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Komm, Tröster Geist …
ОглавлениеDoch Ignatius hat Mut. Mit gebührender Vorsicht bezieht er sich ausdrücklich auf den Gottesgeist. Trost nennt er ihn. Ganz am Anfang, auf dem Krankenbett in Loyola, beobachtet der zerbrochene Held, dass Ritterphantasien ihn gut unterhalten, aber leer und traurig zurücklassen; die lesende und träumerische Begegnung mit den Heiligenlegenden aber zufrieden, froh, getröstet. Das ist der Schlüssel! »Als er die Übungen verfasste, begann er von hieraus Licht bezüglich der Verschiedenheit der Geister zu gewinnen« (BP 8). Anfangs findet er Trost nur im Gedanken, Heldentaten wie die Heiligen zu vollbringen. Als Ignatius als Pilger mit einem Muslim auf den Glauben zu sprechen kommt und von jenem die Ehre der Jungfrau Maria geschmäht empfindet, überlegt er, ob er ihm nicht einige Dolchstiche versetzen sollte. Zurückblickend urteilt er, er habe damals noch keine Ahnung von Demut, Liebe, Geduld und Klugheit gehabt (PB 15). Die Erfahrung des Geistes vertieft sich erst mit der Zeit; nur langsam bringt sie Frucht. Im Rückblick beschreibt Ignatius den Trost als die Antwort auf sein Suchen, als Erfüllung und Gegenüber seines Lebens. Immer genauer lernt er ihn erkennen und mit ihm zu leben. Seine geistliche Geschichte beginnt, »nachdem er von Gott getröstet zu werden begonnen hatte« (BP 29); immer wieder berichtet er von großen Tröstungen.
Die größte erfährt er nicht im Kirchenraum, nicht im Sakrament, während seine Spiritualität in Manresa ihren grundlegenden Ausdruck fand. »Die größte Tröstung, die er empfing, war, den Himmel zu schauen und die Sterne. Dies tat er viele Male und für viel Zeit, denn dadurch verspürte er in sich einen sehr großen Eifer, Gott unserem Herrn zu dienen« (BP 11). Auch später, berichtet P. Ribadeneira, habe er immer wieder voller Andacht den Sternenhimmel betrachtet.3 Ein wertvoller Hinweis an unsere Kirche, die den Höhepunkt oft bloß in der Eucharistie, in der Liturgie, wie sie eben ist, finden will. Sie kann sich nicht vorstellen, dass der Geist eine junge Seele dort berührt, wo er will. Und dass es Aufgabe der Kirche ist, dieser Spur und Sprache zu folgen, nicht ihre eigene durchzusetzen.
Dem reifen Ignatius ist Trost die wunderbare Erfahrung, Gott aus ursprünglichem Empfinden zu lieben, ein Ergriffenwerden jenseits des aktiven Ergreifens (GÜ 254): »Ich nenne es ›Tröstung‹, wann in der Seele irgendeine innere Regung verursacht wird, mit welcher die Seele dazu gelangt, in Liebe zu ihrem Schöpfer und Herrn zu entbrennen. Ebenso, wann sie Tränen vergießt, die zu Liebe zu ihrem Herrn bewegen, sei es aus Schmerz über ihre Sünden oder über das Leiden Christi, unseres Herrn, oder über andere Dinge, die auf seinen Dienst und Lobpreis hingeordnet sind. Überhaupt nenne ich ›Tröstung‹ alle Zunahme an Hoffnung, Glaube und Liebe und alle innere Freudigkeit, die zu den himmlischen Dingen ruft und hinzieht und zum eigenen Heil seiner Seele, indem sie ihr Ruhe und Frieden in ihrem Schöpfer und Herrn gibt.« Dieser Trost besteht aus »innerem Frieden, geistlicher Freude, Hoffnung, Glaube, Liebe und Erhebung des Geistes. Sie alle sind Gaben des Heiligen Geistes.«4
Die Unterscheidung zwischen Trost und Misstrost macht den Unterschied, auf dem alles andere aufbaut. Das Unterscheiden der Geister und das Ringen mit jenen, denen ein Suchender zu widerstehen hat – also den Grundvollzug der Exerzitien –, kann sich Ignatius nur als Geistgeschehen vorstellen. Nur weil der Geist sich immer wieder zu erkennen gibt, nur weil er Erkenntnis und Auseinandersetzung nochmals schweigend trägt, kann es so etwas wie Exerzitien geben. Der die Übungen gibt, soll immer nach Erfahrungen von Trost und Trostlosigkeit fragen (GÜ 371. 377). Denn »bei jenen, die intensiv dabei sind, sich von ihren Sünden zu reinigen und vom Guten zum Besseren aufzusteigen, ist es dem guten Geist eigen, Mut und Kräfte, Tröstungen, Tränen, Eingebungen und Ruhe zu schenken« (GÜ 315). Als Seelsorger, wo er sich sicher fühlt, spricht Ignatius unbefangen vom Wirken des Geistes im Gegenüber (BU 466). Der Bericht über die Gründung der Gemeinschaft schreibt, dass der Herr »niemandem, der ihn in Demut und Einfachheit des Herzens bittet, den guten Geist verweigert, ihn vielmehr allen im Überfluss gibt.«5 P. Ribadeneira berichtet: »Er sagte einmal in meiner Gegenwart und in Anwesenheit zahlreicher Zuhörer, er könne seiner Ansicht nach nicht ohne Tröstung leben, das heißt, wenn er nicht etwas in sich entdeckte, was nicht sein Eigen sei und auch nicht sein könne, sondern ganz von Gott abhänge.«6 Werk und Ausstrahlung des Mannes aus Loyola erzählen den Zeitgenossen vom Geist. Ignatius, so P. Nadal, sei eben nicht vorangegangen, sondern dem Geist gefolgt, der ihn führte. »Hier ist der Finger Gottes!«, ruft Paul III. aus, als er die Grundlagen der Gemeinschaft studiert.7
Im Unterschied zu vielen, die sich vor ihm auf den Geist beriefen, hat Ignatius nie eine theologische Lehre mit seinem Trostgewissen begründet; von privaten Prophezeiungen wollte er nichts wissen, solange sie nicht von der Kirche gebilligt waren (Me 310, BU 686aF). Er unterschied zwischen seiner Wahrheit, dem Willen Gottes über sein Leben, und der objektiven Wahrheit. Er wollte nicht seine Wahrheit für alle verbindlich machen, es ging ihm nur darum, ihr in ihrer Begrenztheit Geltung zu verschaffen. Als Julius III. P. Borja 1552 zum Kardinal machen will, wird Ignatius gewiss, dass er sich dem mit aller Kraft entgegenstellen soll. Aber er weiß auch, dass keiner die ganze Wahrheit erfährt. Der Wille Gottes ist größer als die Erfahrung des Einzelnen. An Borja schreibt er: »Wenn es der Wille Gottes ist, dass ich mich darin einsetze und sich andere für das Gegenteil einsetzen und Euch diese Würde gegeben wird, so gäbe es keinen Widerspruch. Denn es kann sein, dass der gleiche göttliche Geist mich dazu aus den einen Gründen und andere aus anderen zum Gegenteil bewegt« (BU 2652).
Der erfahrene Seelenführer sieht keine Möglichkeit, aus der Erfahrung des Tröstergeistes auf das Gewissen eines anderen, gar auf den Plan Gottes zu schließen. Beides bleibt offen. Aber auch umgekehrt gilt: Die Begriffe der Theologen machen die Seele nicht satt. Die Botschaft soll sich in die Muttersprache der Seele übersetzen, ihre Worte sollen mit den Zuständen der inneren Welt Verbindung aufnehmen. Wie sollen Worte nach etwas schmecken, wenn sie nicht die Sehnsucht aufsuchen! Das braucht Platz, Zeit, Begleitung: die Exerzitien. Gewiss, es gibt Grenzen, wo ein offener Widerspruch zur kirchlichen Lehre oder eindeutig Sünde vorliegt. Aber selbst diese Kriterien sind nicht in Stein gehauen. Das Verbot des Bischofs von Salamanca, seine Erfahrungen im Umgang mit der Sünde weiterzugeben, befolgt Ignatius nur vorläufig. Sein Gewissen kann es nicht akzeptieren.
Also doch: ein Zeuge des Geistes! Eingebettet in einen ununterbrochenen, oft unterirdischen und stets widersprüchlichen Strom des christlichen Glaubens an Gott in mir. Diesen Glauben stellt dieses Buch vor8: beginnend bei der Schrift, an wichtigen Wegkreuzungen innehaltend. Eine von ihnen trägt das Gesicht eines kleinen Spaniers: etwas hinkend, mit fröhlichen Augen (Me 180).