetenen wertvollen Papiere. Tarpen hatte den General überzeugt. Die tschechischen Pässe waren fertig. Staatsanwalt Sokolow wurde nun als zivil angestellter Jurist der Legion und seine Ehefrau als seine Sekretärin geführt.
In Begleitung von zwei tschechischen Gefreiten ritt ich zum Haus der Sokolows, um die gute Nachricht persönlich zu überbringen. Das Warten auf die beiden von Tarpen abkommandierten Beschützer hatte weitere Zeit gekostet. Gerne wäre ich sofort allein aufgebrochen, doch ohne Schutz konnte man sich nicht mehr auf die Straße wagen.
Ich hoffte, meine Schützlinge waren nicht verzagt. In den letzten Tagen hatte ich den Sokolows immer nur ausrichten können, dass sie Geduld haben und auf ihren Gott vertrauen sollten. Zuletzt, da sich die Stadt mehr und mehr leerte und die Front sich der Stadt näherte, hatten sie sicher nicht mehr an meinen Erfolg geglaubt. Die Rede war von einem anderen Weg gewesen. Ich ahnte Schlimmes …
Als ich mit den beiden Soldaten eintraf, sah ich die Fenster der kleinen Villa mit Brettern vernagelt. In meinem Hals bildete sich ein Kloß, der metallen wie eine Eisenkugel schmeckte. Waren sie wirklich …?
Da gewahrte ich eine Bewegung. In einem Schlitz zwischen den Brettern regte sich etwas. Kurz darauf öffnete sich die Eingangstür und die beiden Sokolows traten wohlbehalten heraus.
Gott sei Dank!
In ihren Gesichtern stand Furcht. Der Bauch von Frau Sokolow war etwas gewachsen. Wenn man genau hinschaute, sah man eine Wölbung, die nur schwangeren Frauen zu eigen war.
„Gibt es Hoffnung?“, rief Frau Sokolow schon von Weitem mit ängstlicher Miene.
„Ich habe Ihre Papiere!“, gab ich zurück und überbrachte sie wie die Frohe Botschaft. Die Beiden hatten lange warten müssen, daher wollte ich sie keine Sekunde länger auf die Folter spannen.
Das junge Ehepaar fiel sich in die Arme und schluchzte ungeniert, als wäre dies die endgültige Rettung. Es war jedoch bloß ein Meilenstein auf einem langen Weg.
Die Anspannung der letzten Tage blätterte von ihnen ab. Selbst Herr Sokolow hatte Tränen in den Augen. Dankbar drückte er mir die Hand und setzte, wie vor einer Braut niederkniend, unzählige Handküsse auf diese.
„Ich kann es kaum glauben“, wisperte er immer wieder. „Gott steht uns doch bei! Er hat unsere Gebete erhört!“
Was für ein Unsinn, dachte ich. Leiden und Hoffen lagen in diesen Tagen dicht beieinander.
„Er hatte schon einen geladenen Revolver bereitliegen“, verriet seine Frau vertrauensvoll mit tränenüberströmtem Gesicht, ihren Bauch haltend. Sie behandelte mich nun wie eine alte Freundin.
Hatte ich eine gefunden? Niemand, den sie kannte, hielt sich noch hier auf. Wo waren die gewöhnlichen Freunde in der Not?
Nein, ich war eine Bestie und handelte aus eigenen Motiven, gestand ich mir ein.
„Lebend wollte er nicht in die Hände der Bolschewiken fallen. Er hatte schon einen geladenen Revolver bereitliegen“, gestand sie. „Nur das Baby in meinem Bauch hat ihn dazu bewogen, den verhängnisvollen Entschluss aufzuschieben.“ Sie strich bedeutungsvoll über ihre kleine Wölbung.
Der Staatsanwalt Sokolow sah beschämt drein. Um ihn aus dieser Lage zu erlösen, gab ich ihnen die Papiere. Beide bestaunten sie von allen Seiten wie Kinder einen Schatz.
„Sie stehen jetzt im Dienst der neu gegründeten Tschechischen Republik“, erläuterte ich. „Diese gewährt Ihnen Arbeit und Asyl. Außerdem können Sie sich mit diesen Dokumenten in allen mit der Tschechei verbündeten Staaten niederlassen. Zudem dienen die Papiere Ihnen als Fahrkarten. Damit können Sie in Wladiwostok ein Schiff nach Europa besteigen.“
„Danke und nochmals Danke!“ Frau Sokolow umarmte mich erneut. „Sie müssen mir versprechen, Patin unseres Kindes zu werden!“
„Und Sie müssen mir schwören, dass Sie die Wahrheit im Ausland bekannt machen.“
„Nichts lieber als das!“, bekundete Staatsanwalt Sokolow eifrig. „Ich habe bereits mit dem Buch begonnen. Alle Beweise zeichne ich detailliert auf.“
Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem Schmunzeln. Das hatte er mir schon einmal gesagt und es in seiner Aufregung augenscheinlich vergessen. Seine Augen waren vor Übermüdung ganz rot.
„Es wird ein schwieriger Weg“, brachte ich die Beiden auf den Steinboden der Tatsachen zurück. „Die Legion tut alles, um die Eisenbahnlinie zu halten, doch Partisanen sprengen ständig Gleise und die Bolschewiken stoßen rasch vor.“
„Ja, die Lage wird immer unübersichtlicher.“ Staatsanwalt Sokolow nickte.
Ich wies auf einen der Männer, die mich mit dem Pferd eskortiert hatten. „Der Gefreite dort nimmt Ihre Sachen mit. Wir reisen gleich ab, zusammen! Im Zug sind bereits für Sie zwei Plätze reserviert.“
„Sie sind ein Engel!“, rief der Staatsanwalt. Glücklich schlug er die Hände ineinander und dann klatschte er sie mir auf die Schultern.
„Eher das Gegenteil“, flüsterte ich peinlich gerührt. Ihr ehrlicher Dank beschämte mich. Die beiden verkannten meine wahre Natur.
„Nein, Sie sind ein Engel!“, bestätigte seine Frau energisch.
Mir wurde ganz merkwürdig zumute. Die Menschlichkeit in mir wollte wieder aufleben. Hatte ich ethisch gehandelt? Für einen Moment zog sich das rachsüchtige Biest in mir pikiert zurück.
Ich verabschiedete mich von den beiden Glücklichen und ritt mit dem verbliebenen Begleiter zurück, um die eigenen Sachen zu holen.
Die Sokolows wirkten wie verwandelt. Über ihnen strahlte die Sonne am Himmel. Obwohl das ein gutes Omen war, bereitete mir die sengend heiße Kugel Kopfschmerzen. Einzig durch meine dunkle Brille, die sogar lederne Flügel hatte, welche die Seiten abdichtete, konnte ich sie ertragen.