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Wo sind denn alle?

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In der Eingangshalle von Deep Fog Castle gab es für den Rest des Abends nur ein Thema. Wohin Belle auch blickte, alle redeten nur über den vereitelten Diebstahl.

„Man muss die Kühnheit dieses Phantoms regelrecht bewundern!“, trompetete Dick Snyder in die Runde. Belle blieb stehen, um ihm zuzuhören. „Wenn er nicht so ein Schurke wäre – er wäre glatt ein spannendes Mitglied für den ACE.“

Die Umstehenden protestierten heftig. Oliver neben ihm untersuchte gerade die spannenden physikalischen Gesetze, die hinter dem Trinken mit Strohhalm steckten.

Dick Snyder sah ihm kopfschüttelnd zu. „Ich wünschte, unser Oli hätte auch nur ein kleines bisschen von diesem Mut, aber er ist leider völlig aus der Art geschlagen.“

Belle sah, wie Oliver rot wurde. „Ich heiße Oliver, Papa“, piepste er zurück.

Dick Snyder knuddelte ihn väterlich. „Junge, ich meine es nicht so“, versuchte er zu beschwichtigen. „Maximov wird aus dir einen großen Abenteurer machen. Da bin ich mir hundertprozentig sicher. Du wirst eines Tages vollenden, was deiner Großmutter und mir nicht gelang: das Aufspüren der Ruinen von Batavia!“

Er legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. Oliver machte ein Gesicht, als wäre sie schwer wie ein Mühlstein. Als er zu Belle hinübersah, drehte sie sich schnell weg. Bei einem weiteren Gespräch an diesem Abend würde der Nerd sie sicher als gute Freundin ansehen und darauf hatte Belle absolut keine Lust. Um richtige Freunde zu finden war es klug, sich von Gestalten mit Pullunder und Sandalen fernzuhalten.


Belle stellte sich in einen Pulk mit älteren Schülern. Doch die dachten gar nicht daran, mit einer Neuen zu sprechen. Und Belle war viel zu stolz dafür, um um Aufmerksamkeit zu betteln.

Also trank sie ihren Saft aus und ging ins Obergeschoss. Ohne die Panik des Zuspätkommens fand sie den Weg sofort.

Doch mitten im Gang blieb sie stehen. Die Tür von Zimmer Luxor stand weit offen. Leise schlich Belle sich an. Hektische Geräusche drangen in den Flur, als würde jemand ihren Schrank durchwühlen. In Belles Innerem schrillten Alarmglocken. War das Phantom wieder ausgebrochen und knackte nun ihr mageres Sparschwein? Mit einem Satz sprang Belle in den Raum.

„Was machst du da?“, rief sie.

Ein Mädchen mit Billionen von schwarzen Haaren auf dem Kopf stieß einen spitzen Schrei aus.

Erschrocken drehte sie sich zur Tür um. Auf ihrem Arm turnte ein Tier herum.

Das Mädchen, das auf dem verschwindenden Elefanten angekommen war! Warum war Belle beim Anblick des Rucksacks nicht gleich auf sie gekommen?

„Tschuldigung“, sagte Belle. „Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber die Tür …“

Das Mädchen lächelte verlegen. „Ich mag es nicht, in geschlossenen Räumen zu sein. Da fühle ich mich immer wie im Käfig.“

Sie stoppte und streckte Belle ihre Hand entgegen.

„Ich bin Oni, wir sind wohl Zimmergenossinnen – oder was sagt man dazu?“

Belle nahm die Hand. „Ich bin Belle. Und wer ist dieser putzige Kerl hier?“

Sie versuchte, dem Tierchen mit dem Finger auf die Nase zu stupsen. Doch es kreischte und versteckte sich hinter Onis bombastischer Frisur.

Onis Gesicht hellte sich auf. „Das ist Anubi, mein Erdmännchen. Er ist nicht nur putzig, sondern auch unglaublich verfressen. Lass also besser nichts herumliegen, was du noch selbst essen willst, besonders keine Leckerbissen wie Skorpione, Kakerlaken oder Gottesanbeterinnen …“


Belle schüttelte lachend den Kopf. „Okay, ich achte drauf.“

Sie gähnte. „Und jetzt muss ich dringend pennen. Mann, war das ein Tag!“

Belle ließ sich rückwärts auf das Himmelbett fallen. Noch im Kippen schlief sie ein.

Als Belle am folgenden Morgen wach wurde, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Tür stand sperrangelweit auf und das Bett auf der anderen Seite des Zimmers war unberührt und leer. Oni und Anubi waren nicht da. Auch ihr Rucksack fehlte, der Schrank war leer. Sie waren offensichtlich abgehauen. Aber warum?

Belle wollte sich trotzdem auf die Suche nach ihr machen, doch es war bereits 7 Uhr 53. Um acht Uhr gab es Frühstück. Pünktlich. Auch wenn es niemand außer ihr wusste, Belle wollte kein zweites Mal zu spät kommen. Vielleicht hatte Oni ja auch einfach nur Schlafstörungen und saß bereits fröhlich kauend am Tisch?

Im Speisesaal herrschte wildes Durcheinander. Etwa vierzig Schülerinnen und Schüler waren es insgesamt. Lehrer befanden sich nicht im Raum. Auch Oni war nicht zu sehen, ebenso wenig Oliver.

Belle holte sich nur ein Glas Orangensaft und setzte sich zu ein paar bekannten Gesichtern.

Sie konnte sich erinnern, dass vier von ihnen zu ihrem Jahrgang gehörten. Sie stellten sich knapp als Zack, Polly, Akono und Mary-Jay vor, dann beachteten sie Belle nicht weiter.

„Und du?“, fragte Belle den Fünften am Tisch. Auch er wurde von dem Viererteam wie Luft behandelt. Sah er deswegen so grimmig aus?

„Connor Blaze“, antwortete der Junge einsilbig.

Belle ließ sich von seinem schroffen Ton nicht abwimmeln. „Warst du gestern auch schon da? Ich habe dich gar nicht gesehen.“

Der Junge verengte seine Augen zu Schlitzen und schüttelte schließlich den Kopf.

„Bin erst im Morgengrauen angekommen.“

„Tsss!“, machte Belle und versuchte einen Witz. „Du musst deine Eltern besser erziehen!“

„Meine Eltern sind tot“, antwortete Connor und sah aus dem Fenster.

Merde!, dachte Belle. Fettnapf, Fettnapf, fetter Fettnapf!

„Oh, das tut mi…“

Connor stand auf. „Das muss dir nicht leidtun, ist schon mehr als sechs Jahre her.“

Er nahm seine leere Müslischale und ging zum Buffet zurück.

„Dann tut es mir erst recht leid“, murmelte Belle.

In diesem Moment betrat Direktor Maximov den Saal. Augenblicklich wurden die älteren Schüler still, Maximov war offenbar für seine Strenge bekannt.

„Ich möchte euch noch mal ohne Anhang auf der Akademie des Adventure Club of Europe begrüßen“, fing Maximov an. „Auch den Neulingen sollte mittlerweile klar sein: Dies ist keine normale Schule. Die Fächer sind mit nichts vergleichbar, was ihr bisher so an unnützem Wissen vorgesetzt bekommen habt. Auch findet der Unterricht zum großen Teil gar nicht in diesem Gebäude statt.“

Maximov erzählte weiter, dass sie alle auf eine Laufbahn als Abenteurer und Wächter über magische Artefakte vorbereitet würden, dass sich jeder hier durch eine besondere Fähigkeit auszeichne, dass man viel voneinander lernen könne und so weiter und so weiter.

Mitten in der Rede flog plötzlich die Tür auf. Zwei Lehrer brachten einen Jungen herein – eigentlich trugen sie ihn mehr, als dass er lief. Oliver! Er sah ziemlich übernächtigt aus.

„Wir haben ihn im Technikraum gefunden“, erstattete der Lehrer, der wie eine Birke aussah, bei seinem Direktor Anzeige. „Wie es aussieht, hat er die ganze Nacht über ein Computerspiel gemacht.“

„Ich hab nicht gezockt!“, beschwerte Oliver sich mit piepsiger Stimme. „Ich habe meine Figur umprogrammiert. Jetzt ist sie unschlagbar!“

Ein stolzes Lächeln strich über Olivers Gesicht. Aber es hielt nur kurz. Der eisige Blick des Direktors brachte ihn zum Schweigen.

„Nun, ich bin sowieso gerade mit meinen Ausführungen am Ende“, erwiderte Maximov mürrisch. „Und nun packt eure Reisetaschen! Eure Lehrer und ich erwarten euch am Lufthafen. Abflug ist um Punkt 12 Uhr!“

Ein älterer Junge am Nachbartisch hob die Hand.

„Ja, Krasimir?“, sagte Maximov.

„Was ist aus dem Dieb geworden?“

„Ja, genau!“, rief ein anderer lachend. „Spukt das Phantom noch durch unsere Burg?“

Maximovs Augenlider flackerten. „Was soll schon aus ihm geworden sein? Wir haben ihn noch gestern Abend der Polizei übergeben.“

Die fliegende Schule der Abenteurer

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