Читать книгу Humoristische Geschichten - Erster Band - Theodor Oelckers - Страница 5
1.
Оглавлениеerr Mittag erhob sich von seinem Stuhle, wie wenn er sich zum Ausgehen anschicken wollte, und alsbald erhob sich auch Fidel in seinem Winkel, wo er bis dahin regungslos zusammengekauert gelegen hatte.
Herr Mittag ist Sprachlehrer und Autographensammler. Ersteres ist er von Beruf, Letzteres aus Liebhaberei. Er behandelt natürlich (wie es alle Liebhaber tun) die Liebhaberei als Hauptsache. Seine Autographensammlung ist sein Stolz und seine Freude, und hätte er nur ein Drittel des Geldes, das ihm diese im Laufe der Jahre mühsam gesammelten, großenteils recht hässlichen, auch wohl schmutzigen Papiere gekostet haben, auf seine Küche verwendet, so würde er selbst und auch der arme Fidel gewiss nicht so erstaunlich hager und mager sein.
Als Sprachlehrer ist er schon seit geraumer Zeit nicht mehr mit Geschäften überhäuft. Er ist, offen gestanden, ein wenig veraltet und aus der Mode. Seine Sprachen kennt er ganz gründlich; er spricht auch, namentlich sein Französisch, sehr fließend und korrekt, aber nicht modern, er spricht das klassische Französisch des vorigen Jahrhunderts mit allen veralteten Wörtern und Phrasen, d. h. er hat in den fremden Sprachen das gepuderte Haar, das dreieckige Hütlein, den Degen an der Seite, die kurzen Hosen und Schnallenschuhe noch nicht abgelegt. Er fühlt eine Art Grausen und Schwindel, wenn er hört, dass die jüngeren Sprachlehrer die Stunde schlechterdings nicht unter einem halben Taler geben wollen, ja dass manche einen Gulden, auch wohl einen ganzen Taler bekommen. Er fühlt, dass er bei solchem Wettlauf nicht mehr mit fort kann. Ja seiner glänzendsten Zeit hat er sechs „gute“ Groschen erhalten und diese schönen Tage sind längst dahin.
Herr Mittag bewohnt zwei Zimmer (,,drei Treppen hoch“) und seine ganze Familie besteht nur aus ihm selber und Fidel. Fidel ist ein Hund, eher klein als mittelgroß, wohlbetagt, grau, dürr, von nicht leicht näher zu bestimmender Rasse; in Haltung und Gang hat er etwas Unsicheres, etwas Zappeliges, Zitterndes, als wenn er stets fröre. Treu ist er, wie sein Name besagt; nimmt man aber den Namen Fidel in jener populären Bedeutung, wo er so viel wie ,,fröhlich“ bedeutet, dann scheint er dem Hunde nur aus Ironie (lucus a non lucendo!) gegeben zu sein ebenso wie Herrn Mittag sein eigener Name, wobei man im gemeinen Leben weniger an Dinge, als an die Hauptmahlzeit des Tages denkt. Herr Mittag hat aber öfters während der vierundzwanzig Stunden gar keine Hauptmahlzeit. Auch heute fehlt die Hoffnung auf eine solche.
Fidel merkt das. Er sieht, wie sein Herr sich seufzend wieder auf dem Stuhle am Schreibtische niederlässt und kriecht auch seinerseits nur leise seufzend, nicht murrend, in seinen Winkel zurück. Übrigens ist noch nicht zu verzweifeln, denkt Fidel wahrscheinlich, denn es ist höchstens zehn Uhr vormittags.
Herrn Mittags Aufwärterin kommt. Diese gute Frau macht ihm täglich sein Bett, kehrt die Stube rein, besorgt frisches Wasser und dergleichen, und gelegentlich ist sie auch behilflich, ein Kleidungsstück oder ein Hausgerät, das sich als überflüssig erweist, für ihn zu verkaufen oder zu versetzen. Dazu passt sich Frau Müller vortrefflich, denn sie ist treu und verschwiegen wie das Grab. Vor acht Tagen hat sie ihm seine Taschenuhr aufs Leihhaus besorgt und dazu verstand sie sich nur mit großem Widerstreben, weil es doch gar nicht ,,reputierlich“ sei, wenn ein Lehrer keine Uhr in der Tasche habe und den Schüler fragen müsse, wie spät es sein möge. Vor drei Tagen hat sie den Leihhausschein zu einer Person tragen müssen, die auf diese Papiere noch kleine Vorschüsse zu machen pflegt. Heute hatte sich Herr Mittag in seiner Wohnung vergeblich nach einem Gegenstande umgesehen, der sich etwa veräußern ließe, und er hat der Aufwärterin, die sein Finanzminister ist (oder auch sein Rotschild, wenn man will), beauftragt, noch nachträglich etwas auf den schon versetzten Schein zu borgen; aber sie hat diese neue Anleihe nicht zu Stande zu bringen vermocht.
„Wir werden heute nicht zu Tische gehen können, Fidel!“ sagt Herr Mittag.
Die Aufwärterin, die noch mit Staubabwischen beschäftigt ist, hört das und bemerkt:
„Aber, Herr Mittag, können Sie denn nicht in Ihr Speisehaus gehen?“
„Liebe Frau Müller — ohne Geld!“
„Na, Herr Mittag, Sie wollen doch der Müllern nicht weismachen, dass das zum ersten Mal geschähe!“
„Nein, nein; aber ich bin dem Wirth schon fünf Taler schuldig und er hat mich gestern darum gebeten —“
„Gebeten! sehen Sie wohl, der Mann hat Lebensart, er hat Sie gebeten. Wenn Sie nun plötzlich wegbleiben, so handeln Sie recht unpolitisch, denn dann glaubt der Mann, Sie wollen ihm Ihre Kundschaft entziehen und darüber wird er erst mürrisch. Folgen Sie mir, Herr Mittag, und gehen Sie ganz ruhig zu Tische, als ob nichts geschehen wäre!“
Frau Müller darf so unumwunden mit Herrn Mittag sprechen, denn sie dient ihm bereits seit zwanzig Jahren. Wenn alle Stränge rissen, wie man zu sagen pflegt, so war es bisher doch fast jedes Mal der ,,alten Müllern“ noch gelungen, etwas Geld zu verschaffen. Deshalb tut es heute ihr selber weh, nichts weiter als guten Rat zu haben, und als man jetzt Jemand sehr geräuschvoll die Treppe heraufstürmen hört, ergreift sie gern die Gelegenheit, sich zu entfernen.
Bevor Herr Mittag dazu kommt, die Worte der guten Frau in einem seinen Herzen zu erwägen, öffnet sich die Tür wieder und herein tritt oder stürzt vielmehr ein junger Mann, dessen Erscheinung Herrn Mittag offenbar nicht unangenehm überrascht.
,, Guten Tag, lieber Oheim! Da bin ich nun, und was machst Du Gutes?“ und dabei drückt der ungestüme junge Mann Herrn Mittag die knochige Hand, dass der arme Oheim fast laut aufschreit.
Der neue Ankömmling heißt Karl Morgen, ist Herrn Mittags Schwestersohn, hat aber keine Eltern mehr und der Oheim ist bis zu seiner (nunmehr erreichten) Mündigkeit zugleich sein Vormund gewesen. Karl hat in früheren Jahren hier, in seiner Vaterstadt, das Gymnasium besucht, hat sich dann, weil er sehr hübsch zeichnete, entschlossen, Künstler zu werden, ist auch bis vor Kurzem mit dem besten Erfolge Schüler einer namhaften Akademie gewesen und nun nach seiner Vaterstadt zurückgekehrt, um hier seinen dauernden Aufenthalt zu nehmen. Herr Mittag war davon schon unterrichtet und freut sich nun recht von Herzen, dass der Neffe seinen Entschluss so bald ausgeführt hat.
Nachdem der erste Sturm der Freude vorüber ist, fragt Herr Mittag:
„Wo hast Du denn Dein Gepäck gelassen, Karl?“
,,Im Roten Ochsen, wo ich abgestiegen bin.“
„Aber das ist doch nicht recht, Karl!“
„Nun freilich, es ist kein Haus ersten Ranges und ich weiß wohl, für einen jungen Künstler, der sich erst geltend zu machen hat, würd’ es geratener gewesen sein, in einem der ersten Häuser, etwa im Hotel Belvedere, abzusteigen.“
„Um Gotteswillen, Karl! Im Hotel Belvedere! Da kostet ja ein einziger Tag eine Summe, wovon ein ordentlicher Mensch wenigstens eine Woche auskommen kann!“
„Du redest recht naiv, lieber Oheim.“
„Hast Du denn so sehr viel Geld, Karl?“
,,Gerade noch zehn Taler und gar keine Schulden, d. h. keine drückenden. Sieh, Oheim, ich bin nicht etwa aus Sparsamkeit in den Roten Ochsen gegangen, sondern aus einem ganz besonderen Grunde, den ich Dir vielleicht noch einmal mittheile, wenn wir in vertraulicher Stunde in der Kneipe zusammensitzen.“
„Ich hoffe, unsere vertraulichsten Stunden sollen nicht dem Wirtshaus gehören.“
„Warum nicht, Oheim?“
„Karl, Du bist immer noch leichtfertig! Bei Deinen beschränkten Mitteln hättest Du gar nicht in einen Gasthof gehen sollen. Warum bist Du nicht gleich zu mir gekommen?“
„Ach, Oheim, Du brauchst doch Deine kleine Junggesellenwirtschaft für Dich allein!“
„Ich habe zwei Stuben, Karl. Die eine brauch’ ich bloß zum Schlafen und könnte sie Dir ganz überlassen, wenn ich mein Bett hier hereinstellte. Oder wir machen sie zu unserem gemeinschaftlichen Schlafzimmer und Du wohnst und arbeitest mit hier in meiner Stube. Es ist ja Raum genug und ich bin auch nicht den ganzen Tag zu Hause.“
Karl öffnete die Tür des Nebenzimmers und warf einen Blick hinein. Das ziemlich geräumige Gemach enthielt außer Herrn Mittags Bett und dem kleinen Bruchstück eines Spiegelglases auf dem Fensterbrett nicht das Allergeringste. Wohin die verschiedenen Gerätschaften gekommen sein mochten, das wusste nur Gott und die Frau Müller.
„Oheim“, sagte Karl, ,,ich vermisse da drin eine Menge Dinge, die ich im Roten Ochsen in bester Ordnung vorgefunden habe.“
„Nun Karl, das Fehlende würde hier ja bald zu schaffen sein. Wir kaufen eine Matratze“—wofür man kaufen wollte, das sagte Herr Mittag vorläufig nicht und dachte auch wohl noch nicht daran,—,,und die können wir, in Ermangelung einer Bettstelle, einstweilen auf den Fußboden legen. Alles Weitere wird sich schon finden, ich will deshalb mit Frau Müller reden, und Du tust am besten, wenn Du heute noch hier einziehst.“
„Onkelchen, lass mich im Roten Ochsen! ich wohne da ganz famos und wir werden einander alle Tage besuchen.“
„Bedenke nur die Kosten, Karl! Du bist immer so leichtsinnig mit dem Gelde gewesen. Jetzt, nachdem Du mündig geworden, wirst Du auch die fünfhundert Taler aus dem Nachlasse Deiner Mutter bekommen, die ich für Dich noch erhalten habe. Wende sie nur gut an!“ „
Die besagten fünfhundert Taler hatte Herr Mittag bei einem Kaufmanne untergebracht, der sie mit vier Prozent verzinste.
„Ich habe Dir auch die Zinsen vom letzten Jahre noch nicht geschickt, Karl“, fuhr Herr Mittag fort.
„Ich hatte gerade viele unerlässliche Ausgaben und du hattest mir geschrieben, dass Du hübsches Geld verdientest“—
„Ach, lass doch die lumpigen Zinsen, Oheim!“ rief Karl. „Ich habe Dir ja schon einmal geschrieben, Du möchtest das Kapital nach Belieben verbrauchen. Ich habe das Geld gar nicht nötig!“
„Immer noch so erschrecklich leichtfertig, Karl!“
„O, Du weißt gar nicht, was ich für ernsthafte Gedanken habe! Auch mit den fünfhundert Talern meinte ich es ernstlich; warst Du nun aber einmal so übertrieben gewissenhaft und bedenklich, sie nicht benutzen zu wollen, so hätte Dir doch, denke ich, Deine Autographensammlung aus jeder Verlegenheit helfen können, wenn Du“ —
„Halt, Karl!“ fiel ihm hier Herr Mittag ins Wort. „Solchen Scherz vertrage ich nicht! Wofür hältst Du mich, dass Du mich fähig glauben darfst, um ein schnödes Geld zu veräußern, was die Frucht eines mehr als dreißigjährigen Strebens ist! Meine Sammlung ist einzig in der Welt“ — „Ja doch, Oheim. Ich spreche auch nicht von veräußern d. h. von verkaufen; warum hättest Du die Sammlung aber nicht nötigenfalls einmal verpfänden sollen? Jeder ehrliche Mann kann in die Lage kommen, gelegentlich einmal einen werten Gegenstand zu verpfänden, um ihn später wieder einzulösen.“
„Unwürdig ist auch das, wenn es sich um einen solchen Gegenstand handelt. Sprechen wir davon nicht mehr. Aber wir müssen den heutigen Tag ordentlich feiern, Karl! Ich bin so froh, dass ich Dich nach so langer Zeit nun endlich wieder hier habe. Wir haben viel mit einander zu plaudern. Du musst heute mein Gast sein zum Mittagessen.“
Fidel ward lebendig. Der Hund eines Sprachlehrers muss sich natürlich auf menschliche Laute noch viel besser verstehen als andere Hunde; auf Fidel aber wirkte namentlich das Wort Essen, so wie jedes andre von ähnlicher Bedeutung, mit elektrischer Kraft und vermochte ihn, auch wenn es nur leise gesprochen ward, aus dem tiefsten Schlafe zu wecken. Er war aufgestanden und zitterte und zappelte außerordentlich, während sein Blick halb erwartungsvoll halb misstrauisch auf Herrn Mittag gerichtet war, wie wenn er fragen wollte: ,,Hast Du dies inhaltschwere Wort auch erwogen und kennst Du auch Mittel und Wege, um es zu realisieren? Oder könntest Du grausam genug sein, nur eine trügerische Hoffnung in mir zu erwecken?“
„Gut“, sagte Karl, „und ich empfehle Dir meinen Gasthof, wir können da recht leidlich zu Mittag essen und werden sehr gemütlich und ungestört bei einander sitzen.“
,,Wo denkst Du hin!“ erwiderte Herr Mittag. „Ich kann Dich doch nicht in Deinem eigenen Gasthofe bewirten, der überdies nur eine elende Fuhrmannsschenke ist! Nein, ich werde Dich an einen andern Ort führen. Jetzt wird es ungefähr zehn Uhr sein; ich habe den Vormittag noch einige Gänge zu machen, zu Mittag aber findest Du mich wieder hier und dann kannst Du mit mir gehen.“
„Gut, Oheim, wie Du willst. Ich komme um zwölf Uhr wieder.“
Karl Morgen war im Begriff zu gehen.
„Noch ein Wort, lieber Neffe!“
„Was wünschest Du, lieber Oheim?“
„Du sagtest vorhin, dass Du noch zehn Taler besitzest, Karl. Ich bin in einer augenblicklichen Geldverlegenheit, willst Du mir nicht fünf Taler leihen? Du kannst sie morgen wieder bekommen.“
„Mit Vergnügen, Oheim; hier ist eins von meinen beiden Fünftalerbillets. Oder brauchst Du beide?“
„Nein, ich danke Dir, dass eine genügt. Also zu Mittag?“
,,Auf Wiedersehn zu Mittag!“
Mit diesen Worten entfernte sich Karl und sprang trällernd und seelenvergnügt die drei Treppen hinab.
Auch Herr Mittag ging, nachdem er sich zuvor die Mühe genommen, den armen Fidel, zu vertrösten und ihm einen glänzenden Mittag in Aussicht zu stellen.
Der Sprachlehrer gedachte, sich nach seinem ,,Speisehaus“ zu verfügen, dort seine Schuld wo nicht ganz, doch größtenteils zu tilgen und (auf Kredit) eine besonders gute Mahlzeit für zwei Personen zu bestellen. Bevor er die fünf Taler in der Tasche hatte, wäre er wahrscheinlich durch den nagendsten Hunger nicht zu bewegen gewesen, dieses Haus wieder zu betreten, nachdem ihn der Wirth um Bezahlung „gebeten“ hatte. Jetzt fühlte er sich außerordentlich mutig und voll Selbstvertrauen, ja es verstand sich bei ihm von selbst, dass zu dem Mittagsessen auch eine Flasche Wein nicht fehlen werde.
Herrn Mittags ,,Speisehaus“ erfreute sich keines besonderen Gedeihens. Es war zugleich Konditorei und Kaffee- oder Bierhaus, erklärte sich auch bereit, zu allen Tageszeiten mit warmen und kalten Speisen auszuwarten. Außer einigen Mittagsgästen, die sich in ähnlichen Vermögensumständen befanden wie der Sprachlehrer, zählte es sehr wenig Gäste.
Des Abends war Herr Mittag eigentlich der einzige Stammgast. Er trank dann eine Tasse Kaffee oder auch ein Glas Bier, rauchte seine Zigarre und las die Zeitung oder sah den Billardspielern zu, wenn diese vorhanden waren. Meist war aber das Billard unbenutzt, die vorhandenen Zeitschriften hielten sich sehr rein und sahen gar nicht zergriffen und zerlesen aus und der Ort hatte den unschätzbaren Vorteil, dass man da selten vom Tabaksrauche belästigt wurde, weil sich wenig Gäste und somit auch wenig Raucher einfanden. Herr Mittag hatte ein herzliches Mitleid mit dem Orte, besonders an Winterabenden, wenn er bisweilen stundenlang als einziger Gast da saß. Der Wirth, ein dürftiges, hageres, bleiches Männlein, zeigte sich dann nur selten, als schämte er sich seines leeren Gastzimmers. In einem finstern Winkel aus einem Stuhle schlummerte der sehr jugendliche Kellner, um bei jedem Geräusch erschrocken emporzufahren. Es gab aber wenig Geräusch. Wenn dann Herr Mittag alle vorhandenen Zeitschriften zwei oder dreimal durchgesehen hatte und es nun gar nichts mehr zu tun gab, da hätte er beinahe beten können, dass doch nur noch ein paar Gäste erscheinen möchten.
Nicht als ob ihm für seine Person die Einsamkeit lästig gewesen wäre, nein, es war nur Mitgefühl mit der Wirtschaft und dem Wirte.
Wie oft täuschte er sich! da geht die Tür auf — es kommt endlich Einer! Ach, nein, es ist nur ein Zeitungsträger, der ein neues Blatt hereinlegt, oder ein Dienstmädchen aus der Nachbarschaft, die ein leeres Bierglas zurückbringt, ohne ein volles wieder mitzunehmen, oder ein Kind, das für ein paar Pfennige Naschwerk lauft. Endlich kommt aber doch wirklich ein Gast und bestellt eine Tasse Kaffee.
Herr Mittag segnet im Stillen diesen Mann. Nach einem Weilchen geht die Tür wieder auf, es erscheint noch ein Gast, nein — o Glück! — es sind zwei auf einmal, ein paar junge Leute, die Tee bestellen und ein Stück Kuchen dazu essen. So sehr Herr Mittag dies billigt, würde er doch gewünscht haben, dass sich die jungen Leute lieber Grog oder Punsch bestellt hätten, denn er glaubt, dass daran der Wirth etwas mehr verdienen würde.
Sie machen den Fehler aber dadurch gut, dass sie anfangen Billard zu spielen. Während die Bälle schon lustig gehen, tritt noch ein Gast ein, ein Biertrinker! mit Herrn Mittag sind nun schon fünf da! das ist ein ungewohntes Leben. Herr Mittag empfindet eine große Beruhigung und Genugtuung, bestellt sich vor Freuden selber ein frisches Glas und betet im Stillen zum Himmel, dass doch keiner von den fünf Gästen gehen möge, bevor nicht wenigstens ein neuer zum Ersatz eingetreten. Nach einem solchen unerhört lebhaften Abend pflegt dann Herr Mittag so fröhlich nach Hause zu gehen, wie wenn er selber ein gutes Geschäft gemacht hätte.
Das war der Ort, wo er seinen leichtfüßigen und ebenso leichtherzigen Neffen zu bewirten gedachte.