Читать книгу Auf dem Schachbrett der Sowjetunion, die DDR - Thilo Koch - Страница 4
Ein persönliches Vorwort
ОглавлениеEs hat mich nie befriedigt, die deutsche Frage immer nur von deutschen Stand punkten aus zu betrachten. Was der Krieg von Deutschland übrig ließ, ist unauflöslich gebunden an die bestimmende Welt-Konfrontation des Vierteljahrhunderts seither, an den Ost-West-Konflikt. Man versteht also nicht, was Teilung Deutschlands und Wiedervereinigungsverlangen, Entwicklung zweier deutscher Staaten in den letzten zwanzig Jahren, Berlin-Frage, Ulbricht-Regime, Alleinvertretungsanspruch usw. sind, wenn man nicht all das auch von Washington und Moskau, London, Paris, Prag, Warschau aus betrachtet.
Ich lebte von 1945 bis 1960 in Westberlin. Es waren entscheidende Jahre und sicherlich die prägenden Jahre in meiner journalistischen Tätigkeit. Schon lange reizte es mich, die Deutschlandpolitik Moskaus einmal näher zu betrachten. Meine Jahre in Washington und die Zeit jetzt wieder in Deutschland ergaben den inneren Abstand, den eine solche Betrachtung fordert.
Wie es dem Journalisten geht – es ist kein wissenschaftlichzeitgeschichtliches Werk daraus geworden. Vielmehr entstand von August bis Dezember 1969 zunächst eine Fernsehsendung (NDR) und dann dieses hier vorgelegte Buch. Es wendet sich an Leser aller Generationen im heutigen Deutschland – erreichen kann es nach Lage der Dinge nur wieder die 60 Millionen hüben, nicht die 17 Millionen drüben.
Was ich mir im Text dieses Versuchs soweit wie möglich versagte, das Persönlich-Gefühlsmäßige – hier darf ich ein Wort dazu sagen. Ich bin drüben geboren und aufgewachsen, freilich zu einer Zeit, als die Provinz Sachsen noch ebenso selbstverständlich zu einem Deutschen Reich gehörte wie meine derzeige Wahlheimat Baden-Württemberg. Ich ging sehr frühzeitig aus der »Zone« nach Westberlin, weil ich schon 1945 überzeugt war, daß jeder Sieger seine Beute halten und nutzen würde.
Ohne jeden inneren Vorbehalt, ja in Dankbarkeit, bin ich heute ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Aber vergessen kann ich Kindheit und Jugend an Saale und Elster ebensowenig wie meine 15 Jahre an der Spree. Überblicke ich meine journalistische und schriftstellerische Arbeit, so galt sie zum größten Teil dem Problem der deutschen Teilung. Dies erklärt, warum es mir schwer wurde, eine politische Bilanz zu schreiben, die keine Wiedervereinigungshoffnungen mehr zuläßt.
Diese Schrift erscheint in einem Augenblick, da eine neue Bundesregierung es mit einer Politik der »besonderen Beziehungen« zum zweiten Staat deutscher Nation versucht. Es sieht, fürchte ich, nicht so aus, als würden diese besonderen Beziehungen Platz haben auf dem Schachbrett der Sowjetunion. Aber vielleicht sollten wir sehr langfristig denken, was die Entwicklung in Europa angeht. Nur: werden kommende Generationen von Deutschen hüben und drüben überhaupt noch besondere Beziehungen zueinander wollen?
Ich möchte hier einigen Persönlichkeiten dafür danken, daß sie aus ihrer profunden Erfahrung heraus zu einzelnen Aspekten des Themas im Rahmen meines Textes Stellung nahmen. Es sind dies, in der Reihenfolge, in der sie zu Worte kommen:
Kamil Winter, bis 1968 Chef der Fernsehtagesschau in Prag, heute in London lebend;
Johann Adolf Graf Kielmansegg, bis 1968 NATO-Oberbefehlshaber Europa-Mitte;
Dr. Klaus Dieter Arndt, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium der Bundesrepublik;
Wolfgang Leonhard, Autor von Büchern wie »Die Revolution entläßt ihre Kinder«, »Sowjetideologie heute« u. a. m.; Dr. Hans Walter Berg, Asienkorrespondent der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD) und vieler Zeitungen.
Zu danken habe ich ferner Michael Wolf Thomas, der den dokumentarischen Anhang des Buches besorgte. Schließlich danke ich meinen Freunden und Kollegen Peter Otto, Hans-Ullrich Barth, Helmut Reinhardt für ihre Hilfe beim Manuskript der diesem Buche vorausgegangenen Fernsehsendung.
Hamburg, im Dezember 1969 Thilo Koch