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Ungereimtheiten

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Ich war vielleicht gerade mal vier Wochen alt, als ich zum allerersten Mal mit der Religion in Kontakt kam und das war für mich zwar ein richtig feuchtes, aber leider überhaupt kein fröhliches Erlebnis. Es wundert mich schon sehr, daß nicht einmal der Kinderschutzbund gegen die grausame Folter, welche die Taufe ohne Zweifel für jedes Baby oder Kleinkind darstellt, protestiert. Man hatte mich also gegen meinen Willen getauft und so betrachtete ich mich selbst auch nie wirklich als Teil jener obskuren Glaubensgemeinschaft, denn ich war nicht gefragt worden, ob ich jenem dubiosen Verein überhaupt beitreten möchte. Im Kindergarten wurde ebenfalls gebetet und ich stellte mir vor, wie die blöde Kindergartentunte, äh, -tante, immer erst brav die Hände zum Gebet faltete, um mit denselben Pfoten wenig später auf uns einzudreschen. Nichtsdestotrotz wurde ich bereits mit sieben Jahren ein begeisterter und übereifriger Ministrant, denn ich war süchtig und zwar nach Weihrauch. Das Zeug benebelte mich und machte mich total high; es sorgte dafür, daß ich innerlich abhob und von der ganzen Zeremonie so gut wie nichts mehr mitbekam. Dem Pfarrer und seinem Kaplan war das egal, für die war nur wichtig, daß sie unbezahlte Arbeitskräfte gefunden hatten, welche die Drecksarbeit für sie verrichteten. Allerdings begann ich mit der Zeit, die hochwürdigen Herren zu befummeln und das war ihnen doch sehr unangenehm. Hin und wieder steckte ich dem Pfarrer sogar einen Geldschein in die Soutane, schließlich war ich das Kind einer steinreichen Familie und er eine arme Kirchenmaus. Es war ihm peinlich, aber er nahm meine Spenden immer gerne sowie dankbar an und ließ sich dafür von mir ein wenig betatschen. Nur als mal ein Bischof bei uns zu Gast war und ich jenem einen Zehnmarkschein zustecken wollte, da lachte der nur höhnisch auf und deutete breit grinsend auf seinen goldenen Bischofsring. Damit war mir alles klar. Auch in der katholischen Kirche beuteten die da oben den kleinen Mann dort unten aus, es war bei jener Sekte also genauso wie überall. Von daher hielt ich mich nicht länger bei den Ministranten auf, sondern wollte den Dienst an den Nagel hängen. Doch dann gab es eine Reform und die ersten Ministrantinnen durften in den Kirchen ihren Dienst verrichten. Das brachte mich dazu, noch ein wenig länger mitzumachen, denn wann hatte man als Zehnjähriger schon die Gelegenheit, gleichaltrige Mädels beim Umziehen heimlich zu beobachten, außer vielleicht als Spanner im Schwimmbad! Aber irgendwann reichte es mir endgültig und ich ging.

In der Schule war es mit der Kirche ja auch so eine Sache gewesen. Im Religionsunterricht hatte ausnahmsweise der Kaplan uns bestochen. Für eine sehr gute Mitarbeit in seiner Stunde versprach er uns eine Papstmünze und wir als kleine Kinder wollten so einen Scheiß natürlich unbedingt haben. Alle glaubten, es würde nur eine von diesen blöden Münzen geben und legten sich deswegen mächtig ins Zeug. Dabei hatte der Typ bei sich daheim wahrscheinlich Hunderte von den Dingern rumliegen, deshalb bekam ich eine, eine andere ging an meine Mitschülerin und die Tochter einer Lehrerin bekam natürlich drei Stück, denn die Hierarchie mußte auch in der Schule gewahrt bleiben.

Ja, das waren also meine ersten Erfahrungen mit der Religion gewesen und in der Form ging es weiter. Bei der angeblich ach so heiligen Kommunion handelte es sich um ein Riesengetue, bei dem man die Kinder mit unzähligen Geschenken bestach und die Firmung war auch nicht gerade ein erhebendes Erlebnis. In der sonntäglichen Messe langweilte ich mich so gut ich konnte, am größten war die Freude, wenn die öde Dreiviertelstunde endlich vorüber war und man sich zum Glück wieder interessanteren Dingen widmen konnte.

Zum Beispiel Fußball. Ich kickte leidenschaftlich gerne, aber andererseits war eine Zeit lang mein größter Traum, Torhüter zu werden. Allerdings war ich im Tor leider bestenfalls Durchschnitt und auch auf den anderen Positionen erwies ich mich als ziemlich unbrauchbar, weshalb mich der Trainer zum Maskottchen degradierte. Das frustrierte mich ungemein; nur wenn außer mir niemand mehr auf der Ersatzbank hockte, durfte ich rein. Zugegeben, ich war ein bißchen pummelig, weshalb mir immer recht schnell die Puste ausging, aber deswegen hätte man mich nicht gleich dermaßen diskriminieren brauchen. Es stimmt auch, daß ich nie abspielte, sondern oft ins Toraus dribbelte oder den Ball an einen Gegenspieler verlor, was aber in erster Linie damit zu tun hatte, daß ich den Sinn jenes Ballspiels schlicht und einfach noch nicht begriffen hatte. Richtig rausschmeißen konnte mich der Trainer zu meinem Glück nicht, denn meine Eltern waren Sponsoren des Vereins und so mußte er mich hin und wieder sogar einwechseln, denn sonst hätten meine Alten die Unterstützung der Fußballer eingestellt.

Irgendwann einmal spielten wir auswärts und lagen 0:4 hinten. "Jetzt ist es auch schon egal", dachte sich unser Trainer und schickte mich aufs Feld. Ich schnappte mir den Ball, stürmte geradewegs aufs Tor zu und freute mich schon auf meinen ersten Treffer. Jedoch hatte ich mir den Ball dummerweise viel zu weit vorgelegt, weshalb der gegnerische Torwart vor mir ans Spielgerät kam. Enttäuscht drehte ich ab und begab mich auf den langen Rückweg zum eigenen Tor, als ich plötzlich einen ganz schlimmen Schmerz spürte und zu Boden ging. Sekunden später brach Jubel aus und es gab lauten Applaus von den Zuschauerrängen. "Was seid Ihr denn für blöde Arschlöcher! Ich liege hier schwerverletzt am Boden und Ihr feiert das auch noch, Ihr Soziopathen!" kam mir verärgert in den Sinn. Erst Minuten später hatte ich begriffen, was passiert war: Der gegnerische Torhüter hatte mich angeschossen und von meinem fetten Arsch aus war der Ball in seinem Tor gelandet. Mein erster Treffer sollte aber auch der letzte bleiben, denn nach jenem demütigenden Erlebnis verließ ich die Fußballmannschaft und wurde lieber ein leidenschaftlicher Schafkopfer.

Ganz bestimmt gehörte ich nicht zu den besten und intelligentesten Kartlern, aber wenn ich ein brauchbares Blatt auf der Hand liegen hatte, dann konnte ich daraus durchaus etwas machen. Ich war gut, aber nicht sehr gut, meistens gewann ich und das Schafkopfen bereitete mir dermaßen viel Freude, daß mich meine Eltern zu jedem Preisschafkopf fuhren, der irgendwo in der Nähe veranstaltet wurde. Allerdings wurden mir dort immer wieder schmerzlich meine Grenzen aufgezeigt, denn ich mußte zu meiner großen Enttäuschung feststellen, daß auch anderswo der Alte, der Blaue und der Rote gut bekannt waren. Ich landete fast immer unter ferner liefen und das nervte mich dermaßen, daß mit dem Kartenspielen bald wieder Schluß war, was meine Alten erfreut zur Kenntnis nahmen, denn sie wollten nicht jedes Wochenende in irgendeiner Gaststätte verbringen.

Mit den Mädels war es ja auch immer so eine Sache bei mir. Meine Sandkastenfreundin hatte noch vor dem ersten Schultag mit mir Schluß gemacht, dabei hatte sie früher immer über jeden Stuß gelacht. Das Schlimmste daran war, daß ich sie trotzdem noch jeden Tag in der Schule sehen mußte, was den Ablösungsprozeß nicht unbedingt erleichterte. So saß ich also nicht Händchen, sondern Hänschen haltend auf dem Pausenhof, was meine Mitschüler frech grinsend zur Kenntnis nahmen. Bei Hänschen Klein handelte es sich um einen Zwerg, der über sich hinauswachsen wollte. Das führte dazu, daß er immer alle Größeren provozierte, um dann von denen nach Strich und Faden vermöbelt zu werden. Ich hielt ihn zurück, damit er nicht wieder auf der Intensivstation des örtlichen Krankenhauses aufwachte und deswegen haßte er mich. Das führte dazu, daß ich auch vom Hänfchen klein von Hänschen Klein nichts abbekam, was mich aber nicht sonderlich störte, man konnte schließlich auch Wiesengras rauchen und die Polizei war ohnehin auf der Jagd nach jedem Gramm Gras, so als ob die Bullen die Junkies wären, die ganz dringend ihren Stoff bräuchten, um nicht auf Entzug zu müssen. Jedenfalls fielen mir in der Grundschule viele Dinge sehr schwer, ganz besonders die Besuche beim Direktor. Der mochte mich nicht sonderlich, weil ich ihn mal spaßeshalber als "Schwuldirektor" bezeichnet hatte und das hat er mir nie verziehen. Ich gab ihm regelmäßig Geld, welches er sogleich einsteckte, aber für meine fiesen Streiche bestrafte er mich trotzdem. Wenn ich zum Beispiel meinem Banknachbarn den Stuhl weggezogen hatte, bevor er sich hinsetzte und der auf dem harten Boden der Tatsachen landete, dann konnte leider nur ich darüber lachen, alle Anderen dagegen starrten mich nur ungläubig an.

In der Schule lehrte man uns viele unnütze Dinge, aber hin und wieder ausnahmsweise sogar Sachen, die man im späteren Leben möglicherweise sogar gebrauchen würde können. Dazu zählte zweifelsfrei das Schreiben und wir waren alle mit Feuereifer bei der Sache, denn Anal-Phabet wollte von uns niemand werden, weil das bedeutet hätte, daß alles für’n Arsch gewesen wäre. Wir lernten die Druckschrift, die Schönschrift und die Schreibschrift, ich jedoch bevorzugte ganz klar die Schreischrift. Jene sah so aus, daß ich beim Schreiben laut schrie, oder daß ich meiner Banknachbarin den Füllfederhalter in den Arm stach, woraufhin sie laut zu schreien begann. Du merkst schon, ich war ein rechter Tunichtgut und wechselte meine Banknachbarn so oft wie andere Leute ihre Unterwäsche, also alle zwei Wochen.

Mein BamF (Bedarf an möglichen Freiheiten)

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