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Aus dem

Gefängnisleben

Band 1 + 2


von

Theodor Oelckers

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Erstmals erschienen im:

Verlag von Otto Wigand,

Leipzig, 1860

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Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

Titelbild: Photo by Mircea Iancu from Pexels

© 2019 Klarwelt Verlag

ISBN: 978-3-96559-201-8

www.klarweltverlag.de


Es ist für den Erzähler ein ziemlich undankbares Werk, einen Abschnitt seines Lebens zu beschreiben, wo er sich äußerlich fast durchaus nur leidend verhalten musste, d. h. ungefähr so leidend wie eine unterm Mikroskop festgehaltene Fliege. Der Zustand eines Gefangenen, sei es in Untersuchungs- sei es in Strafhaft, ist demjenigen eines lebendigen Geschöpfs unterm Mikroskop in der Tat sehr ähnlich, nur mit dem wesentlichen Unterschiede, dass der menschliche Gefangene diesen peinlichen Zustand als ein mit Selbstbewusstsein begabtes Wesen erduldet. Dies steigert die Qual unendlich und würde sie bis zur Unerträglichkeit steigern, hätte der Gequälte vor dem vernunftlosen Geschöpf nicht den Vorteil voraus, den Quälenden oder Untersuchenden gleichzeitig selbst einer Untersuchung zu unterwerfen und sich dadurch wieder über ihn zu erheben. Indes ist das Geschäft, eine solche Lage in ihren Einzelheiten zu beschreiben, wie gesagt, ein undankbares, dem ich mich auch sicherlich nicht unterziehen würde, wenn sich dasselbe mir nicht als eine Pflicht aufdrängte, die erfüllt sein will.

Man hat im Allgemeinen von den Zuständen in den Strafhäusern nur eine ganz unklare Vorstellung und das gilt auch besonders von jenen Leuten, die keinen Anstand nehmen, auf kleinen Lustreisen solche Häuser zu ihrem Vergnügen zu besuchen; man stellt sich eben nur vor, dass der Aufenthalt darin sehr unbehaglich sei, und findet das in der Ordnung, weil man nur Leute dorthin schicke, die sich an der Gesellschaft versündigt und somit ihr Unglück verdient haben. Die von solchem Unglück in der Regel allein Betroffenen, die „gemeinen Verbrecher,“ geben am allerwenigsten Aufklärung darüber; wollten sie sprechen, würde man sie nicht hören, denn sie sind mit einem Makel behaftet und man zieht sich scheu vor ihnen zurück; aber sie wollen auch nicht sprechen: wenn sie der Gesellschaft zurückgegeben sind, hüten sie sich geflissentlich, von dem Erlebten zu reden, sie sind begreiflicherweise vielmehr bestrebt, es mit einem Schleier zu bedecken und in Vergessenheit zu bringen. Unsre Zeit hat nun aber viele Männer in jenen Häusern gesehen, von denen die Gesellschaft sich nicht zurückzieht —und die ohne Scheu von dem Erlebten sprechen dürfen. Für diese Männer ist es, mein‘ ich, Pflicht, zu berichten, was sie gesehen, gehört und erfahren haben.

Mir hat sich während meines vieljährigen Aufenthalts in Gefängnissen die schon früher gehegte Überzeugung bestätigt, dass die große Masse der Gesellschaft sehr unrecht hat, wenn sie sich in ihrem pharisäischen Dünkel für sittlich besser hält als diejenigen, die sie unter dem Titel ,,gemeiner Verbrecher“ von sich stößt und in die Gefängnisse schickt. Ich behalte mir vor, diesen Punkt näher zu erörtern.

Ebenso hab‘ ich bestätigt gefunden, dass die, wenigstens im eigenen Munde der „Sachsen“ beinahe sprichwörtlich gewordene „sächsische Humanität“ eine ganz eitle Phrase ist. Es sind nun an die dreißig Jahre verflossen, dass sich in ganz Europa ein Schrei der Entrüstung gegen die österreichische Regierung erhob, als Silvio Pellico die Schilderung seiner Gefängnisse veröffentlichte. Bei allen Gräueln, die darin beschrieben werden, lässt Pellico’s Erzählung doch zugleich einen Eindruck zurück, beinahe wie wenn man eine Idylle gelesen hätte. Im schlimmsten seiner Kerker fand er wenigstens Ruhe und ich möchte sagen Atem genug, um sich an seinen alten treuherzigen Korporal Schiller zu gewöhnen, bis er ihn lieb gewann. Was Silvio Pellico durfte, darf ich nicht: ich kann keinen solch idyllischen Hauch über meine Schilderungen breiten — nicht weil meine Feder ungeschickter ist, nicht weil etwa mein Gemüt kälter wäre — ich kann es deshalb nicht, weil ich damit die Wahrheit beeinträchtigen würde.

Aus dem Gefängnisleben

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