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TEIL EINS - Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd

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Als alter Soldat weiß ich, dass es in Deutschland - anders als im Nachbarland Frankreich, nicht leicht ist, als Soldat Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren. Das revoltiert mich, denke ich doch, dass es in unserer heutigen Zeit drei unumstößliche Gewissheiten gibt.

Ohne Soldaten gäbe es kein freies Land. Ausnahmen bestätigen die Regel umso mehr.

Ohne Soldaten gäbe es keine Demokratie. Nirgendwo auf der Welt.

Ohne ein starkes und vereintes Europa wird es keine Chance auf Frieden in und um Europa geben. Was zu beweisen bliebe.

Das ist meine Wahrheit. Wer aber die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.

Bevor ich mein Pferd sattle, hier einige sehr persönliche Worte zu mir. Sie dienen dem besseren Verständnis. Meine Kindheit war kein Zuckerschlecken. Als uneheliches Kind einer weißen Mutter und eines afroamerikanischen US-Soldaten hat man es in einem sittenstrengen, konservativen und von Vorurteilen geprägten Deutschland nicht leicht. Vor allem nicht auf dem Land. Im Rahmen der Familie fühlte ich mich stets geborgen, auf der Straße jedoch lauerte die Bosheit an jeder Straßenecke. Nicht selten musste ich mit den Fäusten um meine Integrität, um etwas Frieden kämpfen. Kämpfe dieser Art hinterlassen generell blaue Flecken auf der Seele und im Gemüt. Schwache Kinder bleiben auf der Strecke. Sie verdursten moralisch. Nur starken Kindern ist es vergönnt dieses Kampffeld gefestigt zu verlassen. Auch meine Jugend und das Heranreifen zum jungen Mann waren nicht sehr prägend oder irgendwie genial. Dass mir Grundsätze und Werte fehlten, wurde mir erst bewusst, als ich 1979 zur Bundeswehr eingezogen wurde. Diese Erkenntnis war nicht sofort da. Sie kam schleichend, zog sich über lange Monate, ja über Jahre hinweg. Eines Tages aber wirbelte all das durcheinander, von dem ich bisher dachte, es sei bereits geordnet. Als aus diesem unglaublichen Wirbel plötzlich Stille wurde, fühlte ich mich angekommen. Angekommen in der damals eher komplexbefreiten Welt der Uniformträger. Der Dienst gefiel mir und so blieb ich vier Jahre.

Später dann - wir schrieben bereits das Jahr 1985, bewarb ich mich bei der französischen Fremdenlegion. Ich wurde auf Anhieb genommen. Im Jahr 2002, nach einundzwanzig Jahren Armee, hängte ich die Uniform definitiv an den Nagel. Es folgten lange interessante Jahre, ausgefüllt mit vielen Jobs im internationalen Sicherheitsgewerbe.

So kann ich guten Gewissens behaupten, dass ich ein vielgereister Mann bin. Immer jedoch, wenn es in der Vergangenheit darum ging mein grundsätzliches Nicht-Einverstanden-Sein gegenüber irgendeiner Sache meine Heimat - und Europa betreffend auszudrücken, schwieg ich. Mein ständiges auf Achse sein war nicht der einzige Grund für mein Schweigen. Um gehört zu werden, so war ich bisher der Meinung, sollte ein Mann sich politisch engagieren. Jahraus, jahrein den Koffer in der Hand, fand ich, dass jede Form von politischem Engagement eine Sache der Sesshaftigkeit sei.

Wer mitreden will, so sagte ich mir, muss zu Hause bleiben. Nur das macht Sinn. Mich politisch zu engagieren aber - und das wusste ich, würde mir mein Recht nehmen, mit eigener Stimme zu sprechen. Heute habe ich meine Koffer abgestellt. Und ich bin nicht grundsätzlich einverstanden. Nicht mit allem. Sprachrohr einer Partei oder einer Lobby zu sein, lehne ich ab. Ich spreche in eigener Sache, weil keine politisch angehauchten Ketten mich zur Räson rufen. Weil ich ein freier Mensch bin.

Jetzt, im Alter - ich bin sechsundfünfzig, beginnt ´la dernière ligne droite`, die letzte gerade Linie. Sehr zurückgezogen lebend, sehe ich daher keinen Grund, nicht auf die Beobachtungen meines oft turbulenten Soldatenlebens zurückzugreifen. Als ehemaliger Uniformträger und Unteroffizier gleich zweier europäischer Länder nehme ich mir das Recht heraus, einige Worte zur ewigen Debatte einiger in den Medien immer wiederkehrenden, schwerwiegenden Themen anzubringen.

Zum einen geht es um die Verunglimpfung unserer Soldaten vonseiten der Gesellschaft und vonseiten einiger Politiker. Die Rede ist unter anderen von den Traditionen der Truppe. Das Thema führt uns unweigerlich in die dunkelste Epoche deutscher Geschichte: Zu den Schandtaten des Nazi-Regimes!

Als Mensch und Soldat hege ich höchstens Abscheu für das, was wir unter dem Begriff Nationalsozialismus verstehen. Man muss aber darüber reden können. Und man sollte auch fähig sein, die Spreu vom Weizen trennen. Nicht alles was aus dieser Zeit bis zu uns vordringt war schlecht und nicht jeder Soldat in Hitlers Armee war ein skrupelloser Nazi. Wer heute in der Öffentlichkeit steht und eine ansprechende Position hat, der verallgemeinert gerne. Man will und muss ja schließlich politisch korrekt sein. Alleine die bloße Erwähnung der Worte Hitler oder Waffen-SS bringt Männer und Frauen, insofern sie öffentliche Ämter bekleiden, in Teufels Küche. Das ist umso wahrer, wenn diesen beiden Worten ein – egal wie, positiver Touch anhaftet. Je mehr man aber verallgemeinert, desto leichter macht man es sich selber und desto schwerer wird es, auch mal eine ganz andere Wahrheit zu akzeptieren. Zum Beispiel die, dass der gewöhnliche deutsche Soldat ein guter Soldat war. Setzen wir hinter dem Wort Moral mal ein großes Fragezeichen, so durfte an seiner fachlichen Kompetenz kaum gerüttelt werden.

Zum anderen möchte ich meine Meinung zur militärischen Einsatzkonzeption Europas kundtun und versuchen, aus meiner Sicht zu erklären, warum beides – ein gezähmter Soldat und eine schlagkräftige Europa-Armee, eng zusammenhängt aber in dieser Konstellation, gezähmt – schlagkräftig, eben nicht zusammenpasst. Der Leser darf sich nicht davon irritieren lassen, dass einerseits von einer Bastion Europa die Rede ist und dass nur eine Seite weiter von einem offenen Weltenstaat ganz ohne Grenzen gesprochen wird.

Die Bastion Europa?

Wir sind auf dem Weg dorthin. Ihn zu gehen, ist richtig.

Und für den Rest? Für diesen Weltenstaat?

Nun, bald schon werden wir feststellen, dass wir nur zwei Wege beschreiten können. Entweder raffen wir uns zusammen und werden eins oder wir gehen geschlossen einer Katastrophe entgegen. Unser Überlebensinstinkt wird uns sicher mitteilen, dass er erste Weg der richtige ist. Hier müssen wir sorgsam darauf achten, die Etappen nicht zu überspringen. Ein vereintes starkes Europa mit einer gemeinsamen Europa-Armee, bestehend aus mündigen, kritischen professionellen Soldaten ist ein Beginn. Erst wenn wir dieses anspruchsvolle Ziel gemeistert haben, folgt der nächste Schritt: Der Übergang in eine neue Weltordnung! Ich sehe in Teilstrecken, denke nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten plus.


Der gezähmte Soldat

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