Читать книгу Zarin der Vampire. Schatten der Nächte - Tatana Fedorovna - Страница 6

Blutnächte

Оглавление

Rund zwei Stunden vergingen, in denen mich widersprüchliche Gedanken und Gefühle peinigten. Um mich von den Grübeleien abzulenken, kletterte ich aus dem Hotelfenster, dann über die Feuerleiter auf den Hinterhof und begab mich auf einen nächtlichen Streifzug. Nach diesem Beinahe-Akt loderte die Blutlust stark in mir. Ein passender boshafter Ersatz musste her.

Im Laufe der letzten Wochen hatte ich so etwas wie eine Jagdstrategie entwickelt. Bei Spaziergängen tagsüber merkte ich mir bestimmte Personen, deren besondere Duftnoten meine Nase gewittert hatte. Untrüglich verrieten mir die Gerüche, wer boshaftes Blut in sich trug und somit den Tod verdiente. Alle, die durch mich starben, hatten selbst gemordet und waren schuldig. Ich zog ausschließlich jene zur Rechenschaft, denen Blut an den Händen klebte. Das hatte ich mir bei meiner Vampirwerdung geschworen. Der Bürgerkrieg produzierte reichlich geeignete Opfer. Dadurch ging mir die Nahrung nicht aus.

Nachts besuchte ich dann die ausgekundschafteten Häuser und stillte meinen Hunger. Sobald die Sperrstunde anbrach, waren die Ausgespähten ja an ihrem Aufenthaltsort gefesselt. Natürlich musste ich trotzdem sehr vorsichtig sein. Inzwischen wusste ich aber genau, wo und wann patrouilliert wurde und Dank Tarpen verfügte ich über Papiere, die mir den Ausgang sogar während der Sperrzeiten erlaubten. Ich war nach diesen eine Angehörige der tschechischen Legion. In den Truppenbüchern führte man mich offiziell als Dolmetscherin. So konnte ich mich nahezu gefahrlos bewegen. Zudem kannten mich die meisten tschechischen Offiziere persönlich.

Ein kleiner Zug Soldaten marschierte im Gleichschritt vorbei, ohne mich zu entdecken.

Meine sensible Nase analysierte die Luft und lenkte mich geradewegs zu meinem Ziel. Ein paar Schneeflocken fielen auf meinen Pelzmantel. Die ledernen Stiefel knirschten bei jedem Schritt durch die frische Pracht.

Aus der Ferne beobachtete ich mein ausgewähltes Opfer.

Die Tür des gesuchten Hauses öffnete sich und ein Mädchen, in eine Filzjoppe gehüllt, trat mit aufgelöster Haarmähne heraus. Ihre nackten Beine steckten in Strohschuhen. Sie roch nach frischem Geschlechtsverkehr.

Aus dem Inneren rief ihr ein Bursche hinterher: „Beeil dich, ich habe noch nicht genug!“

Die Kleine lachte schmutzig. Obwohl sie auf den ersten Blick unschuldig wirkte, konnte meine Nase nicht trügen. Sie war eine Mörderin. Wen hatte sie in ihren jungen Jahren auf dem Gewissen?

Ich schlich zu ihr.

„Mach dich davon!“, fuhr sie mich an. „Siehst du nicht, was ich gerade mache?“ Zwischen ihren nackten Füßen strömte Urin auf den jungfräulich weißen Schnee herab und färbte ihn gelb.

„Warum hast du getötet?“, fragte ich sie. Eine winzige Nische meines Hirns zweifelte noch immer an dem Ergebnis der Nase. Die junge Schönheit war keine zwanzig Jahre alt.

Verblüfft schaute sie mich an. Ihre kornblumenblauen Augen bildeten einen mysteriösen Kontrast zu ihrem strohblonden Haar. Hier in Sibirien war diese Kombination eine Seltenheit. Schade, dass in ihrem Herzen so viel Böses lag.

„Woher weißt du das? Nur Grischa und ich wissen doch davon.“

„Das beantwortet nicht meine Frage“, zischte ich bedrohlich. Entsetzen und Verblüffung stand nun in ihren Augen.

„Was hätten wir tun sollen? Es sind Kriegszeiten, unsere Babys hätten keine Chance gehabt.“

Jetzt wusste ich es. Sie hatte ihre eigenen Kinder ermordet. Gab es ein größeres Verbrechen als den Mord am eigenen Nachwuchs? Ich hasste diese Art von Frauen, die sich über ihre eigenen Kinder stellten und ihnen den Tod verordneten. Kinder passten nie. Man musste sich eben aufopfern. Der Bauch gehörte nicht einer Frau, sondern ihrem Baby.

„Nicht immerzu rummachen!“, zischte ich zynisch als Antwort und schnappte sie mir. Durch die Überraschung war sie eine leichte Beute. Aus Mitleid beendete ich ihr Leben schnell und trank mich satt.

„Wo bleibst du denn?“, hörte ich ihren Freund oder Mann ungeduldig aus der schäbigen Wohnung schreien.

„Ich komme schon!“, rief ich.

Da ihm die Stimme fremd erschien, sah er zur Tür hinaus. Verblüfft blickte er auf meinen blutigen Mund.

„Wer bist du?“

„Ist das wichtig?“

„Deine Lippen! Sie sind …“

Ich wischte mir den Herzsaft mit dem Ärmel ab. „Besser so?“, fragte ich mit großen unschuldigen Augen.

Er nickte verstört und glupschte ungläubig.

„Grischa, erkennst du mich nicht?“, foppte ich ihn. Es war eine Narretei ganz nach meinem Vampirgeschmack.

„Woher kennst du diesen Namen?“ Er machte ein erstauntes Gesicht. Bartstoppeln ließen es männlich erscheinen.

Ich lachte schelmisch.

„Von deinen Ungeborenen, ihr habt doch eure Babys ermordet?“ Mein Gesicht wirkte unschuldig, als wären wir Vertraute.

Der Mann wirkte noch schockierter. Ehe er etwas erwidern konnte, stieß mein Messer tief in seinen Bauch und drückte ihn gleichzeitig in die Wohnung zurück. Ich verschloss die Tür hinter uns.

„Das wird jetzt sehr intim“, erklärte ich flüsternd. „Keiner soll uns bei dem Tête-à-tête belauschen.“

„Ich bin nicht Grischa!“, stöhnte er, um sein Leben zu retten. Sein irrer Blick war auf mich gerichtet. Hatte ich wirklich den Falschen erwischt? Das war dumm.

Der naive Kerl leistete keinerlei Gegenwehr und hoffte auf mein Einlenken. Ich zog das Messer heraus, um ihm Gelegenheit zu geben, etwas zu sich zu kommen. Vielleicht erzählte er mir, wo sich der echte Grischa aufhielt. Ich hatte keinerlei Furch und fühlte mich stark und überlegen.

Leise stöhnend versuchte der Verletzte in die Tiefe der Wohnung zu fliehen, mit einer Hand verdeckte er seine blutende Bauchwunde.

Aus einem Zimmer kam ein weiterer kräftiger Bursche. Das war wohl der sagenhafte Grischa. Der Geruch in der Hütte verriet mir, dass alle es zu dritt miteinander getrieben hatten. Das Spiel gewann an Fahrt. Grischa realisierte nicht, dass sein Bettkumpan schwer verletzt war und ums Überlegen rang.

Er lachte sogar. „Wunderbar! Was für ein hübsches Ding hast du da für mich mitgebracht?“

„Oh, ein Kavalier!“, spottete ich zurück. „Wollen wir es gleich miteinander treiben?“

„Was ist mit ihm?“, fragte der Mistkerl, der seinen stöhnenden Freund nun doch eines neugierigen Blickes würdigte. Dieser kniete auf dem Boden und hielt seine Wunde mit den Händen.

Ich ging an dem Verletzten vorbei.

„Beachte ihn nicht. Der ist total besoffen und will nur kotzen!“ Genüsslich trat ich über dessen Rücken, sodass der Verletzte stöhnend auf den Boden gedrückt wurde, und schlenderte zu meinem neuen Liebsten weiter.

Der stark Angetrunkene fand das witzig und griff mir in russischer Manier sofort frech unter den Rock, direkt zwischen die Beine.

„Wow!“, stöhnte ich. „Da haben wir aber einen erfahrenen Burschen!“

Ich gab dem unseligen Begehren aus einer verrückten Laune heraus nach und beschloss, das Geschehen bis auf die Spitze zu treiben.

Ohne den im Flur Stöhnenden zu beachten, trieben wir es wie Tiere in der Brunst. Mit den Händen stützte ich mich an die Wand und ging leicht in die Knie. „Was für ein schmutziges Mädchen!“, jauchzte er. Ihn interessierte nicht, wer und wie alt ich war.

„Was für ein widerlicher Kerl!“, gab ich das verdorbene Kompliment zurück. Ich hörte Laute im Flur. Sein Gefährte wollte sich wohl davonstehlen?

Ich drückte sein Becken mit den Händen zurück.

„Warte hier, ich komme gleich wieder!“

„Was soll das?“, beschwerte er sich. Er konnte die baldige Erfüllung seiner Lust nicht mehr erwarten.

„Hab ein bisschen Geduld, Liebster! Bleib hier und verlass den Raum nicht!“ Ich beschwichtigte ihn mit einem Kuss.

Er knurrte ungehalten und spuckte einen grünen Fladen auf den Boden.

Sein Kumpan lag zuckend auf dem Boden und hauchte sein Leben aus.

„Was war da los?“, fragte mein widerlicher Liebhaber, der brav gewartet hatte.

„Dein Freund ist sauer, er gönnt dir keinen Spaß!“, flunkerte ich und stellte mich erneut willig an die Wand und hob das Kleid hoch. Ich betrachte ihn voll kranker Lust dabei und sah in Gedanken schon sein Ende. Was hatte der Krieg aus mir gemacht?

„Na endlich!“, bellte er. Während er zufrieden die Augen verdrehte stieß ich mit Tarpens Dolch zu. Das war sein letztes Vergnügen in dieser Welt.

„Du hast jetzt deine Ruhe“, verabschiedete ich mich.

Es war ein merkwürdiger Abend gewesen und nebenbei hatte ich die Welt auch noch von drei Bösewichtern befreit. Ein wenig schämte ich mich dennoch. War ich nun eins mit den Bestien?

Zarin der Vampire. Schatten der Nächte

Подняться наверх