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Zu spät!

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Mit einem Ruck wurde Belle wach. Sie brauchte einen Moment, um sich zurechtzufinden. Wo war sie? Wer war sie? Und vor allem wann war sie?

Noch völlig wirr im Kopf warf Belle Pompadour einen Blick auf die Uhr ihres Smartphones.

„Merde!“, rief sie und sprang aus dem Bett. „Merde, merde, merde!“

Belle riss ihren Seesack auf und fischte ihr Festtagskleid heraus. Gleichzeitig streifte sie ihre Hose ab und rannte los. Bevor sie die Zimmertür erreicht hatte, stolperte sie über einen Rucksack mit afrikanischem Muster darauf – der war am Nachmittag noch nicht da gewesen.

Belle knallte mit ihrer Schulter gegen den Bettpfosten. Das würde einen ordentlichen blauen Fleck geben. Zum Glück erst morgen. Mit dem Kleid über dem Kopf torkelte sie auf den Gang. Jetzt hatte sich das blöde Ding auch noch in ihrem Ohrring verhakt. Völlig orientierungslos hechelte sie einen dunklen leeren Gang entlang. Alle anderen Schüler und ihre Familien waren längst im Festsaal. Aber wie kam sie dorthin? Diese Burg war das reinste Labyrinth!

„Merde!“, fluchte sie erneut.

Endlich schaffte sie es, ihr Kleid aus dem Ohrring zu befreien. Jetzt konnte sie wenigstens wieder etwas sehen. Belle blickte auf eine riesige Wanduhr. Noch eine Minute! „Links oder rechts?“, murmelte Belle an der nächsten Kreuzung. Eigentlich hatte sie nur mit sich selbst gesprochen.

„Zum Festsaal links entlang“, antwortete die Uhr.

Belle erschrak, war aber viel zu aufgeregt, um sich noch länger zu wundern. „Danke!“, sagte sie und rannte in die angegebene Richtung. Endlich! Da vorne war die Eingangshalle, die sie schon kannte. Belle wurde langsamer. Zwei Männer mit alten Uniformen standen neben der riesigen Flügeltür. Darüber hing ein Ölgemälde von Bartholomeus van Robbemond, dem Gründer des ACE. Voller Stolz trug er seine Piratenkleidung und den dicken goldenen Ring. Er lächelte selbstsicher und unerschütterlich. Belle versuchte, es ihm nachzumachen.

Doch als Belle nur noch zwanzig Schritte vom Eingang entfernt war, schlug die Glocke der Burgkapelle. Die Wachen griffen nach den Klinken der Türflügel, gingen in zackigen Schritten aufeinander zu, verschwanden schließlich im Saal und schlossen die Tür hinter sich.

„Halt!“, rief Belle außer Atem. „Moment noch!“

Gerade als Belle die Tür erreichte, fing drinnen ein Orchester zu spielen an. Glück gehabt!, durchzuckte es Belle. So würde niemand mitbekommen, wie sie noch in den Saal schlich. Doch die Türen waren verschlossen!

„Merde!“, schimpfte Belle und dachte nach. Das hier war der offizielle Eingang für die Könige und Herzoge und Lords gewesen. Aber es musste auch noch einen Personaleingang geben. Und Belle würde ihn finden!

Sie hastete ein Stück in die Richtung zurück, aus der sie eben erst gekommen war. An einer Kreuzung bog sie ab. Der Gang, durch den sie nun lief, war deutlich niedriger als die anderen. An den Wänden hingen keine Gemälde. Belle war auf der richtigen Fährte! Sofort ging sie langsamer, ihr Herz beruhigte sich.

Plötzlich brandete in der Ferne Applaus auf. Ein Mann mit tiefer, brummiger Stimme sprach zu den Gästen. Belle konnte seine Worte nicht verstehen, doch sie waren lauter als das Klatschen der Zuhörer. Sie musste also nahe am Rednerpult sein. Belle blieb stehen und zog sich das Kleid glatt. Sie hatte keine Lust, unvermittelt wie eine zerzauste Amsel auf einer Bühne zu stehen und die Party zu sprengen. Belle schloss kurz die Augen. Dann eilte sie um die Ecke – und stieß mit etwas Weichem zusammen. Oder besser: mit jemand Weichem.

„Urrgh“, machte ein dunkle Stimme.

Belle fiel rückwärts auf den Boden. Nach einem kurzen Moment der Verwirrung blickte sie nach oben.

Die Gestalt vor ihr stand gekrümmt zwischen zwei Kulissen und presste sich eine Hand gegen den Bauch.

Belle war sich sicher, dass es ein Junge war. Er war ein wenig größer als Belle und komplett schwarz gekleidet. Sogar über dem Kopf trug er eine schwarze Haube, wie unter einem Motorradhelm. Kein Wunder, dass sie ihn hier in der Dunkelheit übersehen hatte.

Wahrscheinlich würde er gleich irgendeinen ACE-typischen Stunt aufführen oder so was. Er wartete bestimmt nur noch auf sein Stichwort.

Belle hielt ihm die Hand hin, doch die Gestalt reagierte nicht. Aber die Augen sahen Belle überrascht an.

„Hilfst du mir jetzt, oder was?“, zischte Belle.

Da zuckte hinter ihr ein Blitz auf. Belle umklammerte schützend ihren Kopf mit den Armen. Als nichts weiter passierte, öffnete Belle die Augen wieder. Mitten im Gang hing eine kleine weiße Wolke. „Was war das …?“, stammelte sie und sah wieder nach oben. Doch da war niemand mehr.

Der Raum vor Belle war leer. Es waren auch keine Schritte zu hören. Nur eine Rede durchschnitt die Stille.

Belle stand auf, schüttelte sich verwirrt und ging auf die Geräusche des Redners zu. Schließlich trennte sie nur noch ein dicker schwarzer Vorhang vom Festsaal. Belle linste hindurch. Sie war nur fünf Meter von einem weißhaarigen Mann entfernt, der wie ein Pfau über die Bühne schritt. Maximov.

Der Junge war nicht bei ihm, auch kein Motorrad. Bis auf den Direktor und einen Tisch, dessen weinrote Samtdecke rundherum bis auf den Boden hing, war die Bühne leer.

Auf Zehenspitzen schlich Belle zum Rand des Vorhangs und wartete. Nach einer halben Ewigkeit verneigte Maximov sich endlich. Applaus donnerte los.

Jetzt! Belle schlug den Vorhang zur Seite, trat in den Saal und ging schnurstracks auf einen der wenigen leeren Stühle zu. Wäre Belle geduckt gelaufen oder herumgeschlichen, wäre sie wohl jedem aufgefallen. So aber war sie beinahe unsichtbar, glaubte Belle, eine Schülerin, die den Auftrag gehabt hatte, hinter der Bühne etwas vorzubereiten.

Belle Pompadour setzte sich, stimmte sofort in den Applaus mit ein und lächelte, als wäre das eben die beste Rede gewesen, die sie je in ihrem Leben gehört hatte. Hätte Belle gewusst, dass die Augen von Catherine Noir jeden ihrer Schritte verfolgt hatten, dann hätte sie sicher nicht gelächelt …

Die fliegende Schule der Abenteurer

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