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EIN MANN OHNE KOPF

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Von 1985 bis 2002 war ich Berufssoldat in der Fremdenlegion. Als solcher rannte ich wie ein Verrückter von einem ´Schlachtfeld` zum Nächsten: Grenzkonflikt in Französisch-Guayana / Suriname 1986; Einsatz gegen Wilderer in der Zentralafrikanischen Republik 1988 und 1995; Bürgerkrieg in Dschibuti 1991 – 1994; Militäroperation Épervier im Tschad 1991; Krieg in Bosnien 1992; wieder Zentralafrikanische Republik 1996; Bürgerkrieg im Kongo 1997 … und ich erspare mir den Rest. Ständig mit Gewalt, mit Hass, mit unmenschlichen Dramen und menschlicher Misere, mit Recht, meistens aber mit Unrecht konfrontiert, forderte mein Beruf auf täglicher Basis das von mir, was auch auf dem Dienstplan eines Kriegsreporters stehen dürfte: die ständige Bereitschaft bis ans Limit des Erträglichen zu gehen. Und darüber hinaus! Eines nämlich, ist gewiss: der Beruf des Soldaten, und der, des Journalisten in Krisen- und Kriegsgebieten, sind sich ähnlich. Zumindest aber besteht eine direkte Abhängigkeit. Unsere Metiers üben wir mit gespielter Leidenschaft und mit einer nicht verhandelbaren Entschlossenheit aus. Wir, die harten Hunde, glauben fast verzweifelt an das Gute unserer Aktionen. Unser Handeln stärkt uns mit jedem Einsatz etwas mehr. Denken wir. Die Wahrheit aber ist, es stärkt nur unsere äußere, die sichtbare Fassade. Die Leere, die wir in uns tragen, füllt es nicht. Und wenn unsere Zeit in der Armee, und die, in den Redaktionsstuben rum ist, dann sind wir schrecklich allein. Es ist vorbei. Die Maske wurde uns für immer vom Gesicht gerissen.

FLASHBACK …

Am Straßenrand liegt ein Mann. Er war angezogen, recht schick sogar, doch etwas fehlte. Sein Kopf. Zulu-Rebellen hatten ihn mit einer Machete enthauptet. Etwas weiter an einem Checkpoint wird ein etwa siebzehnjähriger Junge brutal auf die Knie gezwungen und mit einem Schuss ins Genick exekutiert. Das geschieht, bevor wir eingreifen können. Angeblich, so erklärte man uns später, hatte er an der Plünderung eines Supermarktes teilgenommen. Der Hunger war sein Verhängnis. Hunger? Den hat hier jeder. Man hungert nach Frieden, nach Ruhe, nach einem Leben in Eintracht. Wir fahren weiter. Kurz vor einer Kreuzung, es ist die ´Carrefour De La Patte-d'Oie`, an der es entweder zum Flughafen Maya Maya oder in die Rue Makabana geht, einer Straße, in der später ein russisches Restaurant das Licht des Tages erblicken sollte, liegen zwei nackte Menschen, eine Frau und ein Mann. Ihre aufgedunsenen Bäuche und grotesk verdrehten Gliedmaßen schimmern weiß in der bleiernen Mittagssonne. Große grüne Fliegen haben sich darauf niedergelassen. Eine Ameisenkolonne krabbelt direkt darauf zu. Für sie ist es ein Festmahl. Der Geruch, den die Leichen verströmen, süß, schwer, unerträglich, ist harter Tobak.

Eine Szene aus einem Film?

Nein!

Alles ist echt!

Dem Journalisten und Haudegen Yves Debay scheint das nichts auszumachen. Kühl und professionell schießt er ein Foto nach dem anderen. Er war darauf vorbereitet, hat schon Schlimmeres gesehen. Es ist Mitte Juni, 1997. Meine Einheit ist im brodelnden Hexenkessel von Brazzaville (Kongo) direkt am Pool Malebo (früher Stanleypool, nach Henry Morton Stanley) engagiert. Dort herrschen kriegsähnliche Zustände. Wir sind jeden Tag in Scharmützel verwickelt, kurz: es ist ein gefährliches Pflaster. Wie üblich kommt es gleich zu Beginn zu einem regelrechten Ansturm durch die, in der Mehrzahl französischen Auslands- Krisen und Kriegsreporter: Alle wollen hautnah berichten. Yves Debay, über den das französische Magazin Marianne später schreiben sollte ´er liebte den Krieg, die Soldaten, den Geruch des Schießpulvers und das Bier`, ist einer von ihnen. Er ist embedded (eingebettet in unser Regiment, hat also direkten Zugang zu allen Kriegsschauplätzen), arbeitet aber in eigener Sache für das Magazin RAIDS, (Yves gründet im Jahr 2008 auch das Magazin ASSAULT.)

Die Krisen- und Kriegsberichterstattung hat er seit seiner Jugend im Blut und bei der Fremdenlegion war er ein Urgestein, denn er berichtete nicht zum ersten Mal über uns, besser gesagt aus unserer Mitte heraus, über einen blutigen Krieg. Wie eine Hyäne des Zeitgeschehens folgte er den Spuren menschlicher Perversität. Und pervers ist Krieg allemal. Der Zufall wollte, dass er diesmal mit mir und meiner Einheit unterwegs war. Ich war Zugführer (Einheitsführer) und Yves unterlag quasi meiner Aufsichtspflicht, und was soll ich sagen? Ich war gar nicht erfreut.


Foto: Brazzaville, Juni 1997. Fremdenlegionäre bilden einen Schutzring um Zivilisten, begleiten sie zum wartenden Flugzeug und somit in Sicherheit.

Ich war zu Recht empört, denn die Einsätze überschlugen sich. In diesen Tagen jagte eine Schreckensnachricht die andere und Tote und Verletzte hatte es in unseren Reihen bereits gegeben. Und jetzt sollten wir auch noch Aufpasser für einen Journalisten spielen? Obwohl Yves ein kompetenter Berichterstatter und ein angenehmer Begleiter war, wurden die Aufträge – gerade wegen seiner Präsenz – recht schwierig.

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