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1. Kapitel

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Die wichtigsten Protagonisten in der Reihe Krügers Fälle:

(Haupt) Kommissar Max Krüger, 52, Dienststelle Freiburg im Breisgau

Seine Lebensgefährtin Elisabeth Graßel, 52

Kommissar Eric Guerin, 39, Kripo (Police judiciaire) Colmar, Elsass, Frankreich

Kommissar Kaspar Gruber, 49, Kripo Basel, Schweiz

Seine Lebensgefährtin Sonja Sperling

Krügers Team in Freiburg:

Michélle Steinmann, 33, Krügers Liebling und vorgesehene Nachfolgerin

Kriminalrat Peter Vogel, 62, Chef der Dienststelle Freiburg

Dr. Franz Holoch, Pathologe, unberechenbarer, aber sympathischer Egozentriker

Erwin Rohr, Chef Spuren, und sein besonders begabter Mitarbeiter Helmut Paschke

Krügers Assistenten Otto Grünwald, 37 und Thomas Sieber, 36

Sekretärin Susanne Trautmann, 47, guter Geist des Reviers

Grubers Team in Basel:

Sein Assistent Bruno Finger, Adrian Betschart, leitender Staatsanwalt und Grubers Chef

Pathologe in Basel Dr. Norbert Diener, Spuren, Markus Känzig, Sekretariat Kirsten Hohenauer

Frankreich im Juli. Le Tour rollte in der zweiten Woche. Wer konnte, begnügte sich tagsüber mit ruhigem Dösen im Schatten. Glücklich, wer über ein Gewässer in seiner Nähe verfügte. Selbst wenn das Kanalwasser der Saône einige Kilometer oberhalb von Gray einen leichten Braunton aufwies, erfrischend blieb es trotzdem. Man brauchte es ja nicht zu trinken. Ein Bad darin reichte völlig aus.

Und nach Sonnenuntergang wurde es am Ufer richtig gemütlich. Übertroffen höchstens noch von einem Aufenthalt an Bord eines luxuriösen Hausboots auf dem Fluss, wie ihn Muriel Bodet in diesem Moment genießen konnte.

***

Natürlich müsste eine ringförmig ausgelegte Schlinge auf der Heckplattform eines Bootes eigentlich auffallen. Sogar im letzten Licht des Tages. Eine dünne, dunkle Leine, in deren Zentrum eine helle, runde Gummimatte lag. Eine Matte, wie sie oft in Duschen oder Badewannen als Gleitschutz Verwendung findet. Die Saugnäpfe an der Unterseite sorgten dafür, dass das Ding nicht bei einem Windstoß im Fluss landete.

Falls jemand Fragen stellen sollte: Der Vorleger diente natürlich dem sicheren Stand beim Abtrocknen nach dem Baden. Und die Schlinge würde zugezogen genau so lang sein, dass man daran zum Beispiel eine Champagnerflasche über die an dieser Stelle randlose Bootskante ins Wasser hängen konnte.

Alle von Muriel betreuten, durch ihre Form bedingt auch Penichette genannten Hausboote wiesen eine eingestickte Markierung an der zugehörigen Leine auf. Um die Stelle zu markieren, an der sie in der automatischen Klemmvorrichtung eingelegt werden sollte. Dem vorgesehenen Zweck, dem Anhängen eines mitgeschleppten Schlauchbootes, diente sie höchstens dann, wenn die Touristen ein solches mitbrachten. In die Schlaufe am Ende ließ sich wahlweise ein Karabinerhaken einhängen oder auch die Leine selbst durchschieben, um sich um einen schlanken Flaschenhals zu legen.

Aber solange Muriel in ihrem hauchdünnen Strandkleidchen im Schneidersitz auf der am Heck fest verschraubten Bank saß, würde kein halbwegs normaler Mann auch nur einen Blick auf den Boden verschwenden.

»Kommst du endlich!«, rief sie in Richtung der offenen Kabinentür, die über eine schmale Treppe das hintere Unterdeck mit der Heckplattform verband.

»Ja, gleich«, brummte eine tiefe Männerstimme zurück.

Thorsten, ein braun gebrannter deutscher Rentner, hatte nicht schlecht gestaunt, als ihn die Rezeptionistin des Bootsverleihs an seinem Liegeplatz besuchte. »Wie kommen Sie denn hier her?«, hatte er verständnislos gefragt.

»Satellitennavigation«, hatte sie ihm lächelnd zugeflüstert.

Da fiel ihm wieder ein, dass sie ihm, während der Instruktionsfahrt erklärt hatte, dass sie ihre Hausboote jederzeit orten konnte.

Inzwischen lag die Penichette in einer Lücke zwischen hohen Bäumen am Flussufer vertäut. Thorsten wäre von selbst nie auf diese romantisch anmutende Stelle gekommen. Aber die offenbar ganz schön wuschige Blondine hatte ihn zielstrebig an ein Plätzchen gelotst, wo sie ungestört am Strand ein Abendessen auf offenem Feuer braten und anschließend im Boot übernachten konnten. Sogar eine passable Flasche Wein, zwei magere Steaks und eine Baguette hatte sie mitgebracht.

Dass die Dame nicht bloß seiner Ausstrahlung erlegen sein dürfte, sondern wahrscheinlich in erster Linie davon ausging, dass er vermögend sein könnte, störte ihn nicht wirklich. Etwas Ernstes mit ihr kam für Thorsten keinesfalls infrage, obwohl sie leidlich Deutsch sprach und er sich eine verwöhnte Geliebte durchaus leisten konnte. Aber sich den Urlaub mit einer üppigen, französischen Mademoiselle zu versüßen: Weshalb sollte er darauf verzichten?

Thorsten stellte sich erwartungsvoll vor sie hin. Seine nackten Füße standen jetzt genau im Zentrum des Vorlegers. Muriels Beine öffneten sich und umschlangen seine Hüften.

»Komm näher!«, lockte sie.

»Wie denn?«, brummte er. Seine vom Alkohol geröteten Augen versuchten mit mäßigem Erfolg, ihr Gesicht zu fixieren. Immerhin stand er nahe genug, um seine Hände an die seitlichen Verschlüsse ihres Bikinihöschens zu legen. Die hatte er am Nachmittag bereits aus der Ferne studieren können, während sie ihm, sich auf dem Vordeck rekelnd, den Weg zu der lauschigen Stelle am Ufer gewiesen hatte. Er nestelte herum. Weil er den Mechanismus nicht gleich durchschaute, fühlte er einfach unter dem Stoff, ob und wie heiß sie war.

Auch sie nestelte. Hinter der Bank ertastete sie die genau an dieser Stelle verlaufende Leine, um sie Stück für Stück zu sich zu ziehen. Wie erwartet, bemerkte er nichts davon.

Vorsichtig zog sie weiter, bis sie den ersten Widerstand an der Leine spürte.

Die Schlinge verhakte sich genau wie bei ihren regelmäßigen Testläufen zuvor in den Saugnäpfen der Gummimatte. Zwischen halb geschlossenen Lidern sah sie, dass die Ränder der Matte sich wie bei einem Tabaksbeutel aufrichteten und das Seil emporhoben. Gelernt ist gelernt, dachte Muriel zufrieden. Wohlig stöhnend öffnete sie ihre Schenkel. Zog die Knie an, um ihm die Fußsohlen auf die Brust zu setzen.

Er lehnte sich locker dagegen, ließ die Hände weiter über ihren Körper wandern.

Erst ein Ruck an der Leine. Danach stieß sie ihn mit der gesamten Kraft ihrer Beine von sich weg. Die Schlinge um die Fußgelenke stoppte ihn, noch aufrecht stehend, praktisch im Flug. Wie ein getroffener Kegel klatschte er rücklings ins Wasser.

Muriel schnappte sich einen Bootshaken, um ihn niederzudrücken, falls er es schaffen sollte, wieder aufzutauchen. Außerdem würde dies einem zufälligen Zeugen klarmachen, dass sie versucht hatte, dem ins Wasser gefallenen Partner zu helfen. Die bereits einsetzende Dämmerung begrenzte die Sicht ohnehin auf die unmittelbare Umgebung des Bootes. Sie wählte den Zeitpunkt schließlich genau so sorgfältig aus, wie alles Andere.

Der Kampf dauerte nur eine Minute. Sein Zappeln erlahmte rasch.

Muriel verlängerte die Leine um einige Meter. Die Strömung des Flusses würde ihn ein Stück hinter dem Boot ans Ufer treiben. Dort konnte Muriel die Schlinge lösen, ohne ihn anheben zu müssen, wozu sie wohl auch gar nicht imstande gewesen wäre.

Mit dem Bootshaken in der Hand eilte sie über das Stegbrett vom Boot ans Ufer. Knietief im Fluss stehend zog sie den Haken am lang gestreckten Arm durchs Wasser, bis sie die Leine erwischte. Selbst wenn ihr jetzt jemand zugesehen hätte. Was sie da genau trieb, blieb buchstäblich im Dunkeln. Nun watete Muriel bis zu den Hüften in den Fluss. Im Schutz des Wassers löste sie die Schlinge von seinen Füßen und streifte sie stattdessen über sein rechtes Handgelenk.

Zurück auf der Heckplattform zog sie den Körper wieder an den Bootsrumpf heran. In der Nacht durften die Boote der Touristen nicht fahren. Muriel kam dies nicht ungelegen, denn sie hatte viel zu tun. Sie musste alles finden, was er bei einer normalen Abreise mitgenommen hätte. Es sollte schließlich so aussehen, als ob er das Boot ordentlich zurückgegeben hätte. Gegen eine kleine Gebühr war das an jedem gewünschten, mit einem Auto erreichbaren Punkt an der Saône möglich. Als besonderen Service brachte der Bootsverleih den Gästen auf Wunsch sogar den eigenen Wagen an eine solche Stelle.

Muriel ordnete und packte seine Sachen. Ordnen in dem Sinne, dass Thorstens Wertsachen und Bargeld in ihren Besitz wechselten, während der Rest seiner Habseligkeiten erst in seinem Gepäck und schließlich in einer zweiten Phase in seinem Auto landen würde. Zu guter Letzt wollte sie das Fahrzeug am Rand einer von der Saône entfernten Stadt stehen lassen. Mit eingestecktem Schlüssel. Dass dieser Wagen von der Polizei gefunden oder als herrenlos gemeldet wurde, war praktisch ausgeschlossen. Stattdessen dürfte er wie von selbst spurlos verschwinden. Den Schmuck ihres Opfers würde sie in einer Pfandleihe derselben Stadt versetzen.

Muriels Methode funktionierte nicht zum ersten Mal reibungslos, abgesehen von kleinen Verbesserungen, die sich im Lauf der Zeit ergeben hatten. Das Wichtigste dabei: Sie begnügte sich mit dem, was sie leicht bekommen konnte, ohne jede Gier. Trotzdem reichte die Beute des Sommers meist aus, um in einigem Wohlstand durch den Winter zu kommen. Der Hausbootsverleih arbeitete naturgemäß bloß im Sommerhalbjahr. Im Winter lebte Muriel im Elsass, abseits der Saône und von vermögenden Touristen. Und nicht zuletzt weit entfernt von ihren Arbeitskollegen, denen ihr vergleichsweise aufwendiger Lebensstil eventuell auffallen könnte.

Bisher war meistens alles gut gegangen, aber Muriel hatte natürlich einen Plan B, falls sich nicht gleich eine Gelegenheit zum Zuschlagen ergab. Sie konnte warten, und wenn sie dafür mit den Männern schlafen musste, machte ihr das nichts aus. Ein verächtliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Nur einmal wäre sie beinahe aufgeflogen. Wie immer, wenn sie daran dachte, durchzuckte der Schreckmoment sie bis in die Fingerspitzen. Ihr Opfer hatte etwas gemerkt und sich aus der Schlinge gewunden. Sie misstrauisch gemustert. »Was soll das denn werden?«

Muriel seufzte erleichtert. Zum Glück war sie geistesgegenwärtig gewesen. »Nur ein Fesselspiel. Du hast doch gesagt, du bist offen für alles. Und jetzt macht dir das keinen Spaß?«

Im Lauf der Zeit war ihr natürlich der eine oder andere durch die Lappen gegangen, doch das machte nichts. Solange niemand Verdacht schöpfte … Todesursache Ertrinken, was könnte natürlicher sein? Bislang war sie noch nie von der Polizei befragt worden, und wenn es doch einmal dazu käme – sie beherrschte die Rolle des naiven Blondchens perfekt.

***

Natürlich war auch Muriel nicht als männermordendes Monster geboren worden. Als kleines Mädchen, bei einem Ferienaufenthalt in Obhut ihres Großvaters Jean, prägte sie ein schreckliches Erlebnis. Jean lebte als Schleusenwärter in einem der winzigen Häuschen, die bis heute an fast jeder Schleuse stehen. Während inzwischen eine automatisierte Hydraulik die Tore schließt und der gesamte Ablauf einer Schleusung keinerlei menschliche Kraft mehr benötigt, sah Jeans Arbeitsalltag früher ganz anders aus.

Selbstverständlich ließen die Schiffer die schon damals äußerst anmutige Muriel bereitwillig auf ihr Boot, damit ihr während der Schleusung nichts passieren konnte. Sie liebte es zum Beispiel, sich am Deckrand kniend an die Reling zu lehnen und mit einer Weidenrute eifrig im einströmenden Wasser zu rühren.

Bei einer solchen Gelegenheit tauchte die halb verfaulte Fratze einer Wasserleiche genau im Kreis ihrer Rute auf. Bald darauf wurde die Leiche geborgen, und das war ein Glück. Wie sonst hätte sich erklärt, was die süße Muriel dermaßen erschreckt hatte, dass sie eine ganze Woche lang nicht mehr sprechen wollte?

Dieses Trauma, stellte sie bald fest, erwies sich als praktische Begründung für fast alles. Deshalb hielt sie den Zustand aufrecht, obwohl sie das Erlebnis in Wahrheit schon bald einigermaßen verarbeitet hatte. Dass sie anfangs tatsächlich in manchem Wasserwirbel eine Fratze auftauchen zu sehen glaubte, stimmte sogar. Ihr gesamtes Umfeld kannte den Grund und nahm es schulterzuckend hin.

Während ihrer ganzen Jugendzeit zog man ab und zu tote Körper aus dem Fluss, die an den Schleusen hängen geblieben waren. Natürlich versuchte man, den Anblick von Muriel fernzuhalten. Sie beobachtete deshalb immer besonders genau. Im Lauf der Zeit fiel ihr auf, dass niemals ein gewaltsamer Tod angenommen wurde, solange die Leichen keine auffälligen Verletzungen aufwiesen.

***

Richtig begonnen hatte Muriels Nebenerwerb allerdings erst, als einer ihrer Gäste, der um eine zweite Instruktion zur Bedienung der Penichette gebeten hatte, sie reinlegen wollte. Oder genauer, eigentlich flach.

Ein glatzköpfiger Sechziger mit Kugelbauch, der klagte, dass er mit dem elektrischen Bugstrahlruder nicht zurechtkomme. Rasch stellte Muriel fest, dass es gar nicht funktionierte. Um die Sicherung zu kontrollieren, musste sie einen in der Kabine befindlichen Bodendeckel öffnen. Als sie davor kniete, packte er sie an den Handgelenken. Rabiat zwang er sie auf den Bauch und drohte, ihr einen Arm auszurenken, falls sie auch nur einen Mucks von sich geben sollte.

Ungelenk fesselte er ihre Hände auf dem Rücken. Er hat das so geplant, wurde Muriel schlagartig klar. Die Panne diente bloß als Vorwand, um sie anzulocken. Und um sie in eine körperliche Lage zu zwingen, aus der sie sich kaum noch zur Wehr setzen konnte. Wahrscheinlich war überhaupt nichts kaputt, ging ihr durch den Kopf. Er muss sich die Stricke zuvor zurechtgelegt haben. Sie versuchte, nicht zu stöhnen, wenn er an ihr zerrte. Warum sie so nüchtern analysieren konnte, statt in Panik zu verfallen, wusste sie selbst nicht.

Ihre Fußgelenke befestigte er an einer Heizungsleitung in der Kabine. Eine weitere Schlinge legte er ihr lose, aber das Ende griffbereit um den Hals.

»Rühr dich nicht, wenn du weiterleben willst«, zischte er. Dann erhob er sich schnaufend.

Muriel lag mit abgedrehtem Kopf auf dem Boden und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Er warf eine Pille ein, die er mit einem kräftigen Schluck aus einer Weinflasche herunterspülte. Danach zündete er sich eine Zigarette an. Muriel sah den Rauch, doch der Dicke selbst verschwand aus ihrem Blickfeld. Seine Schritte entfernten sich, und für einen Moment wurde es dunkler in der Kabine, als er sich durch die schmale Tür zwängte.

Seine Knoten saßen nicht besonders fest. Muriel, daran gewöhnt mit Seilen umzugehen, schaffte es in wenigen Minuten, die Hände freizubekommen. Die Füße waren ebenfalls im Nu frei. Ihr erster Impuls war natürlich, rauszulaufen und schreiend auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings herrschte an diesem Tag eine mörderische Hitze. Niemand hielt sich freiwillig im Freien auf. Das Boot lag als Einziges am kleinen Anleger eines Restaurants, das um diese Tageszeit geschlossen blieb. Der Alte hatte den Ort vermutlich mit Bedacht ausgewählt. Muriel konnte sich nicht darauf verlassen, dass sie überhaupt jemand hören würde. Und sie kochte vor Wut. Mit dem alten Knacker werd ich doch fertig, dachte sie. Wenn sie es schaffte, ihn ins Wasser zu kriegen … Das traute sie sich zu.

Mit einer aus seinen Stricken zusammengeknoteten Leine in den Händen schlich sie sich aufs Vorschiff. Sie konnte ihn zwar hinter dem Bootsaufbau nicht sehen, aber der Rauch seiner Zigarette wies ihr den Weg.

Barfuß stieg sie auf das Oberdeck. Spähte vorsichtig nach hinten. Er saß rauchend mit dem Rücken zu ihr auf der Bank der Badeplattform. Rasch fädelte sie eine Schlinge ein, warf sie dem Alten über den kahlen Schädel und hechtete direkt ins Wasser.

Noch bevor er kapiert hatte, was ihm geschah, zerrte sie ihn an der Leine in den Fluss. Ob der Idiot überhaupt schwimmen konnte, wusste sie nicht. Jedenfalls strampelte er wild und schluckte sofort Wasser. Er ertrank, ohne dass Muriel ihn auch nur anzufassen brauchte, abgesehen vom Strick in ihren Händen. Den beließ sie an seinem Hals, bis er sich nicht mehr regte. Zwar hatte er daran gezerrt, in der Panik jedoch nicht bemerkt, dass er die Schlinge umso enger schloss, je stärker er zog.

Schon wenige Minuten später stand Muriel am Steuer und lenkte das Boot auf den Fluss. Mit der freien Hand zog sie sich ihre triefenden Sachen aus. Falls sie jetzt einer beobachtete, würde er wenigstens nicht auf die Leine achten, die vom Bug herabhing und im Wasser verschwand. Muriel hatte den Alten so befestigt, dass er während der Fahrt unter das Boot gezogen wurde und deshalb nicht gesehen werden konnte.

Als sie jedoch nach einer guten Stunde Fahrt in einem Waldstück, das der Fluss hier durchschnitt, die Leine an Bord holte, stellte sie entsetzt fest, dass sie ihn offenbar verloren hatte. Einer der Knoten musste sich gelöst haben.

Dieses Erlebnis bildete den Start ihrer »Karriere«.

Die Leiche des Alten tauchte ihres Wissens nie wieder auf. Schon damals hatte sie seine Wertsachen als eine Art Entschädigung behalten. Er hatte eine ansehnliche Summe in seinem Koffer gehortet. Für Muriel begann eine finanziell unbeschwerte Zeit, die sie später nicht mehr missen mochte. Seither achtete sie gezielt auf einsame, ältere Herren unter der Kundschaft des Bootsverleihs, am liebsten im Ruhestand. Während des Eincheckens und der darauf folgenden Instruktionsfahrt gaben sie ihr bereitwillig Auskunft über ihren Familienstand und weitere persönliche Details. Die meisten reisten im eigenen Wagen an, eine gute Gelegenheit für Muriel, sich von der finanziellen Ausstattung ihrer potenziellen Opfer ein Bild zu machen. Wenn einer die Kriterien erfüllte, legte sie ihr Netz aus, in dem sich die Herren, ohne zu zögern und leidenschaftlich gern verstrickten. Glücklicherweise blieb der größte Teil ihrer Opfer genauso spurlos im Fluss verschwunden wie der fette Alte. Trotzdem »erlitt« Muriel immer eine »Sichtung«, kurz nachdem sie mal wieder einen Touri versenkt hatte. Als bloße Vorsichtsmaßnahme.

Muriel

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