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4. Arbeitswelt der Zukunft: Die Anforderungen steigen

Wie sieht unsere Arbeitswelt in zehn, zwanzig oder in dreißig Jahren aus? Welche Anforderungen werden an uns gestellt? Wie sicher sind künftig unsere Arbeitsplätze?

Viele Fragen, viele Spekulationen, viele Ängste drängen sich auf. Nicht nur Arbeitsmarktforscher wissen, dass die Arbeit ständigen Veränderungen unterliegt. Viele von uns haben selbst erlebt, wie der Einsatz von Computern in den letzten zehn und zwanzig Jahren die Arbeit zum Teil drastisch verändert hat. Mit der Digitalisierung und der sogenannten Industrie 4.0, der Vernetzung der Produktion, stehen schon die nächsten Veränderungen an.39

Geht uns die Arbeit in Zukunft aus?

Einen Blick in die Zukunft wirft das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Dessen langjähriger Direktor, Prof. Joachim Möller, ist optimistisch, dass uns die Arbeit in Zukunft nicht ausgeht.40 Zwar werden auch künftig Arbeitsplätze im Zuge der fortschreitenden Rationalisierung, vor allem in der Produktion, wegfallen. Trotzdem werden nach Auffassung Möllers durch neu entstehende Bedürfnisse eher mehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden als durch Rationalisierung wegfallen.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht von folgenden Entwicklungen unserer Arbeitswelt aus:41

• Beschäftigte müssen künftig mehr wissen und können. Viele der heute noch üblichen Routinearbeiten werden wegfallen. Die neuen Arbeitsplätze werden anspruchsvoller und erfordern deshalb eine bessere Ausbildung. Gefragt ist künftig vor allem Problemlösungskompetenz.

• Stark verändern wird sich die Industriearbeit. Der Mensch wird dabei keineswegs vom Roboter verdrängt, sondern wird mit ihm künftig eng zusammenarbeiten. Hochintelligente Produktionsautomaten werden nicht nur schmutzige und belastende Arbeiten übernehmen, sondern ganz wesentlich dazu beitragen, Produktionsfortschritte zu ermöglichen.

• Vor allem im Versand, aber auch in anderen Dienstleistungsbranchen wird es auch künftig Chancen für weniger gut ausgebildete Menschen geben.

• Zwar hält die Bundesregierung in ihrem „Grünbuch Arbeiten 4.0“ eine Arbeitslosenquote von rund drei Prozent im Jahr 2030 für realistisch. Die IAB-Arbeitsmarktforscher sind allerdings vorsichtiger. Um dieses Fernziel erreichen zu können, seien weitere Anstrengungen in der Bildung und für den Arbeitsmarkt wichtig.

• Die Arbeit wird flexibler: Arbeit am Wochenende, am späten Abend oder in der Nacht wird künftig verbreiteter sein als heute. Die stärkere weltweite Vernetzung der Firmen und eine Produktion, die rasch auf kurzfristige Nachfrage reagieren muss, werden die Betriebe stärker unter Druck setzen.

• Die besten Jobchancen haben künftig Techniker. Qualifizierte Mitarbeiter in technischen Berufen werden nach einer IAB-Modellrechnung im Jahr 2030 bundesweit fehlen. Manche Kaufleute, Juristen und Wirtschaftswissenschaftler werden dagegen im Jahr 2030 Probleme bei der Jobsuche haben.

• Fachkräfte werden auch künftig gesucht sein. Unternehmen müssen ihnen daher nicht nur attraktive Arbeitsbedingungen bieten, sondern sich auch auf individuelle Arbeitszeitwünsche einstellen. Familienzeit, Sabbatjahr, Zeit für Fortbildung werden nach Einschätzung der Arbeitsmarktforscher in Unternehmen selbstverständlich sein müssen, wenn sie im Wettbewerb um die Köpfe nicht das Nachsehen haben wollen.

Krise der Erwerbsgesellschaft?

Viele Skeptiker sprechen bei der Debatte über die Arbeit der Zukunft immer wieder vom „Ende der Arbeit“: Globalisierung, Digitalisierung, „Industrie 4.0“ und „Künstliche Intelligenz“ würden massenweise Arbeit vernichten und zu einer gewaltigen Krise der Erwerbsgesellschaft führen. 42

Die Verlagerung der Wertschöpfung aus Fabriken in den raumlosen Orbit virtueller Netzwerke und der Ersatz menschlicher Arbeit durch selbstregulierte, mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Automaten würden den Strukturwandel unserer Arbeitswelt weiter beschleunigen. Wer mithalten kann, würde profitieren, die anderen würden zurückbleiben.

Ohne Risiken ist der durch die Digitalisierung beschleunigte Strukturwandel unserer Arbeitswelt sicher nicht. Deswegen ist aktuell auch wieder eine Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen entstanden. Dafür sprechen sich Joe Kaeser von Siemens, Timotheus Höttges von der Deutschen Telekom, Götz Werner von der Drogeriekette dm oder der Tesla-Chef Elon Musk aus. Dadurch sollten künftig soziale Spannungen vermieden werden, da sonst – wie sich Joe Kaeser in der Presse geäußert hat43 – absehbar „einige auf der Strecke bleiben, weil sie mit der Geschwindigkeit auf der Welt einfach nicht mehr mitkommen“.

Neue Jobs in neuen Berufen

Aber: Jeder Technologieschub erzeugte bisher - und dies ist auch künftig anzunehmen - eine gesteigerte Nachfrage und ganz neue Bedürfnisse. Diese Auffassung vertreten wie bereits erwähnt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit und eine Reihe weiterer Experten. Selbst automatisierte Fabriken erzeugen Bedarf nicht nur nach hohem Service und technischer Expertise, sondern auch nach einfacherem Service im Bereich Wartung und Betreuung. Auch der Dienstleistungssektor bietet noch zahlreiche, zum Teil neue Möglichkeiten.

Matthias Horx vom Zukunftsinstitut geht davon aus, dass freigesetzte Beschäftigte neue Jobs in Berufen finden, von denen man gestern noch nichts ahnte.44 Ein Beispiel von Horx: Künftig würden uns „Humanagenten“ dabei helfen, unser Leben zu bewältigen: In Zukunft leisten wir uns einen persönlichen Gesundheitscoach, einen Wohlstandsguide, einen Bildungsberater, einen Mobilitätsagenten oder einen Wissensnavigator.

Allein damit lassen sich die strukturellen Probleme der künftigen Arbeitswelt jedoch nicht lösen. Ganz entscheidend wird es vielmehr auf die Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, auf Innovationen, neue Produkte und Dienstleistungen und auf die Erschließung neuer Märkte ankommen. Für die Zukunft der Arbeit ist es besonders wichtig, die Chancen neuer Wachstumsmärkte konsequent zu nutzen. Zu den Wachstumsmärkten gehören insbesondere.45

• Wachstumsmarkt Materialtechnologien: innovative Verbundwerkstoffe, Nanotechnologie, generell: ressourcenschonende Produkte,

• Wachstumsmarkt Informations- und Kommunikationstechnologien: Digitalisierung,

• Wachstumsmarkt Mobilität: Produkte und Prozesse im gesamten Spektrum von Personen- und Güterverkehr,

• Wachstumsmarkt Energie: gesamtes Spektrum der Energiegewinnung und Energieeffizienz,

• Wachstumsmarkt Bildung: z.B. lebenslanges Lernen, mediales Lernen,

• Wachstumsmarkt Freizeit und Tourismus, Erlebniskonsum, Kultur und Medien,

• Wachstumsmarkt Gesundheit und Krankheit: Wellness-/Kuranlagen, Pflege, Diagnostik.

Studie „2050: Die Zukunft der Arbeit“

Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer im März 2016 vorgelegten Studie „2050: Die Zukunft der Arbeit“46 eine Befragung von 298 internationalen Experten und darauf aufbauend eine Auswertung von über 1000 Kommentaren vorgenommen. Dabei stehen zwei zentrale Fragen im Vordergrund: Welche Zukunft wollen wir? Und wie können wir entsprechend handeln?

Das Ziel ist nicht die sicher eintreffende Prognose, sondern es gilt, neue Optionen für das heutige Handeln zu identifizieren. Die Bertelsmann-Studie kommt zu folgenden zentralen Aussagen:47

• Wir wissen nicht genau, was kommt, aber wir können es gestalten. Die Unsicherheit über den Verlauf der zukünftigen Entwicklung ist hoch – weil er von politischen Rahmensetzungen und der Zusammenarbeit der Akteure abhängt. Damit gilt aber auch: Wir können den Verlauf der Entwicklung gestalten.

• Die globale Arbeitslosigkeit könnte auf 24 Prozent (oder mehr) im Jahr 2050 ansteigen. Tun wir nichts oder nichts Grundlegendes zur Anpassung an die neuen Arbeitsrealitäten, dann wird sich dabei auch die soziale Schere weiter öffnen.

• Immer mehr Aufgaben können von Maschinen erledigt werden. An diesem technologischen Wandel geht kein Weg vorbei: Robotik, künstliche Intelligenz und Technologie-Konvergenz treiben die Entwicklung voran. Der zentrale (und als sicher betrachtete) Treiber des Wandels ist der rasche, anhaltende technologische Fortschritt unter dem Vorzeichen der Digitalisierung, der nahezu alle Berufsgruppen erfasst und dessen Tempo wahrscheinlich noch zunimmt.

• Auszugehen ist zunächst für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte davon, dass sich der bisherige Wandel der Arbeit fortsetzt, indem immer mehr Berufsgruppen und Tätigkeiten durch Automation ersetzt werden. Dann steht der Übergang in ein gänzlich neues System des Arbeitens und Wirtschaftens an, in dem auch die Sozialsysteme entsprechend anders aussehen müssen, und in dem vielleicht das Prinzip der Lohnarbeit gänzlich überholt ist.

• Arbeit ist schon heute mobil und multilokal, morgen ist sie virtuell und findet in einem kollektiven virtuellen Raum („Metaversum“) statt. Arbeitgeber hinken der Entwicklung hinterher. Wahrscheinlich beschleunigt sich das Tempo der Veränderung weiter, aber schon bisher können Arbeitgeber und Arbeitsbestimmungen nicht mit dem Wandel mithalten.

• In den Sektoren Freizeit, Erholung und Gesundheit, in technologischen Feldern und mit neuen Berufsbildern entsteht neue Arbeit. Es bilden sich Arbeitsbereiche und Berufe heraus, die geprägt sind von ureigenen menschlichen Fähigkeiten wie Empathie oder Kreativität.

• Weiterbildung und Bildung halten nicht mit dem raschen technologischen Wandel Schritt, während Einzelne längst die neuen Formen des Lernens und Arbeitens vorleben. Das überforderte Bildungssystem muss sich künftig deutlich reformieren.

• Globale Megatrends lassen nationale Lösungen ins Leere laufen. Rein nationale oder regionale Ansätze und Perspektiven greifen zu kurz, weil zum Beispiel Wissensarbeit bald nahezu gänzlich ortsungebunden ausgeübt werden kann.

Vor dem Hintergrund dieser Untersuchung stellt sich für uns die Frage: Werden unsere Arbeitsplätze künftig wegrationalisiert, gehören wir zu den Gewinnern oder zu den Verlierern? Zwar gibt es dazu keine eindeutigen Aussagen, gleichwohl zeichnen sich bestimmte Trends ab.

Gewinner und Verlierer

Der international angesehene Physiker Michio Kaku, der als Sohn japanischer Einwanderer in Palo Alto aufwuchs, beschäftigt sich in seinem Buch „Die Physik der Zukunft, Unser Leben in 100 Jahren“48 damit, welche Berufe Mitte des Jahrhunderts Konjunktur haben werden.

Die Antwort dazu leitet Kaku aus einer einfachen Frage ab: Welche Grenzen haben Roboter?49 Die Künstliche Intelligenz steht vor mindestens zwei großen Problemen: Mustererkennung und gesunder Menschenverstand. Daher sind die Jobs, die in Zukunft überleben werden, hauptsächlich diejenigen, die Roboter nicht ausführen können – Jobs, die diese beiden Fähigkeiten verlangen.

Unter den Arbeitern werden die Verlierer diejenigen sein, die rein repetitive Aufgaben erledigen (beispielsweise Fließbandarbeiter), weil Roboter ihnen dabei überlegen sind. Darum gehörten bereits in der Vergangenheit Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie zu den ersten, die unter der Computerrevolution zu leiden hatten. Das heißt, dass sämtliche Fabrikarbeit, die sich auf eine Reihe festgelegter, sich wiederholender Bewegungen reduzieren lässt, auch mit der Zeit verschwinden wird.

Überraschenderweise – so Kaku – gibt es eine große Gruppe von Arbeitern und Angestellten, die die Computerrevolution überleben und sogar aufblühen werden. Die Gewinner werden diejenigen sein, die nichtrepetitive Aufgaben erfüllen, welche Mustererkennung erfordern. Polizisten, Bauarbeiter, Gärtner oder Installateure – sie alle werden auch künftig einen Job haben.

Bauarbeiter benötigen für jede Aufgabe andere Werkzeuge, Blaupausen und Anweisungen. Keine zwei Baustellen oder zwei Aufgaben sind identisch. Polizisten müssen eine Vielzahl von Verbrechen in unterschiedlichen Situationen analysieren. Darüber hinaus müssen sie die Motive und Methoden der Gesetzesbrecher verstehen, was weit über die Fähigkeit eines Computers hinausgeht. Ebenso sind jeder Garten und jeder Abfluss anders und erfordern unterschiedliche Werkzeuge und Fähigkeiten.

Unter den Angestellten werden diejenigen zu den Verlierern gehören, zu deren Aufgaben Inventuren und rein repetitive Tätigkeiten gehören. Auf niedriger Ebene tätige Agenten, Makler, Verkäufer, Kassierer, Buchhalter usw. werden zunehmend ihren Arbeitsplatz verlieren. Bereits heute umgehen viele den Verkäufer im Reisebüro, indem sie Flugtickets, Hotels und Leihautos über das Internet buchen.

Kaku gibt denjenigen Menschen im Mittelbau eine gute Zukunftsperspektive, die den Wert ihrer Arbeit erhöhen und die kreativ sind. Dazu rechnet er unter anderen Künstler, Schauspieler, Softwareschreiber, Führungspersönlichkeiten, Analytiker und Wissenschaftler, aber auch zum Beispiel Menschen, die sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigen.

Auch Führungsqualitäten werden in Zukunft eine wertvolle „Ware“ sein. Teilweise besteht Führung darin, sämtliche verfügbaren Informationen, Sichtweisen und Optionen zu bewerten und dann die zielführende zu wählen. Führung ist deswegen so komplex, weil es darum geht, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit all ihren persönlichen Stärken und Schwächen zu erkennen, zu motivieren und zu leiten. All dies verlangt ein ausgeprägtes Gespür für die menschliche Natur und für Marktkräfte, was weit über die Fähigkeiten eines Computers hinausgeht.

All diese Entwicklungen in unserer Arbeitswelt sind zwar von weltweiten Trends abhängig. Das heißt aber nicht, dass national und regional keine Aktivitäten notwendig sind, um die künftigen Entwicklungen positiv zu beeinflussen. Deutschland ist heute eine der führenden Wirtschafts- und Exportnationen und zählt zu den innovativsten Ländern weltweit. Diese Position gilt es zu behaupten und zu sichern.

Innovationen für die Arbeit von morgen

Die Bundesregierung hat im Januar 2016 das Programm „Zukunft der Arbeit. Innovationen für die Arbeit von morgen“ vorgelegt.50 Damit will sich die Bundesregierung den Veränderungsprozessen stellen, die sich aus den drei großen Trends Globalisierung, demografische Entwicklung und Digitalisierung für die künftigen Produktions- und Dienstleistungen ergeben. Die Konzeption und Umsetzung dieses Förderprogramms erfolgt in enger Abstimmung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Sozialpartnern.

Die Ergebnisse dieses Programms sollen Gestaltungsmöglichkeiten liefern, die für die Zukunft der Arbeit zum Standard werden können. Dabei kommt es darauf an, dass entsprechende Lösungen insbesondere auch mit und für den deutschen Mittelstand entwickelt und möglichst alle Chancen für Beschäftigte und Unternehmen in gleicher Weise genutzt werden. Kleine und Mittelständische Unternehmen (KMU) beschäftigen in Deutschland rund 16 Millionen Menschen, 4 Millionen stehen im Handwerk in einem festen Arbeitsverhältnis. Damit sind KMU und Handwerk neben den international agierenden Konzernen tragende Säulen der deutschen Wirtschaft.51

Die Umsetzung des Programms „Zukunft der Arbeit“ soll neben den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit in gleichem Maße die Bedürfnisse der Menschen im Arbeitsprozess berücksichtigen. Die Bundesregierung will Innovationen in Betrieben fördern, um technischen Fortschritt auch für soziale Innovationen zu nutzen und dadurch neue Arbeitsprozesse und ein Miteinander der Sozialpartner voranzubringen.

Qualifizierung und Kompetenzentwicklung werden dabei als Schlüssel angesehen, um die wirtschaftlichen Potenziale der Digitalisierung zu heben und faire Zugangschancen für den Arbeitsmarkt der Zukunft zu eröffnen. Dabei sucht die Bundesregierung nach neuen Antworten auf die Frage, welche Kompetenzen Beschäftigte und Unternehmen benötigen, um den Strukturwandel zu nutzen, gute Arbeit zu leisten und damit wettbewerbsfähige Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können.

Fördermaßnahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ zielen auf verschiedene Projekte ab:52

• Projekte, die modellhaft aufzeigen, wie in der digitalen Arbeitswelt von morgen die Beschäftigung gesichert, die Arbeitsbedingungen verbessert und die Produktivität gesteigert werden können.

• Projekte, die neue Wertschöpfung mit neuer gut gestalteter Arbeit vereinbaren und dabei modellhaft aufzeigen, wo und wie neue Arbeit in Deutschland entsteht.

• Neue, auf den Menschen ausgerichtete Konzepte der Mensch-Maschine-Interaktion und deren pilothafte Realisierung.

• Projekte zur Gestaltung der „Unternehmen der Zukunft“, zum Beispiel hinsichtlich der Flexibilisierung der Arbeit (unter anderem bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben), angepasste Präventions- und Arbeitsgestaltungskonzepte zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit oder neue Arbeits- und Beschäftigungsformen, die auch Fragen hinsichtlich Mitbestimmung und Beschäftigtendatenschutz aufwerfen können.

Die Bundesregierung hat sich viel vorgenommen, um die Entwicklung der künftigen Arbeitswelt positiv zu beeinflussen. Aber täuschen wir uns nicht: Viele Entwicklungen müssen die Betriebe und die Beschäftigten selbst meistern, viele Entwicklungen unterliegen zudem globalen, nur schwer zu beeinflussenden Megatrends.

Arbeit verleiht Würde und Identität

Für die künftige Arbeitswelt gilt es, möglichst vielen Menschen ihren Arbeitsplatz zu erhalten, auch wenn er sich in den Anforderungen wandelt. Es gibt viele Gründe, warum Menschen jetzt und in Zukunft arbeiten. Für die meisten Menschen steht die Absicherung des Lebens für sich und ihre Angehörigen im Vordergrund. Arbeit verleiht Würde und Identität. Darüber hinaus ermöglicht sie Menschen Teilhabe, Aufstieg, Prestige und Erfolg. Viele Menschen arbeiten, um die eigenen Talente zu entfalten, sich selbst in der Arbeit zu verwirklichen oder um Kontakt, Anerkennung und Bestätigung in der Gemeinschaft zu finden. Ob aus Pflicht, Berufung oder Freude – Arbeit ist und bleibt auch künftig für jeden Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt zentral.

Aber unzählige Fragen stellen sich zur künftigen Arbeitswelt, wie zum Beispiel: Ältere Arbeitnehmer werden mit ihrem Know-how für die Betriebe tendenziell zwar wichtiger, gilt das aber auch für alle älteren Arbeitnehmer? Wie lassen sich bei schweren körperlichen Arbeiten die künftigen Anforderungen bewältigen? Werden wir alle künftig noch länger und unter mehr Stress arbeiten müssen oder ermöglichen uns neue Arbeitsformen eventuell auch eine entspanntere Arbeit und eine bessere Kombination zwischen Arbeit und Privatem?

Nur fünf Stunden Arbeit jeden Tag?

Werfen wir hierzu mit Kathrin Werner53 einen Blick nach Kalifornien zu einem Modell, das für etliche wohl verlockend klingt, das aber auch künftig wohl eher noch eine Ausnahme darstellen wird: Stephan Aarstol ist der Gründer einer Firma für Steh-Paddelbretter in San Diego mit inzwischen elf Mitarbeitern. Aarstol arbeitet jeden Tag nur fünf Stunden und hat das auch für alle seine Mitarbeiter zur Vorgabe gemacht. Um acht Uhr morgens erscheinen alle Mitarbeiter im Büro in San Diego, um 13.00 Uhr sollen alle gehen. Gleichzeitig hat er angefangen, fünf Prozent der Gewinne unter seinen Mitarbeitern zu verteilen. Im Ergebnis verdienen einige seiner Mitarbeiter pro Stunde jetzt fast doppelt so viel wie vorher.

Aarstol: „Meine Mitarbeiter und ich haben angefangen, unser Leben mehr zu genießen, als wir es je für möglich gehalten hätten. Und gleichzeitig wurden wir unglaublich produktiv im Büro.“

Ganz so großzügig, wie es klingt, war Aarstols Angebot jedoch nicht. Denn die kürzere Arbeitszeit war nicht mit geringerer Arbeitsbelastung verbunden, sie war nur eine Aufforderung, effizienter zu arbeiten. Richtige Arbeit macht nur zwei bis drei Stunden pro Tag aus, sagt der Gründer. Den Rest verschwenden vor allem Büromitarbeiter mit unnötigen E-Mails, Privatangelegenheiten, Internet-Surfen, Kaffeepausen und Tagträumen. Damit sollten seine Leute aufhören – und stattdessen früh nach Hause gehen oder über Seen und Meere paddeln.

Seit der Umstellung auf das neue Arbeitszeitmodell stiegen die Umsätze der Firma von Stephan Aarstol um 40 Prozent auf fast zehn Millionen Dollar.

Das Beispiel zeigt, dass ausgefallene Ideen kreativer Unternehmer unsere künftige Arbeitswelt weiterführen könnten. Auch zeigt es, dass die Wertschöpfung, die jeder Arbeitsplatz leistet, nicht in erster Linie von der Dauer der Anwesenheit des Einzelnen abhängt, sondern davon, wie intelligent und effizient der Einzelne seine anstehenden Aufgaben bewältigt und welche Möglichkeiten der Betrieb dafür bietet.

Die Arbeitswelt wird weiblicher

Auch von zwei wichtigen Aspekten wird die Arbeitswelt von morgen geprägt sein: Die Arbeitswelt wird weiblicher und die älteren Beschäftigten werden stärker gebraucht.54

Frauen bekommen zunehmend größere Berufschancen. Sie sind immer besser qualifiziert und bauen ihre bisherige Benachteiligung gegenüber männlichen Kollegen Schritt für Schritt ab. In der künftigen Arbeitswelt werden Frauen verstärkt präsent sein als Firmengründerinnen, in kreativen Berufen, aber auch in Technik-, IT- und Beratungsberufen. Als Führungskräfte setzen Frauen neben ihrer fachlichen Kompetenz vor allem auf ihre soziale Kompetenz und dringen damit – wenn auch langsam und oft mühsam – in die Vorstandsetagen vor.

Frauen legen besonderen Wert auf das Gleichgewicht von Berufs- und Privatleben. Familie und Freunde haben ebenso Bedeutung wie Arbeiten im Beruf.

Ältere Mitarbeiter werden verstärkt gebraucht

Ältere Beschäftigte werden von den Unternehmen künftig wieder verstärkt nachgefragt. Der Jugendwahn früherer Jahre tritt bei vielen Betrieben wieder hinter eine realistische Beurteilung der Qualitäten und Kompetenzen der älteren Arbeitnehmer zurück. Geschätzt wird dabei sowohl die umfangreiche Berufserfahrung als auch Lebenserfahrung.

Ältere Mitarbeiter verfügen über langjährige Kenntnisse und Erfahrungen, sie haben gelernt, Ziele beharrlich zu verfolgen, aus Fehlern zu lernen und sie lassen sich nicht so schnell durch zum Teil unnötige Hektik aus der Ruhe bringen.

Um die Qualitäten der älteren Mitarbeiter im notwendigen, schon allein demografisch bedingten Umfang nutzen zu können, müssen die Unternehmen künftig Arbeitsbedingungen gesünder und stressfreier gestalten und mehr Flexibilität durch flexible Arbeitszeiten und einen gleitenden Eintritt in den Ruhestand ermöglichen.

39 Zur Frage der künftigen Arbeitswelt siehe unter anderem: Ulrich Reinhardt; Reinhold Popp: Schöne neue Arbeitswelt? Was kommt, was bleibt, was geht, Hamburg 2018; Horst, W. Opaschowski: Deutschland 2030. Wie wir in Zukunft leben, Gütersloh 2013, S. 132 ff.; oder: Thies Claussen: Zukunft beginnt heute. Gedanken zur Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Technik, Hamburg 2018, S. 21 ff.

40 Vgl. https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/arbeit-der-zukunft-wie-sich-die-ar-beitswelt-2035-von-heute-unterscheidet/11700318.html [Stand: 28.1.2020]

41 Ebd. S. 10 ff.

42 Die Debatte wurde insbesondere durch eine Studie von Frey/Osborne aus dem Jahr 2013 zu den Automatisierungsrisiken für Beschäftigte durch die Digitalisierung ausgelöst. Danach sei fast jeder zweite Arbeitsplatz durch die Digitalisierung bedroht. Vgl. Carl Benedikt Frey,; Michael, A. Osborne: The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation?, Oxford 2013

43 Vgl. Max Hägler,: Siemens-Chef plädiert für ein Grundeinkommen, in: Süddeutsche Zeitung vom 20.11.2016; https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sz-wirtschaftsgip-fel-siemens-chef-plaediert-fuer-ein-grundeinkommen-1.3257958 [Stand: 28.1.2020]

44 Matthias Horx,: Fünf Thesen zur Zukunft der Arbeit, unter: https://www.zukunftsin-stitut.de/artikel/fuenf-thesen-zur-zukunft-der-arbeit/ [Stand: 27.1.2020]

45 Vgl. hierzu Ulrich Reinhardt; Reinhold Popp: Zukunft! Deutschland im Wandel – Der Mensch im Mittelpunkt, Wien/Zürich 2015, S. 120 f.

46 Bertelsmann-Stiftung: 2050: Die Zukunft der Arbeit. Ergebnisse einer internationalen Delphi-Studie des Millennium Project, Gütersloh 2016

47 Ebd. S. 9 ff.

48 Michio Kaku: Die Physik der Zukunft. Unser Leben in 100 Jahren, Hamburg 2013

49 Vgl. im Folgenden ebd. S. 458 ff.

50 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zukunft der Arbeit. Innovationen für die Arbeit von morgen, Bonn 2016.

51 Ebd. S. 11 und S. 16 ff.

52 Ebd. S. 19 ff.

53 Kathrin Werner: Mehr Freizeit, gleiche Arbeit, in: Süddeutsche Zeitung vom 7.9.2016, S. 15

54 Vgl. unter anderem: Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zukunft der Arbeit. Innovationen für die Arbeit von morgen, Bonn 2016, S. 10; oder: Ulrich Reinhardt; Reinhold Popp: Schöne neue Arbeitswelt? Was kommt, was bleibt, was geht, Hamburg 2018, S. 112 ff.

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