Читать книгу Wenn die Stille deine Wunden heilt - Thomas Krasicki - Страница 8

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Kapitel 1

Die Tage vor meiner Hüftoperation waren sehr hart und die letzten Minuten noch viel schlimmer. Es gehen einem viele Dinge durch den Kopf, wenn man kurz davor steht, unters Messer zu kommen. Mir war natürlich nicht wohl bei der Sache, bereits in jungen Jahren operiert zu werden. Doch es sollte sich als die einzige Möglichkeit erweisen, um meine Schmerzen zu lindern.

Ich hatte seit über einem Jahr Beschwerden am linken Hüftgelenk.

Die letzten Monate verhielt es sich so schlimm, dass ich dadurch teilweise nachts nicht mehr schlafen konnte. Die Ärzte erklärten mir ausführlich meine Situation. Durch Röntgenaufnahmen wurde mir veranschaulicht, wie mein Hüftknochen aus der Hüftpfanne herausragte und somit immer wieder mit meinen Muskeln in Berührung kam. Die Reibung von Knochen und Muskeln führte letztendlich zu meinen Schmerzen. Nach langem Überlegen und weiteren ärztlichen Diagnosen entschied ich mich für die Operation.

Operation

Die letzten Minuten vor meiner OP,

es ist das erste Mal, dass ich vor dieser Hürde steh.

Das Warten bereitet mir Bauchschmerzen,

es geht vom Magen hin bis zum Herzen.

Es ist schwer, sich zu fixieren in diesem Moment,

vielleicht gibt es jemanden, der diese Situation auch kennt.

Jede Sekunde kommt einem sehr lang vor

und der Schweiß schießt richtig aus der Haut hervor.

Über was denkt man zu so einem Zeitpunkt nach?

Man liegt im Bett und ist eigentlich auch wach.

Doch wahrscheinlich hat man schon abgeschaltet,

denn jetzt gibt es jemanden, der über deine Zukunft waltet.

Es ist sehr wichtig, dass du ihm vertraust,

denn er ist der letzte Mensch, dem du in die Augen schaust.

Dann wird es dunkel und eine Nacht beginnt,

bis es wieder hell wird und dieses Schwarz verschwindet.

Nur noch die Erinnerung gibt es für dich dann,

denn ab diesem Zeitpunkt fängt ein neues Leben an.

Nach einem zweistündigen Eingriff mir wurde nämlich ein Teil meines Hüftknochens weggefräst und weiteren sechs Stunden im Reich der Schlafenden kam ich allmählich wieder zu mir.

Es dauerte seine Zeit bis ich die Orientierung wiederfand. Ich fühlte mich wie weggebeamt, so als ob ich gerade von den Toten auferstanden wäre, denn obwohl ich geschlafen hatte, war es nicht wie ein gewöhnlicher Schlaf. Für gewöhnlich träumte ich im Schlaf, doch diese Situation war so, als ob man dich in ein Zimmer einsperrt, das völlig dunkel ist, dir innerhalb von kurzer Zeit die Luft wegbleibt und du dich danach an gar nichts mehr erinnern kannst. Trotz allem ist die Operation erfolgreich verlaufen.

Nun begann für mich nun eine lange Zeit auf Krücken. Ich musste mich umstellen, war teilweise auf die Hilfe anderer angewiesen. Erst ein halbes Jahr später war ich wieder in der Lage Dinge zu tun, die für einen gesunden Menschen alltäglich waren. Sogar Fußballspielen wäre für mich wieder eine Option gewesen. Die Ärzte machten mich allerdings darauf aufmerksam, dass ich mein Hüftgelenk nicht durch häufiges Trainieren erneut belasten sollte. Für zwei Trainingseinheiten in der Woche hätte ich die Erlaubnis bekommen. Doch diese Einheiten durften auch nicht zu belastend sein. Auf niedrigem Niveau zu spielen war das Einzige, was die Ärzte mir nicht verboten hätten. Doch diese Option war alles andere, als das, was ich mir vorstellte!

Ich war immer ein Fußballer, der sich mit den besten Spielern gemessen hatte. Ich blickte immer nach oben. Mein Ziel war es, so gut zu werden, wie meine Vorbilder. Da das für mich in weite Ferne gerückt war, beschloss ich vorerst, meine Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. Vielleicht würde sich meine Meinung eines Tages ändern, doch dazu müssten schon besondere Dinge passieren. Vielleicht eine Begegnung mit einem Menschen, der die ähnliche Leidenschaft für diesen Sport besitzt, wie ich sie einst hatte.

Ich musste mir allerdings zunächst Gedanken über meine Zukunft machen, denn immerhin hatte ich jetzt viel mehr Freizeit. Der erste Schritt in meinen Plänen, war mich an der Berufsoberschule für Wirtschaft anzumelden.

Da ich nun im Sport nichts mehr erreichen konnte, wollte ich mir wenigstens die Möglichkeit für ein späteres Studium offen halten. Es war die beste Entscheidung, die ich zu diesem Zeitpunkt treffen konnte. Immerhin war ich durch die Operation mehrere Monate krankgeschrieben und hatte somit viel Zeit, um mich vorzubereiten.

Bis zum Schulbeginn waren es noch einige Wochen. Mittlerweile fiel mir zu Hause die Decke auf den Kopf. Zu sehr hatten mich die letzten Ereignisse mitgenommen. Ich dachte viel über die Vergangenheit nach, aber ich wusste auch, dass ich nichts mehr rückgängig machen konnte.

Besonders von meiner Ex-Freundin war ich sehr enttäuscht. Immer wieder tauchte sie in meinen Gedanken auf. Einige Wochen nach unserer Trennung nahm ich für sie im Tonstudio einen Song auf. Er sollte das symbolisieren, was in unserer Beziehung im Vordergrund stand - nämlich Vertrauen und gegenseitige Unterstützung, auch in schwierigen Zeiten. Das Lied war als Versöhnungsgeschenk zu ihrem Geburtstag gedacht. Doch alle Mühe sollte umsonst gewesen sein.

Ihr Herz schlug nicht mehr für mich, viel schlimmer noch, sie hatte sich neu orientiert, mich quasi von einem Tag auf den anderen ausgetauscht. Von einem Menschen verletzt zu werden, von dem man es am wenigsten erwartet, schmerzt ungemein. Mein Herz wurde in Stücke gerissen.

Ich fühlte mich leer und hoffnungslos. Mein Mädchen hatte mich in dem Moment verlassen, in dem ich sie am meisten gebraucht hätte. Ich musste mich damit abfinden, sollte allerdings aus diesen Situationen für die Zukunft lernen.

Ich wollte die letzten Wochen vor Schulbeginn nicht in meiner gewohnten Umgebung verbringen. All das erinnerte mich zu sehr an die Vergangenheit. Nach kurzer Absprache mit meiner Mutter beschlossen wir, in den Urlaub zu fahren. Meinen jüngsten Bruder Julian nahmen wir kurzer Hand mit.

Der Urlaub sollte etwas ganz Besonderes sein. Meine Mutter hatte bereits Wochen zuvor eine Reise nach Danzig, einer Stadt an der Ostsee, ins Auge gefasst. Dort lebte die Schwester meines Vaters mit ihrer Familie. Es war schon einige Jahre her, dass ich meine Verwandten das letzte Mal gesehen hatte. Umso mehr freute ich mich auf diese Reise.

Das war genau das, was ich in meiner jetzigen Lage gebrauchen konnte! Ich setzte große Hoffnungen daran, mich dort mental zu sammeln um gestärkt wieder zurück zu kommen. Es gab nur wenige Freunde, von denen ich mich verabschiedet hatte. Zumal es auch nur einige Wochen waren, die ich fernab der Heimat verbringen sollte. Einem Menschen jedoch, der mir viel bedeutete, legte ich ein Abschiedsschreiben in den Briefkasten.

Ich hatte einige Differenzen mit dieser Person gehabt und doch stand sie mir sehr nah. Vielleicht, weil sie eine der wenigen war, die ich nach meiner Operation an mich herangelassen hatte.

Bis bald

Die Zeit läuft weiter sie bleibt nicht stehen

und ich werde heute in Urlaub gehen.

Du weißt im Moment, da geht´s mir elend,

aber klar ist auch, du wirst mir fehlen.

Doch ich halte es aus, denn ich bin bald wieder da,

was danach passiert, ist heute nicht klar.

Es kommt wie es kommt, so muss ich es nehmen,

doch für meine Trauer brauch ich mich nicht zu schämen.

Pass auf dich auf, wir werden uns bald sehen,

die Zeit bis dahin wird schnell vergehen.

Und vergiss nicht, du wirst immer mein …ine sein,

sei nicht böse, denn du weißt, ich mein das nicht gemein.

Also, ciao, adios und einfach goodbye,

wenn ich meine Freude finde, bin ich wieder frei.

Ich wusste nicht wie dieser Mensch auf mein Schreiben reagieren würde. Für mich hatten diese wenigen Worte eine große Bedeutung. Das wollte ich in diesem Gedicht zum Ausdruck bringen.

Aber nun sollte ich mich auf meine Reise nach Danzig konzentrieren. Doch bevor das möglich war, verbrachte ich die letzten Stunden vor der Abfahrt damit, mir noch einmal Gedanken über die vergangenen Monate zu machen.

Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf. Am meisten war es meine Ex-Freundin, die in meinen Erinnerungen hauste. Ich hatte ihre Entscheidung damals nicht verstanden. Leider ergab sich später nie die Möglichkeit uns auszusprechen. Somit blieben viele Fragen offen.

Schlimme Erinnerung

Woche für Woche, Tage über Tage,

bin selbst schuld, denn ich brachte mich in diese Lage.

Immer diese Bauchschmerzen gehabt,

habe jedes Mal an sie gedacht.

Dachte, dass wir unzertrennlich sind,

doch da war ich wohl ein wenig blind.

Ein Team, das niemand zerstört

und nur uns beiden gehört,

war immer dieser Wunsch von mir,

das sagte ich in jener Nacht zu ihr.

Leider ist es anders gekommen,

denn sie hat sich einen anderen genommen.

Und jedes Mal, wenn ich mir meinen Kopf zerbreche,

weil ich denke, dass ich mich irgendwann dafür räche,

für das alles, was geschehen war,

dann wird mir eines jedoch klar,

ob ich mich räche oder ihr vergebe,

gehen wir in Zukunft getrennte Wege.

Das war nur einer von mehreren Texten, die meine Gefühle wiederspiegelten. Besonders wegen dieser traurigen Erlebnisse wollte ich mein Verhalten ändern. Ich wollte mich nicht mehr in die Dinge so hineinsteigern, wie ich es früher getan hatte.

Lieber alles etwas lockerer angehen, das war meine Devise. Ich musste nur versuchen, so zu leben, dass ich am Ende des Tages glücklich meine Augen schließen konnte. Das war mein oberstes Ziel, welches ich vornahm. Doch dieses Unterfangen sollte sich allerdings als nicht so einfach erweisen. Ich hatte einen Wunsch, bevor ich nach Danzig fuhr.

Wunsch

Will endlich das wiederfinden,

was ich seit langem gesucht habe,

würde mich auch dafür schinden,

denn die Einsamkeit kennt keine Farbe.

Außerdem will ich es nicht mehr dunkel haben,

denn es ist nicht leicht, diese Stille zu ertragen.

Irgendetwas muss mir die Trauer nehmen tief in mir

und soll der Engel sein, den ich an meiner Seite spür.

Denn dieser Engel soll mir Halt geben

und mir Glück bringen bis zum Ende in meinem Leben.

Zusammen werden wir später in den Himmel ziehen,

denn dort brauchen wir vor nichts mehr fliehen.

Dieses Glück kann man jedoch nicht erzwingen. Ich wusste, dass ich irgendwann einem Menschen begegnen würde, der mich in seiner ganzen Person beeindrucken sollte.

Jemand der mir durch seine pure Anwesenheit ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Wann das sein sollte, war mir nicht klar. Denn tagtäglich begegnet man fremden Menschen, von denen man sich erhofft, diese eine besondere Person zu sein. Man merkt allerdings schnell, dass solche Menschen nicht wie Blätter an Bäumen wachsen.

Für mich war ja auch nicht entscheidend, von heute auf morgen denjenigen zu finden. Denn zunächst musste ich sehen, dass ich meinen Weg wiederfand, von dem ich für eine lange Zeit abgekommen war.

Wenn die Stille deine Wunden heilt

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