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Quelle connerie la guerre!

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Welch Dummheit, dieser Krieg!“

(Colonel Michel Poulet, Regimentskommandeur des 2. REP 1992 - 1994)

Anfang des Jahres 1992 gingen wir Legionäre des 2. REP unseren ganz normalen Gepflogenheiten nach. Ständige Operationen, Einsätze und Manöver, das war unser tägliches Brot. Es lagen schwere Monate des Einsatzes hinter uns, hauptsächlich in Afrika: Tschad 1990 (Opération Epervier), Ruanda 1990 (Opération Noroît), wieder Tschad 1991, Irak 1991 (Opération Daguet – nur GCP) wir fanden einfach keine Ruhe, aber das war gut so. Schweiß auf der Stirn, die Kampfstiefel an den Füßen, ein Leben am Limit und im Ungewissen, einen Rucksack oder besser noch den Fallschirm auf dem Rücken, das war unser Leben. Gegen Ende des Jahres, am 09. Dezember 1992, intervenierte unsere 3. Kompanie in Somalia. Die Opération Oryx (Restore Hope) nahm ihren Lauf. Legionäre und US Marines kämpften Seite an Seite. Somit waren wieder einmal fast alle Kompanien im Einsatz oder wie wir, damit beschäftigt, den Rucksack und die Bündel zu schnüren um in ein Einsatzgebiet zu verlegen. Den Männerschlag Paras Legion zu beschreiben, der in den Jahren 1987 bis in diesen Sommer 1992 hinein das Regiment prägte, dazu bräuchte es zehntausend Worte. Ich versuche es mit drei: Rastlosigkeit, Professionalität, Stolz! Von Mitte März bis Mitte Juli 1992 war ich als junger Unteroffizier mit meiner Kompanie für eine Kurzmission (MCD) in Dschibuti zur Opération Iskoutir abkommandiert. Kurz nach unserer Rückkehr kam es in Calvi zu einer Kommandoübergabe.


Links im Bild: Colonel Remy Gausseres, Chef de corp du 2. REP. Handshake mit dem Autor im Tschad, 1991

Unser Regimentskommandeur, Colonel Remy Gausseres, von dem ich sehr große Stücke hielt, von dem aber einige sagten, dass das Regiment nur wegen ihm nicht geschlossen im Irak zum Einsatz gekommen war, übergab das Regiment an seinen Nachfolger, Colonel Michel Poulet. Auch dieser neue Regimentskommandeur flößte mir von Beginn an die allergrößte Ehrfurcht ein. Warum? Nun Michel Poulet war Chef durch und durch. Er war geboren, ein großartiger Kommandeur zu sein. Wir Legionäre spürten das. Zum Anlass der Montagspredigt nach trinkfesten Wochenenden pflegte er zu sagen: „Es ist normal, mit neunzehn im Einsatz sein Leben zu lassen, aber es ist eine große Dummheit, mit dreiundzwanzig Opfer eines banalen Autounfalls zu werden.“ Er meinte uns Legionäre und Unteroffiziere des 2. REP und natürlich hatte er Recht damit. Seine Worte waren stets von höchster Eindringlichkeit denn wir waren beileibe keine Chorknaben. Befanden wir uns im Einsatz, dann kämpften wir, waren wir bei der Ausbildung, dann sehnten wir uns nach Einsätzen, waren wir aber am Wochenende in der Garnison in unserer schönen Balagne (unsere Garnison war Calvi, im Nordwesten der Insel Korsika), dann ging es dort auch mal hoch her. Soldaten feiern nun mal die Feste wie sie fallen und wir bildeten da beileibe keine Ausnahme! Ich kann mich an viele Wocheneden erinnern, an denen ich und ein oder zwei Freunde das Camp Raffalli samstagnachmittags verließen, nur um kurz ein, zwei Baguettes, eine oder zwei Flaschen Wein vom benachbarten Clos Culombu und etwas korsischen Käse zu kaufen, Dinge also, die wir abends in der guten Stube bei einem tiefgründigen Gespräch genüsslich verzehren wollten. Diese Art Exkursion endete oft so, dass wir in der Stadt kleben blieben. Wir trafen andere Legionäre, zum Beispiel die der zweiten oder dritten Kompanie, die vielleicht gerade vom Einsatz zurückkamen und die natürlich immer irgendwas Aufregendes zu erzählen hatten. So ergab oft ein Wort das andere und ehe wir uns daran erinnern konnten warum wir das Camp überhaupt verlassen hatten, war es bereits Sonntag früh Punkt sieben. Und es war auch genau die Zeit, in der Emile, der Besitzer der Bar Chez Emile den letzten Drink einschenkte. Auf Emile ließen wir nichts kommen. Emile, Calvi und das 2. REP im selben Atemzug zu nennen, war normal. Wenn Emile einem Legionär, egal der Kosten und Umstände, egal des Dienstgrades, helfen konnte, dann tat er das. Er hatte in vielen Dingen wohl mehr Einfluss in der kleinen Touristen- Stadt als Bürgermeister Zanotti. Dass der Balkankrieg schon begonnen hatte, merkten wir zuerst daran, dass sich die Reihen unserer jugoslawischen Legionäre peu à peu lichteten. Auch der ein oder andere Kamerad, der nicht der slawischen Rasse angehörte, verschwand plötzlich auf Nimmerwiedersehen. Beide Kategorien, ob nun die Jugoslawen oder die, die sich ohne patriotisches Denken davonstahlen (meist waren es Deutsche, Engländer und Niederländer), kannte ich bestens. Es waren wunderbare Kameraden, deren Handeln, so unterschiedlich die Gründe auch waren, ich nur allzu gut nachvollziehen und auch verstehen konnte. Bei Letzteren war auffallend, dass es sich um Männer handelte, die in ihren Kompanien immer zu den besten gehörten. Egal was getan wurde, sie waren immer vorne dran. Sie liebten und verachteten das Leben. Und sie sahen teils spöttisch von oben auf alle diejenigen herab, die sich mit dem normalen Leben abseits aller Extreme begnügten. Das bereits recht aufregende Leben eines Legionärs im Dienste des 2. REP genügte ihnen schon nicht mehr, denn für sie war jeder Tag, an dem nicht gekämpft wurde, ein verlorener Tag.

Waren es Söldner?

Den Ausdruck Söldner möchte ich für sie nicht verwenden. Er steckt voller negativer Nuancen und wer Menschen immer nur an Hand von Klischees, an Hand von Worten, von Bezeichnungen oder nach ihrer von uns erfundenen, klassifizierten Gesellschaftsfähigkeit beurteilt, der kennt das Leben nicht. Und er tut unrecht! Aus Unwissenheit und aus einer komfortablen Situation heraus ist es leicht, jemanden einen Stempel auf die Stirn zu drücken. Schwieriger – aber richtiger – wäre es, alles von zwei Seiten zu sehen, einige Meilen in den Stiefeln dieser Menschen zu marschieren oder sich mit ihnen intensiv zu beschäftigen, bevor man sie, und sei es nur verbal, verurteilt. Marschiert bin ich mit ihnen auf drei Kontinenten, an intensiven Gesprächen hat es dabei nie gefehlt und mein Bild von ihnen ist auch heute noch klar und intakt. Meist kämpften sie nicht für Geld, sondern für eine Stange Zigaretten, für eine Essensration oder noch für eine kostenlose warme Unterbringung, denn die Wintermonate auf dem Balkan waren und sind sehr rüde. Söldner? Nein! Es waren Männer, die sich nichts vorschreiben ließen. Von niemandem. Sie nahmen ihr Leben selbst in die Hand, lebten es so, wie es ihnen gefiel. Es scheint mir wichtig, an dieser Stelle zu betonen, dass speziell diese Männer auch im Einsatz an den brenzligsten Krisenherden (Sarajevo, Mostar, im belagerten Gorazde oder anderswo), sich stets an den Ehrenkodex der Legionäre erinnerten und danach handelten. Zumindest die, die ich kannte und deren Wirken ich teilweise verfolgte, waren keine skrupellosen Bombenleger und Kampfmaschinen ohne Hirn und Moral. Es waren Soldaten, die sehr wohl zwischen Gut und Böse abwägen konnten und die sich von niemanden dazu zwingen ließen, irgendwelche Schandtaten zu begehen. Im Gegensatz zu Terroristen liebten sie die eins – eins Situation. Sie kämpften gegen gleichwertige Gegner, gegen reguläre Soldaten, gegen bewaffnete Freischärler, niemals aber gegen Unbewaffnete, nie gegen Frauen und Kinder. Die Chance, selbst getötet zu werden bestand immer. Gäbe es diese Chance nicht, dann wären sie wohl Arzt, Pfarrer oder Ingenieur geblieben, denn genau das, die Möglichkeit des eigenen Todes, der Nervenkitzel und die Ungewissheit waren das Salz in ihrer Suppe.

Vielleicht ist es für den Leser interessant zu wissen, dass der kroatische Generalleutnant Ante Gotovina (alias Grabovac) ein ehemaliger Legionär war. Gotovina diente fünf Jahre in der Legion und erlangte den Dienstgrad Caporal-chef (Hauptgefreiter). Er wurde Franzose, arbeitete lange Zeit in Frankreich in der Sicherheitsbranche und war später Mitglied des Vereines ehemaliger Fallschirmjäger der Fremdenlegion (AALP). Als 1991 der kroatische Unabhängigkeitskrieg begann, kehrte er in seine Heimat zurück. Auch der Serbe Milorad (Lukovic) Ulemek, Spitzname Legija Ulemek hatte in der Legion gedient. Er war etwa zur selben Anfangs- Zeit im 2. REP wie ich, sprich 1985 / 1986. Milorad desertierte nach kaum sechs Jahren Dienstzeit und trat erst wieder in Erscheinung, als 1992 in Jugoslawien der Krieg ausbrach.

Eine Frage der Ehre Sarajevo 1992 1993

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