Читать книгу Muriel - T.D. Amrein - Страница 8

6. Kapitel

Оглавление

Polizeipräsidium Freiburg im Breisgau. Kommissar Max Krüger versuchte, das Gesicht des Toten auf dem Foto mit demjenigen im Personalausweis von Rainer Lau in Einklang zu bringen. Nicht, um die Identifizierung zu bestätigen; die war bereits gesichert. Krüger beschäftigte vielmehr, wie sehr der Tod ein Gesicht entstellen konnte. Außerdem fand er es wichtig, dass man bei Nachforschungen nicht bloß ein optisches Bild des Gesuchten im Kopf hatte. Auch ausgeprägte Eigenschaften wie zum Beispiel sympathisch oder aggressiv gehörten zur Person, in die er sich hineinzuversetzen versuchte, um ihre Gedankenwelt zu erahnen. Das galt natürlich sinngemäß auch für männlich oder weich, verschlagen oder seriös. Oder was sich sonst noch alles aus einem Bild herauslesen ließ, solange man über nichts weiter verfügte.

Das Foto der Leiche eignete sich jedoch dazu kaum. Es erweckte in erster Linie Mitleid oder Ekel, je nach Befindlichkeit des Betrachters.

Michélle riss ihn aus seinen Gedanken. »Können wir, Chef?«

Sie waren im Begriff, ins 60 Kilometer entfernte Offenburg aufzubrechen. Dort hatte das Opfer zuletzt gewohnt. Da die Leiche im Ausland aufgefunden wurde, hatte man die Zuständigkeit nach Freiburg, das dem Fundort nächstgelegene deutsche Präsidium, verlegt. Erste Abklärungen und Befragungen von Zeugen hatten die Beamten am Wohnort bereits durchgeführt. Krüger brauchte die Ergebnisse bloß noch zu sortieren und zu bewerten. Selbstverständlich konnte er weitere Untersuchungen anregen oder auch persönlich ermitteln, wenn er es für notwendig hielt. Der Zweck der anstehenden Reise bestand darin, sich ein eigenes Bild von den beiden seltsam anmutenden Freunden des Opfers zu verschaffen. Die drei hatten einen gemeinsamen Urlaub auf einem Hausboot verbracht. Auf genau diesem Fluss in Frankreich, der Saône, aus der ein deutsches Touristenpaar, die Leiche von Rainer Lau gefischt hatte.

In den Protokollen fand sich kein einziger konkreter Satz zum Sachverhalt, den Krüger als Ausgangspunkt für eine gezielte Vernehmung verwenden konnte. Und obwohl sie getrennt befragt wurden, erzählten sie ziemlich das Gleiche. Das Verschwinden ihres gemeinsamen Freundes wollten sie überhaupt nicht bemerkt haben. Er sei, wie vorgesehen, einige Tage früher zurückgefahren, um einen wichtigen Termin wahrzunehmen. Welcher Art und wo, wollten sie ebenfalls nicht gewusst haben. Auch keine Ahnung von eventuellen Freundinnen oder Verwandten. Genauso wenig wie von Vorlieben oder Abneigungen des Mannes. Schließlich habe man praktisch nie über Privates gesprochen. Und, dass ihnen erst jetzt am Stammtisch, nach fast zwei Monaten, beim gemeinsamen Betrachten des Polizeifotos eines unbekannten Toten aufgefallen war, dass es dem Kollegen ähnlich sah. Der im Übrigen, seit der Reise tatsächlich nie mehr aufgetaucht sei. Immerhin hatten sich die beiden schließlich dazu durchgerungen, sich mit ihrer Beobachtung bei einer Polizeiwache zu melden.

Krüger konnte sich kaum vorstellen, dass ein erwachsener Mensch erwartete, dass ihm jemand eine solche Aussage abkaufte. Oder sogar davon ausging, mit einer dermaßen hanebüchenen Story unbehelligt durch eine Morduntersuchung zu kommen. Die beiden ließen sich jedoch auch durch gezieltes Nachfragen offenbar nicht beirren. Rainer Lau solle putzmunter und auf eigenen Füssen das Hausboot verlassen haben. Danach wurde er nie mehr gesehen. Der Kontakt sei ohnehin stets eher lose gewesen. Man habe sich nie verabredet, ausgenommen zur Bootstour, sondern sich immer bloß zufällig, am Stammtisch getroffen. Soweit die Kernaussage der Freunde, die sich natürlich gegenseitig bestätigen und decken konnten.

Was auf den ersten Blick als Schwachsinn wirkte, erwies sich jedoch als unwiderlegbar. Die Buchung der Reise lag mehr als ein Jahr zurück. Die Begründung, dass es schwierig sei, für alle drei eine passende Zeit zu finden, deshalb die lange Vorlaufzeit, leuchtete zweifellos ein. Ein Jahr auf eine Gelegenheit warten, um mit jemandem abzurechnen, lag noch im Bereich des Vorstellbaren.

Aber wenn sie ihn tatsächlich loswerden wollten, hätten sie ihn zum Beispiel betrunken ersäufen und das Ganze als Unfall melden können. Ein solches Vorgehen, dürfte kaum zu ernsthaften Ermittlungen geführt haben.

Also entweder zwei unschuldige Idioten oder zwei Superschlaue. Oder steckte noch etwas Anderes dahinter?

»Ich bin fertig, Michélle!«, bestätigte Krüger. »Also los!«

***

Verstohlen musterte Manfred Grob die blonde Beamtin, die ihn in den Verhörraum der Dienststelle Offenburg geführt hatte. Jetzt schien sie vertieft in den Inhalt der Papiere, die sie mit ihren gepflegten, schlanken Fingern durchblätterte. Sie trug weder Uniform noch Namensschild, und für eine Polizeibeamtin im Dienst schien der Einblick in ihre Bluse etwas zu großzügig. Einzig das – zwar leere – Pistolenhalfter und ein Paar Handschellen an ihrem Gürtel ließen darauf schließen, dass sie die Staatsgewalt vertrat. Man hatte Manfred auch nicht zu einem Verhör vorgeladen, sondern darum gebeten, den überregional ermittelnden Beamten einige Fragen zu beantworten. Leider war sie nicht allein gekommen, denn es hieß, man warte noch auf »den Chef«, der sich offenbar so viel Zeit nehmen konnte, wie er wollte. Insgeheim hoffte Manfred darauf, dass es sich beim Chef auch um eine Frau handelte. Noch so eine mit reichlich Holz vor der Hütte, die ebenfalls wusste, was Männer gern betrachten. Schließlich hatte er selbst solche Methoden ab und zu auch schon angewendet. Besonders wenn es sich um ein richtig fettes Geschäft drehte, welche erfahrungsgemäß meistens von reiferen Herren entschieden wurden. Manfred Grob arbeitete als selbständiger Immobilienmakler. Wie viel Mehrertrag ihm die Mädels vom Escort Service inzwischen beschert hatten, wusste nicht einmal er selbst genau. Aber dass es sich lohnte, daran bestand kein Zweifel. Und hie und da blieb sogar noch ein wenig bezahlte Service-Zeit übrig, die er natürlich nicht ungenutzt verstreichen ließ.

Das Geräusch schlurfender Schritte störte ihn bei seinen Gedanken, weil es absolut nicht dazu passte.

»Krüger«, stellte sich der Mann mürrisch vor.

»Hauptkommissar Krüger«, ergänzte die Blondine eifrig und lächelte dem gelangweilt abwinkenden Kommissar zu.

Für Manfred war sofort klar, woher der Wind wehte. Die wollte bestimmt die langwierigen Dienstwege nach oben durch kleine Gefälligkeiten, soweit wie möglich, abkürzen.

»Grob«, stellte er sich vor. »Manfred Grob.«

»Danke, ich weiß, wer Sie sind«, brummte Krüger.

Was sollte Manfred darauf antworten. Er zuckte resigniert mit den Schultern.

»Ja, dann erzählen Sie mal!«, forderte Krüger auf. »Wie ist das gelaufen auf dem Boot. Als Sie Herrn Lau zum letzten Mal gesehen haben, meine ich.«

»Das habe ich doch …«

»Ja, ja, das haben Sie schon einmal erzählt. Ich weiß. Aber mir noch nicht. Also bitte!«

Manfred seufzte kurz auf. Weshalb ließ ihn der alte Knacker nicht einfach mit der Blondine allein. Für die hätte ich sogar was zum ins Ohr Flüstern auf Lager, dachte er grimmig. »Ja, da gibt’s nicht viel zu erzählen. Rainer hat seinen Koffer gepackt und ist von Bord gegangen. Er hat uns noch viel Spaß gewünscht, das war’s.«

»Wo genau?«, hakte Krüger nach. »Wo stand sein Wagen?«

»Sein Wagen? Ja dort an diesem Hafen, denke ich. Wo genau, weiß ich leider auch nicht. Ich kann mir diese französischen Kaffs doch nicht alle merken. Ich kann ja auch kaum Französisch.«

»Aber wenn Sie an die Stelle zurückkehren, könnten Sie sich erinnern?«, hielt Krüger fest.

»Ja, möglich. Aber das heißt jetzt nicht, dass ich mit Ihnen …«

»Natürlich nicht. Wir haben einige Fotos mitgebracht. Wenn Sie sich die bitte ansehen wollen.«

Die Blondine bleckte leicht die Zähne, während sie sich in Manfreds Richtung schob, nur mit dem Oberkörper. Den Notizblock hatte sie sich zwischen die Knie geklemmt, um die Hände frei zu haben. Elegant fächerte sie die Aufnahmen vor ihm aus.

»Erkennen Sie einen dieser Orte?«

»Moment«, sagte Manfred. Umständlich kramte er eine Brille aus dem Jackett. »Erst den Feldstecher suchen. Dann kann ich vielleicht helfen.«

»Lassen Sie sich ruhig Zeit«, beschwichtigte die Blonde. Der Kommissar jedoch ließ ein verächtliches Schnauben hören.

Passt ihm offensichtlich nicht, wenn seine Tippse mal einem richtigen Kerl begegnet, dachte Manfred höhnisch. Bildete der sich etwa ein, dass die sich auch nur eine Minute mit ihm abgeben würde, wenn sie nicht musste? Manfred griff nach einem Bild und betrachtete es genauer. »Hier könnte es gewesen sein. Möglicherweise.« Mit Absicht hielt er das Foto direkt vor der Brust, sodass sich die Beamtin noch weiter vorbeugen musste, um es ihm aus der Hand zu nehmen. Sie bemerkte offensichtlich nichts von seiner List.

»Sind Sie sicher?«

»Na, ja. Darf ich es vielleicht noch mal sehen?«

Sie lächelte. Der Kommissar schnalzte mir der Zunge. »Ich bin kurz weg. Rufen Sie mich, wenn Sie mit den Urlaubsfotos durch sind«, brummte er gereizt.

»Aber selbstverständlich, Chef!«

Der Chef schlurfte grummelnd aus dem Raum.

Manfred witterte seine Chance. Ihr würde er anstandslos jede Frage beantworten. Außer natürlich, was wirklich passiert war bei Rainers Abgang.

Michélle streckte ihm die Aufnahme wieder hin. Manfred griff danach, nicht ohne einen weiteren tiefen Blick in ihre Bluse zu riskieren.

»Aimez-vous ce que vous voyez?«, ließ die Blondine fallen.

»Perfekt«, antwortete Manfred, ohne lange zu überlegen.

»So ausgesprochen schlecht kann Ihr Französisch aber nicht sein, wenn Sie das gleich verstanden haben«, stellte die Beamtin lakonisch fest.

Manfred zuckte zusammen. »Ja, das. Das versteht doch jeder. Gefällt Ihnen, was Sie sehen? Das hört man doch dauernd«, versuchte er zu erklären. Dass seine Stimme höher klang als sonst, fiel sogar ihm selbst auf.

»Na ja. Ich würde das jetzt nicht als Lüge bezeichnen wollen«, fuhr die Beamtin fort. »Aber wozu schwindeln Sie, wenn es keine Rolle spielt?«

»Ich wollte … Das war doch keine Lüge! Ich verstehe fast alles, kann aber nicht viel sprechen«, redete er sich heraus.

Die Blonde konnte ein Grinsen nicht vollständig unterdrücken. »Und weil Sie fast alles verstehen, können Sie sich die Namen der Dörfer nicht merken?«

Eine Schweißperle löste sich von seiner Braue und brannte in seinem Auge. »Für meine Begriffe sind meine Sprachkenntnisse mangelhaft. In Französisch! Ok?« Manfred begann sich aufzuregen. Die Tusse hatte ihn glatt reingelegt.

»Ich sagte doch, dass ich das nicht überbewerten möchte«, beruhigte sie ihn, während sie ihren Notizblock wieder zur Hand nahm. »Wie sicher sind Sie jetzt mit dem Hafen?«, fragte sie weiter. »Könnte es dieser gewesen sein, in dem Herr Lau sich verabschiedet hat?«

»Ja, doch«, brummte Manfred. Seine Selbstsicherheit war deutlich angeschlagen.

»Sehr gut«, lobte die Blondine. »Damit stimmen Ihre Aussagen und die Ihres Bekannten in diesem Punkt überein.«

Beinahe wäre Manfred ein: »Natürlich sagen wir das Gleiche« herausgerutscht. Damit hätte er praktisch zugegeben, dass er sich mit Hajo abgesprochen hatte.

Die Tusse verstand offenbar ihr Geschäft. Von wegen naiv und unerfahren, eher faustdick hinter den Ohren, dachte er und nahm sich vor, auf der Hut zu sein. Für den Rest der Befragung blieb er stur bei seiner ersten Aussage. Noch einen Lapsus konnte er sich nicht erlauben. Aber beim Gedanken, dass dieses Aas gleich seinen Kumpel in die Mangel nehmen würde, wurde ihm schlecht. Wenn er selbst es kaum schaffte, ihr Paroli zu bieten … Hajo war nicht besonders helle. Besonders standhaft auch nicht – Manfred musste ihn unbedingt warnen. Dass ihm die Tusse diese Chance kaum freiwillig lassen würde, war ihm klar. Nur, wenn er ihr etwas zum Fraß vorwarf, das sie für die nächsten Stunden beschäftigte, konnte er vielleicht mit Hajo reden.

Immerhin war sein Kumpel am Mord beteiligt gewesen, nicht bloß anwesend. Manfred hatte das bewusst so eingefädelt. Erst hatte man beim Kartenspiel gemeinsam mehrere Flaschen Rotwein und ein paar Schnäpse getrunken, wie eigentlich jeden Nachmittag auf dem Boot. Auf ein abgesprochenes Zeichen hin hatten Manfred und Hajo den völlig ahnungslosen Rainer überwältigt, gefesselt und geknebelt. Manfred holte das Stück Ankerkette, das er vor ein paar Tagen zufällig gefunden hatte, aus dem Unterbau der Penichette. Er wickelte es Rainer so eng wie möglich um den Bauch und hielt die Enden fest. Damit Hajo die Ringe, mit dem ebenfalls längst bereitgelegten Vorhängeschloss, unlösbar verriegeln konnte. Hajo schwenkte kurz den Schlüssel vor Rainers Nase, bevor das Teil in hohem Bogen im Fluss landete.

Danach hatte Manfred Rainer mit der Knarre im Anschlag gezwungen an den Rand der Heckplattform zu kriechen. Dort löste ihm Hajo die Handfesseln, bevor er ihn mit einem kräftigen Tritt in die Eier ins Wasser beförderte.

Damit Rainer nicht abhauen konnte, hatten sie ihm noch vor dem Abwurf beide Heckanlegeleinen links und rechts durch die Kette an seinen Hüften gefädelt. Die ihn, auf die richtige Länge gebracht, jetzt straff hinter dem Boot in der Strömung hielten. Dadurch blieben die Seile frei von möglichen Gewebespuren und ließen sich überdies einfach von den Klampfen lösen und zurückziehen, sobald man die miese Ratte vollständig erledigt hatte. Selbstverständlich sollten die Leinen auch dazu dienen, Rainer daran zu hindern, sich seinem Schicksal zu ergeben und widerstandslos ersaufen zu wollen. Dann würden sie ihn eben wieder hochziehen. Manfred hatte sich schließlich tagelang mit der Hinrichtung des Verräters befasst.

Wehren konnte der sich inzwischen kaum noch, trotz der entfernten Fesseln. Hajo hatte ihm die Finger beider Hände, schon beim ersten Versuch sich wieder am Boot hochzuziehen, brutal zertrümmert. Genüsslich hatte er mit dem schweren Hammer, der zur Ausrüstung des Bootes gehörte, an der Kante gewartet. Festhalten konnte Rainer jetzt nichts mehr. Außerdem benötigte er ohnehin alle Kraft zum Schwimmen, mit der dicken Eisenkette um den Leib.

Inzwischen hatte Hajo den Hammer beiseitegelegt, und traktierte Rainer nun unablässig mit der spitzen Eisenstange, die ebenfalls zum Boot gehörte. Ab und zu drückte er ihn damit auch immer wieder ganz unter Wasser, bis der panisch wurde. Rainer sollte nicht nur einen langsamen, sondern auch möglichst qualvollen Tod erleiden!

Selbst schuld, der Idiot. Schließlich hatte er sie ebenfalls über lange Zeit und ohne jede Rücksicht betrogen. Die drei hatten schon als Jungs ganz nebenbei kleine Geschäfte abgewickelt. Anfangs beschafften sie nur das Partybier zu „Sonderkonditionen“. Weiterführende Aufträge hatten sich nach und nach von selbst eingestellt. Obwohl das Geschäftsmodell eigentlich eher auf Zufall beruhte, konnte sich der Leistungskatalog inzwischen sehen lassen: Beschaffung und Lieferung von sehr teuren Autoteilen beispielsweise. Aber auch von Luxusuhren, Schmuck, leichten Drogen oder nicht registrierten Kleinwaffen.

Besonders lukrativ: Eine Auswahl an Nutten für spezielle Anlässe. Hajo kannte unter anderem Eine, die sich mit Vorliebe gefesselt auspeitschen ließ. Oder auch gern am Pranger, einer fröhlichen Runde, zur freien Verfügung stand.

Hie und da passierte irgendwo eine Sachbeschädigung, damit „ein Kunde“ eine Versicherung einkassieren konnte. Oder auch bloß, um irgendwelche lästigen Querulanten einzuschüchtern.

Rainer organisierte von Anfang an die Abläufe und kassierte ein. Er achtete besonders akribisch darauf, dass ausreichend Zeit zwischen einzelnen Aktionen verstrich, damit sie nirgends auffielen. Dies hatte er stets bravourös geschafft.

Wann er damit begann, einzelne Geschäfte sogar vor seinen Kumpels zu verheimlichen, wussten Manfred und Hajo zwar nicht genau. Dass es nicht erst seit gestern so lief, jedoch schon. Über die Konsequenzen, die sich Rainer damit verdient hatte, wurde man rasch einig.

Deshalb kam der Trip, der noch in besseren Zeiten geplant wurde, gerade recht. Wo konnte man sich besser stundenlang Zeit lassen, um gemeinsam ein solches Arschloch abzumurksen, als auf und in einem Fluss. Keine aufwändig zu beseitigende Schweinerei. Das Opfer ließ sich mit geringem Aufwand absolut beherrschen. Schreie blieben im Wasser praktisch unhörbar. Und die Entsorgung der Leiche würde sich sozusagen - im gleichen Aufwasch - erledigen.

Höchstens, die eingeschränkte Kontrolle von Rainers Lebensfunktionen verlangte besondere Aufmerksamkeit. Es durfte auf keinen Fall zu schnell gehen. Und beide sollten ihm schwerste Verletzungen zugefügt haben, bevor er tatsächlich abkratzte. Verletzungen, die sich deutlich einem jeweiligen Verursacher zuordnen ließen. Die Garantie für Beide, dass das der Andere schweigen würde.

Hajo war mit Eifer bei der Sache geblieben, bis Manfred schließlich abgedrückt hatte. Auch wenn der Schuss die eigentliche Todesursache gewesen sein dürfte, Hajo konnte sich auf keinen Fall mehr herausreden. Wahrscheinlich wär’s klüger gewesen, ihn gleich mit abzuknallen, dachte Manfred inzwischen. Bloß weil er sich sicher gewesen war, dass Rainers Leiche ohnehin nie wieder auftauchen würde, hatte er darauf verzichtet. Aber noch hatte die Tusse nicht gewonnen. Krampfhaft dachte er darüber nach, womit er sie übertölpeln könnte, um Zeit zu schinden.

»Haben Sie den Wagen von Rainer überhaupt gefunden?«, fragte er schließlich. Er hatte mit Hajo eine genaue Geschichte ausgekaspert, und die gab er jetzt zum Besten. »Wissen Sie Hajo und ich sind gemeinsam aus Offenburg hinter Rainers Wagen her nach Frankreich gefahren. Rainer hat sein Fahrzeug dann irgendwo abgestellt, wo man günstig auch länger stehen kann, und ist danach in unseren Wagen umgestiegen. Stand sein Auto noch auf dem Platz?«

Interessiert musterte sie ihn. »Wo liegt denn dieser Parkplatz?«

Manfred überlegte krampfhaft. Die Tusse wollte den Köder offenbar nicht einfach gleich schlucken. »Weiß ich doch nicht!«, stieß er schließlich hervor. »Wozu hätt ich mir das Kaff merken sollen?«

Er stockte, als ob ihm gerade etwas eingefallen sei. »Höchstens, es muss so zwanzig Minuten Fahrzeit vor dem Stützpunkt des Bootsverleihs gewesen sein. Hilft Ihnen das vielleicht?«

Sie notierte etwas auf ihrem Block und sah auf. »Es fällt mir schwer, das zu glauben. Und wieso überhaupt das eine Fahrzeug woanders abstellen?«

»War scheißteuer, da beim Bootsverleih«, knurrte er. »Warum zweimal zahlen, wenn einmal es auch tut, hat Rainer gemeint.« Wieder legte er eine Pause ein. »Die Tante vom Bootsverleih hat gesehen, wie wir zusammen angekommen sind!«

Michélle sah Manfred erstaunt an. »Ja, natürlich. Und wir haben Herrn Laus Fahrzeug sichergestellt – an seinem Wohnort«, beantwortete sie die Frage.

»Das beweist dann doch, dass er nach der Bootstour wieder zu Hause angekommen ist, oder?«

Michélle schüttelte den Kopf. »Das weist höchstens darauf hin, dass es so gewesen sein könnte. Oder dass wir das glauben sollen. Ein Beweis ist es nicht.«

»Also, hören Sie mal!« Manfred bekam es mit der Angst zu tun. »Was unterstellen Sie –«

»Nichts.« Sie spreizte die Hände. »Wenn man Rainer Lau nicht tot aus der Saône gefischt hätte, würde uns das in Offenbach abgestellte Auto vielleicht überzeugen«, antwortete Michélle trocken. »Oder sehen Sie einen plausiblen Grund, weshalb er zurück an die Saône gekommen sein könnte? Dazu noch ohne sein Fahrzeug.«

Manfred schüttelte den Kopf. Dann fiel ihm plötzlich ein, womit er die Tusse aufs Glatteis führen konnte. Rainer hatte doch so hingebungsvoll mit der knackigen Rezeptionistin vom Bootsverleih geflirtet, das brauchte er nicht mal zu erfinden. Noch tagelang hatte Rainer von ihren Kurven geschwärmt und davon gefaselt, dass er bei Rückgabe des Bootes alles versuchen würde, um die flachzulegen.

Natürlich drückte Manfred es gewählter aus, und die Tusse sprang tatsächlich darauf an. Sie notierte eifrig und verkündete, sobald wie möglich mit der Dame sprechen zu wollen.

Manfred atmete auf. Dann musste er Hajo nicht mal mehr auf Linie bringen, denn der hatte Rainers Flirterei genauso mitbekommen. Und es würde ihre Aussagen viel glaubwürdiger erscheinen lassen, wenn nicht alles haarklein übereinstimmte.

Muriel

Подняться наверх